Kapff, Sixtus Carl von - Am Sonntag Jubilate.

Kapff, Sixtus Carl von - Am Sonntag Jubilate.

Text: 1 Petr. 2,11-17.
Liebe Brüder, ich ermahne euch, als die Fremdlinge und Pilgrimme: enthaltet euch von fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten; und führt einen guten Wandel unter den Heiden, auf dass die, so von euch afterreden, als von Übeltätern, eure guten Werke sehen, und GOtt preisen, wenn es nun an den Tag kommen wird. Seid untertan aller menschlichen Ordnung, um des HErrn willen, es sei dem König, als dem Obersten, oder den Hauptleuten, als den Gesandten von ihm zur Rache über die Übeltäter und zu Lobe den Frommen. Denn das ist der Wille GOttes, dass ihr mit Wohltun verstopft die Unwissenheit der törichten Menschen, als die Freien, und nicht als hättet ihr die Freiheit zum Deckel der Bosheit; sondern als die Knechte GOttes. Tut Ehre Jedermann. Habt die Brüder lieb. Fürchtet GOtt. Ehrt den König.

Der HErr sprach zu Abraham: „Gehe aus deinem Vaterland und von deiner Freundschaft und aus deines Vaters Hause, in ein Land, das Ich dir zeigen will, und Ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen, und dir einen großen Namen machen und sollst ein Segen sein.“ Durch den Glauben ward Abraham gehorsam und ging aus und wusste nicht, wo er hinkäme, und war ein Fremdling in dem verheißenen Land, als in einem fremden, und wohnte in Hütten mit Isaak und Jakob, den Miterben der Verheißung, und wartete auf eine Stadt, die einen Grund hat, welcher Baumeister und Schöpfer GOtt ist. Als Gast und Fremdling auf Erden erbte er den Segen des HErrn und wurde selbst ein Segen für die Erde. Solche Fremdlinge und Pilgrimme sollen auch wir nach unserer Epistel sein, in der Welt, aber nicht von der Welt, erhaben über ihre Lust, wie über ihre Last, frei von den Banden dessen, was sichtbar und vergänglich ist, trachtend nach dem, das droben ist, nicht nach dem, das auf Erden ist.

Das müssen wir lernen, um die Hauptermahnung unseres Textes befolgen und einen guten Wandel führen zu können mitten unter heidnisch oder weltlich gesinnten Menschen, und um die hohe Aufgabe zu erfüllen, die vor acht Tagen unser Text uns so ernstlich vorhielt, nachzufolgen den Fußstapfen JEsu und seinem heiligen Vorbild ähnlich zu werden. Wir sahen, wie viel dazu gehört, und leicht graut dem natürlichen Sinn vor dem Beruf, den wir als durch JEsu Wunden Heilgewordene haben, der Sünde abzusterben und der Gerechtigkeit zu leben. Mancher hält das für eine traurige Knechtschaft, bei der man nicht mehr leben könne, wie man wolle, und auf alle Freuden des Lebens verzichten müsse. Und doch sagt unser Text, dass gerade solche mit Christo gestorbene und nur als Fremdlinge durch die Welt pilgernde Menschen die wahrhaft Freien und Geehrten seien, durch deren Licht GOtt gepriesen werde in der Welt.

Dieser Gedanke von der Freiheit der wahren Christen ist in unserer Zeit besonders wichtig. Diese Zeit zeichnet sich vor vielen anderen aus durch ein mächtiges Ringen nach Freiheit. Aber wie Wenige erlangen dieses allersehnte Gut, weil auf den Wegen, auf denen sie es suchen, JEsus nicht mitgehen kann! Viele sprechen von geistiger Freiheit und verstehen darunter das Recht, bloß das zu glauben, was ihrer Vernunft gefällt, und das Wort GOttes zu verwerfen. Andere reden viel von politischer Freiheit, sie möchten gern Niemandem gehorchen und selbst regieren, um tun zu können, was dem Fleisch gefällt. Auch von christlicher Freiheit hört man oft reden, und es gibt Viele, die die Gnade GOttes auf Mutwillen ziehen und glauben, sich über das Gesetz hinwegsetzen zu dürfen. Besonders bemerkt man auch an der Jugend eine Lust, frei zu sein, d. h. sich von Eltern und Lehrern nicht viel sagen zu lassen. Solchen Allen müssen wir bezeugen, dass sie nicht frei sind, so lange sie nicht wie Abraham Alles verlassen und GOttes Knechte werden können, die so wandeln, wie es unsere Epistel gebietet. Hierüber wollen wir weiter nachdenken, indem wir betrachten:

Was zur wahren Freiheit gehöre?

