Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Philipper in 25 Predigten - Fünfundzwanzigste Predigt.

Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Philipper in 25 Predigten - Fünfundzwanzigste Predigt.

Dient einander mit den Gaben,
Welche Gott in euch gelegt;
Denn den Baum will Gott nicht haben,
Welcher keine Früchte trägt.
Helft einander aus dem Kreuz,
Sonder Eigennutz und Geiz.
Gebt und ratet, und gedenkt,
Dass euch Alles Gott geschenkt.

Wer einen barmherzigen, einen brüderlichen Sinn hat, so dass es ihm eine Lust und Freude ist, Andern wohlzutun und mitzuteilen, der danke Gott. Denn fürwahr, wie wir Alles nur durch den vermögen, der uns mächtig macht, Christum, so haben wir insonderheit auch die Liebe im Herzen nicht von uns selbst, sondern sie ist ein Geschenk von oben, und zwar ein Geschenk, das mehr Wert hat, als der Reichtum Salomos. Tausendmal lieber will ich ein armer Lazarus sein und bei meiner Armut eine Liebe haben, die ihren letzten Schnitt Brots freudig mit einem Hungrigen bricht, tausendmal lieber das, als die Schätze eines reichen Mannes besitzen, der alle Tage herrlich und in Freuden lebt, aber kein Auge und kein Herz hat für den Unglücklichen, der an seine Tür klopft und vergebens um eine Gabe fleht. Darum dank ich dir, treuer Gott im Himmel, dass du eine Gemeinschaft gestiftet hast zwischen dir und mir, so dass dein Herz mein Herz ist und mein Herz dein Herz. Er halte diese Gemeinschaft und fördere sie, denn in nichts mehr bin ich dir verwandt als in der Liebe, die ja so ganz dein Wesen ist, dass du die Liebe selbst bist.

Christen, hört nun ein Wort von Paulus, wo von dem Wert der Liebe und den Gaben der Liebe die Rede ist.

Phil. 4, V. 14 bis 20:
Doch ihr habt wohl getan, dass ihr euch meiner Trübsal angenommen habt. Ihr aber von Philippi wisst, dass von Anfang des Evangelii, da ich auszog aus Makedonien, keine Gemeinde mit mir geteilt hat, nach der Rechnung der Ausgabe und Einnahme, denn ihr allein. Denn gen Thessalonich sandtet ihr zu meiner Notdurft einmal, und danach aber einmal. Nicht, dass ich das Geschenk suche, sondern ich suche die Frucht, dass sie überflüssig in eurer Rechnung sei. Denn ich habe Alles, und habe überflüssig; ich bin erfüllet, da ich empfing durch Epaphroditum, was von euch kam, einen süßen Geruch, ein angenehmes Opfer, Gott gefällig. Mein Gott aber erfülle alle eure Notdurft, nach seinem Reichtum in der Herrlichkeit, in Christo Jesu. Dem Gott aber und meinem Vater sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Nach der vorangehenden Äußerung Pauli, dass er den Mangel nicht fühle, da er von Christo, der ihn zu allem Guten tüchtig mache, gelernt habe, in jedweder Lage seines Lebens genügsam zu sein, konnte es scheinen, als ob er auf die ihm von den Philippern übersandte Gabe wenig Wert lege. Dies Missverständnis wehrt er ab (V. 14), indem er ihnen für ihre Gabe dankt. Sie übrigens (bemerkt er weiter, V. 15) waren auch von allen Gemeinden, die er gestiftet, die einzige, zu der er gewissermaßen in dem von dem Herrn geordneten Verhältnis stand, wonach die, welche das Evangelium verkündigen, sich vom Evangelium nähren sollen (1 Kor. 9,14), denn im Allgemeinen bediente er sich dieses Vorrechts nicht (1 Kor. 9,15). Er redet aber von jenem Verhältnis bildlich so: Ihr seid mit mir in Gemeinschaft getreten für Rechnung von Ausgabe und Einnahme. Gewissermaßen also führten sie an beiden Seiten Buch über Einnahme und Ausgabe. Die Philipper gaben die Unterstützung aus und nahmen dafür das von Paulus ihnen verkündigte Wort Gottes ein; Paulus, umgekehrt, nahm die Unterstützung ein und gab das Evangelium aus. War denn die Unterstützung, die er empfing, eine regelmäßige? Nicht in dem Verstand, als hätte er gleichsam akkordmäßig zu bestimmten Zeiten bestimmte Vergütungen in Geld empfangen. Er hatte, als er im Anfang seiner Verkündigung des Evangeliums in Europa, aus Makedonien fortgezogen war, bei seinem Aufenthalt in Korinth Geld von den Philippern nachgesandt bekommen (2 Kor. 11, 9). Aber wegen dieser einmaligen Unterstützung konnte ja nicht gesagt werden, dass sie mit ihm in eine Art von Verrechnung über Ausgabe und Einnahme getreten seien. War er denn vielleicht schon früher unterstützt worden? Ja; denn auch in Thessalonich hatten sie ihm nicht nur einmal, sondern zweimal zur Befriedigung der Notdurft geschickt (V. 16). Jetzt, in Rom, erfolgte die vierte Sendung. Der Apostel lobt die Philipper wegen dieser Freigebigkeit, aber damit sie nicht etwa auf den Gedanken kommen möchten, er lobe sie aus Eigennutz, fügt er hinzu (V. 17): Nicht dass ich das Geschenk suche; nicht auf die Gabe als Gabe kommt es mir an, sondern ich suche den Gewinn, den wachsenden, für eure Rechnung. Also, um noch einmal in dem zuvor gebrauchten Bild zu reden: der Empfang, der in seinem Rechnungsbuch verzeichnet steht, ist ihm lieb und wert wegen der Frucht oder des Gewinnes, der von solcher Gabe den Gebern zu Gute kommt. Je mehr neue Summen unter das „Empfangen“ in seinem Buch kommen, desto mehr wächst für sie der Gewinn, weil das ihm Geschenkte eine reiche künftige Vergeltung nach sich zieht. Da werden wir nun erinnert an den Wert der christlichen Liebesgaben, die wir darbringen.

