Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Epheser in 34 Predigten - Dreiunddreißigste Predigt.

Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Epheser in 34 Predigten - Dreiunddreißigste Predigt.

Wohl dem, der fest im Glauben steht,
Und in dem Namen Jesu fleht;
Denn wahrlich, wahrlich, es geschicht,
Was ihm der Mund des Herrn verspricht.

Drum bet' und fleh' aus Herzens Grund,
Im Geist und nicht nur mit dem Mund,
In Glaubenskraft und Zuversicht
Um Alles, Christ, was dir gebricht.

Wer ist der Mann mit dem blassen Angesichte und dem zum Tode betrübten Herzen, der in jenem Garten am Ölberge alleine ging, und niederfiel auf sein Angesicht und betete: Mein Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!? Wer ist der Mann, von dem es heißt: Zum andern Mal ging er wieder hin und ging aber, mal hin, und betete zum dritten Mal, und redete dieselben Worte? Ihr wisst schon, Christen, dass es unser teurer Erlöser war in jenem großen Kampfe, den er über sich ergehen ließ für uns. Es war ein Kampf, wo er sprach: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod; ein Kampf, wo er mit dem Tode rang, und sein Schweiß wie Blutstropfen ward, die auf die Erde fielen. Und welche Waffe nun war es, zu der er griff in diesem Kampfe? Er stand umgürtet mit Wahrheit, umkleidet mit dem Krebs der Gerechtigkeit, beschuht mit der Bereitschaft, ausgerüstet mit dem Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes, und zu diesen Waffen kam nun auch das Gebet. O Christen, vergesst es nicht, dass dieser Kampf des Herrn uns den Weg und Zugang zu Gott errungen hat, so dass nun auch wir in unsern Kämpfen zu Gott hintreten und ihn bitten können, wie die Kinder ihren lieben Vater bitten. Und zu dieser Waffe sollten wir nicht greifen? Hört doch, wie wir dazu ermuntert werden in unserem heutigen Texte.

Ephes. 6, V. 18-20: Und betet stets in allem Anliegen mit Bitten und Flehen im Geist, und wacht dazu mit allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen, und für mich, auf dass mir gegeben werde das Wort mit freudigem Auftun meines Mundes, dass ich möge kund machen das Geheimnis des Evangelii, welches Bote ich bin in der Kette, auf dass ich darinnen freudig handeln möge, und reden, wie sich's gebührt.

Also noch eine siebente Waffe zu den sechs zuvor genannten hinzu, nur dass der Apostel zuletzt das Gebet nennt ohne ein begleitendes Bild. Es fasst alles Genannte in sich, denn es ist Gurt, Panzer, Schuh, Schild, Helm, Schwert. So steht spricht der Apostel, steht, wie mit den andern Waffen angetan, so auch betend. Christen, lasst uns denn - unter deinem Beistand und Segen, Heiliger Geist! - unsere Betrachtung nun richten auf das Gebet, als eine Waffe in unserem Kampf. Der Apostel lehrt uns 1. wie, und 2. wofür wir beten sollen.

1.

Wie lautet die Aufforderung in unserem Texte? Betet durch alles Mögliche Gebet und Flehen. Gelobt sei Gott, dass er uns durch Jesum Christum diese goldene Leiter bereitet hat, die Himmel und Erde mit einander verbindet. Auch das ist eine schöne Frucht des Leidens und Sterbens unsers Herrn, dass wir nun den Zutritt haben, den freien, fröhlichen Zutritt zu Gott im Gebet. Hätte nicht Christus uns mit Gott versöhnt durch sein heiliges, teures Blut, wo wäre dann der Friede, wo wäre die Kindschaft, wo wäre die Freudigkeit des Herzens, ohne die ein rechtes Beten nicht möglich ist? Dank dir, großer Kämpfer am Ölberge und auf Golgatha, dass du in dem schweren Kampfe deiner Liebe uns die Tür des Himmels aufgetan und Alles hinweggeräumt hast, was uns irgend scheiden möchte von unserem Gott! Durch deine Gnade haben wir nun das Gebet als ein heiliges Gefäß in unserer Hand, darein wir Alles legen können, was uns auf dem Herzen liegt, und können es hinbringen vor dich. Sei es ein Gut, um dessen Erlangung, sei es ein Übel, um dessen Abwendung es uns zu tun ist; sei es eine Fürbitte für die Brüder oder eine Danksagung für empfangene Wohltat, die wir wollen laut werden lassen: immer ist es das Gebet, durch dessen wir unsere Angelegenheiten vor dich bringen. Aber, Christen, nun sollen wir auch keine Art des Gebets versäumen, und namentlich sollen wir Alles, was wir zu flehen oder zu bitten haben, es sei was es wolle, ins Gebet fassen und so hintragen zu unserem Gott.

