Körber, Emil - Ölblatt - Eins ist not.

Körber, Emil - Ölblatt - Eins ist not.

(2. Juni 1872.)

Text: Röm. 6, 1-11.
Was wollen wir hierzu sagen? Sollen wir denn in der Sünde beharren, auf dass die Gnade desto mächtiger werde? Das sei ferne! Wie sollten wir in der Sünde wollen leben, der wir abgestorben sind? Wisst ihr nicht, dass alle, die wir in Jesum Christ getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir je mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, gleichwie Christus ist auferweckt von den Toten, durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln. So wir aber samt ihm gepflanzt werden zu gleichem Tode, so werden wir auch der Auferstehung gleich sein: Dieweil wir wissen, dass unser alter Mensch samt ihm gekreuzigt ist, auf dass der sündliche Leib aufhöre, dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist gerechtfertigt von der Sünde. Sind wir aber mit Christo gestorben: so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden; und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod wird hinfort über ihn nicht herrschen. Denn das er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben zu Einem Mal; das er aber lebet, das lebet er Gott. Also auch ihr, haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid, und lebet Gott in Christo Jesu, unserm Herrn.

Eins ist not! ach Herr, dies Eine.
Lehre uns erkennen doch!
Alles andre, wie's auch scheine,
Ist ja nur ein schweres Joch,
Darunter das Herze sich naget und plaget
Und dennoch kein wahres Vergnügen erjaget.
Erlang' ich das Eine, das Alles ersetzt,
So werd ich mit Einem in Allem ergötzt.

Dieser Vers eines alten Kirchenliedes ist mir, im Herrn Geliebte, unwillkürlich eingefallen bei der Betrachtung unserer heutigen Textesworte, die uns so eindringlich den heiligen Ernst des Christentums predigen. Eins ist not! so hat es laut und deutlich getönt in meinem Herzen, dass mir ein Beben durch Leib und Seele ging; o möchte es kräftig wiedertönen in euern Herzen! Eins ist not in diesem kurzen Pilgerleben hienieden: an Jesum Christum, unsern Heiland und Versöhner, von Herzen glauben, sich zu Ihm, unserem Herrn und Gott, ganz und gar bekehren und abtreten von dem Wege der Sünde; oder, wie unser Text es ausdrückt: wir müssen durch den Glauben mit Christo zusammengepflanzt werden, in seiner Gemeinschaft der Sünde absterben und begraben werden; unser alter Mensch muss samt Christo gekreuzigt werden, auf dass der sündliche Leib aufhöre, dass wir hinfort der Sünde nicht dienen, sondern in einem neuen Leben wandeln. Dies Eine tut not, wenn wir wahre Christen sein wollen. Freilich der Unglaube unserer Tage, der sich der Aufklärung und des Fortschritts rühmt, denkt und spricht ganz anders bei der Betrachtung unseres Textes. Ihm sind diese Worte des Apostels lauter mystische und unverständliche Dinge, lauter Rätsel und Hieroglyphen; ihm erscheint dies Alles als ein überspanntes, übergeistliches, phantastisches Gerede, das seinen Grund habe in einer dunklen, trüben Weltanschauung, da der Mensch viel schlechter gemacht werde, als er in Wirklichkeit sei. Darum schüttelt der Unglaube den Kopf und lächelt vornehm bei diesen Worten Pauli und spricht: Was? Sterben soll der Mensch, der Sünde absterben, mit Christo gekreuzigt und begraben werden? Mitnichten! Das ist Torheit. Der Mensch ist recht, so wie er ist, abgesehen von einigen Schwächen und Fehlern; er braucht nur das göttliche Leben, das in ihm liegt, anzufachen, seine Kräfte zu entfalten, die schlummernde Gottheit in sich zu erwecken und sich nach allen Seiten auszubilden und zu vervollkommnen. Was wollen wir hierzu sagen? Das wollen wir sagen: Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes; es ist ihm eine Torheit, er kann es nicht verstehen, denn es muss geistlich gerichtet werden. Wir aber, meine Lieben, wollen die Worte des Apostels verstehen und sie zu Herzen nehmen das helfe uns Gott in Gnaden dass dieselben recht kräftig in unseren Seelen werden. Dazu sei auch diese stille Stunde heiliger Andacht gesegnet, wenn wir mit einander betrachten:

Eins ist not: Wir müssen mit Christo sterben der Sünde, auf dass wir mit Christo leben in Zeit und Ewigkeit.

