Kapff, Sixtus Carl von - Am Feiertag der Apostel Petrus und Paulus
Text: Apostelgesch. 12,1-11.
Um dieselbige Zeit legte der König Herodes die Hände an Etliche von der Gemeine, zu peinigen. Er tötete aber Jakobum, Johannis Bruder mit dem Schwert. Und da er sähe, dass es den Juden gefiel, fuhr er fort, und fing Petrum auch. Es waren aber eben die Tage der süßen Brote. Da er ihn nun griff, legte er ihn ins Gefängnis, und überantwortete ihn vier Vierteilen Kriegsknechten, ihn zu bewahren; und gedachte ihn nach den Ostern dem Volk vorzustellen. Und Petrus ward zwar im Gefängnis behalten, aber die Gemeine betete ohne Aufhören für ihn zu GOtt. Und da ihn Herodes wollte vorstellen, in derselbigen Nacht schlief Petrus zwischen zwei Kriegsknechten, gebunden mit zwo Ketten, und die Hüter vor der Tür hüteten des Gefängnisses. Und siehe, der Engel des HErrn kam daher, und ein Licht schien in dem Gemach; und schlug Petrum an die Seite, und weckte ihn auf, und sprach: stehe behände auf. Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen. Und der Engel sprach zu ihm: Gürte dich, und tue deine Schuhe an. Und er tat also. Und er sprach zu ihm: Wirf deinen Mantel um dich, und folge mir nach. Und er ging hinaus, und folgte ihm, und wusste nicht, dass ihm wahrhaftig solches geschähe durch den Engel; sondern es schien ihm, er sehe ein Gesicht. Sie gingen aber durch die erste und andere Hut, und kamen zu der eisernen Tür, welche zur Stadt führt; die tat sich ihnen von ihr selbst auf, und traten hinaus und gingen hin eine Gasse lang; und alsobald schied der Engel von ihm. Und da Petrus zu sich selbst kam, sprach er: Nun weiß ich wahrhaftig, dass der HErr seinen Engel gesandt hat, und mich errettet aus der Hand Herodis, und von allem Warten des jüdischen Volks.
Der Engel des HErrn lagert sich um die her, so Ihn fürchten und hilft ihnen ans. Diese Erfahrung des Königs David wird aufs Herrlichste bestätigt durch die Geschichte unserer heutigen Abendlektion. Wir sehen ein düsteres Gefängnis mit dicken, festen Mauern, mit eisernen Türen, Schlössern und Riegeln, und mit vier Haufen von Soldaten, die jedes Entkommen völlig unmöglich machten, und in dem finsteren Gewölbe liegt der Felsenmann Petrus in der letzten Nacht vor der Hinrichtung, auf jeder Seite gefesselt an einen rohen Kriegsknecht. Aber ein Bote aus dem Himmel erscheint, Riegel und Schlösser springen auf, Ketten und Bande fallen zu Boden und Petrus steht auf freiem Fuß. So hat der starte GOtt schon vielen Hunderten seiner Kinder geholfen und diese wunderbaren Errettungen Alle rufen uns zu, was David sagt: „schmeckt und seht, wie freundlich der HErr ist; wohl dem, der auf Ihn traut.“ Deswegen haben wir gesungen: „ein' feste Burg ist unser GOtt.“
Luther schrieb dieses Lied in einer Zeit, wo GOtt ihn aus großer Gefahr errettet und sein Werk wunderbar gegen alle Feinde verteidigt hatte. An dieses Werk Luthers und an alle Wunder, die GOtt in der ganzen Reformationszeit getan hat, erinnert uns diese Woche besonders. Am letzten Sonntag feierten wir das Reformationsfest zum Dank für die Augsburgische Konfession und für die gnädige Erhaltung unserer evangelischen Kirche, die GOtt ebenso beschirmte, wie die zwei größten Reformatoren, deren Andenken wir heute feiern, die Apostel Petrus und Paulus. Oft waren sie in Gefahren, die ihrem Leben und Wirken ein völliges Ende zu machen schienen. Ebenso war unsere evangelische Kirche von Stürmen heimgesucht, die sie zu verderben drohten. Aber wie Petrus aus dem Gefängnis, Paulus aus dem Steinregen, so ist unsere Kirche aus dem schnaubenden Rachen ihrer Feinde immer wieder errettet worden. Das stärkt unseren Glauben für die Zukunft und so benützen wir unseren Text zu einer Betrachtung der trostvollen Wahrheit:
Eine feste Burg ist unser GOtt.
