Körber, Emil - Zwei Perlen aus Gottes Wort
Sonntag, den 20. Oktober 1872, Vormittags, im Münster.
Gesang.
Gesangbuch Nr. 153.
Ein feste Burg ist unser Gott.
Text.
Matth. 7, 13-23.
Geht ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis abführt; und ihrer sind Viele, die darauf wandeln. Und die Pforte ist enge und der Weg ist schmal, der zum Leben führt; und Wenige sind ihrer, die ihn finden. Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen; inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man auch Trauben lesen von den Dornen, oder Feigen von den Disteln? Also ein jeglicher guter Baum bringt gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt arge Früchte. Ein guter Baum kann nicht arge Früchte bringen, und ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen. Ein jeglicher Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Darum an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Es werden nicht Alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! in das Himmelreich kommen; sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Es werden Viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr! haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viel Taten getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie erkannt, weichet Alle von mir, ihr Übeltäter!
Ein solcher Text, wie der heutige, predigt am gewaltigsten durch sich selbst, ohne dass viele Worte darüber gemacht werden; und es will uns fast dünken, es wäre am besten, wir würden das Buch zu machen und in der Stille heimgehen und ins Kämmerlein gehen und mit Gott unserm Herrn reden in tiefer Beugung und Anbetung. Aber weil es nun einmal eine heilige, heilsame und gesegnete Ordnung ist, zu predigen und das Wort Gottes auszulegen, so will ich auch bei diesem Text es wagen im Namen des Herrn, und reden so gut ich kann.
Ja, meine Lieben, es ist gewiss nicht Eines unter uns gleichgültig geblieben bei der Verlesung unseres heutigen Evangeliums; ich darf hoffen, dass es euch beim Hören, wie mir beim stillen Lesen ergangen ist, und wie es dem Volk erging, als Jesus alle diese Rede vollendet hatte: sie entsetzten sich, d. h. sie wurden aufgeweckt und erschüttert im Grund der Seele. O wie ernst ist das Christentum! Ach, wie weit bin ich noch zurück! Ach, wer kann denn selig werden! Solche Gedanken steigen unwillkürlich auf und bewegen das Gemüt bei der Betrachtung unseres Evangeliums. Ja, diese Worte lassen den Menschen nicht wie er ist, sie sind wie ein zweischneidig Schwert und dringen durch Mark und Bein und drängen zur Entscheidung für oder wider Christus. Das ist auch ganz recht und heilsam. Wir dürfen wohl aus unseren Alltagsgedanken aufgeweckt, aus unserem schläfrigen, gleichgültigen, so glaubensarmen und liebeleeren Christentum aufgerüttelt und aufgeschüttelt und an den heiligen Ernst des Lebens gemahnt werden. Mensch, merke auf! Es gibt nur zwei Wege in die Ewigkeit: einen breiten, der führt zur Verdammnis ab, und ihrer sind Viele, die darauf wandeln; und einen schmalen, der zum Leben führt, und Wenige sind ihrer, die ihn finden. Es gibt in der Menschheit zwei Arten von Bäumen: gute Bäume, die gute Früchte bringen; faule Bäume, die arge Früchte bringen. Aber ein jeglicher Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Auch werden die Herr, Herrsager nicht ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. O, meine Lieben, muss uns bei solchen Worten nicht aller Leichtsinn und alle Gleichgültigkeit vergehen? Kann da noch Jemand schlafen in der Sünde, und sicher und unbesorgt um seine Seligkeit in den Tag hinein leben?
Mensch! ermunt're deinen Sinn,
Wie lange willst du schlafen?
Auf, auf! die Stunden geh'n dahin,
Schon nahen Gottes Strafen.
Vor Ihm besteht der Sünder nicht,
Und geht er mit dir ins Gericht,
Wo willst du Rettung finden?
Das ist ernst, heiliger Ernst.
