Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Epheser in 34 Predigten - Sechzehnte Predigt.

Gelobt sei Gott!
Er gab sein Wort
Mit Scharen von Evangelisten.
Auf! rühme, danke, Volk der Christen!
Dir sendet, wie sein Wort verheißt,
Der Vater seines Sohnes Geist;
Und dessen milde Gnadengaben
Sollst du in reicher Fülle haben.
Gelobt sei Gott!

Dass wir Christen sind und als Christen teilhaftig des Segens an himmlischen Gütern in Christo Jesu, wahrlich! das ist nicht unser Verdienst und Werk, sondern Andere sind gewesen, die uns den Weg zu Christo gebahnt haben. Wie uns der Weg gebahnt ist nach den fremden Weltteilen, wohin Hunderte, Tausende täglich fahren, aber die ihnen den Weg gezeigt und ihn zuerst gefunden haben, sind Märtyrer ihres Unternehmens geworden, und von der Saat ihrer Arbeit, ihrer Leiden ernten wir jetzt die Früchte: so liebe Christen, stände uns auch nicht der Weg zum Himmelreiche, zum Himmel offen, wenn nicht Andere vor uns gewesen wären, die uns diesen Weg bereitet hätten. Vor Allem müssen wir ja unsern Heiland preisen, ohne den Niemand zum Vater kommen würde. Wäre Er nicht gekommen und hätte unter viel Arbeit, Not und Trübsal den Gang nach Gethsemane und von Gethsemane nach Golgatha und von Golgatha ins Grab getan, dann wüssten du und ich nichts von dem Wege, den wir jetzt mit einander gehen zu der ewigen, unvergänglichen Freude, die uns bereitet ist im Himmel. Dank dir, teurer Erlöser, dass du durch Kampf und Leiden uns den Weg bereitet hast! -

Aber haben wir gleich vor Allem die Liebe unsers Erlösers zu preisen in diesem Betracht, so lasst uns doch auch derer nicht vergessen, die er berufen hat, dass sie sein Werk fortsetzen sollten unter den Menschen. Welche sind's? Es sind die Zwölf, genannt die Apostel, die nach Christo unsere größten Wohltäter unter den Menschen geworden sind. Hört darüber ein Wort, das wir verzeichnet finden

Ephes. 3, V. 1 bis 6:
Derhalben ich Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch Heiden, nachdem ihr gehört habt von dem Amt der Gnade Gottes, die mir an euch gegeben ist, dass mir ist kund geworden dieses Geheimnis durch Offenbarung, wie ich droben auf das kürzeste geschrieben habe; daran ihr, so ihr es lest, merken könnt meinen Verstand an dem Geheimnis Christi; welches nicht kundgetan ist in den vorigen Zeiten den Menschenkindern, als es nun offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist, nämlich dass die Heiden Miterben seien, und mit einverleibt, und Mitgenossen seiner Verheißung in Christo, durch das Evangelium.

Der Apostel hat zuvor geredet von der Liebe Gottes zu den Heiden, dass sie, die Fernen, nahe gekommen wären, und nun zur Gemeinde Christi gehörten, diesem heiligen Tempel, wovon auch sie lebendige Steine wären, die mit erbaut würden zu einer Behausung Gottes im Geist. Weil es nun so um euch steht, darum, spricht er, beuge ich meine Knie gegen den Vater unsers Herrn Jesu Christi, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen. Aber erst vom 14ten Verse an setzt er dies „Darum“ fort. Sein Herz ist so voll, dass ein Gedanke den anderen verdrängt. Er muss, ehe er seiner Fürbitte für sie gedenkt, sie erst erinnern an das enge Band, das der Herr geknüpft habe zwischen ihm und ihnen. Und da verweist er sie auf die Fesseln, die er für sie trage, verweist sie auf das heilige Apostelamt, das er für sie bekommen habe. Lasst uns nun aber nicht vergessen, dass der Apostel Paulus samt seinen Amtsgenossen uns eben so nahe steht, wie er jenen Christen stand. Wir stehen ja mit unserem Christentum auf dem Grund der Apostel, da Jesus Christus der Eckstein ist. Lasst uns, wie der Text es fordert, reden von der Wohltat, die uns der Herr durch seine Apostel bewiesen hat.

