Kierkegaard, Sören Aabye - Die Liebe deckt der Sünden Menge

Kierkegaard, Sören Aabye - Die Liebe deckt der Sünden Menge

1. Petr. IV, 8

Gebet

Herr Jesus Christus! Die Vögel hatten Nester, die Füchse hatten Gruben, und Du hattest nicht, wo Du Dein Haupt hinlegen konntest, obdachlos warst Du in der Welt - selber doch die Deckung, die einzige, wo der Sünder hinfliehen konnte. Oh, und so bist Du ja noch am heutigen Tage die Deckung; wenn der Sünder flieht zu Dir, deckt er sich bei Dir, ist gedeckt in Dir: da ist er ewig wohl verwahrt, da deckt „die Liebe“ der Sünden Menge.

Text

Dieses gilt, wenn von menschlicher Liebe die Rede ist, in doppeltem Sinn, was wir anderswo näher ausgeführt haben: Der, in welchem Liebe ist, der Liebende, deckt der Sünden Menge, sieht nicht des Nächsten Fehler, oder sieht er sie, ist er doch wie der, der sie nicht sieht, deckt sie vor sich selbst und vor anderen, die Liebe macht ihn, in noch schönerem Sinn als Verliebtheit, blind, blind für die Sünden des Nächsten. Und von der andern Seite: Der, in welchem Liebe ist, der Liebende, wenn er auch im übrigen Fehler hat, Unvollkommenheiten, ja wenn auch seine Sünden viele sind: die Liebe, dieses, daß Liebe ist in ihm, deckt der Sünden Menge. Wenn von der Liebe Christi die Rede ist, dann kann das Wort nur in einem Sinn genommen werden; daß Er die Liebe war, diente nicht dazu, zu decken, was an Unvollkommenheit war in Ihm - dem Heiligen, in welchem keine Sünde war, und in dessen Mund kein Trug war, selbstverständlich, da in Ihm nur Liebe war, Liebe in Seinem Herzen und nur Liebe, in jedem Seinem Wort, in all Seinen Werken, in Seinem ganzen Leben, in Seinem Tod, bis zum Letzten. Ach, in einem Menschen ist die Liebe nicht so vollkommen, darum hat er, oder dessenungeachtet, hat er Nutzen von ihr: während er liebend der Sünden Menge deckt, tut die Liebe wieder für ihn, was er für andere tut: deckt seine Sünden. So bedarf er selber der Liebe, welche er an den Tag legt, so zieht er selber Vorteil aus der Liebe in ihm, welche aber trotzdem, insoweit sie nach außen sich wendet, deckend der Sünden Menge, nicht, wie Christi aufopfernde Liebe, die ganze Welt umfaßt, sondern nur sehr Wenige. Ach, wenn es auch selten genug ist, daß ein Mensch der Liebende ist, was Wunder, könnte man zu sagen sich verleiten lassen, was Wunder, daß ein Mensch danach strebt, es zu sein, er, der selber der Liebe bedarf, und insoweit, dadurch daß er liebt, ja doch in gewissem Sinn auf sein Eigenes sieht! Aber Christus bedurfte dieser Liebe nicht. Denke dir, daß Er die Liebe nicht gewesen wäre; denke dir, daß Er auf eine lieblose Weise bloß hätte sein gewollt, was Er war: der Heilige, denke dir, daß Er, anstatt die Welt zu erlösen und der Sünden Menge zu decken, zur Welt gekommen wäre, um in heiligem Zorn die Welt zu richten: denke dir dieses, um desto innerlicher zu bedenken, daß just von Ihm es im einzigen Sinne gilt, daß Seine Liebe der Sünden Menge deckte, daß dieses „Liebe“ war, daß, wie die Schrift sagt, da nur Einer gut ist: Gott, daß so Er, einzig, der Liebende war, der der Sünden Menge deckte, nicht einiger Einzelner, sondern der ganzen Welt.

So wollen wir in dem vorgeschriebenen kurzen Augenblick reden über dieses Wort:

Die Liebe (Christi Liebe) deckt der Sünden Menge.