Lasst uns diesen Wert einmal näher betrachten im Hinblick: 1. auf Andere, 2. auf Gott, und 3. auf uns selbst. Der Herr aber gebe, dass die Erkenntnis dieses Wertes uns überzeuge, wie viel seliger Geben als Nehmen ist.

1.

Paulus dankt seinen Philippern: „Ihr habt wohl getan, dass ihr mit mir Teil genommen habt an meiner Trübsal.“ - Er war ja gefangen in Rom, konnte nicht arbeiten, um das Notdürftige zu erwerben, war zudem von so vielen umgeben, die bloß das Ihre suchten: - in dieser Trübsal hatten die Philipper ihn unterstützt und einen Teil seiner Last auf ihre Schulter genommen. Der Apostel dankt. Christen, wenn die Gaben der Liebe weiter keine Frucht trügen, als den Dank, den herzlichen Dank derer, denen sie zufließen, so hätten sie schon darum einen hohen Wert. Einen Dank sich erwerben ist besser und lieblicher, als ihn abstatten, daher auch der Herr spricht: Geben ist seliger denn Nehmen. Ihr kennt euren eigenen Gewinn nicht, die ihr karg seid und statt wohlzutun, euren Mammon in eure Schränke einschließt. Ihr seid arm, denn für wen es keine Herzen gibt, die ihm danken, und keine Zungen, die den Dank aussprechen, der mag reich heißen, er ist doch arm. Macht euch Freunde mit dem Mammon, lautet das Wort des Herrn, auf dass, wenn ihr nun darbt, sie euch aufnehmen in die ewige Hütte. Wenn ihr nun darbt? Ja, auf die Zeit eures Überflusses folgt die Zeit des Darbens. Wozu geizt ihr? wozu häuft ihr Gut auf Gut! Liebt ihr etwa mehr die Sorgen des Reichtums, als die Freuden der Barmherzigkeit? Stellt zwei Menschen neben einander, den einen, der in mammonischer Sorge1) den Schlaf spät findet und ihn früh wieder verliert, und den die Leute, statt ihn einen Wohltäter zu heißen, vielmehr einen Übeltäter heißen, weil er herzlos ist und ungerecht obendrein, weil er, statt Witwen und Waisen zu trösten und zu helfen, lieber ihre Häuser plündert und ihre Armut zu seinem Reichtum fügt; - den andern aber, der eingedenk ist der Worte: Wohlzutun und mitzuteilen vergesst nicht; der viele Freunde hat in den Hütten der Armen, die ihn segnen, so lange er lebt, und Tränen des Dankes ihm nachweinen, wenn er gestorben ist: wer von beiden ist der Glücklichere? Ohnehin kommt eine Zeit, wo der Tod den Reichen in eine Kammer bringt, dessen Wände, föhrene2) bestehend oder gemacht)) Bretter, ihn eng umschließen und weder Sonne noch Mond ihn bescheinen lassen. Da ist er denn arm, statt dass Manche, für deren Trübsal er kein Herz und keine Gabe hatte, von Gott aufgenommen sind in die ewige Hütte. O hätte er sich ihren Dank erworben! Fürwahr, ihr Dank wäre ein Schlüssel, der ihm die Hütte des ewigen Friedens aufschlösse.

