Kleinschmidt, Friedrich Emanuel - Der Brief an die Römer - Röm. 1, 18-2, 11.
Nun, nach V. 17, fängt der Apostel an zu zeigen, wie wir ohne das Evangelium nicht selig werden können, da wir Sünder das Gesetz Gottes nicht halten, ja gar nicht halten können. Die Sündigkeit der Menschen beweist er aber aus der Offenbarung des Zornes Gottes, die wir auf der Erde gewahr werden.
Gottes Zorn wird vom Himmel aus offenbart (V. 18) über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen. Zorn Gottes ist ein menschlich verständlicher Ausdruck für die Heiligkeit Gottes, die alles Sündige, alle Übertretung seiner Gebote von sich stößt, und sich also denen, welche diese Unreinheit, die Sünde, an sich haben, entzieht, so dass statt Glück und Freude im Gegenteil Unglück, Angst, Furcht sich ihrer bemächtigt, er straft sie. Dieser Zorn Gottes, die Strafgerichte über Sünder, kommt vom Himmel herab, wo sein Wohnsitz ist, er offenbart sich durch das viele, unsägliche Weh, das in der Menschheit herrscht um ihrer Sünde willen, die sich in ihrer Gottlosigkeit, ihrer Abwendung von Gott und in ihrer Ungerechtigkeit, ihrer Übertretung seiner Gebote, zeigt; durch diese ihre Ungerechtigkeit, die Sünde in ihrem Herzen und in ihrem Wandel, hemmen und unterdrücken sie die Wahrheit, dass sie nicht durchdringt, nämlich die Wahrheit Gottes, die Erkenntnis von dem lebendigen Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; die Sünde in uns also, nicht der Verstand, ist die Quelle des Irrtums. Der Verstand, mit dem wir Schlüsse ziehen, und die Vernunft, mit der wir Übersinnliches erkennen, suchen uns festzuhalten bei dem, was uns von Gott offenbart ist, aber die Sünde überwältigt sie, so dass uns die Erkenntnis Gottes verloren geht. Denn das Erkennbare Gottes ist ihnen, d. h. den Menschen, offenbar (V. 19), denn Gott hat es ihnen offenbart. Der Apostel will uns sagen, dass uns etwas von Gott, aber keineswegs sein ganzes Wesen, offenbar ist, wir erkennen es mit unsrer Vernunft, weil es Gott derselben zeigt oder offenbart, und was dies für unsre Vernunft Erkennbare an Gott ist, und wie wir dazu kommen es zu erkennen, sagt der Apostel gleich darauf. Dadurch hat es uns Gott offenbart, dass sein unsichtbares Wesen, von der Schöpfung der Welt an (V. 20), d. h. so lange dieselbe besteht, aus den Geschöpfen verstanden und erkannt wird, sodass sie keine Entschuldigung haben. Diese merkwürdigen Worte des Apostels wollen nicht sagen, dass wir unabhängig von den Offenbarungen Gottes an Adam und später an Noah mit Hilfe unsrer Vernunft und unsres Verstandes es herausfinden könnten, dass es einen allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde gebe, - die Heilige Schrift weiß nichts von einer sogenannten natürlichen Religion -, sondern das will der Apostel sagen, die Menschen, die Gott kannten, durch seine Uroffenbarungen an Adam und Noah, brauchten nur zu merken mit ihrer Vernunft auf seine unsichtbare, ewige Kraft und Gottheit oder Göttlichkeit (V. 20), die man von alters her, seit Erschaffung der Welt, an den Geschöpfen wahrnimmt, wie diese ewige, göttliche Kraft, den Sinnen unsichtbar, aber von der Vernunft bemerkt, die Geschöpfe erhält und immer neue Geschlechter bildet. Auf diese ewige Kraft und Gottheit, die in der Schöpfung waltet, hätten sie nur zu achten gebraucht, so hätte ihnen ihr Verstand gesagt, dass diese doch von niemand anders herkommen könne als von dem Gott, der sich Adam und Noah als den allmächtigen Schöpfer und Erhalter der Welt offenbarte. Da sie aber diesem in die Augen springenden Beweis infolge der ihnen einwohnenden Ungerechtigkeit sich widersetzt haben, so haben sie keine Entschuldigung, denn für Vernunft und Verstand lag die Sache klar genug da. Sie sind nicht zu entschuldigen, denn da sie wussten (V. 21), dass ein Gott ist, infolge seiner Offenbarungen an Adam und Noah, haben sie ihn doch nicht gepriesen als einen Gott, noch gedankt, sondern sind in ihrem