So lasst uns denn aus dem reichen Schatz unseres heutigen Evangeliums zwei kostbare Perlen herausnehmen, oder
zwei ernste Mahnungen himmlischer Weisheit:
I. Geht ein!
II. Seht euch vor!
Herr Jesus Christus, Du Sohn Gottes und Heiland der Welt! Du siehst diese Seelen alle, die versammelt sind in Deinem Haus um sich zu erbauen auf Dich, o Herr, den alleinigen Grund unseres Glaubens und unserer Seligkeit. O sei heute spürbar und fühlbar unter uns. Tritt Du selbst zu einer jeden Seele hin und sag' ihr in deiner Heilandsliebe deutlich und klar ins Ohr und Herz, was sie braucht, um selig zu werden. Gib meinen armen und schwachen Worten deine göttliche Kraft, dass sie von Herzen zu Herzen gehen, auf dass keine Seele von dannen gehe ungerührt, unaufgeweckt, ungetröstet! Amen.
I.
Wir nehmen aus unserem Texte zwei ernste Mahnungen himmlischer Wahrheit; die erste lautet: Geht ein! „Geht ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis abführt, und ihrer sind Viele, die darauf wandeln. Und die Pforte ist eng und der Weg ist schmal, der zum Leben führt, und Wenige sind ihrer, die ihn finden.“
Bei dieser ersten Mahnung unseres Textes ist es mir vor allen Dingen wichtig und merkwürdig, dass der Heiland ganz allgemein redet, ohne alle und jegliche Einschränkung.
Er wendet sich nicht etwa nur an diese oder jene Klasse von Menschen, nicht an eine besondere Art von Leuten, sondern ganz allgemein ruft er allen Menschen, aller Welt zu: Geht ein durch die enge Pforte! Diese Worte gelten also nicht etwa bloß den Predigern und Dienern des göttlichen Wortes, als ob sie allein besonders fromm sein müssten. Nein, im Neuen Bund sollen alle Christen Priester des Höchsten sein und alle wandeln auf dem schmalen Pfad, der zum Leben führt. Auch gelten diese Worte nicht bloß den armen und geringen Leuten, während für die Reichen und Vornehmen eine besondere Türe in den Himmel gebaut, ein besonderer Weg zum Leben bereitet ist. O nein! Geht ein durch die enge Pforte, ruft Jesus aller Welt zu: geht ein, Arme und Reiche, Gelehrte und Ungelehrte, Junge und Alte, Priester, Könige, Kaiser, Minister und Räte, herunter aus eurer falschen Höhe, setzt euch in den Staub, demütigt euch, beugt und bückt euch und geht ein durch die enge Pforte!
Aber du fragst, mein lieber Zuhörer, was ist denn die enge Pforte, was ist denn der schmale Weg? Das will ich dir auf Grund der Heiligen Schrift klar und deutlich sagen, dass du es verstehst und, Gott möge es geben, nimmer vergisst. Jesus Christus unser Herr spricht im Evangelium Johannis: Ich bin die Türe, wer durch mich eingeht, der wird selig werden, und wird ein- und ausgehen und Weide finden. Und an einem andern Ort spricht der Herr: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, Niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Da haben wir ja aus dem Munde Jesu selbst die beste und deutlichste Erklärung, so dass kein Zweifel mehr sein kann. Jesus Christus ist selbst die Pforte, die Türe ins Himmelreich, Jesus Christus ist selbst der Weg zum ewigen Leben. Wenn es sich um die Seligkeit, ums Himmelreich handelt, so muss Alles durch Jesum Christum hindurch gehen. Ihn kann man nicht vornehm ignorieren und auf der Seite lassen. Er ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist, Er gibt der Welt das Leben, in Ihm ist das Leben, Er ist das Licht der Welt, der Heiland der Sünder, der Arzt der Kranken, der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen. Außer Ihm ist kein Heil, sondern eitel Verderben und Verdammnis. Davon sind alle Schriften des Alten und Neuen Bundes voll; dessen wollen wir fröhlich sein und Gott danken!
Aber, meine Lieben, die Pforte ist enge und der Weg ist schmal, der zum Leben führt. Denn Niemand kann in die Gemeinschaft des Heilands eintreten, Niemand kann durch Jesum Christum zum Vater kommen ohne Buße und Bekehrung, ohne Heiligung und Reinigung von den Sünden. Nur solche Menschen, die sich als arme Sünder erkennen und wissen, dass sie ohne Christum verloren und verdammt sind, können durch die enge Pforte hindurch kommen und auf dem schmalen Pfad wandeln, nur solche Menschen, die nicht zu vornehm sind, einen Sünderheiland zu lieben und zu glauben, denen im Grund der Seele geschrieben steht: An mir und meinem Leben, meiner Weisheit, eigenen Gerechtigkeit und Heiligkeit ist Nichts auf dieser Erd', was Christus mir gegeben, das ist der Liebe wert.