Aber gesetzt auch, der Dank für die Gaben der Liebe, die du darbringst, bliebe aus, nach dem bekannten Wort: Undank ist der Welt Lohn: - genügt dir nicht schon das Bewusstsein, dass du geholfen hast? Sieh die Freude derer an, die du aus der Not errettest und deren Kummertränen du in Freudentränen verwandelst. Wie reich dünkte sich Paulus, als er die Unterstützung aus der Hand des Epaphrodit empfangen hatte! Ich habe Alles, spricht er, alles was ich bedarf, so dass mir nichts zu wünschen übrig bleibt, und habe überflüssig; noch mehr, ich bin angefüllt, nach dem ich das von euch Kommende empfangen habe. Wie viel empfing er denn? Es werden nicht hundert Taler gewesen sein; aber für den Notleidenden sind schon hundert Groschen ein großer Schatz, wenn sie ausreichend sind, seiner Not ein Ende zu machen. Es sitzt im Verborgenen mancher Arme, der gemahnt wird von seinem Gläubiger um eine kleine Schuld, die er nicht bezahlen kann; und manches betrübte, tiefbetrübte Elternpaar, für das eine Tonne, oder gar ein Scheffel Roggen ein Reichtum wäre, wenn sie ihn hätten; und mancher Entblößte, dem das Kleid fehlt für sich oder seine Gattin oder sein Kind. Kummer erfüllt das Herz der Verlassenen; Seufzer steigen aus ihrem Herzen, wenn sie still und stumm auf ihrem Stuhl sitzen; Tränen neben ihr Auge, Falten der Sorge bedecken ihre Stirn. Seid ihr nie in einer Lage gewesen, wo ihr mit dergleichen Herzweh bekannt geworden seid? Aber wenn nun zu solchen Verlassenen ein Wohltäter eintritt und ihnen den Scheffel Korn bringt oder die kleine Summe Geldes, wofür das Kleid gekauft, womit die Schuld bezahlt werden kann: kommt er nicht wie ein Heiland und ist sein Werk, das er tut, nicht eine Erlösung? Auch ohne den ausgesprochenen Dank der Geretteten ist es ja eine der größten irdischen Seligkeiten, zur Stillung der Not Anderer ein Werkzeug in der Hand Gottes zu sein. Dergleichen Werke hat unser Heiland getan, wie die Schrift bezeugt: Er ist umhergegangen und hat wohlgetan, o Christen, geht ihm nach auf dem Weg, auf dem er euch vorangegangen ist! Ja, unsere Liebesgaben haben einen großen Wert, wenn wir hinblicken auf den Dank und die Freude derer, denen dadurch geholfen wird.

2.