Und so ist es doch, dazu hast du den Drang gefühlt, und just heute, nach einer Liebe, die die Sünden decken kann, deine Sünden - darum gehst du ja heute hinauf zum Altar des Herrn. Denn während es nur allzu wahr ist, was Luther sagt, daß jeder Mensch bei sich einen Prädikanten hat, der speist mit ihm, trinkt mit ihm, wacht mit ihm, schlaft mit ihm, kurz allzeit ist um ihn, allzeit mit ihm, wo er auch ist, was er auch sich vornimmt, einen Prädikanten, der heißt Fleisch und Blut, Lüste und Leidenschaften, Gewohnheiten und Neigungen: so ist es auch gewiß, daß da in jedes Menschen Innerstem ein Mitwisser ist, der genau so pünktlich überall mit dabei ist: Das Gewissen. Es kann vielleicht einem Menschen glücken, seine Sünden zu decken vor der Welt, er kann vielleicht töricht darüber sich freuen, daß es ihm glückt oder doch, etwas wahrer, zugestehen, daß es traurige Schwachheit ist und Feigheit, daß er nicht den Mut hat, offenbar zu werden: aber vor sich selber kann ein Mensch seine Sünden nicht decken. Das ist unmöglich; denn eine Sünde, die auch vor einem selbst ganz unbedingt gedeckt wäre, würde ja nicht Sünde sein, so wenig wie wenn sie gedeckt wäre vor Gott, welches auch nicht der Fall ist, da ein Mensch, sobald er wissend ist um sich selbst, und in allem, worin er wissend ist um sich selbst, zugleich wissend ist um Gott, und Gott wissend um ihn. Und darum ist er so mächtig und so peinlich genau und allzeit so gegenwärtig und so unbestechlich, weil er im Pakt ist mit Gott, er, dieser mitwissende Prädikant, der dem Menschen überall folgt, wann er wacht und wann er schläft - ach, wenn er ihn nicht schlaflos macht mit seinem Predigen! überall, im Lärm der Welt - ach, wenn er ihm nicht mit seiner Stimme der Welt Lärm zur Stille verwandelt! in der Einsamkeit - ach, wenn er ihn nicht hindert, selbst am einsamsten Ort sich einsam zu fühlen! bei der täglichen Arbeit - ach, wenn er ihn nicht zum Fremden macht für sie und wie einen Zerstreuten! in festlicher Umgebung - ach, wenn er ihm diese nicht gleich einem düsteren Gefängnis macht! an den heiligen Orten - ach, wenn er ihn nicht zurückhält, zu ihnen zu kommen: dieser mitwissende Prädikant, der dem Menschen folgt, mitwissend mit ihm, um das, was er jetzt, jetzt in diesem Augenblick tut oder läßt, und um das längst, längst - nein, nicht das längst Vergessene, dafür sorgt dieser Mitwisser, der ein furchtbares Gedächtnis hat - sondern das längst, längst Vergangene. Fliehen vor diesem Mitwisser kann ein Mensch nicht, so wenig wie er, nach jenes Heiden Wort, von der Sorge wegreiten kann, die hinten auf dem Pferde sitzt, und so wenig wie es, wenn du das Bild anders wenden willst, so wenig wie es dem Hirsche hilft, „vorwärts zu stürmen, um wegzulaufen von dem Pfeile, der in der Brust sitzt: je heftiger er vorwärts stürzt, desto fester läuft er sich bloß in den Pfeil.“

Doch heute bist du ja auch weit entfernt, den unnützen Versuch machen zu wollen, diesen mitwissenden Prädikanten zu fliehen oder ihm dich zu entziehen, du hast das Wort gerade ihm gegeben. Denn im Beichtstuhl ist es freilich der Priester, der predigt; aber der wahre Prädikant ist doch er, der Mitwisser in deinem Inneren. Der Priester, er kann nur ganz im allgemeinen predigen: der Prädikant in deinem Innern, er ist gerade das Gegenteil, er redet einzig und allein von dir, zu dir, in dir.

Nicht will ich irgendwelchen Versuch machen, zu erschrecken, selber genug erschreckt; aber wer du auch seist, menschlich gesprochen, nahezu rein und unschuldig - wenn dieser mitwissende Prädikant predigt für dich in deinem Inneren: so empfindest auch du, was vielleicht andere schrecklicher empfinden, du empfindest einen Drang, dich zu verstecken; und wenn es dir auch tausendmal und abertausendmal gesagt wurde, daß es unmöglich ist, diese Deckung zu finden, du empfindest doch den Drang. Ach, wie wenn ich hinflüchtete zu einer öden Insel, wohin niemals noch ein Mensch kam oder kommt - oh, daß da doch ein Zufluchtsort wäre, wohin ich also flüchten könnte, weit weg von mir selber; daß da ein Versteck wäre, wo ich so gedeckt bin, daß auch nicht das Bewußtsein um meine Sünde mich finden kann; daß da eine Grenze wäre, wenn auch noch so schmal, so sie doch nur scheidet zwischen meiner Sünde und mir; daß da auf der andern Seite eines klaffenden Abgrunds ein wenn auch noch so kleiner Flecken wäre, wo ich stehen kann, während das Bewußtsein um meine Sünde dort bleiben mußte auf der andern Seite; daß da eine Vergebung wäre, eine Vergebung, die mich meine Schuld nicht vermehrt empfinden läßt, sondern in Wahrheit die Schuld von mir nimmt, auch das Bewußtsein darum; daß da ein Vergessen wäre!