Und da gedenken wir

1. der Leiden, die sie erduldet,
2. der Offenbarung, die sie empfangen,
3. der Schriften, die sie verfasst haben.

Ja, lehr' uns erkennen und bedenken, lieber Heiland, was das für eine Wohltat sei, dass du diese Männer erwählt, dass du sie ausgerüstet mit Geist und Kraft, dass du sie in die Welt gesandt, dass du ihre Zunge und ihre Feder geleitet durch deinen heiligen Geist, dass du sie tüchtig gemacht hast, unter tausendfacher Gefahr und Not dein Werk zu treiben unter den Menschen!

1.

Zunächst erinnert uns der Apostel an seine Leiden, die er für uns dulde. Ich Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch Heiden. Er war ja damals, als er diese Worte schrieb, in Rom, war in der Gefangenschaft, war mit seinem Arm gefesselt an den Arm eines römischen Soldaten. Und wisst ihr nicht, welches Ende diese Gefangenschaft nahm? Sie führte nicht zur Freiheit, sondern zum Tode. Das Ende war, dass Paulus Haupt und Leben verlor durch das römische Schwert. Nun gedenkt der langen Reihe von Trübsalen, die er als Apostel von Anfang an erduldet hat bis an seinen Tod. 2. Kor. 11 lesen wir ein kurzes Verzeichnis seiner Leiden. Da gedenkt er der Streiche, die er empfangen, und der Todesnöten, in denen er gewesen ist. Sie haben ihn gestäupt, haben ihn gesteinigt, so dass er wie tot am Boden lag. Dazu die sonstigen Gefahren, die er bestanden, in der Wüste, auf dem Meer, und die tägliche Mühe und Arbeit, wobei er oft mit Hunger und Durst, mit Frost und Blöße hat kämpfen müssen. Ist aber Paulus der einzige Apostel gewesen, der solche Leiden geduldet hat? Nein, ähnlich wie ihm ist es auch den übrigen ergangen. Das Wort „Geht hin in alle Welt“ war die Losung, womit sie in einen Kampf traten, worin sie Gut, Blut, Leib und Leben verloren haben. Wer von den Aposteln, außer dem einzigen Johannes, hat nicht das Evangelium, das er predigte, mit viel Mühe, viel Trübsal und zuletzt mit seinem Tode besiegeln müssen? Schwert, Kreuz, siedendes Öl, das war der Groschen zum Tagelohn, womit die Welt den Aposteln ihre Arbeit bezahlte.

Darauf nun werden wir hingewiesen in unserem Text. Ist denn etwa der Apostel mit Missmut und Gram erfüllt um seiner Leiden willen? Zürnt er, dass er um unsertwillen ein Gefangener ist, der die Ketten tragen muss? Nein, Christen, er ist fröhlich und getrost. Denn wie betrachtet er sich in seinem Kerker? Er sagt es selbst: als einen Gefangenen Christi Jesu. Wie oft er auch in seinen Briefen seiner Leiden gedenkt, er tut es nie aus Missmut und Lebensüberdruss, sondern immer mit einem stillen, geduldigen Herzen, immer mit Lob und Dank gegen seinen Herrn. Sein und seiner Mitapostel Leiden waren ja nicht Dornen und Disteln, die auf dem Acker der Sünde und Schuld wuchsen, sondern es waren himmlische Perlen in der Märtyrerkrone, die ihr Herr und Meister ihnen auf das Haupt setzte. Ein Gefangener, ein Märtyrer sein, den Christus dazu macht, o! das ist nicht, als wenn zu Jemanden das Gewissen sagt: Du bist ein Märtyrer deiner Torheit, deines Lasters, bist ein Märtyrer des Teufels. Die Apostel waren ja gesandt von dem Herrn und arbeiteten in seinem Dienst; sein Evangelium war es, das sie predigten, sein Werk war es, das sie fortsetzten, sein Geist war es, der sie trieb, darum auch alle Leiden, die sie ertrugen, zu den Dornen gehörten, die er selber getragen, und zu dem Kelch, den er selbst getrunken hatte. So lange die Welt steht, wird der Kelch nicht leer, den unser Heiland getrunken hat, und die sich ihm zu eigen geben, müssen die Leiden tragen helfen, die noch übrig sind. Die Apostel vor allen haben den Kelch Christi getrunken bis zum Tode.