Dagegen die eitlen, hochmütigen Weltkinder, die rings um sich Eitelkeit und Putz dieser Zeit hängen, die sich beladen und belasten mit offenbaren oder geheimen Sünden und Schanden, sie sind alle zu breit für die enge Pforte. Auch die selbstgerechten Heiligen, die in Sattheit und Selbstgenügsamkeit dahingehen, die sich aufblähen und spiegeln in ihrer Tugend und Rechtschaffenheit, sie sind alle zu groß für die enge Pforte und zu umfangreich für den schmalen Weg.
O meine Lieben, an der engen Pforte müssen die bequemen Reisewagen der Augenlust, Fleischeslust und Hoffart des Lebens zurückgelassen werden; das schwere und leichte Gepäck der Sünde, der Werke des Fleisches, der Rechthaberei und Selbstgerechtigkeit muss abgelegt und dahinten gelassen werden. Wir müssen klein, ganz klein in unsern Augen werden, uns als Sünder vor Gott fühlen und uns Christo dem Sünderheiland in die Arme werfen.
An der engen Pforte des Lebens steht geschrieben: Tut Buße und glaubt an das Evangelium. Legt den alten Menschen ab, der durch Lüste in Irrtum sich verdirbt, und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit. Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums, sondern wer sich rühmen will, der rühme sich des, dass er mich wisse und kenne, dass ich der Herr bin. Und auf dem schmalen Weg steht zu lesen: Ohne Heiligung wird Niemand den Herrn sehen.
O die Pforte ist enge für die Sünde und den alten Menschen, und der Weg ist schmal für die Eigenliebe und Weltliebe. Aber darum ist die Pforte doch nicht zu eng, der Weg nicht zu schmal, ja der schmale Pfad ist ein lieblicher Pfad für den Menschen, der sich bekehrt, für den neuen Menschen. Es ist ein Weg des Friedens, ein ewiger Weg. Darum heißt es von dem Kämmerer aus Mohrenland, nachdem er Jesum im Glauben gefunden hatte - er zog seine Straße fröhlich. Ach, viele Leute machen sich ganz verkehrte Vorstellungen von dem Lebensweg als wachsen da nur Dornen und Disteln, als sei es ein rauer und kalter Weg, wo es immer bergan gehe durch Trübsal und Elend, wo Kopfhängen, Trübsinn und Sauersehen die tägliche Speise sei. Aber das sind lauter Lügen des Weltgeistes. Nein, der schmale Pfad ist ein lieblicher Pfad und führt durch schöne Gärten mit duftenden Blumen und edlen Gewächsen, als da sind Friede und Freude im heiligen Geist. Freilich gilt es die Sünde hassen und lassen und in Gottes Geboten wandeln, darum ist der Weg schmal; aber dabei ist viel Genuss und inneres Herzensglück an dem Herzen Jesu zu finden, wir haben Leben und volles Genüge, wir sind fröhlich in unserm Gott, unser Hunger und Durst ist gestillt, wir stehen in vertrautem, innigem Umgang mit unserem Gott und Heiland, wir arbeiten mit Ihm und ruhen mit Ihm, wir schlafen und wachen mit Ihm, wir dulden und leiden, kämpfen und siegen mit Ihm. Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn, darum wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. O auf dem schmalen Pfad hört man Gebete und liebliche Lieder erklingen, das Christenvolk ist ein betendes und singendes Volk. Auch darf der Pilgrim Gottes nicht allein seine Straße ziehen, sondern es gibt Mitpilger auf dem Weg zur stillen Ewigkeit, man hat Gesellschaft, allerdings keine lustige und liederliche nach Art der Welt, sondern eine liebliche und heilige nach Gottes Art. O wie köstlich ist eine wahre Gemeinschaft mit Christen, mit Brüdern im Herrn, da man sich erzählen kann von den Großtaten unseres Gottes, einander trösten und stärken im Lauf zur Ewigkeit. Da heißt es:
Kommt, lasst uns munter wandern,
Wir gehen Hand in Hand;
Eins freuet sich am Andern
In diesem fremden Land.