Dichten (Einbildung) eitel geworden, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert geworden. Den Gott, den sie kannten, haben sie nicht geehrt und gepriesen, noch ihm auch für seine Wohltaten gedankt, wie sie es hätten tun sollen, sondern sind auf eitle, törichte Gedanken von ihm gekommen, und ihr unverständiges Herz, das die wahre Erkenntnis Gottes nicht festhalten wollte, sondern statt sie festzuhalten, dieselbe verleugnete, ist verfinstert worden, es hat die rechte Einfalt, das innere Licht verloren. Da sie sich für weise hielten, in ihrem Stolz eine bessere Erkenntnis glaubten aufstellen zu können, sind sie zu Narren geworden (V. 22), und haben verwandelt die Herrlichkeit, die herrliche Erkenntnis, die sie von ihm, als dem Herrlichen hatten, die Herrlichkeit also des unvergänglichen Gottes haben sie sich aus dem Sinn geschlagen, und haben sie in ihrer Vorstellung verwandelt in ein Bild (V. 23) gleich dem vergänglichen Menschen, und der Vögel und der vierfüßigen Tiere, und der kriechenden Tiere; die Griechen z. B. stellten sich die Götter wie Menschen vor, mit ihren Schwachheiten nach Leib, Seele und Geist; die Ägypter verehrten Vögel, wie den Ibis, Tiere, wie den Stier Apis, und kriechende Tiere, wie den eidechsartigen Ichneumon1). Ähnliches findet sich ja auch jetzt noch bei allen heidnischen Völkern. Als Strafe nun des Abfalls von Gott, dessen rechte Erkenntnis ihnen von alters nicht unbekannt war, als Strafe des Bilderdienstes und Götzendienstes hat sie Gott der Sünde übergeben, und zwar war die erste Strafe, die ihren Unglauben und Götzendienst traf, die Sinnlichkeit, die Unkeuschheit, die Unzucht. Gott hat sie dahingegeben (V. 24) in ihres Herzens Gelüste, in Unreinigkeit, dass sie gegenseitig ihre Leiber schändeten, die Gottes Wahrheit, die rechte Erkenntnis von ihm, haben verwandelt in Lügen, mit falscher, unwahrer, erlogener Erkenntnis vertauscht, und haben geehrt und gedient dem Geschöpf (V. 25), Vögeln, vierfüßigen und kriechenden Tieren, auch Menschen, mehr denn dem Schöpfer, der da hochgelobt ist in Ewigkeit, Amen. Durch diesen Lobpreis unterbricht der Apostel seine Darstellung, um ein Bekenntnis davon abzulegen, wie weit er selbst von dem Götzendienst entfernt ist, und wie sehr er denselben verabscheut. Darum aber, dass sie Gott nicht ehrten, wie sichs gebührt, hat Gott die Heiden dahingegeben in schändliche Lüste (V. 26), in Lüste, die den Tieren nie in den Sinn gekommen sind, weil sie nicht wie die Menschen ein erfindungsreiches Nachdenken haben, das von der Sünde in Anspruch genommen werden kann.
Hierauf nennt der Apostel (V. 26 und 27) Verfeinerungen der Sünde, wie sie damals unter den geistig hochgebildeten Griechen gar nicht so selten waren, als ein Beweis davon, wie tief ein Mensch sinken kann in Sünden der Unkeuschheit, wenn ihn nicht die Gnade Gottes bewahrt. Dass aber auch diese Gräuel, von denen besonders die in V. 26 erwähnten infolge eines noch nicht völlig ertöteten Schamgefühls in den auf uns gekommenen Schriften der heidnischen Griechen nur selten erwähnt werden, dennoch in der Heiligen Schrift nicht unerwähnt bleiben, ist uns ein neuer Beweis davon, dass sie das Buch der Bücher ist, welches uns über die Höhen der Heiligkeit sowie über die Tiefen der Sünde nicht ohne Aufschluss lässt, ja in allen Dingen ein Licht ist auf unserm Wege. Jene Sünder aber, von denen eben die Rede ist, haben den Lohn ihrer sündlichen Verirrung (V. 27), der sich gebührte, in sich selbst empfangen, durch die Schande, die sie sich dadurch unauslöschlich anhefteten. Es darf nicht übersehen werden, dass der Apostel die Sünden der Unkeuschheit als die erste Strafe des Unglaubens bezeichnet; diese Sünden sind es, die Gott bewogen, die erste Welt dem Untergang zu weihen (1 Mose 6, 1-7), welche der Grund waren, dass Gott Feuer und Schwefel über Sodom und Gomorra regnen ließ, und welche ihn vermocht haben das alte römische Reich dem Untergang durch