Körber, Emil - Jesus am Sarge des Jünglings zu Nain.
(22. September 1872.)
Text: Luk. 7, 11-17.
**Und es begab sich danach, dass er in eine Stadt mit Namen Nain ging; und seiner Jünger gingen viele mit ihm und viel Volks. Als er aber nahe an das Stadttor kam, siehe, da trug man einen Toten heraus, der ein einiger Sohn war seiner Mutter; und sie war eine Witwe, und viel Volks aus der Stadt ging mit ihr. Und da sie der Herr sah, jammerte ihn derselbigen, und sprach zu ihr: Weine nicht! Und trat hinzu, und rührte den Sarg an; und die Träger standen. Und er sprach: Jüngling, ich sage dir, stehe auf! Und der Tote richtete sich auf, und fing an zu reden. Und er gab ihn seiner Mutter. Und es kam sie Alle eine Furcht an, und priesen Gott und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und Gott hat sein Volk heimgesucht. Und diese Rede von ihm erscholl in das ganze jüdische Land, und in alle umliegende Länder.
Wer ist wohl wie du,
Jesu, süße Ruh?
Unter vielen auserkoren,
Leben derer, die verloren,
Und ihr Licht dazu,
Jesu, süße Ruh!
So müssen wir, im Herrn Geliebte, unwillkürlich ausrufen bei der Betrachtung unseres köstlichen Evangeliums. Unsere Seele bebt im tiefsten Grunde vor Freude, das Herz will uns vor Wonne hüpfen und springen, und über unsere Lippen strömt ein Lob- und Danklied. Wir müssen die Hände falten und anbetend ausrufen: Wer ist wohl wie du, Jesu, süße Ruh?
Ja, wer ist Ihm gleich, dem Jesus von Nazareth, dem Menschensohn und Gottessohn? Wer ist Ihm gleich unter den Menschen? Wer ist Ihm gleich unter den Engeln und seligen Geistern? wer ist wohl wie du, Jesu, süße Ruh?
Gar lieblich und freundlich tritt der Herr vor unsere Seele in unserem heutigen Evangelium, das uns aufs neue klar und deutlich predigt: Jesus Christus ist die Liebe! Sein Herz ist Liebe, sein Tun ist Liebe, alle seine Worte sind Liebe; Jesus Christus ist die erbarmende, mitleidige, tröstende, erquickende Liebe, die sanfte, ewige Gottesliebe, helfend, rettend, heilend, segnend - eine allmächtige Liebe. O wie kann diese Liebe trösten in aller Not und Angst des Lebens, im bittersten Elend, auch im Tod! Weine nicht! ruft Jesus der trauernden Witwe zu und stillt ihre Tränen. Aber auch herrlich, als ein Siegesfürst und Ehrenkönig steht Jesus am Sarge des Jünglings zu Nain! Wie mächtig und gewaltig klingt sein Wort: Jüngling, ich sage dir, stehe auf!
Lasst uns niederknien im Geiste und anbeten den großen Namen unseres Gottes und Heilandes! Er ist die Auferstehung und das Leben, der ew'ge Quell des Lebens, der Sieger über Tod und Grab. Er hat dem Tode die Macht genommen, und Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht. Halleluja!
So sei denn heute unter des Herrn Segen der Gegenstand unsrer Betrachtung:
Jesus Christus am Sarge des Jünglings zu Nain. Er ist:
- der rechte Tröster in aller Not,
- ein Siegesfürst über Grab und Tod.
Wir sehn dein freundliches Angesicht,
Voll Huld und Gnade, wohl leiblich nicht;
Aber unsre Seele kann's schon gewahren,
Du kannst dich fühlbar g'nug offenbaren,
Auch ungeseh'n.
O wer nur immer bei Tag und Nacht
Dein zu genießen recht wär bedacht!
Der hätt ohn' Ende von Glück zu sagen,
Und Leib und Seele müsst immer fragen:
Wer ist wie du?
Amen.
I.
