Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser in 36 Betrachtungen - 28. Betrachtung
All was mein Tun und Anfang ist,
Gescheh' im Namen Jesu Christ,
Der steh' mir bei, wie früh so spat,
Bis all mein Tun ein Ende hat.
Aber wisst ihr auch, was das bedeutet, dass all unser Tun im Namen Jesu Christi geschehen soll? Es gibt Menschen, die sich die Erfüllung dieses Wortes ganz leicht machen. Wie sie das Wort (Phil. 2, 10.): „Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden sind,“ zu erfüllen meinen, wenn sie, so oft der Name Jesus genannt wird, sich verneigen, so fassen sie auch das erstgenannte Wort ganz äußerlich. Sie sprechen, wenn sie etwas unternehmen, die Worte aus: „In Gottes Namen,“ „In Jesu Namen;“ sie krönen ihre Schriften, ihre Vergleiche, ihre Ehepakte, ihre Testamente durch die Redensart: „Im Namen Gottes,“ „Im Namen der hochgelobten Dreieinigkeit,“ und in der Tat, indem sie das sagen oder schreiben, verstehen ihrer viele sich selber nicht. Das Wort „Im Namen Jesu“ will nicht nach dem bloßen Buchstaben verstanden sein, es greift viel weiter und tiefer, ja so tief, wie nur irgendein anderes Wort der Heiligen Schrift. Lasst uns doch versuchen, den Sinn dieses Wortes zu erfassen. Paulus hatte gesagt (Kol. 3, 16.): Wenn ihr singt, so singt dem Herrn. Dies Wort leitet seine Gedanken auf die Grundgesinnung, von der alles Tun und Lassen der Menschen ausgehen soll. Er sagt
Kol. 3, 17: „Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles in dem Namen des Herrn Jesu, und dankt Gott und dem Vater durch ihn.“
Sollen wir jegliches, was wir tun, im Namen Jesu tun, so lasst uns auch dies Wort in seinem Namen auslegen, welches geschieht, wenn der Herr selbst es auslegt durch uns. Unsere Betrachtung sei
der fromme Sinn, oder: Alles im Namen des Herrn.
Das Erste nun ist, dass wir fragen, was das heißt: im Namen Jesu etwas tun. Wir wissen schon aus einer früheren Betrachtung, dass der Name Jesu sein Wesen bedeutet und alle seine herrlichen göttlichen Eigenschaften, darin er sich uns offenbart hat. Es gehört dazu, dass er sich uns kundgegeben als Gottes lieber Sohn, der voller Gnade und Wahrheit, voller Liebe, Freundlichkeit, Geduld, Demut, Sanftmut, Keuschheit war. Das Wort „in“ aber im Namen Jesu drückt die innigste, die völligste Gemeinschaft aus, eine Gemeinschaft, danach es heißen kann: Wir in ihm und er in uns. So will denn Paulus sagen: Was wir tun, das sollen wir als solche tun, die Christi teilhaftig worden sind (Hebr. 3, 14.), und seiner göttlichen Natur (1 Petri 1, 4.). Dann aber sind nicht wir es mehr, die es tun, sondern der Herr selber ist es, der es in und durch uns tut, wie einst Petrus, da er im Namen Jesu einen Lahmen geheilt hatte, nachher da die Leute voll Verwunderung auf ihn hinblickten, sprach: Ihr Männer, was seht ihr auf mich und Johannes, als hätten wir diesen wandeln gemacht durch unsere eigene Kraft und Verdienst? Christus hat's getan, der hat diesem die Gesundheit gegeben vor euren Augen. Doch ich muss annehmen, Christen, dass euch, was ich sage, noch nicht ganz verständlich ist. Wir haften gar zu sehr an unserer eigenen Person, und sind von Kindheit auf gewohnt, bei allem, was wir tun, uns selber als die Täter anzusehen und keinen sonst, und in Wahrheit sind wir auch die Täter. Denn der natürliche Mensch stellt in allem, was er tut, nur