Wir sehen:
- wie treulich Er die Seinen beschütze,
- wie getrost wir daher auf Ihn bauen und zu Ihm beten dürfen.
I.
Wie treulich GOtt die Seinen beschützt, das zeigt uns ein genauerer Blick auf die Geschichte unseres Textes. Wir lesen: „Herodes legte die Hände an Etliche von der Gemeine zu peinigen.“ Bereits waren sehr viele Christen geworden. Zu den drei Tausenden am ersten Pfingstfest tat der HErr täglich hinzu, die da gläubig und so selig wurden. Besonders auffallend waren die Wirkungen von der Bekehrung des Paulus, sodann die Bekehrung des Cornelius, als eines römischen Hauptmanns, und die große Menge von Bekehrungen unter den Heiden in Antiochien. Diese auffallende Vermehrung der Christengemeinde erregte Aufsehen, und während sie Anfangs Gnade gehabt hatte bei allem Volk, so ward jetzt durch ihre Vergrößerung und durch die Einflüsterungen der Obern, zu deren Weltsinn das Christentum nicht passte, der Hass des Volkes erregt. So kam Herodes darauf, Etliche von der Gemeine zu peinigen, um so bei den Juden, besonders ihren Obern, sich beliebt zu machen. So tötete er den Jakobus mit dem Schwert, und da die Juden ihre Freude darüber bezeugten, so ließ er auch den Petrus gefangen nehmen. Er war das Werkzeug gewesen zur Bekehrung der 3000 Juden, dann des Heiden Cornelius und vieler Anderer; er galt früh als Säule der Gemeinde und war daher dem Satan ein Hauptanstoß. Daher wurde er in der heiligen Osterzeit, in der etliche Jahre früher der HErr selbst getötet worden war, auch zum Opfer ausersehen und plötzlich in ein festes Gefängnis verschlossen, aus dem jede Errettung nach menschlicher Ansicht rein unmöglich schien. Aber ruhig sehen wir in seinen Fesseln ihn schlafen, selbst in der letzten Nacht vor dem schauerlichen Tag der Hinrichtung. Seine Seele ruhte in GOtt und so durfte die Todesangst ihn nicht viel quälen. Doch wäre beim Erwachen der erste Gedanke: heute werden diese Glieder abgeschlagen - schwer auf seine Seele gefallen.
Aber viel mehr mit Schrecken und Trauer hätte die Gemeine den Bluttag anbrechen sehen. Ihre Hauptsäule war Petrus, und hatten sie schon um Jakobus mit banger Sorge gekauert, so schien ihnen vollends mit Petrus Alles genommen, da sie denken mussten, so werde jetzt ein Apostel um den anderen getötet und die so ganz haltlose Gemeinde zuletzt völlig aufgelöst.