Um wessen willen? Für euch, sagt Paulus, und dies Wort „Für euch“ weist uns auf das enge Band zwischen den Aposteln und uns. Ihrer Arbeit, ihren Leiden haben wir unser Christentum zu danken. Besonders ist es Paulus, den wir als unsern Vater anzusehen haben, weil er der erste Heiden-Apostel gewesen ist. Lasst es uns nicht vergessen, liebe Christen, welchen Segen es uns gebracht, dass Christus diesen Mann für uns erwählt und als ein auserwähltes Rüstzeug für uns hat arbeiten, kämpfen, leiden, sterben lassen. Das Wort „Für euch“ gilt ja uns Brüggern und jeder andern christlichen Gemeinde der Gegenwart ebenso sehr, als es den Gemeinden Kleinasiens galt. Wie möcht' es wohl um uns und um die ganze christliche Kirche stehen, wenn nicht das Auge des Herrn einen solchen Mann wie Paulus für uns zum Arbeiter und zum Märtyrer erlesen hätte! Aber wir sind Schuldner aller Apostel, auch eines Petrus, eines Jakobus, eines Johannes, weil sie alle im Dienste des Evangeliums standen, welches uns zu Kindern Gottes macht. Seid denn eingedenk ihrer Arbeit, ihres Leidens um unsertwillen. Solche Männer mussten es sein, die in die Welt gingen, um uns und unsere Vorfahren, die Heiden gewesen sind, zu Christo zu führen und durch Christum zu Gott. Ihre Treue, ihr Kampf, ihr Gebet, ihr Blut hat den Kirchenacker bereitet und gedüngt, worauf die Früchte wachsen, wovon unsere Seele lebt. O seht sie doch, diese teuren Männer, wie sie vom Morgen bis an den Abend, und vom Abend bis in die Nacht hinein für uns wirksam sind; seht sie, wie sie Alles verlassen, was sie haben, um unter täglicher Entbehrung und Not uns das Evangelium zuzutragen; seht sie mit den verwundeten Füßen, mit der schweißbedeckten Stirn, unter Menschen, die sie verfolgen, verleumden, sie in den Kerker und zum Tode schleppen. Von diesen Gottesmenschen, die Kraft, Gut, Freiheit, Leben so willig für uns dargebracht haben, sollten wir in schwarzem Undank uns scheiden, statt ihrer uns andere Apostel wählen? Das hieße ja Christum verlassen, denn wer sich von den Aposteln scheidet, der scheidet sich von Christo. Nein! wir wollen bei den Aposteln unsers Herrn Jesu bleiben in Liebe und Dankbarkeit bis an unsern Tod, und gehen wir heut' oder morgen hinüber in die andere Welt, so wollen wir zuerst unsern Gott und Heiland, dann aber auch den teuren Aposteln danken für das, was sie zu unserem Wohl getan und gelitten haben.

2.

Aber wodurch sie uns noch näher stehen als durch ihr Leiden, das ist das Licht der hohen Offenbarung, womit sie Gott erleuchtet hat.

