Kapff, Sixtus Carl von - Am Feiertag St. Philippi und Jacobi.
Letzte Predigt in Korntal am 1. Mai 1843.
Text: Ephes. 2,19-22.
So seid ihr nun nicht mehr Gaste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und GOttes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da JEsus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau in einander gefügt, wachst zu einem heiligen Tempel in dem HErrn, auf welchem auch ihr mit erbaut werdet, zu einer Behausung GOttes im Geist.
Im heutigen Evangelio hören wir Worte voll göttlichen Trostes aus dem Mund JEsu: „Euer Herz erschrecke nicht. In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten. Ich will wieder kommen und euch zu mir nehmen, auf dass ihr seid, wo ich bin. Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun.“ Mit diesen Worten tröstete JEsus seine Jünger, die über die Ankündigung seines Abschieds, obwohl sie ihn nicht einmal verstanden, sehr betrübt waren. Er stellte sich ihnen dar als den beständigen Weg zum Vater, durch den sie in ewiger und seliger Gemeinschaft mit dem Vater bleiben können. Und als Philippus, dessen Andenken wir heute feiern, sagte: „zeige uns den Vater,“ da antwortete er: „wer mich sieht, der sieht den Vater.“ Nach allem diesem musste Philippus jetzt eine ganz andere Erkenntnis von JEsu haben, als zu der Zeit, da er als einer der fünf ersten in die Nachfolge JEsu trat. Damals verkündigte er mit Freuden dem Natanael: „Wir haben den gefunden, von dem Moses und die Propheten geschrieben haben, JEsum, Josephs Sohn, von Nazareth.“ Jetzt kannte er Ihn nicht mehr als Josephs, sondern als GOttes Sohn.
Diese Erkenntnis musste besonders wunderbar sein für den anderen Apostel, dessen wir heute gedenken, für Jakobus den Jüngeren, der in der Schrift Bruder des HErrn genannt wird. Ihm musste es unfasslich sein, dass der, der durch Bande des Bluts mit Ihm verwandt, mit dem er als Knabe ganz vertraulich umgegangen war, der Sohn GOttes sei, in dem GOtt selbst wohne. Aber durch den heiligen Geist bekamen die Apostel über diese große Wahrheit das rechte Licht, in dessen Klarheit sie erkannten, dass durch Christi Gottheit unsere Menschheit zur höchsten Vereinigung mit GOtt gekommen sei und dass in Folge davon nicht bloß Jakobus Bruder des HErrn sein soll, sondern wir Alle sollen seine Brüder sein, und zwar viel wesentlicher und inniger, als bei aller leiblichen Verwandtschaft; ja wir sollen sogar Eins sein mit Ihm und durch Ihn mit dem Vater. Durch solche Gemeinschaft mit Ihm sind wir nach unserem Episteltext nicht mehr Gäste und Fremdlinge, die keine Heimat haben, sondern GOttes Hausgenossen als seine nächsten Verwandten, und als das sind wir Mitbürger der Heiligen und lebendige Steine in dem großen Bau, der zu einem heiligen Tempel in dem HErrn wächst, zu einer Behausung GOttes im Geist. Das ist die Gemeinschaft der Heiligen, die besonders in unserer Zeit der Zerstreuung einen der wichtigsten Artikel unseres Glaubens bildet und an deren Verheißungen mich zu halten mir heute ganz besonderes Bedürfnis ist. Daher wollen wir bei diesem Artikel unseres Glaubens heute stehen bleiben und betrachten:
Die Gemeinschaft der Heiligen,
- als eine Familie GOttes,
- als einen Tempel GOttes,
- als eine Vorhalle des Himmels.
Großer Heiland! Du hast auch uns gewürdigt, dass wir Glieder sein dürfen in der Gemeinschaft der Heiligen und so je mehr und mehr erbaut werden zu Deinem heiligen Tempel. O lass in der Kraft Deines ewigen Hohepriestertums uns immer mehr wachsen im Geist, tue selbst Alles von uns hinweg, was die Gemeinschaft stört und erfülle uns mit Deiner göttlichen Liebe, dass wir vollkommen seien in Eins, wie du Eins bist mit dem Vater. Dazu hilf uns auch jetzt durch Deinen heilige Geist. Amen.