Kommt, lasst uns kindlich sein,
Uns auf dem Weg nicht streiten,
Die Engel selbst begleiten
Als Brüder unsre Reih'n.
Die Pforte ist enge, der Weg ist schmal, aber lieblich!
Wie steht es nun mit uns, im Herrn Geliebte? Sind wir alle auf dem schmalen Pfade, der zum Leben führt? In unsrem Texte heißt es: Wenige sind ihrer, die ihn finden. Ach, da will es mir im Blick auf diese große Versammlung Angst und bange werden, mein Herz will zittern und beben, weil ich wünsche von Grund meiner Seele, dass unser Keines dahinten bleibe. Darum bitte ich euch Alle in inniger Liebe, lasst diesen Tag nicht spurlos an euch vorübergehen, geht in euch, prüft euch, fragt euch: wie steht's um mich, wandelt mein Fuß auf dem schmalen Pfad, oder mache ich mit der Welt und wandle auf der großen Heerstraße des äußerlichen Modechristentums? O wenn du wirklich auf dem schmalen Pfade wandelst, dann kannst du vergnügt und fröhlich sein und das Haupt aufheben, denn Christus ist dein Leben und Sterben dein Gewinn. Pilgere nur mutig weiter und lass dich durch Niemand irre machen! Wenn du aber auf dem breiten Wege wandelst, wenn du noch im Geiz, im Hochmut, in der Eitelkeit und Sünde gefangen bist, was soll ich dir sagen? Ach, ich will dich nicht schelten, richten und verdammen. Aber bitten will ich dich, lieber Bruder, kehre um vom Pfade des Verderbens, gehe ein durch die enge Pforte, es ist nicht zu spät! Komme in Buße und Glauben zu dem Mann der Schmerzen, der am Kreuze hängt und dir alle deine Sünde vergibt, komm' und übergib dich Ihm heute, und bleibe bei Ihm allezeit bis ans Ende.
Ach, sucht doch Den,
Lasst Alles steh'n,
Die ihr das Heil begehret!
Er ist der Herr.
Und Keiner mehr,
Der euch das Heil gewähret;
Sucht Ihn all' Stund'
Von Herzensgrund,
Sucht Ihn allein,
Denn wohl wird sein
Dem, der Ihn herzlich ehret!
II.
Aus dem reichen Schatz unseres heutigen Evangeliums nehmen wir noch eine zweite ernste Mahnung, sie lautet: „Seht euch vor! Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen; inwendig aber sind sie reißende Wölfe.“
Von den falschen Propheten wollten wir am liebsten gar nicht reden; aber weil es unser großer Herr und Meister Jesus Christus getan hat, so müssen seine Diener und Knechte es auch tun, sie müssen von Zeit zu Zeit als Wächter Zions in die Gemeinde rufen: Seht euch vor, tut die Augen auf, seid nüchtern und wacht, lasst euch nicht verführen, lasst euch nicht wiegen und wägen von allerlei Wind der Lehre und Aufklärung. Es hat zu allen Zeiten falsche Propheten gegeben, es gibt auch zu unsrer Zeit eine Masse falscher Propheten, und zwar mitten in der Kirche des Herrn. Sie entwickeln ein besonderes Geschick und treten. mit besonders feiner Verführungskunst auf, indem sie ein freies Christentum predigen. Freiheit, Ungebundenheit von allen Satzungen der Kirche und des göttlichen Wortes, das ist ihre Losung, das ist ihr Panier; dabei merken sie aber nicht, oder wollen es nicht merken, dass sie sind und bleiben Knechte der Sünde und des Verderbens. Ja wohl, sie haben ein freies Christentum, sie sind frei von Christo und seiner Gnade, frei von seinem Blut und seiner Versöhnung, frei von Buße und Bekehrung, frei vom Glauben an den eingebornen Sohn des Vaters, der da ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Abglanz seiner Herrlichkeit. Alle Glaubenslehren der Kirche und des göttlichen Wortes vom Paradies an, mit dem sie beginnen, bis zum Himmel und zur Hölle, in die sie einmünden, sind von diesen modernen Freigeistern abgefallen, wie im Herbst das Laub von den Bäumen fällt. Und doch wollen sie Christen sein. Darum seht euch vor! Mein Gewissen treibt mich, ich muss es euch bezeugen an dieser heiligen Stätte, dass dieses moderne Christentum des freien Geistes ein Irrtum ist, welcher den evangelischen Glaubensgrund umstürzt und die einzelnen Seelen wie die Gemeinden verwirrt und verwüstet. Der Christus des modernen freien Christentums ist ein Christus der Lüge, und wer dieser Lüge in die Arme sich wirft, geht verloren. Hört, was der Jünger der Liebe, Johannes, sagt: Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer dem Sohn nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm. (Joh. 3, 36.) Und Paulus spricht: So auch wir, oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen anders, denn das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht. (Gal. 1, 6-10.)