O Herr Jesus Christus, du einziger Mittler, Heiland und Versöhner! Du bist gestorben, der Gerechte für die Ungerechten, auf dass wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Ach vergib uns, dass wir es so oft mit der Sünde leicht nehmen, die dich ans Kreuz geschlagen und dir unsägliche Schmerzen bereitet hat. O gib, dass wir der Sünde, unserem alten bösen Ich, absterben und der Welt ein für allemal den Rücken kehren.

Liebe, zeuch uns in dein Sterben,
Lass mit dir gekreuzigt sein,
Was dein Reich nicht kann ererben,
Führ' ins Paradies uns ein!
Doch wohlan, du wirst nicht säumen,
Lass nur uns nicht lässig sein;
Werden wir doch als wie träumen,
Wenn die Freiheit bricht herein!
Amen.

I.

Eins ist not: wir müssen mit Christo sterben, der Sünde absterben! Vom Sterben spricht und hört man nicht gerne. Die Menschen suchen gewöhnlich den Tod und alle Gedanken an den Tod sich möglichst aus dem Sinne zu schlagen; sie fliehen das Sterbebett, das Trauerhaus, den Totenhof, die Ruhestätte der Toten mit einer ganz merkwürdigen Furchtsamkeit und Ängstlichkeit. Wie dies nun beim leiblichen Sterben, bei der Trennung der Seele vom Leibe der Fall ist, so ist es auch der Fall bei dem Sterben, von welchem unser Text redet, nämlich beim inneren Absterben der Sünde, bei der Trennung der Seele von der Sünde. Ach, das will uns Menschen eben gar nicht gefallen; da sträubt und bäumt sich unsere Natur. Wir wollen viel lieber in der Sünde leben, sie hegen, pflegen, liebkosen und großziehen, viel lieber, als sie töten und ihr absterben.

Ganz anders aber denkt und redet Paulus in unserem Texte. Man spürt es seinen Worten ab, dass er eine große Freude hat am Sterben der Sünde. Darum redet er ausführlich davon, sein Herz, seine Gedanken und Worte weilen gerne dabei, es ist ihm eine große, selige Tatsache, dass er der Sünde abgestorben ist. Das ist nicht etwas erst Zukünftiges für ihn, sondern es liegt hinter ihm, es ist vergangen; er hat ganz und gar mit der Sünde gebrochen. Die Sterbestunde der Sünde hat in seinem Leben geschlagen. „Wie sollten wir der Sünde leben“ - ruft Paulus im Namen aller wahren Christen aus „der wir abgestorben sind?“ O selige Sterbestunde! O selige Tatsache, große Veränderung! Unser alter Mensch ist mit Christo gekreuzigt! Das heißt: Mein sündiges Denken, Fühlen, Wollen ist ans Kreuz geschlagen und so getötet; mein altes Herz, das die Sünde liebte, ist gestorben; ein neues Herz schlägt. in meiner Brust, dessen Herzschlag von oben stammt aus dem Herzen Gottes; in diesem neuen Herzen wohnt nicht mehr die Sünde mit ihren Lüsten und Begierden, sondern Glaube, Liebe, Hoffnung. Unser alter Mensch ist samt Christo gekreuzigt, auf dass der sündliche Leib aufhöre: Das heißt: Mein Auge gafft nicht mehr nach den Eitelkeiten der Welt und der vergänglichen Lust des Fleisches; mein Ohr hört nicht mehr auf das sündliche Gerede und die faulen Geschwätze, mit welchen oft die edelsten Stunden des Lebens vergeudet werden; meine Zunge dient nicht mehr dem Hadern und Streiten, dem Richten und Räsonieren, dem Lügen und Heucheln, dem Verleumden und Lästern; meine Hand verrichtet nicht mehr die Werke der Ungerechtigkeit; meine Füße wandeln nicht mehr auf den Wegen der Sünde, sondern sie sind gestellt auf den Weg des Friedens und wandeln auf dem schmalen Pfade, der zum Leben führt. Mit einem Wort: Der Leib der Sünde hat aufgehört! So darf Paulus fröhlich ausrufen. Hinfort dienen wir der Sünde nicht mehr. Nein, seitdem ich an den Herrn Jesum Christum gläubig geworden bin, sind die Fesseln der Sünde zerbrochen, ihre Bande zerrissen, die Zeit der Sündensklaverei ist aus; das Morgenrot der Freiheit, ja die Sonne der Freiheit ist mir aufgegangen, und in ihren lieblichen Strahlen wandle ich fröhlich und vergnügt. Freiheit durchweht mein ganzes Wesen, Freiheit hebt stolz meine Brust, Freiheit macht mein Herz trunken vor Freude, Freiheit macht mein Auge glänzen und lässt mich kindlich aufschauen zu meinem himmlischen Vater die selige, herrliche Freiheit der Kinder Gottes, welche da ist eine Freiheit von der Sünde, von ihrer unseligen Schuld und von ihrer seelenverderbenden Macht und Herrschaft.