  1. dass wir Knechte GOttes und JEsu seien,
  2. dass wir um des HErrn willen aller menschlichen Ordnung untertan seien,
  3. dass wir als Fremdlinge in der Welt einen guten Wandel führen.

Ach, wie teu'r sind wir erworben,
Nicht der Menschen (und nicht der Sünde) Knecht zu sein!
Drum, so wahr Du bist gestorben,
Musst Du uns auch machen rein,
Rein und frei und ganz vollkommen,
Nach dem besten Bild gebild't.
Der hat Gnad' um Gnad' genommen,
Der aus deiner Füll' sich füllt.

Aus dieser Fülle gib uns auch jetzt durch deinen heiligen Geist allerlei geistliche Segnungen in himmlischen Gutem. Amen.

I.

In unserer Epistel gibt Petrus, wie in der vor acht Tagen, eine kräftige Ermahnung zu einem frommen und heiligen Wandel. Diese Ermahnung begründet er in unserem Text damit, dass er sagt, wir sollen wandeln als die Freien, aber nicht, als hätten wir die Freiheit zum Deckel der Bosheit, sondern als die Knechte GOttes. Die Freiheit, von der Petrus hier spricht, wird uns zu Teil durch JEsum Christum. Nur zu Gläubigen kann gesagt werden: wandelt als die Freien. Denn nach Joh. 8 ist nur der frei, den der Sohn frei macht. Außer Christo sind wir Knechte der Sünde, Knechte der Menschen, ja Knechte des Satans. Vom natürlichen Menschen gilt, was Paulus Röm. 7 sagt: „das Gute, das ich will, tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“ Die Lüste, von denen unser Text sagt, dass sie wider die Seele streiten, das Fleisch, das allezeit gelüstet wider den Geist, die bösen Gedanken, die aus unserem Eigenwillen gegen GOttes Willen und Wort aufsteigen, und durch die unsere besten Gedanken verhindert werden - das Alles sind Feinde, die uns der Freiheit berauben. Denn wer denken und tun muss, was er nicht will, der ist nicht frei. Wer von irgend einer Lust oder Leidenschaft beherrscht wird, wen irgend ein Götze der Welt einnimmt oder besitzt, der ist nicht frei.

So auch, wenn andere Menschen so viel Macht über uns haben, dass wir uns vor ihnen fürchten, ihretwegen wie Petrus JEsum verleugnen, oder wenn ihr Beispiel und ihre Lockungen uns zum Leichtsinn, Unglauben und allerlei Sünden verleiten, so sind wir nicht frei, sondern Sklaven der Menschen. Und wer so einem fremden bösen Willen folgt, der ist, wenn er es auch nicht glaubt, ein Sklave des Satans, als des Urhebers alles Bösen. Frei ist nur, wer in GOtt ist, wer dem allein guten Willen GOttes folgt. GOttes Wille ist kein fremder, sondern, als nur unsere Seligkeit bezweckend, unser eigener Wille. Aber so in GOtt ist nur, wer in ernstlicher Buße sein Sündenelend erkannt und durch den Glauben an JEsum Vergebung erlangt hat, dass er als Kind GOttes des heiligen Geistes teilhaftig und so vom Gesetz der Sünde und des Todes erlöst wird. Nur die Liebe JEsu macht frei von der falschen Selbstliebe und von der unreinen Liebe zur Welt und zu den Menschen, und wer recht in der Liebe JEsu steht, der ist so frei, dass ihm Niemand etwas Gottgefälliges gebieten kann, das er nicht von Herzen gerne selbst täte, daher Paulus sagt: „Dem Gerechten ist kein Gesetz gegeben.“