Aber je größere Not, je näher GOtt; denn je ernstlicher man da Ihn sucht und je inbrünstiger man mit ganzer Hingabe seines Wesens zu Ihm betet, desto williger lässt Er sich finden. Daher legt unser Text ein großes Gewicht auf das Gebet der Gemeinde in den Worten: „Petrus war zwar im Gefängnis, aber die Gemeine betete ohne Aufhören für ihn zu GOtt.“ Dieses „zwar“ und „aber“ ist sehr zu merken. Nach unseren Augen kann zwar oft Alles verloren sein, aber es gibt eine andere Macht, und im Glauben an sie schwingt der Glaube mit einem fröhlichen „Aber“ sich über alle Zweifel und Sorgen hinüber. So erhielt gewiss auch die Gemeinde in ihrem Gebet eine stärkende Hoffnung. Aber auch äußerlich wurde das Gebet erhört. Wie einst zu Daniel auf sein Gebet für das Volk alsobald der Engel Gabriel daherflog und ihm sagte: „Da du anfingst zu beten, ging ein Befehl aus von GOtt, und ich komme, dass ich dir's anzeige, denn du bist lieb und wert,“. Ebenso ging auch auf das Gebet der Gemeine ein Befehl aus vom Throne GOttes, dass Petrus errettet werden muffe. „Und siehe, der Engel des HErrn kam daher und ein Licht schien im Gemach.“ Wo finstere Nacht und selbst am hellen Tag düsteres Dunkel herrschte, da wurde es Licht, weil ein freundlicher Bote aus der Lichtwelt da stand. Und wie treu besorgt ließ dieser Engel sich zu jedem Bedürfnis des schlafenden Petrus herab! Zuerst schlug er ihn an die Seite, weckte ihn auf und sprach: „Stehe behände auf.“ Bei diesen Worten fielen die Ketten von seinen Händen. Dann sprach er mit ihm wie eine Mutter, die ihr schlaftrunkenes Kind anzieht. Gürtel, Schuhe, Mantel - Dinge, die einem Engel zu gering sein könnten, hielt er ihm gleichsam hin und half sie ihm anziehen. Die Soldaten, an die Petrus auf beiden Seiten angefesselt war und die die geringste Bewegung von ihm merken mussten, waren in tiefen Schlaf versunken, ebenso die verschiedenen Abteilungen der Wachen im äußeren Gefängnisraum; keine Hand durfte sich aufheben, der HErr wollte helfen, Und so musste Alles schweigen. Ja, das letzte große eiserne Haupttor, das fest verschlossen war, sprang von selbst auf, und Petrus trat aus dem dumpfen Kerker hinaus auf die freie Straße, auf der der Engel ihn so lange begleitete, bis er in einer ihm wohlbekannten Gasse war. Jetzt erst sah er, dass er in der wirklichen Welt sei. Bis dahin war er wie ein Träumender, glaubte, er sehe ein Gesicht, konnte es nicht fassen, dass solch' eine wunderbare Errettung aus solchen Banden in der Wirklichkeit geschehe. Das war ein fröhliches Erwachen. Den Tod vor Augen war er eingeschlummert, und frei von allen Banden wachte er auf.
Aus dieser Geschichte sehen wir, wie mächtig der HErr die Seinen beschützen kann. Wenn GOtt will, so sterben sie freudig, wie Stephanus und Jakobus, und wie zuletzt auch Petrus und Paulus in Rom den Märtyrertod starben; aber wenn GOtt helfen will, so müssen alle Fesseln springen, alle Türen sich auftun, alle Feinde schweigen, und was GOtt will, muss geschehen. Da lässt der HErr sich zum Kleinsten herunter; da sorgt Er für alle Bedürfnisse, bis auf den Gürtel und die Schuhe hinaus, und im Kleinsten wie im Größten verherrlicht sich seine Hilfe, daher David rühmt: „Da ich den HErrn suchte, antwortete Er mir und errettete mich aus aller meiner Furcht.“
Das erfuhr, wie Petrus, so auch der andere Apostel, dessen wir heute gedenken, Paulus. Noch viel öfter war er in den schwersten Todesgefahren, und aus allen half ihm der HErr. Kurz nach seiner Bekehrung ließ der König in Damaskus die ganze Stadt mit Wachen umstellen, damit Paulus nicht entrinnen sollte; aber ein Fenster in der Mauer tat sich auf und ein Korb trug ihn hinab, dass er sicher entkam. Ebenso half ihm GOtt unter seinen vielen Leiden, unter denen menschliche Kraft hätte erliegen müssen. Fünfmal bekam er 39 Streiche, dreimal wurde er mit Ruten gehauen, einmal sogar gesteinigt und da als tot aufgehoben; aber am anderen Morgen konnte er wieder seine Straße ziehen. Dreimal erlitt er Schiffbruch und war in Gefahr, von den tobenden Meereswogen verschlungen zu werden. Doch geschah ihm kein Leid. In Jerusalem wollten die Juden ihn totschlagen, ja zerreißen und nachher meuchlerisch ermorden: aber der HErr machte ihren Anschlag zunichte und tröstete ihn durch eine Erscheinung in der Nacht mit den Worten: „Sei getrost!