Wenn ihr anders gehört habt von der Veranstaltung der Gnade, die mir für euch verliehen ist. Die Gemeinde zu Ephesus wusste es, und der Apostel setzt voraus, dass auch die andern kleinasiatischen Gemeinden, an die er schreibt, davon gehört haben. Wovon? Von jenem Wunder der Bekehrung, der Umwandlung, der Erleuchtung Pauli, da ihn vor Damaskus das Licht vom Himmel umleuchtete, und die Stimme vom Himmel ihn anredete. Dadurch wurde er herausgeführt aus seiner früheren Finsternis und nach Gottes erbarmungsvollem Rat wurde er mit Erkenntnis, Weisheit, Glauben, Kraft, Mut, kurz mit aller Gnade ausgerüstet für seinen künftigen Beruf als Apostel der Heiden. Früher war er ein Pharisäer, der für das jüdische Gesetz eiferte; jetzt leuchtete die Erkenntnis in ihm auf, dass nicht Beschneidung, noch die Werke des Gesetzes den Menschen gerecht und selig machen, sondern der Glaube, womit er die Gnade Gottes ergreift. Früher glaubte er an den Gott Abrahams, Isaacs und Jakobs; jetzt wurde vor den Augen seines Geistes der Zaun abgebrochen, der Israel von der Heidenwelt schied, und er erkannte lebendig den Gott, der nicht nur ein Gott der Juden sein will, sondern auch ein Gott der Heiden. Nicht durch seine Vernunft, noch durch irgendeinen Menschen, sondern durch Gottes gnädige, wunderbare Offenbarung wurde ihm das Geheimnis kundgetan. Welches Geheimnis? Welches Geheimnis? Das Geheimnis der alle Menschen umfassenden Gnade Gottes, dass nämlich die Heiden samt den gläubigen Israeliten Miterben seien und Miteinverleibte und Mitteilnehmer an der Verheißung Gottes in Christo durch das Evangelium. Hatte er früher geglaubt, der Weg zum Himmel führe über den Berg Sinai, so wusste er jetzt, dass dieser Weg über Golgatha führe. Wer selig werden will, der kann es bloß in der gläubigen Gemeinschaft mit Christo werden, durch das Evangelium, welches also spricht: Aus Gnaden sollt ihr selig werden durch den Glauben, und dasselbige nicht aus euch, nicht aus den Werken, auf dass sich nicht Jemand rühme. Wie ganz anders lautete das, als was der Apostel früher geglaubt hatte, dass nämlich bloß Israel das auserwählte Volk Gottes sei und bloß Kanaan das Land der Verheißung! Nein, die Grenzen Kanaans sind nicht die Grenzen des Reiches Gottes; alle Völker der Erde, mögen sie Juden heißen oder Griechen oder Römer, alle Völker, so sie durch das Evangelium an Christum gläubig werden, sollen Kinder und Erben Gottes, sollen lebendige Steine des heiligen Tempels Gottes werden, sollen teilnehmen an dem Segen an himmlischen Gütern, die Gott verheißen hat. Seht, dies teure Wort von der Gnade Gottes, die in Christo Jesu erschienen ist, das war ein Strahl jenes wunderbaren Lichts, welches Gott aufleuchten ließ in dem Herzen des Apostels.

Aber war das etwas Neues, und nicht vielmehr etwas sehr Altes? Blickt doch zurück ins Alte Testament! Paulus selbst sagt (Gal. 3, 8): Die Schrift hat es zuvor ersehen, dass Gott die Heiden durch den Glauben gerecht mache; darum verkündigt sie dem Abraham: In dir sollen alle Heiden gesegnet werden. Und ist's nicht auch den Propheten offenbart worden? Ja, durch den Mund des Jesaias spricht Gott (Kap. 55): „Der Erlöser wird die Heiden rufen, die ihn nicht kennen: Alle, die ihr durstig seid, kommet her.“ Und durch den Mund des Jeremias spricht er (Kap. 60, 3): „Die Heiden werden in deinem Licht wandeln. Hebe deine Augen auf und siehe umher, diese alle versammelt kommen zu dir.“ Und durch den Mund des Hosea: „Ich will das mein Volk heißen, das nicht mein Volk war, und meine Liebe, die nicht die Liebe war“ (Hos. 2, 23). Da haben wir ja denn das Wort von der allgemeinen Gnade Gottes in Christo schon im Alten Testament. -