sich selber dar; es ist sein eigenes Ich, das er geltend macht, und sein durch die Sünde verderbtes Wesen, das er offenbart in seinen Werken. So tut er, was er tut, in seinem eigenen Namen. Aber wenn nun das anhebt, was die Schrift Wiedergeburt nennt, so wechselt der Mensch die Person, indem er seine eigene Person ablegt, und dafür die seines Erlösers annimmt, wie auch Paulus ausdrücklich sagt, dass die, welche glauben, Jesum Christum anziehen (Röm. 13, 14.). Nun ist es nicht mehr der natürliche Mensch, welcher lebt, redet und handelt, sondern das Alte ist vergangen, es ist alles neu geworden. Nicht mehr sich stellt der Mensch in seinen Werken dar, sondern Jesum Christum, der an seine Stelle oder an dessen Stelle er getreten ist durch die Wiedergeburt im Glauben. Also ist der Mensch verwandelt in Christum, welcher in ihm lebt, und forthin nicht nur alles durch ihn tut, sondern auch in allem, was er tut, seine göttliche Macht, Liebe, Weisheit, Tugend offenbart. Das will der Apostel, wenn er spricht: Alles tut im Namen des Herrn Jesu. Tut nicht ihr es, sondern lasst es Christum tun, der in euch ist, so dass euer Reden und Tun in Wahrheit nichts anderes ist als ein fortgesetztes Reden und Tun des Herrn selbst. Wenden wir das Gesagte an auf einen besonderen Fall, auf das Gebet. Ihr kennt das Wort (Joh. 14, 14.): Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun. Vor diesem Worte ist schon mancher blöde Geist zurückgetreten, indem er dachte, wie das doch könne wahr sein, dass alles und jedes, was ein Mensch im Namen Jesu bitte, werde in Erfüllung gehen. Aber was heißt es: in Jesu Namen beten? Es heißt: an Jesu statt beten, also, dass nicht wir die Betenden sind, sondern Christus aus uns betet. Nun sage mir, ist Christus jetzt ein anderer, als er vor 1800 Jahren gewesen ist? Christus gestern und heute und derselbe in Ewigkeit. Meinst du denn nicht, wenn Christus in unsern Tagen auf Erden betet, dass er ohne Ausnahme ebenso erhört werde, wie er zur Zeit seines Wandels auf Erden erhört worden ist? Bete denn nur wirklich in seinem Namen, so sollst du Wunderdinge erleben. Aber wie, sprichst du, wenn ich nun wollte bitten, dass diese Steine Brot würden? Christ, besinne dich; hat dein immerdar sich selbst verleugnender Heiland jemals so gebetet, und kannst du ihm zutrauen, dass er so aus dir beten werde? Lass ihn in und aus dir bitten, so wirst du erfahren, dass, was Er bittet, auch geschieht. Es ist ein gewaltiges und doch wahres Wort, das der Herr sagt (Mark. 11, 23.): Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berge spräche: Hebe dich und wirf dich ins Meer, und zweifelte nicht in seinem Herzen, sondern glaubte, dass es geschehen würde, was er sagt, so wird es ihm geschehen, was er sagt.
Ja, da tue nur nicht ein Ungläubiger das Maul auf, also zu beten, denn er wird nicht einen Maulwurfshügel ins Meer versetzen, geschweige einen Berg. Aber die Gläubigen, die im Namen Jesu Betenden, die haben in ihrem Erlöser eine solche Kraft, Kühnheit und Zuversicht, dass sie so große Dinge ausrichten können mit ihrem Gebet. So sei es denn unser Bestreben, dass wir immer mehr uns selbst verleugnen, woran wir zu tun haben unser Leben lang, und dass wir Christum anziehen in täglicher Erneuerung, damit alles, was wir tun, sein Werk sei und seinen Sinn, seine Liebe, seine Herrlichkeit offenbare.
