Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser in 36 Betrachtungen - 33. Betrachtung

Betet, spricht Paulus, betet für uns, dass Gott uns öffnen möge die Tür des Worts. Er denkt dabei auch an die Heiden, unter die er von dem Herrn gesandt war als Apostel. Ihr Heil war ihm teurer als sein eigenes; darum wünscht er, dass die Kolosser beten sollen um eine offene Tür, und fügt noch ein Wort hinzu, worin er sie zu einem weisen Verhalten gegen die noch Unbekehrten vermahnt. Dies Wort lautet

Kap. 4, 5. 6: Wandelt weislich gegen die, die draußen sind, und schickt euch in die Zeit. Eure Rede sei allezeit lieblich, und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeglichen antworten sollt.

Es ist dies ein Wort über des Christen Verhalten gegen die, die draußen sind, was

1.) ihren Wandel, und
2.) ihre Rede betrifft.

1.

Wer sind die, die draußen sind? Alle, die noch nicht eingegangen sind in Christi Reich. Denn die Kirche Christi wird als ein Haus dargestellt (1 Tim. 3, 15.). Die nun in ihr leben, sind Gottes Hausgenossen und Bürger mit den Heiligen, sie haben das Bürgerrecht im Himmel. Die aber noch nicht zum Glauben sich bekehrt haben, die sind draußen vor der Tür, besonders die Heiden, die von Gott nichts wissen, unter denen die Kolosser wohnten, und mit denen sie vielfach im bürgerlichen Verkehr standen. Einige rechnen auch noch die Juden dahin, als die Christum nicht erkennen noch annehmen wollten, sondern die Predigt des Evangelii von sich stießen. Mit denen will Paulus nichts zu schaffen haben: „was gehen mich an, die draußen sind“ (1 Kor. 5, 12.)? Haben wir aber nicht auch in unsern Tagen noch Draußenstehende unter uns? Ja, außer den Juden alle die, welche zwar unter den Christen leben, aber nach ihrem Glauben, Sinn und Wandel nicht zu den Christen gehören. Sie sind nicht besser, sie sind zum großen Teil noch ärger als die Heiden. Dennoch stehen wir mit ihnen im Verkehr, wir müssen, weil wir die Welt räumen müssten, wenn wir es nicht wollten, und wir sollen es auch, weil der Glaube uns nicht zu Eremiten und Einsiedlern macht, sondern uns recht mitten hineinstellt in die ungläubige Welt. Aber es kann nicht einerlei sein, wie wir unter ihnen leben. Wandelt weislich gegen sie, spricht Paulus, das heißt, um euret- und um ihretwillen haltet euch als Kinder des Lichts auf dem rechten, graden Wege bis zum Ziele hin. Schon der Wandel unter den Menschen überhaupt ist eine schlüpfrige Bahn, wie viel mehr der Wandel unter Heiden! Hüte dich vor einer zu vertraulichen Gemeinschaft mit denen, die draußen sind! Schon im alten Testamente verbot Gott seinem Volke: Du sollst keinen Bund mit des Landes Einwohnern machen (2 Mos. 34.). Paulus warnt die Korinther: Zieht nicht am fremden Joche mit den Ungläubigen (2 Kor. 6.), und die Epheser: Habt keine Gemeinschaft mit den Werken der Finsternis. Prüfe dich, ob du im Glauben fest gegründet bist, und begib dich nicht in Gefahr. Mancher, der das Bekenntnis Christi mit sich nahm in die Versammlungen der Ungläubigen, hat die Verleugnung Christi von da zurückgebracht. Doch die Weisheit fordert, dass wir nicht bloß auf uns sehen, sondern weit mehr noch auf das, was denen heilsam ist, die draußen sind. Es ist vornehmlich zweierlei, das sie uns auferlegt, fürs erste, dass wir ihnen kein Ärgernis geben. Das geschieht durch schlechten Wandel, der ihnen Gelegenheit gibt, das Christentum zu verlästern, wie Nathan dem David vorwarf, er habe mit seinem Ehebruch den Namen des Herrn lästern gemacht (2 Sam. 12.), und Paulus den Juden: eurethalben wird Gottes Name gelästert unter den Heiden (Röm. 2.) Das andere ist: wir sollen unser Licht leuchten lassen unter ihnen. Wir können nicht leuchten, ohne Licht zu sein. Führt einen guten Wandel unter den Heiden, auf dass die, so von euch afterreden als von Übeltätern, eure guten Werke sehen, und Gott preisen, wenn es nun an den Tag kommen wird (1 Petri 2.). Zu dem Worte „Wandelt weislich“ gibt der Apostel noch eine Erklärung, indem er spricht: „schickt euch in die Zeit“ oder vielmehr: „kauft die Zeit aus.“ Welche Zeit? Die einem jeden geboten wird, die Lebenszeit, die gegenwärtige, da wir noch wandeln, die kauft aus. Wie auskaufen? Gleich einem Kaufmanne, der sich das Wertvolle ersieht und es an sich bringt, dass er es sich zu Nutze mache: also lasst, ihr Kinder des Lichts, die Zeit nicht verloren gehen - sie ist ein köstlich Ding - sondern haltet sie teuer und wert, bringt sie an euch, dass sie euch dienstbar werde. Ob ihr auch die Lust der Welt und eures Fleisches Willen dafür hingeben müsst, achtet den Preis nicht zu hoch, wenn ihr nur die Zeit gewinnet, um die mancher, der sie verloren hat, gern all sein Gold und Silber hingäbe, wenn er sie nur wieder hätte - aber es ist zu spät. - Verloren! verloren! ruft er, und tritt verzweifelnd an das Ufer der langen Ewigkeit. So lasst euch denn warnen, liebe Christen, sucht die Zeit, braucht die Zeit und in ihr jede günstige Gelegenheit. Wozu? Zu eurem eigenen Heile, aber auch zu dem Heile anderer, insonderheit auch derer, die noch draußen sind.