Wann soll's geschehen? Der Apostel sagt: zu aller Zeit, bei aller Gelegenheit, oder wie es anderswo heißt (Phil. 4, 6): in allen Dingen lasst eure Bitte vor Gott kund werden. Also immer die Hände falten? immer auf den Knien liegen? immer bitten und flehen, eine Stunde wie die andere und einen Tag wie den andern? Fragt so nicht, liebe Christen. Beten und arbeiten gehören bei einem Christen zusammen; aber sie sind auch so verträglich miteinander, dass sie nicht zwei, sondern Eines sind, das Gebet ein arbeitendes, die Arbeit eine betende. Fürwahr, du kannst wohl, während du säst oder pflügst, deine zehn Abbas den Tag über gen Himmel senden, und bei deinem äußerlichen Tun ein so betfertiges, gottliebendes Herz in dir tragen, dass der ganze Tag für dich ein Bettag ist, und du Alles so in Gott tust, als täte Gott es selbst. Sollt' es nun aber nicht der Gelegenheiten und Veranlassungen viele geben, wo du dich getrieben fühlen musst, ein Wort mit Gott zu reden, sei es ein lobendes oder ein dankendes oder ein bittendes? Es liegt ja zu jeder Zeit auf jedes Menschen Herzen Etwas, das der Besprechung mit Gott bedarf, und mitunter liegt's so schwer darauf, dass das Herz den ganzen Tag seufzen, und das Auge den ganzen Tag tränen möchte. Und liegt's nicht auf dir, so liegt's auf dem, der dein zweites Ich ist, auf dem Manne, der den Namen „Nächster“ führt, welcher Name gar Vieles befasst und gar Viele, nämlich alle Heiligen, wie unser Text sagt, und unter den Heiligen diesen und den insonderheit, heiße er Paulus oder wie sonst.

Bei solcher Fülle des Stoffs und der Veranlassung zum Beten kann nun das christliche Herz nicht stumm und kalt bleiben, sondern reden muss es, und wie reden? Antwort: im Geist. Was das bedeutet? Bedenkt, liebe Seelen, dass Niemand Jesum einen Herrn nennen kann ohne den Heiligen Geist; denn nicht auf das bloße Wort kommt es an es werden ja nicht Alle, die „Herr“, „Herr“ sagen, ins Himmelreich kommen, sondern auf den Ernst und das Feuer im Wort. So nun kann auch Niemand ein Vaterunser oder ein Bittgebet sprechen ohne den Heiligen Geist. Das ist aber der Geist, nicht wie er in Gott oder im Himmel ist, sondern wie er von oben herab kommt ins Herz hinein, und sein Werk in demselbigen hat. Wie die Harfe nicht lieblich tönen kann, sie werde denn von einem Andern gestimmt, der nicht die Harfe selbst ist: also auch kann unser Herz nicht lieblich tönen im Gebet, wo nicht der Heilige Geist uns zuvor berufen, gesammelt, erleuchtet, geheiligt bat. Aus einem so bereiteten Herzen quillen die Gebete hervor, wie Wasser aus einer sprudelnden Quelle; denn da stehen die Betenden vor Gott, wie Kinder vor ihrem Vater, wie die Schrift sagt (Gal. 4, 6): Weil ihr denn Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreit: Abba, lieber Vater! Dies Beten und Flehen im Geiste weist uns wieder hin auf den, der für uns den Todeskampf in Gethsemane kämpfte, und unsern Fluch und die „Handschrift, so wider uns war“, mit sich schlagen ließ an das Kreuz. Denn gewiss und wahrhaftig, hätte dich dieser dein Seelenfreund nicht mit Gott versöhnt durch sein bitteres Leiden und Sterben, so könntest du wohl nimmer fröhlich im Geiste vor deinem Gotte stehen, sondern zittern würdest du, wenn der strafende Geist über dich käme, wie das Laub zittert, wenn der Hauch des Windes durch die Espe rauscht. Nun aber, ob du gleich zuweilen zitternd und zagend vor Gott erscheinst, kannst du doch vor alle Angst und Pein das Wort: „Christus ist hie“ als einen Schild halten, und kannst flehen, bis der Heilige Geist die Tür deines Herzens aufreißt und mit Friede und Freude in dich einzieht.