I. Die Gemeinschaft der Heiligen ist eine Familie GOttes.
Damit ist der Grund oder das Fundament bezeichnet, worauf sie ruht. Unser Text gibt uns zu diesem kühnen Ausdruck das Recht, da er sagt, wir seien GOttes Hausgenossen, d. h. Familienglieder, die mit GOtt in solcher vertraulichen Vereinigung stehen sollen, wie die Kinder und andere Glieder der Familie mit, dem Hausvater. Wie ist aber das möglich, da auch über unsere sündliche Natur die Klage des HErrn (Jes. 1,2. ff.) gilt: „Ich habe Kinder auferzogen und erhöht und sie sind von mir abgefallen; o wehe des sündigen Volks, des boshaften Samens, der schädlichen Kinder, die den HErrn verlassen und weichen zurück. Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt. Von der Fußsohle an bis aufs Haupt ist nichts Gesundes an ihnen, sondern Wunden und Striemen und Eiterbeulen, die nicht geheftet, noch verbunden, noch mit Öl gelindert sind.“ Diese traurige Schilderung gilt von jedem Menschen, der noch in der alten Art der fleischlichen Natur lebt und in dem es noch nicht zur Neugeburt des Geistes gekommen ist. Wie kommen aber so grundverdorbene Menschen dazu, eine Familie GOttes zu werden? Ein Wörtlein unseres Textes weist uns den Weg, das Wörtlein: „nun,“ so seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern GOttes Hausgenossen. Dieses „nun“ ist die Folgerung aus dem, was der Apostel vorher von der Versöhnung durch Christum gesagt hat: „Ihr hattet keine Hoffnung und wärt ohne GOtt in der Welt, aber ihr seid nun nahe geworden durch das Blut Christi; denn Er ist unser Friede, der uns versöhnt hat mit GOtt durch das Kreuz und hat die Feindschaft zwischen GOtt und Menschen und zwischen den Menschen untereinander getötet durch sich selbst. Ja GOtt hat uns, da wir tot waren in Sünden, samt Christo lebendig gemacht, samt Ihm auferweckt und samt Ihm in das himmlische Wesen versetzt.“ Diese Zurechnung der Gerechtigkeit JEsu und aller Früchte seines Todes und seiner Auferstehung hat nun für uns die große Wirkung, dass wir nicht mehr Gäste und Fremdlinge sind, die keine Heimat im Reich GOttes haben. Alle natürlichen Menschen sind Fremdlinge, die in dieser vergänglichen Welt nichts Bleibendes haben und dann bald im Tod ohne Hoffnung dahin fahren müssen. Aber Seelen, die durch JEsum Vergebung ihrer Sünden erlangt haben und in denen der heilige Geist ein neues Leben schaffen kann, sind Hausgenossen GOttes, haben ihre Heimat im Himmel; denn GOtt, der Allmächtige selbst, ist ihr Vater, und JEsus, der Sohn GOttes, schämt sich nicht, sie Brüder zu heißen. Kinder Eines Vaters und Geschwister eines Bruders bilden mit einander eine Familie und sind durch die innigsten Bande der Liebe mit einander verbunden.