So betrachten wir denn auch heute wieder das Bild unseres Heilands. Er ist eben der Liebste unsrer Seele, und hat uns das Herz genommen; sein Bild ist uns das liebste, teuerste und schönste Bild, das wir nie genug betrachten, an dem wir uns nie satt sehen können. Und zumal heute, wie mild und freundlich steht er vor unserer Seele als der rechte, wahrhaftige Tröster. In diesem seinem herrlichen Trostamte dürfen wir heute den Heiland schauen. Da müssen wir aber vor allen Dingen hinsehen auf die Not, die große Not, die in unserm Texte erzählt ist. „Es begab sich, dass er in eine Stadt mit Namen Nain ging; und seiner Jünger gingen viele mit ihm und viel Volks. Und als er nahe an das Stadttor kam, siehe, da trug man einen Toten heraus, der ein einiger Sohn war seiner Mutter; und sie war eine Witwe, und viel Volks aus der Stadt ging mit ihr.“ Das war freilich keine kleine Not, die in dem lieblichen Nain eingekehrt war in der stillen Hütte einer einsamen Witwe. Ein jugendfrisches, edles Leben war abgeknickt, eine blühende Rose abgebrochen, ein Jüngling lag auf dem Totenbette und wurde bereits seiner letzten Ruhestätte zugetragen. Ach es war der einzige Sohn seiner Mutter, ihres Herzens Freude und Wonne, Stab und Stütze ihres Alters, die Hoffnung ihres Lebens, ihr Ein und Alles. Aber nun ist ihr Alles genommen mit einem Schlag; des schrecklichen Todes Macht hat Alles hingenommen, hat Alles hingerafft; und mit blutendem, zerrissenem Herzen wankt die arme Witwe hinter dem Sarge des toten Sohnes. Die schönsten Hoffnungen ihres Lebens sind verblüht und verwelkt, auf den Sohn ihrer Liebe wartet das öde, dunkle, schaurige Grab.
Ach Geliebte, was gibt es doch oft für Nöte und Ängste auf Erden, was für Herzeleid und Herzbrechen! Wie türmt sich oft die Not auf vor einer Seele wie ein unübersteiglicher Berg, wie lagert sich oft Traurigkeit über ein Herz und Haus wie eine dunkle, finstere Nacht, in der kein Stern mehr funkelt! Ach wie manchmal stehen wir am Grabe eines Vaters, oder einer Mutter, oder einer teuren Gattin, oder eines kleinen Kindes, ratlos und hilflos wie vor einem dunklen, unlösbaren Rätsel! dass man fragen möchte: wie ist das möglich? Wie konnte Gott, der die Liebe ist, also handeln oder dies zulassen? Aber sei still, mein Herz! Gottes Wege sind allezeit recht und gut, eitel Liebe und Güte; seine Gedanken sind höher, denn unsere Gedanken, seine Wege höher, denn unsere Wege. Seine Gedanken sind allezeit Friedens- und Liebesgedanken. O meine Seele, warum bist du so unruhig in mir? Harre des Herrn! denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Trost ist.
Ja, Gott ist unser Trost, Jesus Christus ist unser rechter Tröster! Schaut hinein in unser Evangelium! Aus dem Tore der Stadt trägt man den toten Jüngling; hinter dem Sarge weint die tief betrübte Mutter, die nun doppelt einsame Witwe, und in langem Zuge folgt viel Volks in Trauerkleidern. Aber siehe, was geschieht? Da tritt ein Mann heran zur Mutter des Toten, Huld und Gnade ruht auf seinem Antlitz, mild und freundlich ist sein Blick eine hohe, edle Gestalt! Das Herz brennt ihm vor Liebe und Erbarmen, und aus seinem Munde tönt das milde, heilige, selige Trostwort: Weine nicht! Zwei Worte nur sind es, aber himmlische Worte, Gottes Worte, Worte voll Kraft und Geist und Leben; wie Balsam und Honig, wie eine ausgeschüttete Salbe träufeln sie auf die wunde Seele; die dunkle Nacht der Traurigkeit muss schwinden, es wird licht und helle; und bevor noch die äußere leibliche Hülfe eintritt, erfüllt sanfter Friede und stilles Getrostsein das weinende Herz. Und noch heute ist Jesus der rechte Tröster; noch heute gilt es von jeder bekümmerten Seele: da sie der Herr sah, jammerte ihn derselbigen, und sprach zu ihr: weine nicht! Ja heute noch sieht Jesus all unsere Not. Seine Augen durchlaufen alle Lande und sehen dich; Ihm ist dein Elend unverborgen; der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht; seine Augen stehen offen über dir Tag und Nacht. Gott hört!
Gott sieht! wie klagt denn dein Herz,
Als säh' er nicht dein Weinen?
Vor Ihm muss auch der tiefste Schmerz
Ganz offenbar erscheinen.
Kein Tränlein fällt,`
Das er nicht zählt,
Ja wert und teuer schätzet,
Bis er uns drauf ergötzet.