Aber eben diese Freiheit des Gläubigen vom Gesetz und von seinen Anklagen und Drohungen wird von Manchen so verstanden, als ob es mit der Sünde nicht so genau zu nehmen wäre. So wird die evangelische Freiheit, die wir in Christo erlangen, nach unserem Text zum Deckel der Bosheit, d. h. zum Deckmantel, mit dem der wiedergekehrte fleischliche Sinn sich beschönigt und so statt der vorgeblichen Freiheit aufs Neue in eine Sklaverei der Sünde zurückfällt. Wer es irgend mit der Sünde leicht nimmt, sei es vor oder nach der Bekehrung, der ist nicht frei, denn auch die subtilsten Bande der Augenlust, Fleischeslust und des hoffärtigen Wesens ziehen den Geist zur Erde nieder. Frei ist nur, wer in GOtt ist, oder wie Paulus 2 Kor. 3,17. sagt: „wo der Geist des HErrn ist, da ist Freiheit;“ daher sagt Petrus: dann wandeln wir als die Freien, wenn wir Knechte GOttes seien, und zwar solche Knechte GOttes, die gar keinen eigenen Willen mehr haben und sich in Gedanken, Worten und Werken gar nicht anders regen und bewegen möchten, als nach GOttes Willen.

Das ist eine durchgängige, das ganze Leben erfüllende Knechtschaft GOttes. Aber eben diese tiefste Knechtschaft ist die höchste Freiheit. Je mehr wir in GOtt leben, weben und sind, desto mehr wollen wir Nichts, als Gutes und Seliges, Nichts, als was uns selbst den größten ewigen Gewinn und das seligste innere Vergnügen und die höchste Ehre vor GOtt gewährt, dagegen meiden wir die Sünde als das, was eitel Unsegen, Unfrieden, Schande, Sklaverei und Elend über uns bringt. Zu solchem Allem treibt ein innerer Trieb, der der Liebe, die vom heiligen Geist in uns gepflanzt wird, so dass wir erfahren, was Johannes sagt: „Seine Gebote sind nicht schwer.“ Es ist da kein verhasstes: du sollst, und kein sklavisches: ich muss, sondern ein freudiges: ich will, ich will Den lieben, der mich so hoch geliebt hat, ich will Dem leben, dem ich Alles schuldig bin, ich will Nichts, als was Der will, der mein Leben und mein Glück, mein Friede und meine höchste Freude ist. Ein solches Herz ist durch den Sohn und die Kraft seiner Liebe und seines Lebens frei von Allem, was unter Sünde, Welt und Satan gefangen nehmen könnte, und auch frei von Allem, was äußerlich uns störend und beengend in den Weg tritt. Denn wer Nichts will, als was GOtt will, der sieht in Allem, was ihm äußerlich begegnet, die gnädige Führung GOttes, und weiß, dass denen, die GOtt lieben, alle Dinge zum Besten dienen. Die wahre Freiheit ist nur, wo die rechte Geduld ist. Daher sagt Salomo: „ein Geduldiger ist besser, denn ein Starker, und der seines Mutes Herr ist, der ist mehr Herr, als der Städte erobert.“ Ein großer Kriegsheld, ein mächtiger König scheint frei, aber wenn er seines Mutes nicht Herr ist, wenn er sein Fleisch nicht bezwingen kann, so ist freier als er der Sklave, der seine Kette und seine Schläge mit stiller Ergebung in GOttes Willen trägt.

Wer so in der Gebundenheit GOttes die höchste Freiheit genießt, der wird

II.