“ So war er beständig in Gefahr zu Wasser und zu Land, unter Juden und Heiden, in Hunger und Durst, in Frost und Blöße. Aber es wurde an ihm wahr, was Psalm 91 verheißt: „Er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest: auf den Löwen und Ottern wirst du gehen, und treten auf die jungen Löwen und Drachen.“ Einmal hatte eine giftige Otter Paulum schon umfasst, und die Leute erwarteten mit jedem Augenblick seinen Tod; aber er schleuderte sie nur ins Feuer, ohne dass sie ihm etwas tun durfte. Deswegen sagt derselbe Psalm: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem HErrn: meine Zuversicht und meine Burg, mein GOtt, auf den ich hoffe.“ Als solche Burg hat Er sich im Alten und Neuen Bund und bis auf diesen Tag wunderbar erwiesen. So rettete Er den Noah mit seiner Familie aus den Wogen der Sintflut, so den Lot aus den Flammen Sodoms, so das ganze Volk Israel aus den Plagen Ägyptens, aus der Tiefe des roten Meeres und aus den Schrecken der langen Wüste. Oft standen Heere gegen Israel, wie Sand am Meer, aber der HErr ließ blitzen oder hageln, oder plötzliche Schreckensverwirrung über die Feinde kommen, und sie wurden zerstreut wie Staub oder auch vom Schlachtschwert eines Engels hingemäht wie Gras, z. B. bei Hiskia, da 183.000 Assyrer fielen in Einer Nacht. Elisa war in Dotan von den Rossen und Wagen der Syrer umringt, dass sein Knabe Alles verloren gab, aber ruhig sagte der Prophet: „Fürchte dich nicht, derer ist mehr, die bei uns sind, denn derer, die bei ihnen sind;“ und alsbald sah auch der Verzagte den Berg voll feuriger Rosse und Wagen; das waren die Mahanaim GOttes, die Heerlager der Engel. Über den Köpfen der Syrer standen sie. Drauf wurden die Feinde so mit Blindheit geschlagen, dass Elisa selbst sie mitten in die Stadt Samaria hineinführen konnte, wo sie Alle hätten umgebracht werden können, wenn nicht der Prophet ihnen das Leben geschenkt und für ihre Speisung gesorgt hätte, worauf sie, durch die Macht dieser Liebe überwunden, nicht mehr kamen.
So ist auch die Gemeine JEsu mitten durch das Toben ihrer Feinde hindurch geleitet worden, und was Daniel im Löwengraben, die drei Männer im Glühofen und die Makkabäer im Schlachtengewühl, das haben JEsu Jünger erfahren. Das ganze Judentum und Heidentum stand gegen sie, die ganze Macht des römischen Reichs drohte sie zu erdrücken: aber auch die Pforten der Hölle konnten sie nicht überwältigen, und selbst das Blut der Märtyrer war der schönste Same der Kirche, woraus immer neue Saaten für das Reich GOttes hervorblühten. So war's auch in der Zeit der Reformation. Der Papst und der Kaiser und zahlreiche Fürsten und Bischöfe hatten sich verschworen, die evangelischen Bekenner auszurotten, oft klirrten, oft schlugen, ja oft siegten ihre blutgierigen Waffen: aber die evangelische Kirche blieb fest auf ihrem Felsgrunde stehen. Selbst die Feinde der Christenheit, die Türken, mussten dazu helfen, indem sie die Feinde der Evangelischen am Krieg gegen sie hinderten. Besonders wurde auch Luther wunderbar von GOtt beschützt. Zuerst schenkte ihm der HErr solchen Glaubensmut, dass er auf den Reichstag in Worms ging mit den Worten: wenn so viel Teufel in der Stadt wären, als Ziegel auf den Dächern, so wolle er sich doch nicht fürchten. Und nachdem seine Feinde ihn in die Reichsacht erklärt hatten, da dann Jedermann ihn hätte töten dürfen, da war auf der Wartburg GOtt seine feste Burg, und die Frucht dieser Verborgenheit war Luthers Bibelübersetzung, so dass die Reichsacht für das Reich GOttes den größten Segen brachte bis auf den heutigen Tag. Niemand aber durfte die Acht vollziehen, und noch 25 Jahre nach ihr lebte Luther frei in der umfassendsten Wirksamkeit. Auch nach seinem Tod ruhte der mächtigste Schutz GOttes über der evangelischen Kirche, und selbst der schreckliche dreißigjährige Krieg konnte sie nicht vertilgen, vielmehr ging sie mit festerem Recht daraus hervor.