Ja der Herr sieht dich, du altes, hilfloses Mütterchen, du trauernde Witwe, du über das Seelenheil deiner Kinder bekümmerte Mutter, du sorgenvoller Familienvater, der du nicht recht weißt, wie du deine Kinder und Familie durchbringen und ernähren sollst. Der Herr sieht dich, o Christ, der du in Not, Krankheit, Elend und Anfechtung aller Art stehst; der Herr sieht dich, du leidtragende, über deine Sünden weinende Seele. Und er sieht dich nicht bloß, nein, es jammert ihn auch deiner. Sein Herz brennt vor Liebe und Mitleid. Er ist wohl eingegangen in die Herrlichkeit, und hat sich gesetzt zur Rechten des Vaters; aber er ist immer noch, auch in seiner Verklärung und himmlischen Glorie, der barmherzige Hohepriester, der Mitleid haben kann; seine Barmherzigkeit und Liebe ist nicht auf Erden, nicht im Felsengrabe des Joseph geblieben; nein, wie er auf Erden wandelte, mit demselben erbarmungsvollen Herzen wohnt und thront er in der Herrlichkeit des Vaters. Und heute noch spricht er wie er dort unter den Toren Nains- durch die Stimme seines Geistes, durch sein heiliges Wort: Weine nicht! O wie manchmal ist meine Seele müde und matt zu diesem teuren Bibelbuch gegangen, ach nicht gegangen, sondern sie schleppte sich krank und elend hinzu; aber frisch und gesund, mutig und fröhlich kehrte sie vom Quell des göttlichen Wortes zurück; denn da ist Lebenswasser, ein Heil- und Gesundbrunnen. Ja das Wort Gottes ruft uns in der Trübsal in hundert und tausend Tonarten und Melodien zu: Weine nicht! Am Grabe der Lieben heißt es: Selig sind die Toten, die im Herrn sterben, von nun an. Ja, spricht der Geist, sie werden ruhen von ihrer Arbeit; denn ihre Werke folgen ihnen nach. Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Deine Toten, o Herr, werden leben, und mein Leichnam wird auferstehen. Wacht auf und rühmt, die ihr unter der Erde schlafen liegt; denn dein Tau ist ein Tau des grünen Feldes und das Land der Toten wirst du stürzen. In Krankheit tröstet das Wort: Ich, der Herr, bin dein Arzt. Welchen der Herr lieb hat, den züchtigt er, er stäupt einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt. In Anfechtungen, Nöten und Ängsten aller Art ruft uns das Wort zu: Gott lässt uns nicht versuchen über Vermögen. Sorget nicht! Alle eure Sorgen werfet auf den Herrn. Die Trübsal, wenn sie da ist, dünkt sie uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein; danach aber wird sie geben eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch geübt sind. Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben. Und will uns die Not der Kirche das Herz zusammenpressen und die Tränen in die Augen treiben, weil so viele Tausende in der Irre gehen, im Unglauben und Aberglauben, in Rohheit und Gleichgültigkeit; weil so viel Spaltung, Trennung und Zwietracht ist gerade unter denen, welche die Herde Christi weiden sollten; so tröstet uns das Wort: Weine nicht! Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Es soll noch Eine Herde und Ein Hirte werden. Es sollen noch Alle des Herrn Namen anrufen und ihm dienen einträchtig. Darum weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamme Juda. Ja, lass dein Weinen, Kirche des Herrn, trockne deine Tränen; denn denen zu Zion wird ein Erlöser kommen und denen, die sich bekehren von den Sünden in Jakob. Ich will ihr Trauern in Freude verwandeln, und sie trösten und erfreuen nach ihrer Betrübnis, spricht der Herr, unser Gott.
Jesus Christus, unser Heiland, ist der wahre Tröster in aller Not; aber auch als ein König aller Könige, auch
II.