Nun aber, das ist ja also; denn die Liebe (Christi Liebe) deckt der Sünden Menge. Siehe, alles, alles neu geworden! Was da im Heidentum vergebend versucht ward und versucht wird, was da unter der Herrschaft des Gesetzes ein fruchtloses Bemühen war und ist: Das machte das Evangelium möglich. Am Altare breitet der Erlöser Seine Arme aus und just für diesen Flüchtling, der wegfliehen will vom Bewußtsein um seine Sünde, wegfliehen von dem, was da, noch schlimmer, als wenn es verfolgte, wegfliehen von dem, was da nagt; Er breitet Seine Arme aus, Er sagt: „Kommet her zu mir“ - und dieses, daß Er Seine Arme ausbreitet, dies sagt schon: Kommet her; und dieses, daß Er, ausbreitend Seine Arme, sagt: „Kommet her“, dies sagt zugleich: Die Liebe deckt der Sünden Menge. Oh, glaube Ihm! Könntest du dem zutrauen, der seine Umarmung rettend für dich offen hält, könntest du ihm zutrauen, daß er ein Wortspiel verschulde, ihm zutrauen, daß er eine nichtssagende Redensart gebrauche, ihm zutrauen, daß er dich betrüge, und just in diesem Augenblick: daß er sagen könnte: „Kommet her“ und in dem Augenblick, da du herkamst und er dich umschlossen hielt, daß es da sein sollte, als wärest du gefangen; denn hier, just hier war kein Vergessen, hier bei dem Heiligen! Nein, das könntest du nicht glauben; und glaubtest du es, so würdest du ja nicht herkommen: aber selig der, welcher ganz buchstäblich glaubt, daß die Liebe (Christi Liebe) der Sünden Menge deckt. Denn ein liebender Mensch, ja selbst wenn er der liebreichste wäre, er kann liebend richten mit Schonung, liebend seine Augen schließen vor deinen Sünden - oh, aber deine Augen für sie kann er nicht schließen; er kann durch liebende Rede und Teilnahme suchen, deine Schuld auch in deinen Augen zu mildern, und insoweit gleichsam sie decken für dich, oder doch bis zu einem gewissen Grad, einigermaßen, sie decken für dich - ach, aber wirklich sie decken für dich, buchstäblich sie decken für dich, so daß sie gedeckt ist, wie was da gedeckt ist auf dem Grunde des Meeres, und was niemals jemand mehr zu sehen bekommt, gedeckt also so, wie wenn was da rot war wie Blut weißer wird denn Schnee, so gedeckt, daß Sünde verwandelt wird in Reinheit, und du selber dich gerechtfertigt glauben mußt und rein: Das kann nur Er, der Herr Jesus Christus, dessen Liebe der Sünden Menge deckt. Ein Mensch hat keine Macht und Autorität, kann nicht dir gebieten, daß du glauben sollst, und just dadurch, daß er gebietet, mit Macht und Autorität dir helfen, zu glauben. Aber ist da bereits Autorität vonnöten, um zu lehren, welche Macht und Autorität, wenn möglich größer als die, die dem empörten Meere gebietet, stille zu werden, welche Macht und Autorität, um dem Verzweifelnden zu gebieten, dem, der in Qualen der Reue nicht vergessen kann und nicht darf, dem Zerknirschten, der es nicht lassen kann und nicht darf, auf seine Schuld zu stieren - welche Macht und Autorität, um ihm zu gebieten, daß er sein Auge schließe, und welche Macht und Autorität, um danach ihm zu gebieten, daß er des Glaubens Auge öffne, so daß er Reinheit sieht, wo er Schuld sah und Sünde! Diese göttliche Macht und Autorität hat nur Er, Jesus Christus, dessen Liebe der Sünden Menge deckt.