So haben zu aller Zeit viele Knechte GOttes erfahren, wie treulich Er die Seinen beschütze. Wie oft war gegen sie der Dolch schon gezückt, das Gift schon bereitet, die Keule schon geschwungen, die Kugel schon geladen, ja abgeschossen: aber der Vater im Himmel rettete sein Kind. Einmal wollte ein Fürst seinen Hofprediger, der ihm zu ernstlich predigte, erschießen; er gab ihm gemessenen Befehl, ganz allein bei ihm zu erscheinen; der Hofprediger kam, aber hinter ihm sah der Fürst einen Begleiter; als er darüber den Hofprediger hart anließ, versicherte dieser, er sei gewiss allein, aber nochmals auf den Begleiter hingewiesen, musste er auf den Gedanken kommen, GOtt habe seinen Engel ihm mitgegeben. Der Fürst ließ die geladene Pistole liegen, und wagte nicht, den Mann GOttes anzutasten. In England wurde im Jahr 1558 der fromme Prediger Gilpin vor die katholische Regierung in London beschieden, um, wie so viele andere Protestanten, hingerichtet zu werden. Er wollte nicht fliehen, sondern erwartete ruhig, was kommen werde. Als die Häscher ihn gefangen nahmen, empfing er sie mit den Worten: „Denen, die GOtt lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.“ Auf dem Weg nach London brach er den Fuß. Als er in schrecklichen Schmerzen da lag, rief ihm einer der Häscher spöttisch zu: „Muss dir das auch zum Besten dienen?“ - „Allerdings,“ sagte Gilpin. Und es war so. Während er in der Herberge an seinem Beinbruch darniederlag, starb die verfolgungssüchtige Königin Maria, und alsbald wurden alle um des evangelischen Glaubens willen Gefangene, so auch Gilpin, frei.
Ähnliche Proben der Durchhilfe GOttes haben auch von uns schon Manche erfahren. Auch unter den schweren Gewittern der letzten Tage hat uns der HErr bewahrt, auch unter den anstrengenden Arbeiten der Heuernte ist Keinem unter uns ein Leid geschehen, während vor einigen Tagen ein Mann nicht sehr ferne von uns früh um 3 Uhr zum Mähen ausging und um 6 Uhr tot niederfiel. So hätte es unter uns auch gehen können. Wie viele Gefahren gehen täglich an uns vorüber, die wir nicht einmal ahnen! Wir Alle dürfen fröhlich singen:
Mich hast Du auf Adlersflügeln
Stets getragen väterlich;
In den Tälern, auf den Hügeln
Wunderbar errettet mich;
Wann schien Alles zu zerrinnen.
Ward doch deiner Hilf' ich innen.
Tausend, tausendmal sei Dir,
Großer König, Dank dafür!