ein Siegesfürst über Grab und Tod. Dort am Stadttor von Nain, am Sarge des Jünglings steht er über den König der Schrecken, den Tod. O wie ist er umgürtet mit Macht, bekleidet mit göttlicher Herrlichkeit, angetan mit Gotteskraft, ein Herr über Leben und Tod, ein Herr Himmels und der Erde, ein Herr, vor dem die Engel knien und in seliger Andacht glühen. Wie entreißt er dem Todesfürsten seine Beute, dem Grab seinen Raub. Er trat hinzu und rührte den Sarg an, und die Träger standen. Und er sprach: „Jüngling, ich sage dir, stehe auf!“ Ringsum heilige Stille, tiefes Schweigen! Denn die ganze Versammlung steht im Angesicht eines Toten, an den Pforten der Ewigkeit; die Augen der Witwe, der trauernden Menge, der Jünger, des Volks Aller Augen sind auf den Herrn gerichtet! Was ist das für ein Mann? Was ist das für ein Wort: Jüngling, ich sage dir, stehe auf! Laut und deutlich ist es gerufen in himmlischer Ruhe und Majestät. Der Himmel hats gehört, die Erde hats vernommen, in die Ohren der großen Masse des Volkes ists gedrungen, aber auch in das Ohr des toten Jünglings!
„Und der Tote richtete sich auf, und fing an zu reden, und er gab ihn seiner Mutter.“ Ja fürwahr, Jesus Christus ist ein Siegesfürst über Tod und Grab. Jauchze, mein Herz! Freut euch Alle, die ihr den Herrn lieb habt. Der Tod ist verschlungen in den Sieg; Tod, wo ist dein Stachel - Hölle, wo ist dein Sieg? Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn Jesum Christum. Wir sind nicht wie die, so keine Hoffnung haben. Wer wollte noch klagen im Unglauben, schwermütig trauern und verzagen an den Gräbern unserer Lieben, die im Herrn entschlafen sind? Die Auferweckung des Jünglings zu Nain soll uns ein Vorbild und Zeichen sein der Auferweckung aller Gläubigen. Die Posaune der Auferstehung wird durch alle Gräber und Felsen dringen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es kommt die Stunde, in welcher Alle, die in den Gräbern sind, werden die Stimme des Sohnes Gottes hören, und werden hervorgehen, die da Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichts. O was wird das für eine Freude sein, ein Jauchzen und Jubilieren, Singen und Triumphieren bei denen, die im Herrn entschlafen sind. Wie wird es auch da heißen: „Der Tote fing an zu reden.“ Sie fingen an zu reden, zu loben und zu danken, Halleluja zu singen dem Lamm, das geschlachtet ist, und würdig ist, zu nehmen Preis und Ehre und Anbetung von Ewigkeit zu Ewigkeit. Wie wird es auch dann heißen: „Und er gab ihn seiner Mutter!“ Ja der Lebensfürst schenkt dir deine Lieben wieder, die in Ihm heimgegangen sind, du wirst sie wieder finden und nehmen mit Freuden aus der Hand Jesu; du wirst sie wiedersehen und wieder erkennen und ewiglich nicht mehr getrennt sein. Ewige Freude wird über deinem Haupte sein, Freude und Wonne werden dich ergreifen und Schmerz und Seufzen wird weg sein müssen.
O, wer wollte sich nicht anstrengen hienieden und Alles daran geben, um zur Auferstehung des Lebens zu gelangen? Aber Niemand wird daran Teil haben, wer nicht auf Erden schon aus dem Tod der Sünde innerlich auferstanden ist im Glauben an Jesus. O das ist wichtig, das ist zu beherzigen; wem es um Leben und Seligkeit zu tun ist, der merke darauf! Sind Alle, die in diesem Gotteshause sitzen, schon innerlich auferstanden? Sind wir Alle schon erweckt und bekehrt zu dem Hirten und Bischof unserer Seelen? Der Herr, der ins Herz sieht, weiß es. Aber wir werden uns sicherlich nicht täuschen, wenn wir sagen: gar Manche sitzen hier unten, die sind noch tot in ihren Sünden, der geistliche Tod nagt an ihnen; sie sind tot für das himmlische Leben, ohne herzliche Liebe zum Sünderheiland, ohne Buße und Glauben an den Herrn. Darum rufe ich im Namen unseres Gottes in diese Versammlung: O Mensch, ich sage dir, stehe auf! Wie oft ist der Herr schon zu dir hingetreten und hat dich angerührt in Lieb und Leid, in Gesundheit und Krankheit, durch Angenehmes und Unangenehmes, durch Süßes und Bitteres. O lass einmal das Triebrad der Sünde stille stehen; lass einmal die lauten Sündenstimmen der Begierden und Lüste schweigen; ruhe still und kehre ein in dich, und vernimm das heilige Machtwort, das Wort voll Liebe und Gnade: Jüngling, ich sage dir, stehe auf! Jüngling oder Jungfrau, Mann oder Fran stehe auf aus dem Tode deines Herzens, aus deiner Gleichgültigkeit und Schläfrigkeit, aus deinen groben und feinen Sünden, aus deiner Augenlust, Fleischeslust und Hoffart des Lebens, aus der Grobheit und Falschheit deines Herzens, aus der Kleiderpracht, Putzsucht und Gefallsucht, aus deinem hohlen Ball- und Gesellschaftsleben, aus deiner selbstgerechten Ehrbarkeit und deinem selbsterwählten Heiligenschein. Sünder! stehe auf aus Hurerei und Ehebruch, aus Lügen und Betrügen, aus Stehlen und Übervorteilen, aus Wuchern und Geizen. Ja stehe auf! aber nicht, um dich wieder hinzulegen und die Augen zu schließen und aufs neue fortzuschlafen in der Sünde; o nein, du musst aufstehen und wandeln in einem neuen Leben, reden und singen, loben und danken im Geist und in der Wahrheit.