Wie gut ist's, von der Sünde frei;
Wie selig, Christi Knecht!
Im Sündendienst ist Sklaverei,
Bei Christo Kindesrecht.

Wen du frei machst, der ist recht frei;
Du schenkt ihm alle Schuld;
Und darum dank ich deiner Treu'
Und rühme deine Huld.

O mein lieber Zuhörer! Kannst auch du so rühmen, wie Paulus? Bist auch du mit Christo der Sünde gekreuzigt, gestorben und begraben? Hat auch in deinem Leben die Sterbestunde der Sünde geschlagen, die Stunde der Bekehrung, da du dich gründlich abkehrtest von der Sünde und hinkehrtest. im Glauben zu deinem Herrn und Heiland? Wir wollen uns ja nicht täuschen! Das sind wichtige, ernste Fragen; dies Eine ist not in unserem kurzen Pilgerleben. Wir wollen uns ja nicht für Lebendige Christen halten, wenn wir es nicht in der Tat und Wahrheit sind. Aber Niemand kann ein lebendiger Christ sein, als der, welcher der Sünde abgestorben ist. Sind wir der Sünde abgestorben? Das ist die große Frage. Merket wohl, im Herrn Geliebte: unser Text fragt nicht nach den schönen Rührungen des Gemüts, nicht nach den lieblichen und weichen Gefühlen des Herzens, die von Zeit zu Zeit über uns kommen, im Hause Gottes, beim Hören und Lesen des göttlichen Wortes, bei der Feier der hohen und schönen Festtage, beim Kreuz auf Golgatha oder am Grabe Jesu. Unser Text fragt nicht nach den guten Vorsätzen, die wir in Stunden heiliger Andacht gefasst haben, die aber in der nächsten Stunde oder am nächsten Tage zu Wasser geworden sind. Nein, sind wir mit Christo der Sünde abgestorben? Sind wir durch Buße und Glauben in die Gemeinschaft mit Christo, unserem Heiland, versetzt, und so im innersten Grunde der Seele losgeworden von der Gemeinschaft der Sünde? Haben wir mit der Sünde gebrochen? Ist sie uns keine Lust mehr, sondern ein Ekel und eine Last?