Diese Familie ist unermeßlich groß; denn sie befasst alle die Millionen Seelen, die durch Buße und Glauben zur Rechtfertigung in JEsu Christo gelangt und so ihres himmlischen Erbes gewiss geworden sind. Und eben das ist so wohltuend in dieser Familie, dass wir in ihr mit so vielen Seelen eng verbunden werden und so hundertfältig Brüder, Schwestern, ja Väter in Christo haben. Und zwar soll es in dieser großen Familie nicht sein, wie leider so oft in menschlichen Familien, da Unfriede und Streit, Neid und Eifersucht die Gemüter zertrennt; die Familie GOttes besteht aus Heiligen, wie unser Text sagt; Heilige sind nun freilich nicht solche, bei denen die Sünde ganz gestorben ist, aber doch Seelen, in denen der Geist Macht hat über das Fleisch, die durch den heiligen Geist in eine innere Vereinigung mit GOtt gekommen und so zu einem neuen Leben nach GOttes Wohlgefallen gekräftigt sind. Von solchen Seelen kann man erwarten, dass die Naturregungen der Eigenliebe und Selbstsucht, des Hochmuts und Neides, des Zornes und der Bitterkeit überwunden sind, dass sie einander vergeben und nachgeben, auch Schwachheiten und selbst Sünden Anderer mit Sanftmut und Geduld tragen, einander untertan und auf das Beste Anderer, wie ans das eigene bedacht sind. Ohne das ist freilich kein einträchtiges Familienleben und keine Gemeinschaft der Heiligen denkbar. Wo aber so der Sinn JEsu die Herzen erfüllt, da ist die Liebe nicht nur des Gesetzes Erfüllung, sondern auch das Band der Vollkommenheit, und da gibt es nichts Lieblicheres, als das Familienleben der Kinder GOttes, da Eines dem Anderen Handreichung tut, besonders im Geistlichen, aber auch im Leiblichen.
Diese in Liebe vereinigte Familie GOttes ist an keinen Ort gebunden. Wo gläubige Seelen sind, die einander lieben in der Liebe des, der sie bis in den Tod geliebt hat, da ist eine Familie GOttes, die zu der großen, über die ganze Erde verbreiteten Brüderschaft gehört. Und je mehr die Kinder GOttes im Geist verbunden sind, desto weniger können äußere Verhältnisse die Liebe stören. Es liegt da auch nicht so viel daran, ob sie äußerlich beisammen sind oder nicht. Die Entfernung der Leiber macht oft die Herzen einander näher, wie Kinder ihre Eltern erst dann inniger lieben, wenn sie von ihnen entfernt werden. Und wenn sie nach einem Halbjahr oder nach einem Jahr wieder zu ihren Eltern kommen, so ist die Liebe nur um so herzlicher und reiner. Wir erfahren es ja manchmal, dass wir äußerlich beisammen sitzen können, ohne viel von einander zu haben; oft wird die Zeit mit unbedeutenden Gesprächen verbracht, wo es für die innere Gemeinschaft wichtiger wäre, wenn wir äußerlich nicht beisammen wären, aber innerlich um so mehr im Gebet unsere Seelen vereinigten. Oft erfahren wir, dass wenn wir einen Bruder oder eine Schwester lange nicht mehr gesehen haben, es uns doch ist, als wären wir indes beisammen gewesen, weil wir im Geist, im Gebet und übrigen Andenken der Liebe verbunden blieben, wie Geschwister nach Jahre langer Entfernung nur um so mehr fühlen, wie sie zusammengehören.