Nicht geringer aber ist ihr Wert, wenn wir, für's Andere, daran denken, was sie unserem Gott sind. Der Apostel nennt sie ein Gott dargebrachtes liebliches Opfer. „Ich habe eure Gabe empfangen, einen lieblichen Geruch, ein ans genehmes, wohlgefälliges Opfer für Gott.“ Was tat Israel, um von seiner Liebe und Dankbarkeit gegen Gott, den Geber alles Guten, ein Zeugnis abzulegen? Es brachte Gott Opfer dar, gab von den Gaben, die es von ihm empfangen hatte, freiwillig einen Teil an ihn zurück. Diente das blutige Opfer dazu, eine Gemeinschaft mit Gott zu stiften, so sollte das unblutige Opfer, wenn Getreide, Weihrauch und dergleichen dargebracht wurde, ein Zeichen der sich an Gott hingebenden dankbaren Liebe sein und dazu dienen, die mit Gott geknüpfte Gemeinschaft zu erhalten. - Sollen nun nicht auch wir unserem Gott Opfer darbringen? Alles, was wir Gutes haben, ist ja von ihm, wie die Schrift sagt: alle gute Gabe kommt von Gott, und besonders gedenkt daran, dass uns Gott in Christo erlöst hat, erworben, gewonnen mit seinem heiligen, teuren Blut. Hat nun Gott seinerseits dies Opfer seines Blutes dargebracht, so bringen wir unsererseits das Opfer unseres Glaubens dar, worin wir uns an die versöhnende Liebe unsers Gottes hingeben. Aber sind wir nun mit ihm versöhnt, was wird dann die dankbare Liebe tun? Sie wird Gott und dem Vater unsers Herrn Jesu Christi ihre Lob- und Dankopfer darbringen. Ein solches Opfer war es, wenn Paulus bereit war, sogar seinen Leib als Märtyrer in den Tod zu geben (Phil. 2,17). Ein solches Opfer ist es, wenn wir zu Gott sprechen: Ich gebe mich dir und bringe in dankbarer Liebe mich dir dar; nimm mein Herz mit seinem Denken, Fühlen, Wollen; nimm auch meinen Leib mit allen seinen Gliedern, ich stelle ihn auf ewig in deinen Dienst. Ein solches Lob- und Dankopfer sind nun auch die Liebesgaben, die wir unserm Nächsten darbringen. Fürwahr, die Unbarmherzigen, die Mammonsdiener beweisen mit der Tat, dass sie Gott noch nicht kennen und seiner Gnade noch nicht teilhaftig geworden sind. Wären sie Kinder Gottes, versöhnt mit ihm durch das Blut Jesu Christi; erfüllte sie der kindliche Geist, der aus uns ruft und schreit: Abba, lieber Vater: - wie könnten sie dann noch irgend etwas haben, sei es Gut oder Blut, das sie ihrem freundlichen, gnädigen Gott darzubringen nicht willig und bereit wären? wie könnten sie dann noch geizen und kargen, und statt in Liebe mitzuteilen, vielmehr wie Raben Alles an sich reißen? Gott hat deiner sich angenommen, da du ein verlorenes Schaf in der Wüste warst; und du wolltest nun nicht des Bruders, der von der Wahrheit sich verirrt, dich erbarmen und ihn zu gewinnen, zu erretten suchen? Gott hat dich gesegnet mit allem geistlichen Segen an himmlischen Gütern in Christo Jesu, hat dir deine Sünden geschenkt, hat dir seinen Frieden gegeben, hat dir seinen Himmel aufgetan: und du hättest nun nicht einmal ein Stück Geld für den bedrängten Bruder, nicht einmal einen Schnitt Brots für den Hungrigen, nicht einmal einen Topf abgerahmter Milch für den übrig, der mit seinem leeren Topf an deine Tür kommt und dich bittet? Gott hat dir das alte Kleid deiner Sünde und Verdammnis ausgezogen, und dagegen mit dem weißen Kleid der Gerechtigkeit, des Lebens, des Heiles dich bekleidet: und du könntest jetzt herzlos den Armen anblicken, der nackend und bloß in der Winterkälte an dir vorübergeht, ohne von deinem Überfluss ein altes Hemd, einen alten Rock ihm mitzuteilen? - Gott hat dich erfüllt mit dem Tröster, dem heiligen Geist, der dir Mut einspricht in deiner Trübsal und schafft, dass du traurig bist und doch allezeit fröhlich, ja überschwänglich getröstet in aller deiner Drangsal: und du Getrösteter könntest nun deinen unglücklichen Bruder weinen sehen, ohne dass dein Herz Mitleid fühlte und du hin zu ihm gingest, um durch göttlichen Trost seine Tränen zu trocknen und seine Traurigkeit in Freude zu verwandeln? Fürwahr, alles das ist unmöglich! Hast du Gott erkannt, so fehlt es an der dankbaren Liebe nicht, die ihre Gaben als Lob- und Dankopfer willig und gerne darbringt. Werden sie aber so dargebracht, dann sind sie etwas Wertvolles, etwas Köstliches, worüber wir uns mit Paulus freuen mögen.