Aber wie machen diese Herolde der Aufklärung sich breit, wie heben sie stolz das Haupt und schauen voll Siegeszuversicht in die Zukunft! Sie stoßen in die Posaune und verkündigen voll Freuden. aller Welt den baldigen Einsturz des alten, morschen Kirchengebäudes und das Morgenrot eines neuen Zeitalters der Vernunftreligion.
Aber nur gemach, ihr falschen Propheten! Eines habt ihr vergessen: dass die Gemeinde des Herrn auf einem Felsen steht und alle Stürme und Wetter sie nicht vernichten können, auch die Pforten der Hölle nicht. Darum sind wir fröhlich und jauchzen in Gott dem Herrn, der unsere Stärke ist; getrost und freudig ziehen wir das Schwert für die Ehre unseres Heilands, der uns geliebt hat und sich selbst für uns dargegeben. Noch weht die Fahne des wahren Evangeliums kühn in den Lüften von Golgatha herab als ein Panier bis in die fernen Heidenländer, und freudig scharen sich die Streiter Christi um sie. Noch sind die Waffen unserer Ritterschaft nicht veraltet und verrostet; noch ist das Schwert des Geistes, das Wort Gottes, nicht stumpf geworden, sondern zweischneidig, wie in der Hand unserer Väter, eines Zwingli, Calvin, Luther, Spener, Francke, Zinzendorf und wie die Helden des Geistes alle heißen. Noch ist der Schild des Glaubens nicht durchlöchert, sondern fest wie Erz und Eisen; noch ist der Helm unserer Hoffnung nicht durchhauen, sondern er glänzt und strahlt auf unserm Haupte im Glanz der göttlichen Verheißung.
Ein' feste Burg ist unser Gott,
Ein' gute Wehr und Waffen;
Er hilft uns frei aus aller Not,
Die uns jetzt hat betroffen.
Der alt' böse Feind
Mit Ernst er's jetzt meint;
Groß Macht und viel List
Sein grausam Rüstung ist;
Auf Erd' ist nicht seins Gleichen.
Mit unsrer Macht ist nichts getan,
Wir sind gar bald verloren;
Es streit't für uns der rechte Mann,
Den Gott selbst hat erkoren;
Fragst du, wer der ist?
Er heißt Jesus Christ,
Der Herr Zebaoth,
Und ist kein andrer Gott;
Das Feld muss er behalten!