auch aller menschlichen Ordnung um des HErrn willen untertan sein können. Das gebietet unser Text als ein Haupterfordernis eines guten Wandels, und gerade durch solchen Gehorsam sollen wir uns als die Freien bewähren. In der Welt setzt man die Freiheit darein, dass man von menschlicher Ordnung und Obrigkeit so viel möglich unabhängig sei und sich um Niemand zu bekümmern brauche. Aber die Ordnung GOttes ist die, dass wir aller menschlichen Ordnung, die Er selbst eingesetzt hat, uns unterwerfen, es sei dem Könige, als dem Obersten, oder den Hauptleuten, als den von ihm gesandten und mit der Regierung beauftragten Obrigkeiten. Solchen Gewalthabern sich zu unterwerfen - dagegen sträubt sich oft der stolze Natursinn, der sich selbst für gescheiter und des Regierens würdiger hält, als solche, denen er gehorchen soll. Da hält man sich dann gar oft an den Fehlern der obrigkeitlichen Personen auf, tadelt Alles, ist mit Nichts zufrieden, sieht Unrecht, wo es dem Eigenwillen und den eitlen Ansprüchen zuwider geht, und erlaubt sich zu murren und zu lästern. Aber was sagt GOttes Wort? Wer sich wider die Obrigkeit setzt, der widerstrebt GOttes Ordnung, die aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen (Röm. 3,2.). Und wenn wir auch Unrecht von Vorgesetzten zu erleiden glauben, so sagt unser Text: nicht allein den gütigen und gelinden Herren sollen wir untertan sein, sondern auch den wunderlichen, selbst ungerechten, ja tyrannischen, dergleichen die römischen Kaiser und die heidnischen Herren der Sklaven waren, die eben die Apostel im Auge haben. Welche Grausamkeiten übten jene Herrscher aus, besonders über die Christen! Aber nirgends im ganzen Neuen Testament finden wir eine Klage darüber. Wie JEsus von seiner ungerechten Obrigkeit sich schweigend verurteilen und misshandeln ließ, so seine wahren Jünger zu allen Zeiten. Ja, unser Text sagt, es sei Gnade, d. h. ein Beweis von besonderer Gnadenführung GOttes und ein Mittel zu größerer Gnadenerfahrung, wenn Jemand das Übel erträgt und Unrecht leidet um des Gewissens willen, dem HErrn zu lieb, der Alles weiß, und uns im Augenblick helfen könnte, wenn die Demütigung uns nicht heilsam und notwendig wäre. Kein Mensch darf uns weiter tun, als GOtt zulässt, und GOtt erzieht uns durch Menschen, wie durch Schicksale, und lässt uns schmähen, verfolgen, bedrücken, wie Er uns krank werden lässt, um dadurch den Geist vom Irdischen weg und ins Himmlische einzuführen. Die Verleugnung und Demütigung, die das Untertansein unter Menschen uns auflegt, ist eine gesegnete Macht gegen unseren verderblichen Eigenwillen.

In Gedanken oder mit Worten GOtt untertan sein, ist keine Kunst, aber die Probe mit der Tat abzulegen, dazu geben die Verhältnisse, in die uns der HErr setzt, Veranlassung. Da müssen wir in allen Umständen, und so auch in Menschen, GOtt sehen, und daher, wie unser Text sagt, um des HErrn willen aller menschlichen Ordnung untertan sein, nicht um des Nutzens, nicht um der Ehre willen, nicht aus Furcht vor Strafe, sondern um des HErrn willen, aus Gehorsam gegen Ihn, der uns gerade in diese oder jene Lage versetzt. Solche Erfüllung unserer Pflichten gegen menschliche Ordnung und Obrigkeit gehört zur wahren Freiheit. Je weniger wir innerlich der Menschen Knechte sind, desto mehr werden wir äußerlich ihnen dienen können, ja die wahre Geistesfreiheit ist Jedermanns Knecht; denn das Element der wahren Freiheit ist göttliche Liebe, die Liebe aber ist Aller Knecht. Daher gehört zur wahren Freiheit, was unser Text sagt: „Tut Ehre Jedermann, habt die Brüder lieb, fürchtet GOtt, ehrt den König.“ Wer GOtt fürchtet und als sein Knecht sich Ihm völlig unterwirft, der ehrt nicht bloß den König, sondern kann Jedermann Ehre antun und Jedem geben, was ihm gebührt, wie Paulus Röm. 13 gebietet: „Furcht, dem die Furcht gebührt, Ehre, dem die Ehre gebührt, und Allen die Liebe, die da ist des Gesetzes Erfüllung.“