Dieser Dank aber muss sich besonders auch dadurch aussprechen, dass wir
II.
recht getrost auf den HErrn bauen und zu Ihm beten. Geschichten, wie die in unserem Texte, dürfen nicht als bloße Merkwürdigkeiten von uns angesehen werden, sie sollen uns eine kräftige Glaubensstärkung sein und uns erwecken, unser ganzes Vertrauen auf den HErrn zu gründen. Freilich ist das nicht möglich, wenn es nicht unser ernstliches Bestreben ist, wahre Jünger JEsu zu sein und immer mehr zu werden. Man spricht so viel von der Vorsehung, und Viele glauben ohne alle Bekehrung den Schutz der Vorsehung wie eine Art Recht ansprechen zu dürfen. Aber das rechte Vertrauen gibt doch nur der Glaube an JEsum; nur durch Ihn erlangen wir Vergebung der Sünden, und nur so wird der Weg in das Vaterherz GOttes uns eröffnet, dass wir unserem Vater im Himmel Alles zutrauen können. Ohne Versöhnung müssen wir überall GOttes Gerichte fürchten; aber als gerechtfertigte und in Christo geheiligte Seelen dürfen wir der Gnade GOttes uns getrösten, für die auch kein Wunder zu groß ist. Und wenn dann auch nicht so geholfen wird, wie wir es wünschten, so wissen wir als Kinder, dass der Vater Alles gut macht, und dass denen, die Ihn lieben, doch alle Dinge, auch die widrigsten und bittersten, zum Besten dienen müssen. Jakobus wurde nicht errettet wie Petrus, aber sein Tod pries GOtt, wie sein Leben. Stephanus wurde gesteinigt, aber sein Blut war der erste Zug an das Herz des Saulus, der nachher den Ruf des HErrn umso eher verstand. Alles, was GOtt tut, ist wohlgetan. Und unter allen Umständen dürfen wir uns seiner Nähe getrösten, wie auch JEsus verheißt: „Siehe, Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“
Aus dieser Nähe schon fließt uns oft in den dunkelsten Stunden Licht und Trost zu, dass es wenigstens innerlich bei uns geht, wie in dem dunklen Kerker des Petrus, der hell erleuchtet wurde, so wie der Engel hineintrat. O wie viele dunkeln Leidenskämmerlein sind schon so erhellt worden, bald durch innerliche Tröstungen, die dem Herzen wie den Himmel auftaten, bald auch durch äußerliche Hilfe! Und wie oft ist auch um uns ein Bote aus dem Himmel, wie er zu Petro kam! Gewiss, wenn das innere Gesicht uns eröffnet wäre, wir würden gar manchmal eine Lichtgestalt in unserer Nähe erblicken und so alle Sorge und Furcht über drückende Lasten wegwerfen. Aber wenn wir auch nichts um uns her sehen, weil wir jetzt im Glauben wandeln sollen, nicht im Schauen, so wissen wir doch, dass heute noch die Engel dienstbare Geister der ewigen Liebe sind, und ausgesandt werden zum Dienst um deren willen, die die Seligkeit ererben sollen. Daher dürfen wir in jeder Lage unseres Lebens daran festhalten, dass wir nie allein sind, so verlassen wir uns auch oft vorkommen mögen, sondern heilige Engel GOttes umgeben uns desto mehr, je größer die Gefahr ist, und der HErr selbst, der starke GOtt Israels, ist mit seiner allmächtigen Gegenwart uns nahe, so dass wir mit David getrost sprechen dürfen: „Der HErr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der HErr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen? Wenn sich schon ein Heer wider mich legt, fürchtet sich dennoch mein Herz nicht; wenn sich Krieg wider mich erhebt, so verlasse ich mich auf Ihn.“