Und Gott selbst hat sein Wohlgefallen daran, daher Paulus sie einen lieblichen Geruch, ein angenehmes, wohlgefälliges Opfer nennt. Woran könnte auch Gott mehr Wohlgefallen haben, als an der dankbaren Liebe deines Herzens, die zu solchen guten Werken fleißig ist? Du wirst doch nicht wähnen, dass du Gott wohlgefällst, wenn dein Herz, Gott und dem Nächsten gegenüber, hart wie Stahl und kalt wie Eis ist? Sei noch so fleißig und tätig in deinem Beruf, arbeite von Morgens früh bis Abends spät, um dir das tägliche Brot zu erwerben, sei außerdem ein ehrlicher Mann, so dass du Jedem gibst und lässt Alles was sein ist: dir fehlt dennoch gerade das, was Gott am meisten wohlgefällt, wenn dir das von Dankbarkeit und Liebe gegen Gott erfüllte Herz, wenn dir der barmherzige, brüderliche Sinn gegen deinen Nächsten fehlt. Deine sämtlichen Werke, einen wie guten Schein sie immerhin haben mögen, sind nichts als dürres Holz, nichts als ein abgestorbener Baum, wenn dir die herzliche Liebe fehlt, welcher der Saft und das Leben in dem Baum ist, dadurch er wächst, Knospen, Blätter, Blüten, Früchte gewinnt. Stehts nun aber so um dich, dass es dir das liebste Werk auf Erden ist, um deines Gottes, um deines teuren Heilandes willen dich und was du hast willig und freudig zu einem Opfer darzubringen, wo es gilt, Unglück in Glück, Unfrieden in Frieden, Traurigkeit in Freude zu verwandeln; ist es dir keine Last, sondern eine Lust und Freude, Hungrige zu speisen, Durstige zu tränken, Nackende zu kleiden, Mühselige und Beladene zu erquicken, Witwen und Waisen in ihrer Trübsal zu besuchen: siehe, dann ist dein Leben ein grüner, fruchttragender Baum, woran Gott sein Wohlgefallen hat, oder - mit unserm Text zu reden - es ist Gott ein süßer Geruch, ein angenehmes, wohlgefälliges Opfer, daher es auch anderswo heißt (Hebr. 13): Wohlzutun und mitzuteilen vergesst nicht, denn solche Opfer gefallen Gott wohl. - Was hätte also mehr Wert, als die christlichen Liebesgaben, die wir darbringen?

3.