Ach, dass doch nimmer der Geist von euch wiche, sondern ihr zu aller Zeit im Geiste betetet! Aber, dass dies geschehe, eben dafür wacht mit allem Anhalten und Flehen, spricht der Apostel. Das Gebet ist wie eine schöne, zarte Blume im Garten, die man bewachen muss, dass nicht entweder Unkraut neben ihr aufschieße und sie ersticke, oder von außen etwas eindringe in den Garten und sie niedertrete. Ihr kennt doch euer Herz und wisst, wie träg es ist und wie schläfrig, gleich den Jüngern am Ölberge, welche einschliefen bei der größten Gefahr, so dass der Herr sie weckte und sprach: Wacht und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallet (Matth. 20)? Und droht die Gefahr nicht von innen, so droht sie von außen, da wir ja in einer Welt leben, wo so Manches uns von Gott ab und in den weltlichen Sinn hineinziehen kann. Ihr frommen Beter wisst das aus vielfältiger Erfahrung. Auf schöne Betstunden und Bettage sind oft nur zu bald - solche Zeiten gefolgt, wo euer Mund stumm war oder doch euer Herz kalt, so dass die Bitten eures Herzens in Stillstand gerieten wie die Flügel einer Mühle bei stillem Wetter. Da ist's denn, als wäre Gott von euch gegangen ins Mohrenland und weit, weit von euch weg, und euer Herz, das weiland blühte wie ein Garten Gottes, ist geworden zu einer Wüste. Unmut, Sorgen, Zweifel oder weltliche Freuden und Bestrebungen sind gekommen wie Raupen, Heuschrecken und Käfer, so dass man sagen kann: Was die Raupen lassen, das fressen die Heuschrecken, und was die Heuschrecken lassen, das fressen die Käfer (Joel 1). Ach, wacht doch, Christen, wacht, und seid allezeit auf der Hut gegen euch selbst und gegen die Welt. Wie es um das Wetter steht, das erkennt man am Barometer, und wie euer Stand zu Gott ist, das könnt ihr erkennen an eurem Gebet. Fürwahr, es steht schlecht, wenn der Geist fehlt, der uns rufen lässt: Abba! Darum, wenn ihr merkt, dass der Geist in euch fehlt, und ihr daher nicht Lust und Trieb spürt zum Beten und Flehen, so sollt ihr euer Herz nicht schlafen und schnarchen lassen, bis es etwa von selber aufwacht, sondern das ist der rechte Griff, den uns Paulus lehrt, dass wir sollen anhalten mit Bitten. Ist je eine Zeit, die eine rechte Zeit zum Beten heißen kann, so ist's diese Zeit der innerlichen Trägheit und Schläfrigkeit. Mag's denn willig geschehen oder mit Widerwillen, zwanglos oder mit Zwang: ihr müsst durchbrechen und Gott zuvörderst bitten, dass er euch wieder beten lehre, auch nicht verdrießlich werden, wenn er nicht sofort euch erhört, sondern fortfahren, immer fortfahren, und ihm sein Wort vorhalten: Rufe mich an in der Not, und ihn fragen, ob er sein Wort halten wolle oder nicht. Fasst ihr ihn bei seinem eignen Wort, so kann er nicht widerstehen, sondern bald fängt es an, sich in euch zu regen, und ihr merkt, wie der Geist heranzieht und euch wieder tüchtig und lustig zum Beten macht. So betet denn allezeit, betet im Geist und eben dafür wacht mit anhaltendem Bitten.

2.

