Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser in 36 Betrachtungen - 29. Betrachtung

Dass wir herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut und Langmut haben und beweisen; dass wir auf Grund des Wortes Gottes einander lehren und vermahnen; dass wir alles, was wir tun im Wort oder Werk, im Namen des Herrn Jesu tun: das gehört allen Christen zu. Nun aber geht Paulus mit dem Letzten „Alles im Namen des Herrn“ zu den besonderen Gliederungen und Ständen der Gemeinde über, und lehrt, wie jeder Stand insbesondere das große Urbild des Herrn in sich darstellen soll. Ehe, Familie und Herrschaft - das sind die drei von Gott geordneten Stände, die das Christentum heiligen und verklären soll. Aber warum Paulus jene Stände in der Ordnung nennt, dass er von der Ehe zur Familie, von der Familie zur Herrschaft fortgeht; warum er bei den Weibern anhebt und auch bei den übrigen Ständen zuerst die untergeordneten Glieder anredet: dies, wie überhaupt alle seine Worte, würden wir nicht verstehen, wenn wir nicht zuvor einen Blick in den Geist des Apostels täten, und zusähen, wie dort seine Worte als Ringe in einer schönen Kette zusammenhängen. - Es ist eine kleine Haustafel, die uns der Apostel gibt, aber eine solche, die ganz nach der großen Haustafel des Himmelreichs gebildet ist. Auch im Himmelreiche finden wir jene drei Ordnungen, und als die erste, daraus die andern geworden sind, die Ehe - den Bund, den Christus mit der Gemeinde geschlossen hat. Aus diesem Bunde sind mittelst des lebendigen Wortes (1 Petri 1, 23.) die Kinder hervorgegangen, die Gott ihren Vater in Christo nennen. Endlich hat der Heilige Geist die Kindlein alle zusammengerufen und verbunden in Eins. Da aber werden sie Diener, wie unter sich, so unter Christo, welchen Gott erhöht hat und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr sei, zur Ehre Gottes des Vaters. Das ist das Urbild im Himmelreich, davon die Stände auf Erden sollen ein Abbild sein. So muss nun Paulus anheben von der Ehe, wo diese zwei Glieder sind: Mann und Weib, wie im Himmelreiche Christus und die Gemeinde. Weil aber der Apostel im ermahnenden Teile seiner Epistel steht, so kann er nicht zuerst den Mann anreden, welcher Christum abbildet, sondern muss sich vornehmlich an den untergeordneten Teil wenden, welcher ist das Weib, wie er auch nachher die Kinder nennt vor den Eltern und die Knechte vor den Herren. So heißt es nun:

Kap. 3, 18. 19: Ihr Weiber, seid untertan euren Männern in dem Herrn, wie sich's gebührt. Ihr Männer, liebt eure Weiber, und seid nicht bitter gegen sie.

Lasst uns dies Wort nach dem zuvor Gesagten so betrachten:

Zunächst stellt der Apostel die Weiber vor jenes Urbild Christi Bund mit der Gemeinde - das Urbild, davon die Ehe das Abbild ist. Ihr Weiber, seid untertan euren Männern. Darin bildet das Weib die Gemeinde ab, die Christo, unterworfen ist als ihrem Haupt, in einem doppelten Betracht. Denn schon natürlicher Weise stammen alle Glieder der Gemeinde von Christo ab, durch den alle Dinge sind, auch die Menschheit. Da wäre nun wohl eine selige Gemeinschaft gewesen und geblieben zwischen der Menschheit und dem, aus welchem Gott sie genommen hat, wenn nicht die Sünde gekommen wäre, die eine Scheidung machte, also, dass die Menschheit gänzlich gewichen wäre von ihrem Ursprung, wo nicht Gott das harte Gesetz gegeben, und durch dasselbige die Gefallenen an das Wort gebunden hätte. Doch was Knechtschaft war, das sollte wieder göttliche Liebe und Freiheit werden. Darum sandte Gott seinen Sohn, der um das Herz der Menschheit warb, und all' ihren Jammer und Elend auf sich lud, damit er sie erlöste, und aus der dienenden Magd eine im Morgenrot der Liebe prangende Braut und danach eine treue Gattin machte, die sich an den lieben Mann fügte und schmiegte, wie schmückendes Efeu an den Eichbaum. Sage nun, liebes Weib, ob du in diesen wenigen Zeilen nicht deine Geschichte liest. Siehe, wie Gott in den Sohn zu Anfang all' seine Herrlichkeit gelegt, und ein Bild aus ihm gemacht hat, das ihm gleich war, danach aber aus diesem Bilde, als dem Manne, die Welt und in der Welt vornehmlich die Menschheit, als seine Männin, genommen hat, die zuvor in ihm verschlossen war: also hat Gott im Paradiese aus dem Adam, der nicht konnte und wollte alleine sein, die Eva genommen, zu der nun sofort der Mann in herzlicher Liebe sich neigte als zu seinem weiblichen Teil, und das Weib schmiegte sich wieder an den Mann und fügte sich unter ihn in herzlicher Unterwürfigkeit. So standen sie nebeneinander, wie zwei weiße Lilien nebeneinander stehen in dem stillen Garten. Aber das ist anders geworden, gar sehr anders. Es ist eine böse Schlange in dieses Paradies gekrochen, und ist geschlichen und hat sich gewunden und hat getäuscht, und hat die Menschen versucht, verführt und in Sünde und Unglück tief hinabgezogen und hineingelogen. Und nun war es geschehen und getan, und es hat sich gelöst das zarte Band der Lilien vor dem Hauch der giftigen Schlange, und ist Zwietracht, Klagen und Weinen zwischen sie gekommen. Also hätte nun wohl der Mann das Weib von sich gestoßen, und das Weib wäre weit, weit weggegangen von dem Manne in die Wüste, wo nicht die ewige Liebe die Männin zurückgehalten und gesagt hätte (1 Mos. 3.): Dein Wille soll deinem Manne unterworfen sein, und er soll dein Herr sein. Von da ab ist der Mann lange Zeit ein Herr im Hause gewesen, wie wir lesen in den Büchern des alten Bundes, und das Weib hat den Mann gefürchtet, aber das ist eine mägdische Furcht gewesen. Wie nun aber die Liebe Gottes die große, weite Menschenwelt, die vor ihm zitterte um des Gesetzes willen, wiederum mit sich versöhnt hat in Christo, der des Mannes Urbild ist, also hat er auch in Christo. die Männin versöhnt mit ihrem Manne, dass sie nun zwar ihm unterworfen ist und bleibt als ihrem Haupt, aber nicht als Sklavin oder Magd, sondern wo Christi Versöhnung hingedrungen ist, da stehen Mann und Weib zusammen wie zu Anfang, wie zwei Lilien in dem stillen Garten. Alles kommt darauf an, dass das Weib sich und ihren Mann erkenne in Christo, wie der Apostel spricht: „Also gebührt es sich im Herrn,“ als wollte er sagen: Liebes Weib, so du von Herzen glaubst an den Herrn Jesum Christum, wirst du sofort des Erlösers Abbild erkennen in deinem Mann, und wirst dich diesem unterwerfen, nicht sofern er Mann ist, sondern sofern dir Christi Bild in dem Mann entgegenkommt. Summa, du wirst ihm untertan sein, wie die Gemeinde untertan ist dem Herrn, denn der Mann stellt Christum, das Weib die Gemeinde dar.

Sind nun freilich die Weiber den Männern unterworfen, so wird doch diese Unterwerfung ein sanftes Joch und eine leichte Last durch die Liebe der Männer zu ihren Weibern. „Ihr Männer, liebt eure Weiber.“ Ist etwas schwer zu heißen, lieben, oder sich unterwerfen, so ist dies Lieben, das der Apostel fordert, fast noch schwerer als das sich Unterwerfen. Denn da wird der Mann hingestellt vor das große Urbild der Liebe Christi, der die Gemeinde geliebt hat und hat sich selbst für sie gegeben. Denn er ist ausgegangen als der zuerst Liebende, im mächtigen Drang seines Herzens, und hat geworben um die Arme, die Verlassene, verlassen, weil sie ihn verlassen hatte, und hat Opfer gebracht auf Opfer, bis zum großen Opfer am Kreuz, dass er sie erwerben und gewinnen möchte. Und da sie ihn ansah und ein Herz für ihn gewann, da hat er alsbald den Bräutigams-Ring an ihre Hand getan in der Taufe, und hat das Wort gefügt zum Ringe, das große, gewaltige Wort, so mit und bei dem Wasser ist, und hat in dies Wort sich selbst hineingelegt und sich der Gemeinde zu eigen gegeben mit der ganzen Fülle seines heiligen, göttlichen Lebens. Wird je ein Bund auf Erden gehalten, so wird es dieser, darin der Herr sich dir, mir und uns allen zu eigen gibt, auf dass er uns heilig mache und unsträflich. Und noch völliger tritt er mit seiner lieben Gemeinde in den Ehebund in dem heiligen Mahle, wo er sie speist und tränkt, nährt und pflegt mit seinem verklärten Fleisch und Blut, auf dass sie völlig mit ihm Eins und von Tag zu Tag mehr verklärt werde in sein göttliches Bild nach Leib und Seele.