Alles, was wir tun; denn Ausnahmen kann es hier nicht geben. Lebt und wirkt Christus in uns, so wird er uns ja so vollständig regieren, dass auch die geringste Bewegung unsers Herzens und die leiseste Bewegung unserer Hand von ihm ausgeht und von ihm allein. Im Namen Jesu lasst uns aufstehen und zur Ruhe gehen, nicht anders, als wäre Christus selbst der Auferstehende und schlafen Gehende. Im Namen Jesu lasst uns essen und trinken, dann laufen wir nicht wie Säue an den Trog, sondern es ist, als sähe die Welt noch immer den Mann, der, wenn er das Brot nahm, dankte und Gott ehrte. Im Namen Jesu trage der Leidtragende sein Kreuz, denn es ist wirklich ein Kreuz, und der Träger ist jenes geduldige Lamm, davon wir lesen im Evangelium. Im Namen Jesu regiere der König und Herr, dann regiert in ihm der gerechte, milde Jesus, dessen Joch sanft, dessen Last leicht ist, so dass seine Untertanen ihm mit Freuden gehorsam sind, als dienten sie dem Heilande selbst. Im Namen Jesu führe der Pfarrer sein Amt, dann führt es der, welcher suchte, das verloren war, und ein herzliches Erbarmen mit den Menschen hatte, und willig war, sein Leben für sie zu lassen. Im Namen Jesu leben wir, und wollen einst auch in seinem Namen sterben, dann lebt Er in uns, und wir sterben dann nicht, sondern gehen mit ihm zum Vater. So geschehe im Namen Jesu jegliches, was wir irgend tun, es sei in Wort oder Werk, spricht der Apostel. Er teilt unser Tun nach den Erweisungen der Liebe gegen den Nächsten ein, wovon er bisher geredet hat, und wobei es sich eben hauptsächlich handelt um unser Wort und Werk. Lehren, ermahnen, warnen, strafen, trösten wir, oder was wir tun mit unserer Zunge, das geschehe alles im Namen des Herrn Jesu, so geschieht es sicherlich auf die rechte Weise und zur Ehre Gottes. Es kommt nicht bloß auf das Sprechen an, sondern weit mehr auf den Sprecher, welcher sein soll Christus in uns, der voll Liebe, Sanftmut und Erbarmen ist. Schweigst du, so sei es, weil Christus dich schweigen heißt; redest du, so rede als der an Christi Stelle steht, dann geschieht's mit Liebe, Kraft, Zuversicht und Segen. Ebenso was wir vornehmen und angreifen mit unserer Hand, wir mögen geben oder nehmen, kaufen oder verkaufen, leihen, schenken, speisen, tränken, kleiden, besuchen, oder was sonst wir tun, dabei kommt es nicht bloß auf das Tun an, sondern weit mehr auf den Täter, welcher ebenfalls Christus sein soll in der ganzen Fülle seiner Liebe, Weisheit und Kraft, womit er in uns wohnt. Die Welt ist ein leerer Kessel, darum all' ihr Reden und Tun, wie hell es auch klinge, dennoch nichts ist als ein tönend Erz. Wir Christen sind ganz anderer Art und Natur. Wir haben Christum in uns wohnend; derselbe erfüllt uns, lehrt, tröstet, treibt uns, und sein ist jegliches Werk, das wir tun. Sind wir nicht selige Menschen? Ja, und darum fordert uns Paulus auf, dass wir sollen danksagen Gott und dem Vater durch Christum. Das Wort „und“ ist erklärend und bedeutet so viel als: Gott, der da ist der Vater. Was aber will der Zusatz sagen: durch Christum? Dieses, dass auch unser Danken im Namen Jesu geschehen soll. Wir müssen, da wir Christi und seiner Herrlichkeit teilhaftig worden sind, ja fröhlich sein in unserem Herzen, und kindlich Gott loben als unsern lieben Vater in Christo Jesu. Von dem Heiden Epictet wird erzählt, dass er gesagt habe: „Wär' ich eine Nachtigall, so wollt ich tun, was eine Nachtigall tut; nun ich aber ein vernünftiger Mensch bin, will ich Gott loben, dies ist meine Pflicht, dies tue ich und will es tun, so lange ich kann, und ich ermahne euch alle, dasselbe zu tun.“ Hat so ein Heide durch Betrachtung der Natur zum Lobe Gottes geführt werden können: wie viel mehr müssen wir dazu geführt werden durch Betrachtung der Gnade? Wir müssen ähnlich wie Jakob sprechen: Ach Herr, ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knechte getan hast; denn ich war arm, blind und bloß, da ich ohne dich in der Welt ging, und nun hast du mein Herz zu deiner Wohnung gemacht, lebest in mir und machst, dass ich all mein Fühlen, Denken, Reden, Tun fassen kann in deinen herrlichen Namen. Dir sei Lob und Ehre in Ewigkeit!