Ja! spricht Paulus, es ist allerdings schon in den andern, den früheren Zeitaltern kundgetan worden den Menschenkindern, vornehmlich den Israeliten, und selbst unter den Heiden fand sich die Ahnung und die Sage von einem Erretter, einem Erlöser, welcher kommen sollte. Aber so ist's ihnen nicht kundgetan, wie es jetzt offenbart worden ist Gottes heiligen Aposteln und Propheten im Geist, nicht so deutlich, nicht so innerlich, nicht so durch göttliche Taten wie jetzt. Die Propheten des Alten Testaments hatten diese Offenbarung bloß im Wort; aber bei den Aposteln und Propheten des Neuen Testaments ist zu dem Wort hinzugekommen die Tat. Wortoffenbarung ist nicht Tatoffenbarung, erst in der Tat wird das Wort Fleisch und Blut. Waren doch selbst zu Christi Zeiten noch Viele, welche meinten, die Heiden seien ausgeschlossen vom Heil, und ob auch die gläubig gewordenen Israeliten sich überzeugten, dass auch die Heiden selig werden sollten, so hieß es doch: sie können nicht selig werden, wo sie sich nicht beschneiden lassen und die äußerlichen Werke des Gesetzes tun. Was tat nun Gott, damit die Finsternis dieses Irrtums aufhörte und das Licht der reinen Erkenntnis anfinge unter den Menschen zu leuchten? Er nahm Etliche besonders, indem er sie herauswählte aus der Welt und durch Offenbarungstaten sie vor allen Andern er leuchtete und geschickt machte zum Dienst am Evangelium, daher sie Heilige genannt werden in unserem Text, und das waren die Apostel und Propheten. Nicht wahr? die hat der Herr sich auserwählt; die hat er mehr denn alle Andern mit dem heiligen Geiste erfüllt; die hat er durch ganz besondere Offenbarungen zu der wahren Erkenntnis geführt. So namentlich einen Paulus, da er ihn vor und in Damaskus umwandelte; so einen Petrus, da er ihm das Geheimnis von der Berufung der Heiden kundtat in jenem Gesicht (Apg. 10), worauf Petrus sprach: Nun erfahre ich mit der Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansteht. Daher konnten nun nachher die Apostel zu Jerusalem denen widerstehen, welche sagten: Man muss die Heiden beschneiden und ihnen gebieten zu halten das Gesetz Mosis (Apg. 15); denn sie hatten erfahren durch Gottes wunderbare Führung, dass der Heilige Geist den Heiden gegeben würde gleichwie den gläubigen Israeliten, und dass er keinen Unterschied machte zwischen beiden, sondern auch die Herzen der Heiden reinigte durch den Glauben.