Aber ich kann heute nicht nachlassen mit Rufen und Locken, Reizen und Bitten; die Liebe Christi dringt mich also. Heute möchte ich nicht nur eine Seele, sondern viele Herzen meinem Heiland zur Beute bringen, zum Lohn seiner blutigen Schmerzen, dass sie eingeheimst würden in die Scheunen des Friedens und der Freude im heiligen Geist. Um Zion willen, so will ich nicht schweigen, und um Jerusalem willen, so will ich nicht innehalten, bis dass ihre Gerechtigkeit aufgehe wie ein Glanz und ihr Heil entbrenne wie eine Flamme. So ruf ich denn, wer hört mir zu? Wer hat im Herzen keine Ruh? O wachet auf, all ihr geistlich Toten! Geist des Herrn, mache dich auf und wehe durch dieses Gotteshaus! Lass die Totengebeine rauschen, sich regen und bewegen, sich sammeln, grünen und blühen, wie die Blumen und Bäume im Frühling ausschlagen. Geist des Herrn erhebe dich, und wehe durch mein Herz und durch die Herzen dieser Zuhörer! Wir wollen sein ein heilig Volk, ein Volk des Eigentums, ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, dass wir verkündigen die Tugenden des, der uns berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Lichte. Darum wachet auf, Alle, die ihr noch geistlich tot seid, Reich oder Arm, Vornehm oder Gering, Jung oder Alt! Ja auch du, Greis, der du hoch stehst in Jahren, dem das Alter die Haare weiß gemacht hat wache auf, wenn du noch in der Sünde schläfst und Christum noch nicht von Herzen lieb hast. Ach es ist hohe Zeit, die höchste Zeit! Du bist kalt dein Leben lang an Jesus vorübergegangen, Alles hat dich angezogen und interessiert: Kunst, Wissenschaft, Politik, dein Amt, dein Geschäft, dein Gewerbe; dabei hast du auch vielleicht ein gewisses religiöses und kirchliches Interesse gehabt; aber für Jesus, den Sünderheiland, bist du nie warm geworden. O, soll nicht heute dein kaltes Herz für Ihn erwärmen? Willst du nicht deine alten, schwachen Kräfte heute ihm übergeben? Glaube nicht, dass es zu spät ist. Wenn du noch irgend ein Verlangen nach Gott in dir hast, so ist es nie zu spät. Ja auch die ganz kalten und toten Herzen kann und will Jesus warm und lebendig machen. Komme nur, und stehe auf! und müsstest du vor Altersschwäche an einem Stabe wanken, es tut nichts. Wie du bist, so darfst du kommen und wirst gnädig angenommen.
O meine Lieben, was sollen wir noch weiter sagen? Wir wollen schließen, wie unser Text schließt. „Es kam sie Alle eine Furcht an, und priesen Gott und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und Gott hat sein Volk heimgesucht.“ dass uns Alle eine Furcht ankommen möchte, dass wir unsere Seligkeit schafften und wirkten, so lange es Tag ist; und dass wir doch Jesum Christum preisen möchten mit unserem ganzen Leben! Er ist es wert; denn er ist ein großer Prophet, ja noch mehr: Er ist Gottes eingeborener und geliebter Sohn, der Heiland der Welt, der rechte Tröster in aller Not, ein Siegesfürst über Grab und Tod. Ja
Wer ist wohl wie du,
Jesu, süße Ruh?
Unter vielen auserkoren,
Leben derer, die verloren,
Und ihr Licht dazu,
Jesu, süße Ruh.
Amen.