Er deckt sie ganz buchstäblich. Wenn ein Mensch vor einen andern Menschen sich stellt, und mit seinem Leib ihn ganz deckt, so daß keiner, keiner ein Auge werfen kann auf den, der gedeckt ist dahinter: Also deckt Jesus Christus mit Seinem heiligen Leibe deine Sünde. Wenn so auch die Gerechtigkeit rasend würde, was will sie mehr: Hier ist ja Genugtuung; wenn so auch die Reue in dir noch so zerknirschend meint, der Gerechtigkeit außer dir zu Hilfe kommen zu müssen, um die Schuld zu entdecken: Hier ist ja Genugtuung, eine Genugtuung, ein Genugtuer, der ganz alle deine Schuld deckt, und es unmöglich macht, sie zu sehen; unmöglich für die Gerechtigkeit, und dadurch wiederum für die Reue in dir, oder für dich, denn die Reue verliert auch ihr Gesicht, wenn die Gerechtigkeit, auf die sie sich beruft, sagt: Ich kann nichts sehen.

Er deckt sie ganz buchstäblich. Nie wenn die Henne, besorgt, im Augenblick der Gefahr die Küchlein sammelt unter ihre Flügel, sie deckt, eher ihr Leben lassend, als sie dieser Deckung zu berauben, die es dem Blicke des Feindes unmöglich macht, sie zu entdecken: Also deckt Er deine Sünde. Also: denn auch Er ist besorgt, unendlich besorgt in Liebe; eher soll Er Sein Leben lassen, als dich deiner sicheren Deckung zu berauben unter Seiner Liebe. Eher soll Er Sein Leben lassen - doch nein, just darum ließ Er Sein Leben, um dir eine Deckung zu sichern unter Seiner Liebe. Und darum auch: Nicht so wie die Henne, nämlich nur so oder unendlich mehr besorgt als die Henne ihre Küchlein deckt, sondern in anderer Weise nicht so; denn Er deckt mit Seinem Tod. Oh ewig sichere, oh selig geschützte Deckung! Denn für die Küchlein bleibt da doch eine Gefahr; wiewohl gedeckt, sind sie doch beständig in Gefahr: wenn die Mutter das Äußerste getan hat, aus Liebe ihr Leben gelassen hat für sie - so ist die Deckung ihnen geraubt. Aber Er dagegen - ja wenn Er mit Seinem Leben deine Sünde deckte, so wäre ja die Möglichkeit der Gefahr, daß sie Ihn des Lebens beraubten, und dich der Deckung. Anders, da Er mit Seinem Tode deine Sünde deckt; eher sollte Er - wenn dieses vonnöten wäre, wenn nicht alles entschieden wäre mit dem einen Mal - eher sollte Er noch einmal das Leben lassen, um mit Seinem Tod dir eine Deckung zu schaffen, als daß du der Deckung beraubt werden solltest. Dieses ist ganz buchstäblich so: Er deckt deine Sünde, just weil Er deckt mit Seinem Tode. Einen Lebenden kann ja doch der Tod zur Seite schaffen, aber ein Toter kann unmöglich zur Seite geschafft werden, und also unmöglich deine Deckung dir geraubt werden. Wenn so auch die Gerechtigkeit rasend würde, was will sie mehr als die Todesstrafe; aber sie ist ja erlitten, Sein Tod ist deine Deckung. Unendliche Liebe! Es wird da geredet von Werken der Liebe, und ihrer können ja viele genannt werden. Aber wenn da geredet wird von dem Werk der Liebe oder der Liebestat, so ist da, ja so ist da nur ein Werk, und, wunderbar genug, so weißt du auch auf der Stelle, wovon die Rede ist, von Ihm, von Jesus Christus, von Seinem versöhnenden Tod, der der Sünden Menge deckt. Dieses wird verkündet am Altare, denn von der Kanzel herab wird wesentlich Sein Leben verkündet; aber am Altare Sein Tod. Er starb ein Mal für der ganzen Welt und unsere Sünden; Sein Tod wird nicht wiederholt, aber dieses wird wiederholt: Er starb auch für dich, der du in Seinem Leib und Blut das Pfand darauf empfängst, daß Er gestorben ist auch für dich am Altar, wo Er dir Sich Selbst hingibt zur Deckung. Oh, sichere Deckung für den Sünder, oh, selige Deckung, im besondern, nachdem man zuerst erfahren hat, was das sagen will, wenn das Gewissen anklagt und das Gesetz richtet und die Gerechtigkeit strafend verfolgt, dann, ermattet bis zur Verzweiflung, Ruhe zu finden in der einzigen Deckung, die zu finden ist! Ein Mensch, selbst der liebreichste, er kann doch höchstens dir die Milderung geben, die Entschuldigung, es dir überlassend, wie weit du nun sie gebrauchen kannst: Aber sich selbst kann er dir nicht geben. Das kann nur Jesus Christus, Er gibt dir Sich Selbst zur Deckung; es sind nicht einige Trostgründe, die Er dir gibt, nicht eine Lehre, die Er dir mitteilt, nein: Er gibt dir Sich Selbst. Wie die Nacht deckend sich breitet über alles: So gab Er Sich Selbst hin und ward die Deckung, hinter welcher eine sündige Welt liegt, die Er errettete; durch diese Deckung bricht sich die Gerechtigkeit, nicht bloß gemildert, wie wenn die Strahlen der Sonne durch das farbige Glas sich brechen, nein, ohnmächtig bricht sie sich gegen diese Deckung, und bricht nicht hindurch. Er gab Sich Selbst hin für die ganze Welt zu einer Deckung, auch für dich, wie für mich.