So sind nun die Apostel ein Licht der Kirche gewesen in den ersten Zeiten. Aber sind sie es nicht geblieben auch in den künftigen Zeiten, und sind es noch zu unserer Zeit? Ja, Teure, ist Christus die Sonne, so sind die Apostel die Planeten am Kirchenhimmel. Nicht nur was sie für uns getan und gelitten haben, muss sie uns teuer machen, sondern noch näher sind wir an sie geknüpft durch die hohe Offenbarung, die ihnen von Gott zu Teil geworden ist. Sie selbst berufen sich darauf und fordern von uns, dass wir das Evangelium annehmen und glauben sollen, wie der Herr es ihnen gegeben hat. Kennst du irgendeinen Menschen in der Welt, den du, was seine Erkenntnis göttlicher Dinge betrifft, den Aposteln gleich oder gar über sie stellen möchtest? Wer hat an der Seite unseres Herrn gewandelt wie sie, und das Wort der Wahrheit vernommen aus seinem eigenen Munde? Wer ist wie sie Augen- und Ohrenzeuge aller der herrlichen Taten gewesen, die Gott vollbracht hat durch Christum, von seinem öffentlichen Erscheinen an bis zu seinem Hingang zum Vater, wie auch seiner späteren Offenbarungen? Wer ist berufen worden wie die Apostel berufen sind, und hat das Maß des Geistes und der Geistesgaben empfangen, das sie empfingen von dem Herrn? So hängt euch denn, ich bitte euch, hängt euch nicht an irgendeinen Apostel oder Propheten unserer Zeit, der anders lehrt als die Apostel gelehrt haben, sondern lasset diese Männer eure Wegweiser und Führer bleiben, die der Herr selbst dazu verordnet hat.

3.

Aber wo haben wir das Zeugnis der Apostel? Ist's von Mund zu Mund, ist's als ein ungeschriebenes Wort durch die verflossenen 1800 Jahre auf uns gekommen? Schlimm, wenn es so stände! Dann wäre es wohl damit ergangen wie mit einer Münze, die in die Erde kommt: wie schön und rein sie auch ist zu Anfang, so setzt sich doch in der Erde Rost daran, und die Münze wird verunstaltet und verliert das Bild und die Überschrift. Wäre das Wort der Apostel bloß ein mündliches geblieben, so hätte die Welt das Ihrige hinzugetan, und es möchte jetzt wohl kaum mehr Gottes Wort und der Menschen Zusatz zu scheiden sein. Aber wisst, auch hier hat Gott nach seiner großen Weisheit und Liebe ausgeholfen. Er hat gesorgt, dass der Apostel Wort von ihnen selber niedergeschrieben würde. Paulus, der Gefangene Jesu Christi, schrieb an die Gemeinden zu Kleinasien, schrieb auch an andere Gemeinden und an einzelne Christen diese Episteln haben wir in unserem Neuen Testament. Daneben Briefe von andern Aposteln, besonders auch der vier Evangelien. Diese Schriften der Apostel sind ein drittes festes Band zwischen ihnen und uns. Fürwahr, die Wohltat ist groß, die uns Gott durch die Schriften der Apostel erwiesen hat. Was haben wir von diesen Schriften zu halten? Hört darüber ein Wort von Paulus in unserem Text. Mir ist, spricht er, das Geheimnis von Gott kundgetan, sowie ich vorher in der Kürze geschrieben habe. Er meint die beiden ersten Kapitel dieses seines Briefes, worin er der Heiden gedacht hat und ihrer Berufung zur Seligkeit; nicht bloß in einzelnen Versen, sondern alles darin Geschriebene handelt davon. Und nun fährt er fort: Nach dem, was ich geschrieben, könnt ihr, wenn ihr es lest, erkennen meine Einsicht in das Geheimnis Christi. Ist also die Frage, ob Paulus den rechten Verstand gehabt habe von der evangelischen Wahrheit, so sollen wir - fordert er das von ihm Geschriebene darüber entscheiden lassen. Ihr habt ja meinen Brief in eurer Hand, und er wird euch vorgelesen, wenn ihr eure Versammlungen haltet: sagt denn, was haltet ihr von mir, wenn ihr auf das blickt, was ich geschrieben habe? Es mögen wohl heut oder morgen Menschen kommen, die von mir nichts halten, und mich nicht als einen Apostel gelten lassen wollen. Gegen solcher Menschen Lüge appelliere ich an mein Geschriebenes, das mag entscheiden und Richter sein über sie und mich.