Zuerst wird da das Gebot erfüllt: „Habt die Brüder lieb,“ aber in der brüderlichen Liebe wird allgemeine Liebe dargereicht, und wer so in der Liebe steht, der ist wahrhaft frei. Wenn man auf den Umgang der Menschen unter einander merkt, so wird man immer finden, dass die, die am meisten Liebe haben, am leichtesten durch die Welt kommen, am wenigsten widrige Erfahrungen und harte Urteile zu tragen haben. Sie sind die wahrhaft Freien, die um des HErrn willen Menschen lieben, als liebten sie nicht, ihnen dienen, als dienten sie nicht, von ihnen Nutzen ziehen, während sie ihnen geben, Segen ernten, wo sie Segen ausstreuen. Geliebte! wie steht es hierin mit uns? Sind wir in der Tat und Wahrheit aller menschlichen Ordnung untertan, so wie Pflicht und Gewissen es gebietet und zulässt? Erfüllen wir unsere Pflichten gegen die Obrigkeit, gegen die Hohen des Landes und gegen die Nächsten des Ortes? Tun wir gewissenhaft, was uns befohlen ist, z. B. in öffentlichen Arbeiten, Fronen, Abgaben und anderen Leistungen? Ist da keine Untreue und Unredlichkeit, ist nicht der Sinn da: es ist ja nicht für mich, folglich braucht die Arbeit nicht so gut zu sein, nicht so bald zu geschehen, man kann warten, die Sache nur halb abmachen, an Steuern und Abgaben abmarkten, so viel man kann, also betrugen, wenn man es gleich nicht so nennt.

Ist nichts der Art unter uns? Und wie steht es bei unseren Dienstboten, an die sich unser Text insbesondere wendet? Ihr Knechte, ihr Mägde, seid ihr willig, zu gehorchen euren Herrschaften, nicht bloß den gütigen, was keine Kunst ist, sondern auch den wunderlichen? Gehört ihr auch zu den Schwätzmäulern, die über Alles, was ihnen nicht gefällt, gleich murren, räsonieren, und den Gehorsam oder gar den Dienst aufkünden? Seid ihr so treu, gewissenhaft und fleißig, dass ihr GOtt ruhig in euren Dienst hineinsehen lassen könnt? Freilich aber muss man auch die Herren und Frauen fragen, wie sie ihre Pflicht gegen ihre Dienstboten erfüllen, ob sie sie lieben, für sie beten, mit ihnen Geduld tragen, nicht zu viel verlangen und nicht zu wenig ihnen geben. Zwar soll man auch wunderlichen Herrschaften gehorsam sein, aber das Wunderlichsein gefällt GOtt und Menschen nicht, und wunderliche Herren oder Frauen werden darüber von GOtt gerichtet, wie ungehorsame und ungeduldige Dienstboten. O Geliebte, wie viel wird da der große Tag der Ewigkeit aufdecken, wie viel Untreue und Gewissenlosigkeit von beiden Seiten! Und wie werden solche Dinge denen am meisten zu schaffen machen, die als Gläubige auch hierin im Licht hätten wandeln sollen. Besonders frage ich auch noch: wie erfüllen wir die Pflicht, die Alle ohne Unterschied gegen die Obrigkeit erfüllen sollten, für sie zu beten und so den Segen GOttes reichlich ihr zuzuwenden, und durch solche fleißige Fürbitte für den König und alle Vorgesetzten uns selbst im rechten Gehorsam zu bestärken und alle Leistungen, auch das Tragen des uns Widrigen und Schweren, uns zu erleichtern.

Nur wenn wir so im Geist des Gebetes aller menschlichen Ordnung untertan sind, nur so sind wir wahrhaft frei. Dann gilt uns das Wort des Apostels: „Alles ist euer.“ Wer allen Umständen und allen Menschen auf GOtt gefällige Weise gehorchen kann, der beherrscht alle Umstände und Menschen, in stiller Ruhe und innerem Frieden ist er erhaben über Alles, was aus der Fassung bringen und das Glück, stören kann. Zu solcher wahren Freiheit gehört aber weiter nach unserem Text das,

III.