Nun aber sage uns Paulus noch, zum Andern, wofür wir beten sollen. In der Welt hat man das Sprichwort: Jeder ist sich selbst der Nächste. Gilt das auch in Ansehung des Gebets? Nein, Christen, es ist ein ganz schlechtes Sprichwort, und gilt weder vom Beten, noch sonst in irgendeinem Betracht. Wer der Schrift kundig ist und der christlichen Liebe teilhaftig, der macht nicht sich selbst zur Weltachse, um die sich Himmel und Erde dreht, sondern er hat's von seinem Erlöser gelernt, der für uns in den Tod gegangen ist, dass in der rechten Liebe das Ich dem Du nachsteht. Niemand kann mir näher sein, als mein Nächster, weil's keinen höheren Grad gibt als den Superlativ. Paulus sagt in unserem Texte: Flehet für alle Heiligen und für mich, aber er sagt nicht: Flehet für euch selbst. Doch ist das Flehen für uns selbst nicht ausgeschlossen, sondern liegt versteckt in dem Wort, dass wir beten und flehen sollen zu aller Zeit oder in allem Anliegen. Finden wir nicht auch bei uns selbst Tausenderlei, das vor Gott gebracht werden muss? Ja, wir haben einen Leib und eine Seele, dazu Weib und Kind, Stand und Beruf, und jegliches davon macht uns viel zu schaffen. Schon der alte heidnische Dichter Homer spricht: wir bedürfen alle der Götter; wie vielmehr wird ein Christ sagen: Wir bedürfen Alle Gottes, und bedürfen seiner in Allem, es sei Großes oder Kleines. Gottlob! dass wir von einem Vater wissen, ohne dessen Willen kein Haar von unserem Haupte fällt, und dass wir die Freiheit haben, Alles und Jedes, das uns betrifft, vor diesen lieben Vater zu bringen. Tut das, liebe Christen, bringt's Alles vor ihn und legt's auf sein Herz. Lasst euer Anliegen nicht auf eurem Herzen liegen, denn es drückt zu sehr, und aus Einem Unglück werden wohl hundert, statt dass, wenn ihr's vor Gott bringt, euer Herz leicht wird. und eure Last leichte. Tut sich dir, was dein Weib und Kind, oder deinen Knecht und deine Magd, oder deinen Acker und dein Brot betrifft, tut sich dir in deinem Hause irgendetwas kund, das dich beunruhigen oder quälen will, so bring es gleich vor Gott und bitte ihn um seinen Rat und seine Hilfe. Es kommen in der Zeit Eines Tages vielleicht zehn Zeiten vor, wo du ein Anliegen hast, bald dieses bald jenes, das vor Gott gebracht sein will. Am meisten aber bedarf deine Seele und die Seelen der Deinigen des Betens und Flehens. Wir werden von unserem Fleisch und von der Welt und ihrem Fürsten angefochten alle Tage, und sind oft in solcher Seelen- Not, dass, wollten wir nicht beten und flehen, der Feind in unsere Burg dränge und sie zerstörte. Die sichern Leute, welche denken: Es ist Friede, und bedarf keines Betens und Flehens, ach! die haben eben in dieser Sicherheit einen Feind, der gräuliche Verwüstungen anrichtet in ihrem Innern. Ein guter Christ weiß nur zu gut, dass seine Seele ein Schifflein ist, das immer mit Sturm und Wellen zu kämpfen hat.