Und endlich auch im Hinblick auf uns selbst, die Darbringenden, haben sie einen unaussprechlichen Wert. Hört darüber das Wort des Apostels Paulus. Er sagt zu den liebreichen, wohltätigen Philippern: Mein Gott aber wird erfüllen alle eure Notdurft gemäß seinem Reichtum in Herrlichkeit, in Christo Jesu. Da weist er sie auf die zeitliche und ewige Vergeltung hin, womit Gott ihre Liebe lohnt und krönt. Der Zusatz, „in Christo Jesu“ darf nicht fehlen. Denn die Gemeinschaft mit Christo war es ja, worin ihre Liebe ihre Wurzel, ihr Leben, ihre Frucht und auch die Bürgschaft der Vergeltung hatte. Was sie getan, das hatten sie ja als durch Christum versöhnte Kinder Gottes getan. Rede nicht von herzlicher, brüderlicher Liebe, wer noch nicht mit Gott versöhnt ist in Christo, und wer noch nicht mit Paulo sprechen kann: Ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Der in unsern Herzen wohnende Christus zündet das Feuer der Liebe in uns an, nährt es und macht, dass es immer heller und größer wird. Wie Christus in allen Dingen der Mittler ist zwischen Gott und uns, so ist er es auch in Ansehung der Liebe, die er durch den heiligen Geist ausgießt in unser Herz und durch die er den kindlichen Sinn in uns wirkt, worin wir die Bürgschaft haben, dass der treue Vater im Himmel uns in keiner Not Leibes und der Seele verlassen, sondern uns Alles geben werde, was zu unserm Besten und zu unserm Frieden dient in Zeit und Ewigkeit. Und wahrlich, wer als Christ Erfahrung hat, der weiß, dass Gott Liebe mit Liebe, Gaben mit Gaben belohnt. Mögen die Unbarmherzigen, die Geizigen, die Selbstsüchtigen sich in ihrer Not einsam und verlassen fühlen: die liebevollen, die dankbaren, die barmherzigen Kinder haben allezeit in ihrer Liebe einen Schlüssel zu dem Herzen und zu der reichen Schatzkammer Gottes, so dass sie immer getrost und nimmer verlassen sind. Es ist unmöglich, wer Liebe beweist, dass dem nicht Liebe von Gott bewiesen würde, und wer Anderer Tränen trocknet, dass dem nicht wiederum seine Tränen getrocknet werden sollten von Gott. In der Liebe, die mein Herz erfüllt, hab' ich Mut und Freudigkeit, um in jeglicher Not vor meinen Gott hintreten, ihm mein Anliegen kundtun und ihn getrost und mit aller Zuversicht bitten zu können: sieh mich an in meiner Trübsal, treuer Vater, und hilf. Nicht, als ob ich mir dann aus meiner Liebe und aus ihren Werken ein Verdienst machte und die Hilfe Gottes als eine Schuld einforderte: nein! ich bin auch dann der Demütige, welcher spricht: Dank dir, Vater, dass du die Liebe angezündet hast in meinem Herzen: wie solltest du mir nun mit dieser Liebe nicht auch einen Rock geben, dessen ich bedarf, oder ein Stück Brot, wenn mich hungert, oder ein Stück Geld, wenn meine Hand leer ist, oder einen Trost, wenn mein Herz in Traurigkeit geht? So spreche ich, und der Vater antwortet: Ja und Amen! ich will dir geben Alles, was du nötig hast, will alle deine leibliche und geistliche Notdurft erfüllen. -

Erfüllen, spricht er, welches Wort ein volles, überfließendes Maß anzeigt, als wollte er sagen: Was du tust an deinem Nächsten, das will ich tun an dir und will dir messen mit demselben Maß, womit du misst. Tust du, was die Philipper taten, so dass der, dem du beistehst, spricht: Ich habe Alles und habe mehr als das, ich bin angefüllt: so will ich auch dich anfüllen und sollst ein überaus gesegnetes Kind auf Erden sein. Zwar wirst du wohl in Not kommen und oft in große Not, aber da sollst du erfahren, dass ich dich in Herrlichkeit erfülle. In Herrlichkeit, spricht Gott, und weist damit auf die Wunder seiner Weisheit und Liebe hin, wodurch er hilft. Welcher Christ wüsste nicht von solchen Wundern zu reden, wenn er an die vielfache Hilfe denkt, die ihm von Gott widerfahren ist? Einige Christen haben darüber sogar Buch geführt und haben die Bücher, worin die Wunder der göttlichen Hilfe verzeichnet standen, drucken lassen. Tausend solcher Wunder-Bücher bleiben ungedruckt. Ich bezeuge es dir, mein Gott, dass auch meine Vergangenheit ein Buch ist, welches voll deiner Wunder ist und ich könnte viel, viel davon erzählen, wenn nicht diese Christen in ihren eigenen Büchern genug zu lesen hätten. Es ist eine wahre Erquickung und Seligkeit, der vielen wunderbaren Fügungen zu gedenken, durch die Gott so mancher Not unsers Lebens abgeholfen hat. Es ging so natürlich dabei her, dass es scheinen könnte, als sei Alles Werk der Natur, und doch wurde, was sich begab, so fein und schön in einander verwebt, dass der Glaube sprechen muss: es ist Alles Gnade, Alles Werk der Liebe und Weisheit unseres Gottes.