Und darum Du, mein Herr und Erlöser, Du, dessen Liebe der Sünden Menge deckt, wenn ich recht meine Sünde empfinde und meiner Sünden Menge, wenn da für die Gerechtigkeit im Himmel nur Zorn ist über mich und über mein Leben, wenn da auf der Erde nur ein einziger Mensch ist, den ich hasse und verabscheue, ein Mensch, dem zu entgehen ich fliehen wollte, und wäre es auch bis ans Ende der Welt, - ich selbst: so will ich nicht anfangen mit diesem Vergeblichen, das doch nur entweder noch tiefer in die Verzweiflung oder zum Wahnsinn führt, sondern ich will stracks hinfliehen zu Dir, und Du wirst mir nicht verweigern die Deckung, die Du liebend allen angeboten hast, Du wirst mich entziehen dem Blick der Gerechtigkeit, erretten mich von diesem Menschen und von der Erinnerung, mit der er mich peinigt, Du wirst mir dazu helfen, dadurch, daß ich ein verwandelter, ein anderer, ein besserer Mensch werde, bleiben zu dürfen in meiner Deckung, vergessen von der Gerechtigkeit und von jenem Menschen, den ich verabscheue.

Andächtiger Zuhörer. Es ist diese Liebe, die der Sünden Menge deckt, zu welcher du heute hinsuchst, sie suchend am Altare. Du hast vom Diener der Kirche die Versicherung empfangen von deiner Sünden gnadenvollen Vergebung; du empfängst am Altare das Pfand darauf. Und nicht bloß dieses; denn nicht bloß empfängst du dieses Pfand, wie du von einem Menschen ein Pfand darauf empfangen kannst, daß er dieses Gefühl für dich habe, oder diese Gesinnung gegen dich, nein, du empfängst das Pfand zum Pfand darauf, daß du Ihn Selbst empfängst; indem du das Pfand empfängst, empfängst du Ihn Selbst, in und mit dem sichtbaren Zeichen gibt Er dir Sich Selbst zur Deckung deiner Sünden. Wie Er die Wahrheit ist, so daß du nicht von Ihm zu wissen bekommst, was Wahrheit ist, und nun dir selber überlassen bleibst, sondern nur in der Wahrheit bleibst dadurch, daß du in Ihm bleibst; wie Er der Weg ist, so daß du nicht von Ihm zu wissen bekommst, welchen Weg du gehen sollst, und nun dir selbst überlassen deinen Gang gehen mußt, sondern du nur dadurch, daß du in Ihm bleibst, auf dem Wege bleibst; wie Er das Leben ist, so daß du nicht von Ihm das Leben übergeben bekommst und nun dich um dich selber kümmern mußt, sondern du nur dadurch, daß du in Ihm bleibst, das Leben hast: so ist Er auch die Deckung; nur dadurch, daß du in Ihm bleibst, nur dadurch, daß du in Ihn dich einlebst, bist du in Deckung, ist da Deckung für deiner Sünden Menge. Darum wird das Abendmahl genannt eine Gemeinschaft mit Ihm; es ist nicht bloß zu Seinem Gedächtnis, nicht bloß zum Pfand darauf, daß du Gemeinschaft hast mit Ihm, sondern es ist die Gemeinschaft, die du dann stieben sollst, in deinem täglichen Leben zu bewahren dadurch, daß du mehr und mehr aus dir selbst dich herauslebst und in Ihn dich einlebst, in Seine Liebe, die der Sünden Menge deckt.

Dem Andenken des verstorbenen Michael Pedersen Kierkegaard meines Vaters ist diese kleine Schrift geweiht.

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