Es haben etliche die törichte Frage aufgeworfen, warum der Herr nicht ehelich geworden sei in seinem irdischen Leben, als ob das nicht hieße ehelich werden, wenn der Herr solches tut, dass er sich die Braut erwirbt mit seinem teuren Blut und sich ihr verlobt und vermählt in den heiligen Sakramenten, und also ihr Haupt wird und sie liebt als sein eigenes Fleisch und Blut. Das ist nun das Urbild, das von ihr, liebe Männer, sollt das Abbild sein in eurer Ehe. Seid ihr das, so wird sofort, wenn ihr um ein Weib werbt, die reine Liebe des Herrn euch dazu treiben, nicht fleischlichen Lüste, Gold, Silber, Ehre und dergleichen wird euch stacheln, sondern werdet das Herz der Jungfrau suchen. Und wenn ihr den Ring an ihre Hand tut - das Zeichen tut es nicht, sondern das Wort, das ihr zum Zeichen fügt, das wird auch heilig sein als eine Taufe der Braut, darin ihr euch ganz für und an sie hingebt als an euer eigen Fleisch und Blut. Und wie der Herr die Gemeinde nimmt mit allen ihren Flecken und Sünden, nun aber seine geistlichen Schätze ihr darreicht, und mit großer Langmut und Geduld dahin trachtet, dass sie herrlich werde, heilig und unsträflich, also werdet auch ihr mit großer Liebe, Sanftmut und Geduld eure Weiber führen zu dem Ziel, welches euch vorhält die himmlische Berufung in Christo Jesu. Summa, in allem wird des Herrn Liebe euer Ur- und Vorbild sein, so dass ihr mit dem Weibe zusammenlebt in eurem Hause, wie der Herr mit seiner Gemeinde im Himmelreich. Die Liebe wird die Herrschaft führen. Die Liebe aber hat ein groß Feld, das sich nicht leicht ausmessen lässt. Eins hebt der Apostel insonderheit hervor, nämlich dass die Männer nicht sollen bitter sein gegen ihre Weiber, wie auch 1 Kor. 13. von der Liebe gerühmt wird, dass sie sich nicht erbittern lässt. Der Bitterkeit steht die Sanftmut und Freundlichkeit entgegen. Die Herrschaft der Männer über das Weib soll nicht eine harte, rohe sein, so dass sie knechtische Furcht erzeugt, wie das früher im Morgenland der Fall war. Nun kommt für den Mann zwar viel Anlass zur Bitterkeit vor; allein er soll um deswillen nicht ein Löwe im Hause werden, und dass er davor behütet bleibe, so gedenke er fleißig daran, mit wie viel Liebe und Geduld Christus die Schwachheiten der Gemeinde trägt.

Aber warum gilt jene Vorschrift mehr für den Mann als für die Frau? Fürs erste schon darum, weil für den Mann in dem größeren Kreise seines Wirkens mehr Reiz zur Bitterkeit liegt; sodann, weil der Mann zum Zorn geneigter, und sein Zorn heftiger und zerstörender ist, als der Zorn der Frau, der zwar länger währt und schwerer zu versöhnen, aber auch stiller und gelinder ist; endlich, weil die Frau der schwächere Teil ist und sich minder leicht gegen den Mann schützen kann als der Mann gegen die Frau. Darum ermahnt Paulus sonderlich die Männer, dass sie sollen sanft und freundlich sein. Die Heiden, wenn sie der Juno, ihrer Göttin des Ehestandes, opferten, nahmen zuvor die Galle aus dem Opfer, zum Zeichen, es solle im Ehestande nicht Zorn und Galle sein. Haben das schon die Heiden erkannt, wie vielmehr sollten wir's erkennen und zu Herzen nehmen, die wir Christen sind!

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autoren/k/kaehler_c/kaehler_kolosserbrief_29_betrachtung.txt · Zuletzt geändert: von aj
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