O wie wenige nehmen es doch genau mit der Sünde. Was herrscht oft für ein Leichtsinn im Christentum, auch bei denen, die einen besonderen Anspruch auf den Namen Christi machen! Wie Manche laufen alle Kirchen und Stunden aus, reden von der Gnade des Herrn, preisen die Wunden des Heilands, getrösten sich des teuren Blutes Christi, aber - in ihrem täglichen Leben verleugnen sie die Kraft der Gottseligkeit; sie wollen nicht von ihren Lieblings- und Schoßsünden lassen, sondern hegen und pflegen sie, denn sie wollen der Sünde nicht absterben. Du Frau getröstest dich der Gnade des Heilands, und lebst doch mit deinem Mann im Hader, willst dich nicht unterordnen und gehorsam sein, sondern beharrst auf deinem Eigensinn und in deiner Rechthaberei, und bist so Schuld an viel Unfriede und Streit: heißt das der Sünde absterben? Und du Mann willst ein guter Christ sein, und führst doch ein hartes, raues und grobes Regiment über deine Gattin und deine Kinder und dein Gesinde; du hast keine Einsicht, kein Mitleid mit ihrer Schwachheit, willst nur immer deinen Kopf durchsetzen und nie deinen Willen brechen: heißt das der Sünde absterben? Und du Knecht oder Magd willst zu den Jüngern und Jüngerinnen des Herrn gehören, und dienst doch nur vor Menschen und nicht vor dem Angesicht des Herrn; du lässt dir viel Untreue zu Schulden kommen, siehst auf dein Interesse, auf deinen Nutzen und nicht auf das Wohl deiner Herrschaft: heißt das der Sünde absterben? O wie viel Sünden gehen noch im Schwange auch in christlichen Kreisen! Wie viel Lügen, grobe und feine, wie viel Räsonieren und Richten mit Unbarmherzigkeit und Ungerechtigkeit, wie viel Unredlichkeit im Handel und Wandel, im Kaufen und Verkaufen, wie viel Eitelkeit und Wollust des Fleisches! O ihr Lieben, Eins tut uns not: wir müssen der Sünde sterben; und gerade unsere Lieblingssünden, zu denen wir vor andern geneigt sind, müssen wir hassen und lassen und ganz ablegen. Das ist eben der herrliche Ruhm Christi: nicht, dass wir uns immer und immer. seiner Gnade getrösten und daraus ein Ruhekissen und Faulpolster machen, und so die alten sündigen Menschen bleiben, sondern dass wir in Kraft seiner Gnade, in Kraft seines Blutes neue Menschen werden, neue Kreaturen. Das Blut Jesu Christi ist so kräftig, dass es uns wesentlich und wirklich rein macht von unsern Sünden.

Willst du mit Christo leben,
So musst du der Sünde sterben;
Anders kann Keiner
Das Leben ererben.

II.

Eins ist not: wir müssen mit Christo sterben der Sünde, auf dass wir mit Christo leben in Zeit und Ewigkeit. Davon redet unser Text also: „Sind wir mit Christo gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. Wir sind mit Christo begraben, auf dass, gleichwie Christus ist auferweckt von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also auch wir in einem neuen Leben wandeln.“ Leben! Wer wollte nicht leben? So schmerzlich das Sterben der Sünde ist, so lieblich das Leben mit Christo! Es wird verglichen mit der Auferstehung Jesu Christi. Das neue Leben der Kinder Gottes mit Christo ist also ein Auferstehungsleben, ein Osterleben, voll Kraft und Licht, voll Friede und Freude im heiligen Geist. Die Ostersonne geht freundlich und lieblich über unsern Häuptern auf, und bescheint mit ihren seligen Strahlen unser Leben, und macht unsern Gang durch diese Welt licht und helle, bis wir daheim sind bei dem Herrn. Ja das Leben mit Christo ist ein neues Leben, ein glückliches, ein seliges Leben. Da heißt es: Ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott.

Wie wohl ist mir, o Freund der Seele,
Wenn ich in deiner Liebe ruh!
Ich steig aus dunkler Schwermutshöhle
Und eile deinen Armen zu;
Da muss die Nacht des Trauerns scheiden,
Wenn mit der Fülle sel'ger Freuden
Die Liebe strahlt aus deiner Brust.
Hier ist mein Himmel schon auf Erden!
Dem muss ja volle Gnüge werden,
Der in dir sucht Ruh und Lust.