rohe, darum aber auch nicht in der Sünde verfeinerte Völker preiszugeben. Dieselbe Sünde wird auch den europäischen Völkern den Untergang bereiten, und der Leuchter wird von ihrer Stätte weggerückt, und, worauf uns der Gang des Reiches Gottes und die Heilige Schrift hinweist, wieder nach Asien versetzt werden. Aber nicht bloß die Sünde der Unkeuschheit ist es, die Gott als Strafe über den Ungläubigen verhängt hat, er hat derselben auch andre Sünden auf dem Fuße nachfolgen lassen. Da die Heiden Gott nicht in der rechten Erkenntnis festhalten wollten (V. 28), so hat er sie dahingegeben in verkehrten Sinn, zu tun, was nicht taugt; solche verschiedene Sünden, die um des Unglaubens willen Gewalt über uns bekommen, zählt nun der Apostel (V. 29-31) auf, und weist dann (V. 32) auf das betäubte Gewissen hin, das die Heiden ohne Scham, frech und trotzig, sündigen lässt. Sie wissen Gottes Strafgerechtigkeit, die Unglück bis zum Tode an die Sünde knüpft, sie sehen es ja an den Folgen der Sünde, und an der dann und wann erwachenden Stimme des Gewissens, und dennoch tun sie nicht allein die Sünde, sondern haben auch Gefallen an denen, die es tun, nämlich die Sünde (S. 32). Wenn einer unter Vorwürfen des Gewissens fort und fort der Sünde dient, so missbilligt er sie doch bei andern, wie z. B. sündigende Väter oft ihre Kinder sorgfältig vor der Sünde zu bewahren suchen, deren Knechte sie selbst sind. So waren aber die vielen Sünder unter den damaligen Heiden nicht, sondern sie hatten Wohlgefallen an solchen, die so sündigten, wie sie selbst.
So hat nun der Apostel, der nachweisen will, dass alle Menschen vor Gott Sünder sind, seine Aufgabe in Bezug auf die Heiden gelöst, nun geht er von Kapitel 2, 1 an zu den Juden über, ohne sie jedoch gleich zu nennen; dass dies aber der Plan ist, den er in seiner Beweisführung befolgt, sehen wir aus seinen eigenen Worten, da wo er sagt: Wir haben droben bewiesen, dass beide, Juden und Griechen, alle unter der Sünde sind. (Kap. 3, 9.) Um nun den Übergang zu den Juden zu vermitteln, fasst er sie bei ihrem bekannten Stolz auf ihre Gerechtigkeit und der damit verbundenen Verdammungssucht, indem er lebhaft aber gewandt an seine letzte Äußerung (V. 32) anknüpft. Er hatte gesagt, dass die Heiden nicht nur selbst sündigen, sondern, weit entfernt andre Sünder zu verurteilen oder zu tadeln, dieselben sogar loben wegen ihrer Sünde. Da dachte nun der stolze Jude: Was das betrifft, so handle ich freilich ganz anders; ich tadle, ich richte die Sünder. Da aber die Juden selbst sündigten, so traf ihr Richten, wenn sie es nach allen Seiten gerecht ausüben wollten, auch sie selbst. Darum, sagt der Apostel, weil du selbst sündigst, bist du nicht zu entschuldigen (Kap. 2, 1), wenn du überhaupt richten willst, musst du es auch an dir selbst ausüben lassen, o Mensch, wer du bist, auch ein Jude, der du richtest; denn worin du einen andern richtest, verdammst du dich selber, sintemal du eben dasselbige tust, das du richtest. Denn wir wissen, dass Gottes Urteil recht ist über die, so solches tun (V. 2); er richtet der Wahrheit gemäß, straft nicht die sündigenden Heiden, und lässt die sündigenden Juden frei ausgehen, sondern er straft alle, die so handeln. Denkst du aber, o Mensch (V. 3), der du richtest die, so solches tun, und tust auch dasselbige, dass du dem Urteil Gottes entrinnen werdest? etwa weil du von Abraham abstammst, und Gott Abraham geliebt, und mit ihm und seinen Nachkommen einen Bund geschlossen hat? Oder verachtest du (V. 4) den Reichtum seiner Güte (V. 4), Geduld und Langmütigkeit? glaubst du leichtsinnig, sündlich handeln zu dürfen, weil die Strafe deiner Sünde so lang ausbleibt? meinst du, es finde sich vielleicht kein Ernst, keine Strafgerechtigkeit in Gott? Weißt du nicht (V. 4), dass dich Gottes Güte zur Buße leitet? Durch die Länge der Zeit soll dein Stolz allmählich geschwächt werden, damit du in dich gehst, Buße tust und selig