So als Familie GOttes, die auf Zeit und Ewigkeit zusammengehört, so als Brüder und Schwestern in der Liebe des Vaters verbunden zu bleiben, danach wollen auch wir immer mehr trachten, wollen mit den Armen des Gebets zu einander herüber und hinüber reichen und als Glieder an dem gemeinschaftlichen Haupt zusammenhängen. Er will unser Bruder sein und für die, denen Er das ist, gilt das Wort des Apostels: „von nun an kennen wir Niemand nach dem Fleisch“ (2 Kor. 5,16.), wollen daher auch das, was zum Fleisch, zum irdischen, dem Raum, der Zeit und allerlei Verhältnissen unterworfenen Außenwerk gehört, nicht zu hoch anschlagen. In dieser unteren Welt müssen wir ja doch über tausenderlei Dinge, die zwischen die Seelen hineintreten, hinübersehen. Unser äußeres Leben ist ein Gemisch und Gewirr von den verschiedenartigsten Einflüssen, wo unseren innersten Wünschen und Gefühlen oft ein äußerer Widerstand entgegentritt, da wir den Umständen, die GOtt kommen lässt, uns unterwerfen müssen. Aber die Gemeinschaft des Geistes hebt sich über das Alles hinüber, überwindet auch die Missverständnisse und gleicht durch den Geist des Gebets und der Liebe das aus, was die äußeren Verhältnisse Störendes mit sich führen. Und wenn wir auch äußerlich einander nicht das sein können, was wir gerne möchten, wenn wir nur im inneren Priestertum nicht lässig sind, und wenn wir nur im Geist recht zusammenhängen als Glieder der heiligen GOttesfamilie, so dürfen wir auch in unserem Teil erfahren, dass die Gemeinschaft der Heiligen nicht nur eine Familie, sondern sogar
II. ein Tempel GOttes ist,
eine Behausung, in der GOtt wohnt, und in der daher GOtt auch Alles zurechtbringt und immer mehr vollendet. Als das stellt unser Text die Gemeinschaft der Heiligen dar in den Worten: „ihr seid erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da JEsus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt, wächst zu einem heiligen Tempel in dem HErrn.“ Der wahre Tempel GOttes ist da, wo GOtt wohnt. Er will wohnen in der Menschheit. Deswegen hat Er sie ursprünglich geschaffen nach seinem Bild und nachdem die Sünde Alles verwüstet und verderbt, so hat Er in Christo sich geoffenbart, und weil JEsus eine reine, heilige Menschheit darstellte, die zur Vereinigung mit der GOttheit, ja zur Verklärung in die volle Herrlichkeit der GOttheit erhöht worden ist, darum ist Er selbst der heilige Tempel, in dem der Vater wohnt, wie Er im heutigen Evangelio sagt: „Glaubt mir, dass ich im Vater und der Vater in mir ist,“ ja sogar: „wer mich sieht, der sieht den Vater.“ So ist JEsus der vollkommenste Tempel GOttes. Aber all das Seine soll unser werden; durch Ihn, als den ewigen Mittler, sollen wir Alle Tempel GOttes werden und so zusammen den heiligen, herrlichen Bau bilden, die große Behausung GOttes im Geist, worin die ganze Herrlichkeit GOttes sich abspiegelt; deswegen heißt Christus der Eckstein, auf dem das ganze Gebäude ruht, und wir sollen lebendige Steine sein, erbaut auf Christum, als den Grundstein, dadurch, dass wir den Grund der Apostel und Propheten in uns tragen, alle die Gotteswahrheiten der Knechte und Zeugen GOttes lebendig zur Kraft in uns werden lassen und durch diese Wahrheiten immer tiefer in GOtt eindringen.
Daher sagt Petrus: „auch ihr, als die lebendigen Steine, baut euch selbst zum geistlichen Hause und zum heiligen Priestertum, zu opfern geistliche Opfer, die GOtt angenehm sind, durch JEsum Christum.“ Wer sind die lebendigen Steine? Steine müssen im Steinbruch gebrochen, d. h. geistlich aus ihrer Natur herausgenommen, von ihrem ganzen irdischen Zusammenhang losgemacht, sodann müssen sie behauen werden, weil sie mit ihren Ecken und Spitzen in das Gebäude nicht passen, d. h. geistlich, sie müssen von ihrer Naturart weiter gereinigt und schön zugerichtet werden. Solches Herausnehmen aus dem Naturzusammenhang und solches Behauen und Zurichten geschieht durch die Buße und den Glauben. In der Buße tritt die Seele aus ihrem natürlichen Verband, aus dem Steinbruch des Fleisches heraus und verlässt die finstere Sündenhöhle. Im Glauben wird sie zugerichtet in die Ähnlichkeit Christi und nimmt seine Art an, so dass sein Leben in sie kommt. Dadurch wird sie ein lebendiger Stein, ein polierter immer mehr glänzender Stein, ein Edelstein, der den heiligen Geist mit seinem Licht durchleuchten und einfügen kann in das geistliche Haus GOttes.