dass wir nur als Fremdlinge in dieser Welt leben und durchaus einen guten Wandel führen unter den Menschen. Deswegen sagt Petrus in unserer Epistel: „ich ermahne euch als die Fremdlinge und Pilgrimme.“ Wären wir das nicht, so könnte er seine ganze Ermahnung nicht an uns richten. Wären wir so irdisch gesinnt, dass wir diese Welt als unsere Heimat betrachteten, so könnten wir nicht Knechte GOttes, nicht Allem, was GOtt uns auflegt, untertan, nicht wahrhaft frei sein. Nur wer diese untere Welt als die Fremde und den Himmel als seine wahre Heimat ansieht, nur wer zwar in der Welt, aber nicht von der Welt ist, nur der ist wahrhaft frei. Nur bei solch himmlischem Sinn werden die irdischen Dinge uns nicht gefangen nehmen. Da sehen wir alles Irdische nur als solche an, die hinwegeilen, wie die Israeliten, als sie aus Ägypten auszogen, stehend und flüchtig schnell ihr Mahl genossen und mit allen Gedanken schon auf der Reise waren, oder wie jetzt Reisende durch ein fremdes Land hindurcheilen und da viel Schönes sehen und hören, aber sich doch nicht dabei aufhalten, sondern ihrer Heimat zueilen, und bei den schönsten Orten und Dingen, an denen sie gern sich aufhielten, doch immer denken: es ist nicht meine Heimat, es ist nicht für mich, ich will nichts davon. Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Auch die schönsten Herrlichkeiten und Güter der Erde sind vergänglich, und über Alles, was zur Welt gehört, müssen wir sagen: „es ist Alles ganz eitel.“ Für einen GOtt verlangenden Geist ist daher die ganze Welt eine Fremde, in der er mit den irdischen Dingen sich so weit einlässt, als das leibliche Bedürfnis es erfordert, aber immer mit dem Sinn: es soll mich nichts gefangen nehmen, ich suche meinen Schatz im Himmel, ich vergesse, was dahinten ist und jage nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, das mir vorhält meine himmlische Berufung in Christo JEsu. Solche Seelen können haben, als hätten sie nicht, besitzen, als besäßen sie nicht, genießen, als genössen sie nicht.

Solche Seelen werden ihren Wandel so führen, dass sie als Lichter scheinen in der Welt. Das gebietet unser Text mit den Worten: „enthaltet euch von fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten, und führet einen guten Wandel unter den Heiden, auf dass die, so von euch afterreden, als von Übeltätern, eure guten Werte sehen und GOtt preisen, wenn's nun an den Tag kommen wird.“ Diese Worte zeigen uns vollends, was zur wahren Unabhängigkeit von Menschen oder zur vollen Freiheit gehört. Nicht leicht tut etwas so weh, wie das Afterreden Anderer und die Misskennung von Seite derer, an deren Urteil uns gelegen ist. Das benimmt besonders bei ängstlichen Gemüte in alle freie Bewegung und Mancher wird dadurch zum Sklaven der Menschen. Wer aber im Licht wandelt als Knecht GOttes und JEsu, und wer in der Liebe gegen Jedermann und besonders gegen die Brüder so wandelt, wie es unser Text gebietet, und dabei sich enthält aller Lüste des Fleisches in der Welt, der darf sich um die Urteile der Menschen nicht viel bekümmern und ist auch in dieser Hinsicht frei. Das Licht herrscht über die Finsternis, und durch Wohltun, durch Gutestun und durch rechtschaffenen Wandel wird nach unserem Text die Unwissenheit der törichten Menschen verstopft; sie werden überzeugt, dass ihre Vorurteile gegen das Christentum falsch, und dass nicht die, die JEsu nachfolgen, sondern die, die in dieser Welt als in ihrer Heimat leben, auf dem unrechten Weg sind. Sind wir nur unserer Sache vor GOtt gewiss und haben wir nur vom heiligen Geist ein gutes Zeugnis, so können wir auch unter Verunglimpfungen uns hinunter geben und werden es dann den Leuten auch nicht so übel nehmen. Hat selbst ein Eli die betende Hanna als betrunken ansehen können, wie dürfen wir uns wundern, wenn auch heute noch ungeistliche Menschen sich in den Weg der Geistesmenschen nicht finden können. Prüfen wir uns nur recht, ob das, was man über uns sagt, nicht wahr sei, ob nicht wenigstens innerlich die Unlauterkeiten in uns seien, die man äußerlich vielleicht mit Unrecht uns Schuld gibt. O was steckt im Herzen? Ist Eine Sünde, von der nicht der Keim in uns liegt? Kann man uns also etwas beschuldigen, in das wir nicht hätten hineinkommen können, wenn GOttes Gnade uns nicht bewahrt hätte?