werdest. Das ist die freundliche Absicht Gottes mit dir durch sein Zuwarten, und nicht die Förderung deines Leichtsinns. Du aber (V. 5) nach deinem verstockten und unbußfertigen Herzen häufst dir selbst den Zorn auf den Tag des Zornes und der Offenbarung des gerechten Urteils Gottes. Je länger wir die Güte Gottes missbrauchen und uns weigern Buße zu tun, je mehr versündigen wir uns, je strafwürdiger werden wir, und wenn einmal das nun verhüllte gerechte Urteil Gottes am Tage des Gerichts sich enthüllen wird, wenn es sich in seiner Wirklichkeit offenbaren wird, dann wird ein umso größerer Zorn über uns hereinbrechen, eine umso größere Strafe wird uns treffen. Der ganze Zusammenhang zeigt es, dass hier durchaus nicht von solchen die Rede ist, die Jesum kennen, sondern von solchen, die nichts von ihm wissen und die Buße verweigern, die seiner Erkenntnis vorhergehen muss; Bußfertige derart werden gleich nachher erwähnt. Dies, dass in diesem zweiten Kapitel von Gläubigen nicht die Rede ist, müssen wir zum Verständnis desselben durchaus festhalten. Ein solcher unbußfertiger Sünder also häuft sich Zorn an, der am Tage des Gerichts über ihn hereinbrechen wird, denn Gott wird geben einem jeglichen nach seinen Werken (V. 6). Dass aber bei denen, die Jesum nicht kennen, für die Seligkeit nicht die äußern Werke unabhängig von der Gesinnung des Herzens entscheidend sind, erklärt Paulus durch die weitere Ausführung dessen, was er soeben gesagt hat. Gott wird geben Preis, d. h. Würde, Herrlichkeit, Ehre, d. h. Anerkennung, und unvergängliches Wesen, d. h. einen unvergänglichen Kranz (1. Kor. 9, 25), ein unverwelkliches oder unvergängliches Erbe (1. Petr. 1, 4) denen, die mit Ausdauer im Gutestun nach dem ewigen Leben trachten. Es ist nicht die Rede von einem vollkommenen Halten des Gesetzes Gottes, von einer nach innen und außen tadellosen Heiligkeit, wie sie nur bei Jesu zu finden war, sondern von einem in einem bußfertigen Herzen wurzelnden Trachten nach guten Werken, Streben nach dem Wohlgefallen Gottes, wie wir es z. B. bei dem Hauptmann Cornelius finden, der den Weg, wie man allein selig werden kann, nämlich durch Vergebung der Sünden im Namen Jesu, nicht kannte und deswegen ausharrend im Gutes tun nach dem ewigen Leben trachtete, und dem daher von Gott Ehre d. h. Anerkennung zuteilwurde, denn der Engel sagte zu ihm: Dein Gebet und dein Almosen sind hinaufgekommen in das Gedächtnis vor Gott, und Petrus gibt ihm das Zeugnis, dass alle seinesgleichen, auch unter den Heiden - von solchen redet aber hier Paulus zunächst die Gott fürchten und recht tun, demselben angenehm sind (Apg. 10, 4. 35); solchen gibt er, wie wir das an Cornelius sehen, nach ihren Werken. Denen aber, die zänkisch sind (V. 8), niedriger Selbstsucht und Parteisucht dienen, und die der Wahrheit nicht gehorchen, vielmehr in Ungerechtigkeit dieselbe aufhalten (Kap. 1, 18), indem sie dem Ungerechten gehorchen, wird Gott geben Ungnade und Zorn.
Ja, um es nachdrücklicher einzuschärfen: Trübsal und Angst über jede Seele, so dass es der Mensch fühlt, denn eben die Seele ist das Lebensgefühl, über jede Seele der Menschen, die da Böses tun, vornehmlich der Juden, weil dieselben ja mehr Licht haben, und auch der Griechen. Preis aber (V. 10) und Ehre und Friede allen denen, die Gutes tun, vornehmlich den Juden, die es infolge des größeren Lichts weiter bringen können, und auch den Griechen. Denn (V. 11) es ist kein Ansehen der Person vor Gott. Dass Paulus hier denselben Ausdruck braucht wie Petrus, da derselbe über Cornelius und dessen Hausgenossen sein Urteil abgab (Apg. 10, 34.35), ist uns ein neuer Beweis davon, dass beide Apostel von derselben Sache reden, nämlich von Heiden und Juden und deren Herzensgesinnung nebst dem daraus folgenden Wandel, ehe sie Jesum kennen gelernt haben. Dass dies in keinem Widerspruch steht mit der Seligkeit aus Gnaden, ohne Verdienst der Werke, wird sich im Lauf der Betrachtung zeigen.