Lässt nun aber Gott schon auf Erden der Liebe einen so großen Segen zufließen: wie viel größer wird der Segen im Himmel sein! Dort vollends wird das Wort in Erfüllung gehen: ein voll, gerüttelt und überflüssig Maß wird er in euren Schoß geben, denn mit welcherlei Maß ihr messt, damit wird euch wieder gemessen werden (Luk. 6). Hält mich Gott schon hienieden so, dass er mir zufallen lässt Alles, was ich bedarf, und mich erfüllt, dass ich mich in seiner Gnade gesegnet weiß, und, wenn auch arm, dennoch mich über die Maßen reich fühle in ihm: wie wird mir vollends sein, wenn alle Not des irdischen Lebens von mir abgetan und zu mir gesprochen wird: Komm her, du Gesegneter meines Vaters, ererbe das Reich, das dir bereitet ist von Anbeginn der Dinge (Matth. 25). Ihr wisst aber auch, zu wem er das sagen wird. Das zeigen die folgenden Worte: Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt. Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich beherbergt. Ich bin nackend gewesen, und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir gekommen. Denn was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. - Hört ihr, welchen unaussprechlichen Segen die barmherzige Liebe nach sich zieht? Schon hier lernen wir den Reichtum Gottes kennen, den er uns in seinem Wohltun und in seiner Fülle zeigt; schon hier müssen wir hundertmal die Herrlichkeit, das heißt, die herrliche Art und Weise loben, wie Gott jegliches unserer Bedürfnisse stillt: aber wie viel reicher und wie viel herrlicher wird uns Gottes Segen erscheinen, wenn er uns einst auf eine so unaussprechliche Weise erfreut!

Und wenn nun Paulus an diesen großen Segen der Liebe denkt, der durch Gottes Gnade auch seinen Philippern zufließen wird: da bricht er in ein Lob Gottes aus und preist Gott nicht nur als Gott im Allgemeinen, sondern insonderheit als den Vater unsers Herrn Jesu Christi, weil er eben in Christo allen Segen für Zeit und Ewigkeit uns zufließen lässt. Gott aber und dem Vater unsers Herrn Jesu Christi sei die Herrlichkeit, die ihm gebührt, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Nun, Christen, lasst auch uns dem treuen Gott die gebührende Ehre geben. Er hat viel Gutes an uns getan, aber kaum ist irgend eine Gabe von ihm teurer und wertvoller, als die Liebe, die er ausgegossen hat in unser Herz. Sie hat einen unaussprechlichen Wert, denn sie ist ein göttliches Band zwischen uns und unserm Nächsten, aus dessen Herzen sie den Kummer nimmt, aus dessen Augen sie die Tränen trocknet. Sie ist das würdigste Lob- und Dankopfer, das wir unserem Gott bringen können, daher er auch an ihr sein größtes Wohlgefallen hat. Wohlzutun und mitzuteilen vergesst nicht, denn solche Opfer gefallen Gott wohl (Hebr. 13). Sie endlich ist ein Schlüssel zu dem Reichtum Gottes, wonach er uns aushilft aus aller Not und uns endlich erlöst von allem Übel. Lob sei Gott, Preis und Dank für diese schöne Himmelsgabe!

Du machtest, Jesu, selber dich
Zum Vorbild wahrer Liebe.
Dir will ich folgen, gib, dass ich
Die Lieb' am Nächsten übe;
Dass ich in allem, wo ich kann,
Barmherzigkeit an Jedermann
Wie du es willst, erweise!

1)
Sorge um das Geld
2)
aus Föhrenholz ((schweizerisch, sonst Kiefernholz
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