O meine Lieben, wer der Sünde gestorben ist, wer der Sünde und Welt den Abschied gegeben hat, der hat es gut, unaussprechlich gut in der Gemeinschaft Jesu Christi. Was ist es schon für ein Genuss, auf Erden mit einem geliebten treuen Herzen verbunden zu leben in aufrichtiger Liebe und Gemeinschaft. Was für schöne Erholungs- und Freudenstunden sind da uns vergönnt an der Hand eines weisen Vaters oder einer zärtlichen Mutter, am Herzen eines treuen Mannes oder einer edlen Gattin, am Arm eines teuren Freundes, der Freud und Leid mit uns teilt. Aber was will das Alles heißen im Vergleich mit Christo und dem Leben mit Ihm, der der beste Freund und Ratgeber ist, mehr als Vater und Mutter, Mann und Frau, Braut und Bräutigam, Bruder und Schwester. O wie köstlich ist es: von Jesu Hand. durch diese Welt geleitet werden, von der Hand des guten Hirten, der seine Schafe weidet auf grüner Aue und führt zu lebendigen Wasserbrunnen! Wie köstlich ist es: an Jesu Herzen ruhen, bei Tag und bei Nacht, an seinem großen Heilandsherzen voll Liebe und Erbarmen, dem treusten Herzen, das im Himmel und auf Erden schlägt; von seinen Armen getragen werden, von den starken Gottesarmen, bis ins Alter und bis wir grau werden; in seiner ununterbrochenen Liebes- und Lebensgemeinschaft stehen, im Schlafen und Wachen, im Arbeiten und Ruhen, in unserem ganzen Tun und Lassen, in guten und in bösen Tagen, in Stunden der Freude wie des Leidens! Ja das Leben mit Christo ist ein stiller, verborgener Lebensgenuss, der über alle irdischen Lebensgenüsse geht. Was sind Häuser, Paläste, Güter, Silber, Gold, Kleinodien, Essen und Trinken und alle Lüste des Fleisches gegen das Leben mit dem Heiland!

O Seligkeit, dich immer nah zu haben,
Der du die Auferstehung und das Leben bist.
Von allen schönen Himmelsgaben
Bist du die köstlichste, Herr Jesus Christ!
Wenn mir dein Morgen angebrochen
Im Herzensgrunde klar und rein,
Da muss nach dunklen Leidenswochen
Der Ostersabbat lieblich sein!

Aber ach, die meisten Leute kennen dieses Leben mit Christo nicht, weil sie der Sünde nicht absterben wollen. Dafür kennen. sie das Weltleben zur Genüge und trinken es in vollen Zügen alle Tage zum Fluch und zur Verdammnis ihrer Seelen. Aber darum gehen auch so Viele durch dieses Leben gebeugten Hauptes, mit bekümmertem Herzen und tränendem Auge. Ach sie können sich nie recht des Lebens freuen, nie recht froh werden, nie recht glücklich und zufrieden sein; ein tiefes Unbefriedigtsein, ein verborgenes, oft schmerzliches Sehnen geht durch ihre Seelen; denn sie kennen das wahre Leben nicht, das allein in der Gemeinschaft Jesu Christi zu finden ist. O ihr lieben Seelen, lasst doch einmal die Sünde und Welt stehen; machet euch doch einmal los von den Fesseln und Banden der vergänglichen Lust und Eitelkeit dieser Zeit; sterbt der Sünde, und tretet ein in die selige und heilige Lebensverbindung mit Christo: dann wird euer trauriges, melancholisches Wesen wie der Nebel vor der Sonne, dann wird euer Auge glänzen in stiller Freude des Herrn, dann werdet ihr frohe und schöne Tage haben hienieden auf Erden. Und was wird es einst sein in der Ewigkeit, wenn es heißt: Gehe ein zu deines Herrn Freude! Dort gibt es Lebenskronen und Kränze, die nimmer welken, Lebensgarben, eine Lebensernte, die nie aufhört. Dort gibt es Lebenswasser, die ewiglich erfrischen, Lebensbäume, die ewiglich gesund machen. Dort gibt es ein Lebenserbe, unverweslich, unbefleckt, unverwelklich, das behalten ist im Himmel für Alle, die hier auf Erden der Sünde gestorben sind. Die überwinden, die werden Alles ererben, und der Herr wird ihr Gott sein, und sie werden seine Söhne und Töchter sein. Das Lamm mitten im Stuhl wird sie weiden und leiten und führen zu den lebendigen Wasserbrunnen, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.

Was wollen wir noch weiter sagen, meine Lieben? Wir wollen schließen, wie wir angefangen haben:

Eins ist not! ach Herr, dies Eine.
Lehre uns erkennen doch!
Alles andre, wie's auch scheine,
Ist ja nur ein schweres Joch,
Darunter das Herze sich naget und plaget
Und dennoch kein wahres Vergnügen erjaget.
Erlang ich dies Eine, das Alles ersetzt,
So werd ich mit Einem in Allem ergötzt.

Amen.

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