Ja, ein solcher aus GOtt geborener Geist ist selbst ein Tempel GOttes, wie denn GOtt spricht: „Ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln und will ihr GOtt sein und sie sollen meine Söhne und Töchter sein.“ Einer im Glauben mit JEsu vereinigten Seele soll das Höchste zu Teil werden, was unser Geist denken und sich wünschen kann: „Inwohnung GOttes.“ Ein solches Herz ist dann Tempel, Priester und Opfer GOttes, wie Petrus sagt; es opfert sich und die Welt dem, der sich für uns geopfert hat; es betet priesterlich für die Welt und ist ihr so zum Segen, und es ist ein Heiligtum, in dem die Lobgesänge zur Ehre des Dreieinigen GOttes ertönen. Und je mehr solche Seelen in Gemeinschaft miteinander sind, desto mehr wachsen sie miteinander zu dem großen Bau, dessen einzelne Glieder durch Liebe ineinander gefügt den Leib ausmachen, von dem Paulus vor unserem Text sagt, er sei die Fülle des, der Alles in Allem erfüllt. Solcher Geistestempel ist erhaben über die äußeren Formen; er schließt sich an die menschlichen Konfessionen und Kirchenordnungen an, aber nicht, als ob er ihrer bedürfte. Tempel GOttes haben den Geist in sich, der in alle Wahrheit leitet, und so hoch das zu schätzen ist, was Andere uns geben können, so notwendig ist es doch, dass wir innerlich selbstständig und reif seien, dass wir nicht immer menschlicher Führer und Lehrer bedürfen, sondern die Salbung des Geistes innerlich in uns haben, die mittelst des Wortes GOttes uns allerlei lehrt, wo dann Johannes sagt: „ihr bedürft nicht, dass euch Jemand lehre“ (1 Joh. 2,27.). Diese Reife und Selbstständigkeit des geistlichen Lebens in der Erkenntnis möchte ich unserer lieben Gemeinde besonders wünschen. Viele sind noch zu viel abhängig von Menschen und legen sich zu sehr aufs Hören und Genießen, statt mehr selbst zu denken, geistig zu arbeiten und im Gebet zu wirken. Nur wenn wir mehr aus GOtt schöpfen, als von Menschen, nur dann sind uns auch Menschen und ihr Umgang recht zum Segen. Dann sind allerdings die Gemeinschaftsstunden und Brüderversammlungen das Wohltuendste und Gesegnetste, was es im menschlichen Umgang gibt. Da werden wir oft hoch über uns selbst hinaufgehoben und die Geistesflügel schwingen sich freudiger und kräftiger wieder zum Himmel auf.
Ebendeswegen betrachten wir die Gemeinschaft der Heiligen
III. als eine Vorhalle des Himmels.
Alles, was unser Text von der Gemeinschaft der Heiligen sagt, gibt uns den Eindruck, dass es um sie etwas überaus Seliges sein muss. Hausgenossen GOttes - welche Würde kann höher, welche Heimat süßer sein! Schon im Irdischen freuen wir uns, ein gutes und bequemes Haus zu haben, und mit Wonne blicken wir heute hinaus in das große Haus der Schöpfung, das im schönsten Frühlingsschmucke vor uns steht, dessen Saphirgründe und Blütentapeten uns schon wie eine Vorhalle des Himmels erscheinen. Aber mehr als diese irdische Pracht, die doch bald wieder in Staub sinkt, mehr ist die Behausung GOttes im Geist, der Bau der Seelen, die Einen HErrn und Bruder, Einen Glauben, Eine Taufe, Einen GOtt und Vater Aller haben, der da ist über uns Alle, durch uns Alle und in uns Allen, die so durch das Band der Liebe und des Friedens Ein Leib und Ein Geist sind, berufen zu einerlei Hoffnung des himmlischen Berufes. Wer so in GOtt seine Heimat und im Himmel sein seliges und herrliches Erbe hat, der hat in JEsu so viel Leben und volles Genüge, solche Befriedigung des ganzen Wesens, wie auch das reinste Familienglück es nicht geben kann. Hausgenossen GOttes haben in ihrer Gemeinschaft mit der unsichtbaren Welt den Himmel schon auf Erden. Sie sollen ja selbst ein Haus, eine Wohnung GOttes sein und was kann seliger machen, als die Inwohnung GOttes, der lauter Licht, Freude und Seligkeit ist und daher Licht, Freude und Seligkeit ausbreitet, wo Er wohnt?