So machte es jene Frau in England, die lange um ihr Seelenheil bekümmert gewesen war, und daher fleißig die Kirche des frommen Predigers Fletcher besuchte. Ihr Mann, ein roher Metzger, verbot ihr unter den schrecklichsten Drohungen, Fletchers Kirche und irgendeine religiöse Versammlung zu besuchen. Als sie sagte, sie könne Gewissenshalber nicht unterlassen, wenigstens die Kirche zu besuchen, da schwur er in wütendem Zorn, ihr den Hals abzuschneiden, wenn sie noch einmal gehe. Nun flehte sie inbrünstig zu GOtt, Er möchte in der Versuchungsstunde ihr beistehen, und obwohl sie noch nicht viel Trost empfand, so war sie entschlossen, ihrem Gewissen zu folgen und auf GOtt zu vertrauen. Am Sonntag ging sie unter vielen innerlichen Kämpfen die Treppe herab, um die Kirche zu besuchen. Auf die Frage ihres Mannes: Wohin? sagte sie es ihm. Da schrie er: „Nun will ich dir den Hals nicht abschneiden, aber den Ofen heizen und dich hineinwerfen, sobald du nach Hause kommst.“ Dieser Drohung ungeachtet, die er mit schweren Flüchen begleitete, ging sie zur Kirche und betete auf dem ganzen Weg, dass GOtt sie stärken wolle, Alles zu erdulden, was ihr auch begegnen möge. Fletcher hatte beim Besteigen, der Kanzel völlig vergessen, was er zu predigen sich vorgenommen hatte. Schon fürchtete er, die Kanzel verlassen zu müssen, ohne etwas zu sagen. Da fiel ihm ein, er könne ja über den in der vorangegangenen Liturgie gelesenen Bibelabschnitt von den drei Männern in Nebukadnezars Feuerofen reden, und indem er dies tat, empfand er einen so ungewöhnlichen Beistand GOttes, dass er vermutete, es müsse etwas Besonderes zu Grund liegen; daher er mit der Bitte schloss, wenn Jemand etwas Besonderes begegnet sei, möchte er ihm Anzeige machen. - Die arme Metzgersfrau aber wurde in der Predigt reichlich getröstet und der Heilige Geist machte ihr jedes Wort lebendig. Als die Predigt geendet war, dachte sie: und wenn ich tausend Leben hätte, so könnte ich sie alle GOtt aufopfern. Ihre ganze Seele war so erfüllt mit der Liebe GOttes, dass sie mit dem festen Entschluss nach Hause eilte, ruhig sich dem hinzugeben, was GOtt über sie verhängt habe; denn sie zweifelte nicht, dass Er sie in den Himmel aufnehmen werde, wenn sie verbrannt würde. Aber wie erstaunt war sie, als sie die Türe öffnete und der Zorn ihres Mannes sich gelegt hatte! Und wie freute sie sich, als sie kurz darauf Ursache hatte, zu hoffen, dass auch er um das Heil seiner Seele bekümmert sei!
Dieses Beispiel zeigt, wie fest wir unser Vertrauen auf GOtt setzen dürfen, aber auch, wie viel wir mit ernstem Beten und Flehen ausrichten können, und wie sehr wir daher solches Gebet uns zur Pflicht machen müssen - und zwar ja nicht bloß für die Zeit der Not, sondern heute und alle Tage soll unser Geist so im Umgang mit GOtt stehen, dass wir in Ihm ruhen, Alles aus seiner Hand getrost annehmen und unser ganzes Vertrauen felsenfest auf Ihn gründen können. Das Gebet des Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist. Wie manchmal hatte der Hagel schon angefangen auf unseren Dächern zu rasseln, aber im Augenblick hörte er wieder auf, weil viele Herzen zu GOtt schrien und solche Gebete als die besten Hagelableiter wirken. Der alte Kirchenvater Chrysostomus sagt: einer betenden Gemeine könne GOtt nichts abschlagen. So viel ist gewiss, dass der HErr jedes gläubige Gebet hört und erhört, wenigstens durch innerliche Segnungen erhört, und wenn Er auch nicht tut, was wir begehren, so gibt Er uns etwas viel Besseres dafür. Darum lasst uns auf den HErrn vertrauen, Er ist unsere Hilfe und Schild. Ja, Er ist ein Fels ewig. Keiner wird zu Schanden, der seiner harrt. Amen.