2.

Da kommt es nun vornehmlich auch auf unsere Rede an. Mit Worten handeln wir vielfach gegen unsern Nächsten, ziehen ihn damit an oder stoßen ihn damit ab. Die Rede ist der Dolmetscher unsers Gemüts, und wie der Zeiger an der Uhr offenbart, wie viel die inwendig verborgene Glocke schlagen wird, so nimmt man auch an der Rede des Menschen bald wahr, wie es um sein Herz und seine Gedanken steht. Daher nun soll jeder Christ seine Zunge sein lassen den Griffel eines guten Schreibers (Psalm 45, 2.). Damit wir nichts reden, das dem Reiche Gottes Schaden, sondern nur solches, das ihm Nutzen bringt, fordert der Apostel zweierlei von unserer Rede. Das erste: eure Rede sei allezeit lieblich, dass niemand dadurch zurückgestoßen oder geärgert werde. Sie soll triefen wie der Regen auf das Gras und wie die Tropfen auf das Kraut, die es erquicken und fruchtbar machen. Sei kein bissiger Hund, der immer murrt und alle Vorübergehende anbellt, noch ein stachliger Igel, den niemand anrühren kann, ohne verwundet zu werden; sondern begegne jedermann mit Liebe und Freundlichkeit; aus deinem Blicke leuchte die Sanftmut und das holdselige Wesen Jesu hervor, aus deinem Munde höre man nicht Schmeicheleien und weltliche Komplimente, sondern liebreiche Worte eines aufrichtigen und christlichen Herzens.

Aber nicht bloß lieblich soll die Rede sein, sondern auch mit Salz gewürzt, nicht bloß angenehm zu hören, sondern auch erbaulich, erweckend, heilsam. Das Salz hat die Eigenschaft, dass es die Speisen vor Fäulnis bewahrt, dass es sie schmackhaft und verdaulich macht. Darin soll die Rede dem Salze gleichen. Hieronymus sagt: „Wessen Rede nicht sticht, sondern die Hörer bloß ergötzt, das ist nicht die Rede eines Weisen, denn sie soll die Schmerzen und Wunden der Buße hervorbringen.“ Alles Unnütze, Schädliche soll von ihr entfernt werden, wie es heißt Eph. 4: Lasst kein faul Geschwätz aus eurem Munde gehen, sondern was nützlich ist zur Besserung. Die gewöhnliche Rede der Menschen ist, wenn auch nicht schandbar, doch so leer und fade, dass kaum ein Körnlein Salz darin gefunden wird. Bedenkt doch, dass ihr dermaleinst sollt Rechenschaft ablegen von einem jeglichen unnützen Worte, das ihr geredet habt. Darum würzt eure Rede mit dem Salz des Heiligen Geistes, dass sie für den Uns wissenden lehrreich, für den Schläfer erweckend, für den Zweifler überzeugend, für den Leichtsinnigen mahnend, für den Spötter ein Spieß und Nagel sei. Es gehört aber in der Tat keine geringe Aufmerksamkeit und Übung dazu, die Zunge jederzeit so zu regieren, dass dem Nächsten dadurch kein Schade zugefügt, sondern vielmehr sein Herz dadurch geweckt, erleuchtet, geheiligt werde. Selbst Mose, dem sonst so treuen Knechte Gottes, entfuhren Worte, um derentwillen er die Herrlichkeit des gelobten Landes nicht sehen durfte. Der Apostel fügt noch einen Grund hinzu, warum unsere Rede lieblich und mit Salz gewürzt sein soll: - dass ihr, spricht er, wisst, wie ihr einem jeglichen antworten sollt. Er will sagen: wenn es darauf ankommt, von eurem Christentum Rechenschaft zu geben, sei es vor den Unwissenden, die Belehrung suchen, oder vor den Feinden, die euch bekämpfen, dann besonders kommt es darauf an, dass eure Rede lieblich und mit dem Salz der christlichen Weisheit gewürzt sei. Da müssen wir wissen die Widersprecher zu strafen, die Ankläger zu widerlegen, den Feinden des Herrn das Maul zu stopfen. Stephanus verantwortete sich so herrlich, dass alle, die im Rate saßen, auf ihn hinblickten und sein Angesicht sahen als eines Engels Angesicht (Apg. 6.). Wie verstand es der Herr, die Pharisäer abzuweisen mit ihren verfänglichen Fragen, und sie zu beschämen, dass sie kein Wort weiter sagen konnten! Schon als Kind wusste er den Lehrern zu Jerusalem so zu antworten, dass sie sich über seine Antwort verwunderten (Luk. 2.). Lasst denn Christum wohnen durch den Glauben in euren Herzen, so wird er euch lehren, wie ihr einem jeglichen antworten sollet, nach der Verheißung (Luk. 21, 15.): Ich will euch Mund und Weisheit geben.

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autoren/k/kaehler_c/kaehler_kolosserbrief_33_betrachtung.txt · Zuletzt geändert: von aj
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