Diese Himmelsfreude wird dann noch dadurch vermehrt, dass die Hausgenossen GOttes Bürger sind mit allen Heiligen, Mitbürger des GOtterfüllten Staates, in dem das Bild GOttes wieder zu seiner vollen Verklärung kommt. Diese Gemeinschaft der Liebe mit so vielen der edelsten und teuersten Seelen ist für uns eine wahre Heimat und wenn Jemand klagt, er stehe allein in der Welt, seine nächsten Verwandten seien ihm gestorben, so kann man ihm sagen: Brüder sind eine Heimat; sei ein lebendiges Glied der Gemeinschaft der Heiligen, so hast du tausend nahe Verwandte und gehörst zu einer Familie, in der du nie dich verwaist fühlen kannst. Von solcher Liebesgemeinschaft gilt das Wort:
Lieben und geliebt werden
Ist der Himmel schon auf Erden.
So ist die Gemeinschaft der Heiligen als Haus GOttes und als heiliger Liebesbund eine Vorhalle des Himmels, Vorhalle, nicht der Himmel selbst, weil freilich noch gar viel fehlt, bis der schöne Bau vollkommen nach allen Teilen ineinander gefügt und alles in der göttlichen Harmonie gewachsen ist zu der reinen und vollkommenen Behausung GOttes im Geist. Das wird erst dann sein, wenn wir erlöst sind von dem Leib dieses Todes, wenn Fleisch und Blut nicht mehr vermag, das Reich GOttes zu stören. Auf diesem unteren Boden des Kampfes mit Satan, Welt und Fleisch sehen wir nie eine vollkommene Darstellung der Gemeinschaft der Heiligen, das Fleischliche mischt sich in alles Geistliche und die Selbstsucht und Eigenliebe hindert immer wieder die volle Hingabe der Bruderliebe, wie man auch fast in allen Familien die Geschwisterliebe getrübt sieht durch geheimen Neid und Eigennutz. Daher freuen wir uns auf den Himmel, wo kein Neid mehr ist, kein Hochmut, keine Eigenliebe, keine Befleckung des Fleisches und keine Zurückhaltung des irdischen Sinnes. Aber je mehr die Gemeinschaft der Heiligen sich gründet auf Christum, als ihr Haupt, desto gewisser ist sie ein Vorgeschmack des Himmels und ein Weg dazu.
In dieser Gemeinschaft nun wollen auch wir verbunden bleiben, teuer geliebte Brüder und Schwestern. Wir wollen keinen langen und schweren Abschied von einander nehmen. Unsere Entfernung von einander ist keine Trennung. Wir bleiben vereinigt im Geist durch das feste, unauflösliche Band der Liebe, durch das der HErr uns vereinigt hat. Wenn Er will, so komme ich bald wieder, und so oft es möglich ist, zu euch und will so auch von dieser Stätte, an der ich vor 10 1/4 Jahren meinen Ruf zu euch erhielt, nicht scheiden. Seht mich ferner als Mitglied eurer Gemeinschaft an und behaltet mich und die Meinigen in der Liebe, mit der ihr uns bisher getragen habt. Ich danke dem HErrn und euch Allen von ganzem Herzen für Alles, was ihr mir und den Meinen Liebes und Gutes erwiesen habt vom ersten Tag an bis jetzt; besonders danke ich auch für den vielen geistlichen Segen, der durch euch mir zu Teil wurde. Der HErr wolle euch Alles reichlich vergelten in Zeit und Ewigkeit! Verzeiht mir Alles, was von mir und den Meinigen gefehlt worden ist; wohin ich blicke, sehe ich mich als Schuldner und kann bei so vielen Versäumnissen und Fehlern mich nur wie der alte Rieger mit dem Wort der Schrift trösten, das der barmherzige Vater um JEsu Christi willen auch an mir erfüllen wolle, nämlich: „da jammerte den HErrn desselbigen Knechts und ließ ihn los und die Schuld erließ Er ihm auch.