Aber der liebe Apostel Paulus weist uns nicht bloß auf unsere eigene Not, sondern weit mehr noch auf die Not Anderer, die unseres Betens und Flehens bedürfen. Flehet, spricht er, für alle Heiligen. Welche sind's? Alle die, welche mit uns auf Einem Grund und Boden des Bekenntnisses und Glaubens stehen; alle die, welche durch der Taufe der Welt entnommen und Gott geweiht sind zu einer Behausung im Herrn. Liegt uns nun das Reich Gottes am Herzen, wie sollten uns nicht die am Herzen liegen, die in diesem Reiche mit uns unter Christo wohnen? Keiner in der Welt steht uns näher, als wer in Christo unser Nächster ist; da ist ja Ein Glaube, Eine Laufe, Ein Geist, Ein Herr und Gott unser Aller Lauter himmlische Bande, die uns mit einander verknüpfen und die Heiligen zu unsern Brüdern machen. So wärest du denn wahrlich ein schlechter Christ, wenn du in deinem Gebete bloß deiner gedenken wolltest, und nicht auch der lieben Brüder, die mit dir in Einem Kirchenschiffe fahren. Geht das Schiff unter, so sinkst du mit in den Abgrund. Es kann dir nicht wohlgehen, wenn es nicht den andern Heiligen mit dir wohl geht. Darum habe dein Auge auf sie, und siehst du, dass irgendwo Jemand leidet, so helfe ihm auf, nicht nur mit der Hand, sondern auch mit dem Gebet. Gewöhne dich daran, dass du in dein Gebet immer auch die Brüder schließest, und ein Gebet bloß für dich lass selten vor Gott kommen. Viele Heilige kennst du mit Namen, und stehen vielleicht etliche von ihnen auch durch weltliche Bande dir nahe: nimm doch die lieben Leute mit dir, wenn du zu Gott gehst, und sprich: Lieber Gott und Heiland, ich habe für diese Brüder ein Anliegen, es ist dies und das. Hier eine kranke Schwester: mache sie gesund; dort ein armer Bruder: gib ihm Brot für Weib und Kind; dort ein verlassenes Kind: hilf dem verwaisten Kinde; dort ein Verirrter: ach, führe ihn auf den rechten Weg zurück. Meinst du nicht, lieber Christ, wenn du mit deinen Gedanken von Haus zu Haus gehetzt, in Brügge, in Buchwald, in den andern Dörfern, meinest du nicht, dass du mehr als 20 finden werdest, die es bedürfen, dass du eine kräftige Fürbitte für sie einlegest bei Gott? Nun aber heißt's gar: für alle Heiligen! Ach, wie groß ist die Christenheit, und wie eng ist unser Herz! Wollte Gott, dass Alle beteten für Alle, für alle Heiligen, und für mich, setzt Paulus hinzu. Was hat denn der Apostel für ein Anliegen? Will er aus dem Gefängnis und von der Kette los, dass er reisen könne, wohin er will? Nein, das ist es nicht. Er wollte wohl gerne im Gefängnis bleiben und in der Kette, ja sogar, wenn es sein müsste, sein Haupt hergeben für das Schwert, wenn damit sein Wunsch in Erfüllung ginge. Was wünscht er denn? „Dass mir gegeben werde das Wort, um meinen Mund aufzutun, und mit Freimütigkeit kund zu tun das Geheimnis des Evangeliums.“ Also die Fürbitte, die er begehrt, betrifft nicht seine Person und sein äußerliches Wohlergehen, sondern das Eine, das ihm immer und allein am Herzen lag, den Sieg des Evangelii über die Welt. Dazu sollte ja auch er mitwirken durch sein Wort. Ach, spricht er, dass der Herr denn immer, wenn ich rede, mir geben möchte, was und wie ich reden soll, und verleihen, dass in meiner Rede immer der rechte Mut sei und die rechte Freudigkeit! Denn das Mundauftun bedeutet die furchtlose, zuversichtliche und freudige Verkündigung des Evangeliums. Wie kann das große Geheimnis, das verborgen gewesen ist vor der Welt, nun aber offenbar geworden ist in Christo, dem Gekreuzigten. und Auferstandenen, wie kann dies große Geheimnis der Versöhnung der Welt mit Gott unter die Leute kommen und ihres Herzens Trost und Frieden werden, wenn nicht Boten da sind, die mit Mut und Freudigkeit es verkündigen? Aber fehlte es denn daran bei dem Apostel Paulus? ging ihm der Mut, ging ihm die Freudigkeit ab? - Ja, spricht er, ihr müsst mich ansehen, wie ich hier in Rom gefangen bin. „Ich bin ein Bote des Evangeliums in der Kette.“ Die Fürsten und Gewaltigen dieser Welt haben Botschafter in Glanz und Herrlichkeit, denen kein Haar gekrümmt werden darf, weil sonst sofort 1000 Schwerter blitzen würden, sie zu rächen; aber Christi Botschafter sind im Gefängnis und in der Kette. Da mag wohl in der Schwachheit des Fleisches mitunter der Mut ihnen ausgehen und die Freudigkeit, dass sie nicht frei hervortreten mit dem Wort, oder wenn sie reden, dass ihrer Rede die rechte himmlische Kraft und Salbung fehlt, ohne was sonst an Hindernis da ist in ihrer Not und Gebundenheit. Nun siehe, darum begehr' ich eure Fürbitte, um des Evangelii willen, damit ich im Evangelio, das mein Element und Acker ist, Freimut habe zu reden wie ich muss.

Christen, Paulus ist tot, aber die, deren Einer er war, die Botschafter des Evangelii sterben nicht. Auch die Kette Pauli ist noch da, das ist, vielfaches Hindernis der gesegneten Verkündigung des Evangeliums; sei es Kleinmütigkeit, Furcht, Zweifel, Unentschiedenheit auf der einen, oder Widerstreben, Hass, Verfolgung auf der andern Seite. Über die Art, wie die Mission unter den Heiden vielfach betrieben wird, möchte man weinen, und ebenso über die Art, wie in tausend Gemeinden das Evangelium gelehrt und gepredigt wird. Liegt euch die Sache des Himmelreichs am Herzen, so betet, spricht Paulus, betet und flehet, dass es anders und besser werde, und dass die Verkündigung des Evangeliums wie der Stab Aarons anfange zu grünen, zu blühen und Mandeln zu tragen, wie ja auch der Herr selber sagt (Matth. 9): Die Ernte ist groß, aber wenig sind der Arbeiter; darum bittet den Herrn, dass er treue Arbeiter in seine Ernte sende.

Wach' auf, du Geist der ersten Zeugen,
Die auf der Mau'r als treue Wächter stehen,
Die mutig sind und nimmer schweigen,
Und die getrost dem Feind' entgegen gehen;
Ja, deren Schall die ganze Welt durchdringt
Und aller Völker Scharen zu dir bringt.

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