O seht euch vor! aber nicht bloß vor den falschen Propheten, sondern auch vor dem Herr Herrsagen. Davor warnt unser Text mit ernsten Worten: „Es werden nicht Alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! ins Himmelreich kommen; sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.“ O meine Lieben, habt ihr das ernste heilige Wort gehört? Das bloße Herr Herrsagen genügt nicht zum ewigen Leben, bloß äußerlich sich neigen und beugen vor Jesu als dem Herrn der Herrlichkeit reicht nicht aus zur Seligkeit. Du magst den falschen Propheten dein Ohr verschließen und die äußere kirchliche Rechtgläubigkeit aufs Äußerste pflegen, aber das genügt nicht fürs Himmelreich. Du kannst zum ganzen Evangelium Ja und Amen sagen, die Gottheit Jesu Christi anerkennen, den ganzen Katechismus, die ganze Glaubenslehre auswendig wissen und vielleicht fein und schön darüber reden, aber du gehst doch verloren. Beten und Singen tut's nicht, alle Kirchen und Stunden und Gemeinschaften auslaufen und aussitzen ist nicht ausreichend zum ewigen Leben. Fromme Rede, frommes Gesicht, frommer Kopf, fromme Gebärden reichen nicht ins Himmelreich hinein. Nicht die Herr Herrsager werden ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Ist das nicht klar, so dass es ein jedes Kind verstehen kann? Aber merkt wohl: Es handelt sich beim Tun des göttlichen Willens nicht in erster Linie um allerhand christliche Werke der Liebe und Barmherzigkeit, nicht um christliche Vielseitigkeit und Vielgeschäftigkeit für innere und äußere Mission und dergleichen. Das ist ja Alles recht und gut, aber wenn dein Christentum darin besteht und aufgeht, so ist es schlimm um dich bestellt. Es werden Viele zu mir sagen. an jenem Tage: „Herr, Herr! haben wir nicht in Deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in Deinem Namen Teufel ausgetrieben? Haben wir nicht in Deinem Namen viele Taten getan?“ Dann werde ich ihnen bekennen: ich habe euch noch nie erkannt. weichet Alle von mir, ihr Übeltäter. Es handelt sich also beim Tun des göttlichen Willens vor allen Dingen um das eigene Haus, um das eigene Herz, darum dass du dich gründlich bekehrst und umkehrst zu Gott, dich heiligst und reinigst von den Sünden, und besonders von den Sünden, zu denen du vor andern geneigt bist. Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung 1. Thess. 4, 3, dass ihr wandelt im neuen Wesen des Geistes, und im täglichen gewöhnlichen Leben und Umgang miteinander die Früchte des Geistes wirkt: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit. Das sind, im Herrn Geliebte, die Früchte des Glaubens, das ist der Wille des Vaters, nach solchen Früchten verlangt der Herr. Wer solche Früchte bringt, ist ein guter Baum im Garten Gottes, zum Lob und Preis des Heilands.
Aber ein jeglicher Baum, der diese guten Früchte nicht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. O ein schreckliches, furchtbares Wort! Alle die Christen, die nur mit dem Munde sich zu Jesu bekennen und Herr, Herr sagen, die nicht gute Früchte des Geistes bringen, ihr Leben nicht im Glauben an den Sohn Gottes heiligen und reinigen, sind faule Bäume und werden abgehauen! Der Tod ist für sie nicht ein Heimgang und Eingang ins Vaterhaus, sie dürfen nicht entschlafen seliglich im Herrn, um zu erwachen nach seinem Bilde und ewig froh zu sein; nein, sie werden abgehauen und ins Feuer geworfen. O schreckliches, furchtbares, entsetzliches Wort! Ich würde es nicht wagen, dies Wort über die Lippen zu bringen, wenn es nicht in Gottes Wort geschrieben stünde; aber also steht es geschrieben und also muss es gepredigt werden: sie werden abgehauen und ins Feuer, geworfen. Und zwar macht Gott keine Ausnahme. Es heißt: ein jeglicher Baum. Du magst noch so hoch stehen, in den höchsten Würden und Ehren sein, du magst deine Herkunft ableiten aus den ersten und vornehmsten Familien, du magst in großen oder kleinen Kreisen den Ton angeben, in der Gesellschaft, im Staat, in der Kirche, in der Schule die erste Stelle einnehmen im Reiche Gottes gilt kein Ansehen der Person. Die faulen Bäume mögen in der Hütte des Bettlers oder im Palast der Könige stehen, im Hause des ungebildeten Landmanns oder in der Wohnung des feinen Städters, sie mögen auf den Kirchenbänken sitzen oder auf der Kanzel stehen - sie werden alle abgehauen und ins Feuer geworfen. Also redet der Mund der ewigen Wahrheit. Wer Ohren hat, zu hören, der höre! Was bist du? Ein guter Baum oder ein fauler Baum?
Ich muss es doch einmal erfahren,
Was ich hier war und hier getan;
Ach, lass mich's nicht bis dahin sparen,
Wo Reue nichts mehr helfen kann.
Hier mache mich zum Himmel klug,
Und frei von schnödem Selbstbetrug!
Amen.