“ Wie der HErr zudeckt, so wolle auch eure Liebe zudecken und wie Er an des Herzens Grund ersieht seine Lust, so seht auch ihr bei mir und den Meinigen auf den Grund des Herzens, der euch in fester und treuer Liebe allezeit zugetan war und zugetan bleibt. Gern hätte ich viel mehr äußerlichen Umgang mit euch gehabt: aber mancherlei Umstände, Geschäfts- und Besuchs-Überhäufung und Krankheits-Umstände in meiner Familie nötigten mich, außer den Krankenbesuchen mehr im Geist und Gebet euch zu besuchen, wovon ich aber immer größeren Segen und innigere Vereinigung mit euch erfuhr, als von äußerlichem Beisammensitzen. Freilich auch in diesem innerlichen Priestertum war ich nicht treu und eifrig genug. Um so mehr aber nehme ich es mir für die Zukunft vor, und wenn wir dem Leib nach nicht beisammen sind, so sollen um so mehr unsere Herzen beisammen sein. Wir Alle kennen ja den Ort, an dem wir täglich uns zusammenfinden können, es ist der Gnadenthron GOttes, vor dem wir täglich uns die Hände reichen können, ja es ist das Herz JEsu selbst, in dem wir täglich einander haben und in Liebe Eins sein wollen. Und wenn wir einst zu den Brüdern kommen, die schon drüben sind und denen Manche von euch vielleicht bald nachfolgen werden, dann wollen wir uns erst recht freuen; denn dann ist alle Not dieses leidensvollen Pilgerlaufs vorbei, auch aller Trennungs- und Sehnsuchts-Schmerz, und dann wird GOtt abwischen alle Tränen von unseren Augen und wird kein Schmerz, kein Leid, kein Geschrei, ja kein Tod mehr sein; dann ist alles Alte vergangen und Alles neu geworden.
O dass nur dann keines von uns fehle, keines von uns durch die vergängliche Lust der Welt zurückkomme, sondern wir Alle, Alte und Junge, des himmlischen Erbes teilhaftig werden, ohne dessen Hoffnung heute schon selbst ein Paradies uns eine Hölle wäre. Da möchte ich besonders unsere liebe Jugend bitten: „schafft, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern, und seid getreu bis in den Tod, dass euch JEsus die Krone des ewigen Lebens geben könne. Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist, denn die ganze Welt vergeht mit aller ihrer Lust, nur wer den Willen GOttes tut, nur der bleibt in Ewigkeit.“ In diesem heiligen, allein seligen Willen GOttes wollen wir ruhen, Ihm uns kindlich unterwerfen, und wenn Er uns auch gegen unseren Willen führt, wir wollen stille sein und glauben, dass sein Wille und sein Weg der beste ist. Deswegen macht mir auch keine Vorwürfe, dass ich von euch gehe, es ist - das sage ich aus wohlbegründeter Überzeugung - es ist GOttes Führung, und vor der müssen wir die Hand auf den Mund legen und schweigen. Was wir jetzt nicht verstehen, werden wir Hernachmals im Licht erkennen. Sein Rat ist wunderbar, aber Alles führt Er herrlich hinaus. Und nun, liebe Brüder und Schwestern, ich befehle euch GOtt und dem Wort seiner Gnade, der da mächtig ist, euch zu erbauen und zu geben das Erbe unter Allen, die geheiligt werden. Die Gnade unseres HErrn JEsu Christi, der uns geliebt hat bis in den Tod, die Liebe des Vaters, in dem wir unsere selige Heimat haben, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes, als des rechten Trösters und Lehrers, sei mit euch Allen in Zeit und Ewigkeit! Amen.