Nun, liebe Brügger, dies Wort ist auch an uns gerichtet. Was die Epheser in Händen hatten, das haben auch wir, und haben mehr als sie; dreizehn Schriften allein von Paulus, und manche Schriften auch von den andern Aposteln. Darauf berufen sie sich, und verlangen, dass ihre Schriften sollen ihre Richter sein. Es wird nichts mehr von uns verlangt, als dass wir diese Schriften lesen, und zwar ohne Vorurteil sie lesen und auf uns wirken lassen. Wer einmal im Unglauben steckt und sich davon nicht heilen lassen will, der freilich wird durch diese Schriften nur noch mehr in seinem Unglauben bestärkt werden, und wird sich nicht überzeugen, dass die Apostel heilige Männer Gottes gewesen seien, die geredet haben getrieben vom heiligen Geist. Das Wort Gottes ist auch gar nicht dazu bestimmt, dass es die verhärteten Menschen zur Erkenntnis zwingen soll; sondern mit der Schrift ist es wie mit der Sonne, die, wo sie Lebendiges trifft, das Leben fördert, und wo sie auf Totes fällt, die Fäulnis fördert. Aber ihr Nathanaelsseelen, die ihr euch die Kindeseinfalt der Seele bewahret, die ihr ein offenes Ohr und ein offenes Herz für die Wahrheit habt, was urteilt ihr von den Aposteln, wenn ihr nach ihren Schriften über sie richten wollt? Ihr gehört ja nicht zu denen, die wie Säue diesen heiligen Gottesacker umwühlen, sondern ihr sammelt das Korn von diesem Acker und macht Brot daraus für eure Seele. Sagt nun, ist es Brot vom Himmel oder ist es von der Welt? Ich habe nun über mehr denn zwei Kapitel des Epheserbriefes gepredigt, und wahrlich! ich muss sagen, einen solchen Text hätten selbst die weisesten Männer dieser Welt mir nicht geben können. In dem ganzem Bereiche menschlicher Weisheit, und im ganzen Bereiche der Natur und meiner Vernunft sind' ich ein solches Geschriebenes nicht, wie ich's hier finde in den Schriften Pauli und der übrigen Apostel. Mir ist als wandelte ich hier in einem Walde von lauter Fruchtbäumen; jeder Baum, jeder Zweig ist voll; je mehr ich schüttele, desto mehr fällt herab; ich könnte Einen Zweig wohl einen ganzen Tag schütteln, und er würde dennoch nicht leer. Die Frucht aber? Ach, die schmeckt so lieblich und schön! Die stärkt das Herz, die stählt den Mut, die reinigt den Sinn, die hebt den Wagen meines Lebens aus dem Geleise der Welt und setzt ihn auf den Weg, wo er, gezogen vom Heiligen Geiste, gen Himmel fährt. Mögen die vielen Millionen, welche die Erde bewohnen, zusammen kommen und all ihre Weisheit und Kraft vereinigen, um ein Testament zu machen, so, wird ein solches neuestes Testament neben diesem Testament der Apostel stehen, wie der Mond neben der Sonne steht. Hier ist Einsicht, hier Weisheit und Verstand. In Summa: nach der Schrift zu urteilen, sind die Apostel heilige Menschen Gottes und unsere sichersten Führer auf dem Wege zum ewigen Leben. Und - nicht wahr? - das sollen sie denn auch sein und bleiben bis an unsern Tod. Wir wollen bleiben bei der Apostel Lehre, und ihr Wort soll uns sein Lanze und Schild wider alle Anläufe dieser Welt.

Es ist kein Mensch im Erdenreich
Den heiligen Aposteln gleich.
Ihr Tun und Leiden zeugt vom Herrn,
Ihr Werk ist leuchtend wie ein Stern,
Der uns den Weg zum Himmel zeigt,
Dem keiner sonst an Helle gleicht.
Drum, liebe Christen, nimmermehr
Weicht ab von der Apostel Lehr.

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