Dieser Gedanke kann uns helfen, stille zu sein und auch Unrecht geduldig zu ertragen. Wir wollen da nicht denken, wir seien ja doch ganz unschuldig. Vor GOtt sind wir nie unschuldig, wie der letzte Hohenstaufen-Sprössling Conradin, als man ihm das höchst ungerechte Todesurteil ankündigte, ruhig bekannte, vor GOtt habe er den Tod verdient, das menschliche Gericht aber tue ihm das größte Unrecht. Als über ähnliches Unrecht die Frau des Sokrates sich bitter beklagte und meinte, das sei noch das Ärgste, dass er so unschuldig leiden müsse, da sagte Sokrates, gerade das sei das Beste; das Schlimmste dagegen wäre, wenn er den Tod verschuldet hätte. Daher sagt unser Text, nur um Missetat willen Streiche leiden, sei schmählich, um Wohltat willen aber, d. h. Gutes tuend leiden, das sei Gnade vor GOtt. Je weniger wir vor Menschen uns schuldig fühlen, desto ruhiger können wir Alles uns gefallen lassen, während die, die nicht sauber sind, sich am meisten entrüstet über üble Nachrede stellen. Die Wahrheit kommt immer wieder an den Tag, und was ein wahres Licht ist, kann auf eine Weile verdunkelt werden, aber bald leuchtet wieder sein Glanz. Sind wir daher nur rechte Lichter, wandeln wir nur redlich im Licht vor GOtt und zu GOttes Ehren, und enthalten uns dessen, was den Geist gefangen nimmt, so wird solche innerliche Freiheit immer auch äußerlich siegen über alle Feinde. Salomo sagt: „Wenn Jemandes Wege dem HErrn Wohlgefallen, so macht Er auch seine Feinde mit ihm zufrieden.“

Daher ist das erste und höchste Erfordernis ein himmlischer Sinn, dem es vor Allem darum zu tun ist, in GOtt sein Element, im Himmel seine Heimat zu haben. Das macht frei von den irdischen Banden und hilft Alles zu tragen und Alles zu leisten, was GOtt auflegt und verlangt. Von solcher Freiheit gab der bekannte Pfarrer Machtolph ein schönes Beispiel. In den Kriegszeiten war er sehr bekümmert über die Not der Rheingegenden und betete, der HErr möchte ihnen die Kriegsheere abnehmen, und sollten sie sich auch bei uns einquartieren. Bald kamen die Franzosen nach Württemberg und kamen auch ins Pfarrhaus zu Möttlingen, da schloss Machtolph Kisten und Kästen auf, bewillkommte die Feinde sehr liebreich, und sagte: hier, meine Herren, greifen Sie zu, das gehört Alles Ihnen. Zuerst scheuten sich die Plünderer, bald aber war das ganze Haus leer. Da kam noch ein Offizier mit etlichen Begleitern und fragte nach Weißzeug. Machtolph sagte, so wie es trocken sei, sollen sie das einzig noch übrige vollends haben, alles Andere haben die Herren vor ihm weggenommen. Als der Offizier fortritt, dachte der Pfarrer, er habe vielleicht doch noch etwas, durchsuchte die Kisten und fand zwei silberne Löffel. Die brachte er dem Offizier auf die Straße, und als der sie nicht nehmen wollte, nötigte er ihn, wenigstens einen als Andenken mitzunehmen. Nachher erkundigte sich der Offizier nach dem seltsamen Pfarrer, von dem auch seine Leute ihm viel erzählten. Da kam dann bald darauf ein Bote zu Machtolph, der ihm den Löffel und alle von den Soldaten geraubten Sachen wiederbrachte. Dieser Mann hatte die wahre Freiheit, und so auch die rechte Herrschaft über Andere errungen. Er war frei vom Hass gegen die Feinde, frei und los von allem Irdischen, und so übte er eine Macht aus, wie keine Waffen sie ihm gegeben hätten. Er war ein Fremdling in der Welt und darum ein Licht in dem HErrn. So wollen auch wir trachten, als Fremdlinge durch die Welt hindurch zu gehen, und so die Welt zu überwinden und den Himmel zu ererben. Darum rufen wir:

Liebe, zeuch uns in dein Sterben, Lass mit dir gekreuzigt sein,
Was dein Reich nicht kann ererben; Führ' ins Paradies uns ein.
Doch, wohlan! du wirst nicht säumen, Wo wir nur nicht lässig sein.
Werden wir doch als wie träumen, Wenn die Freiheit bricht herein.

Amen.

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