Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Epheser in 34 Predigten - Fünfzehnte Predigt.

Auch wir sind, Herr, von jener Schar,
Die Du in Christo wunderbar,
Als sie im Todesschlummer lag,
Umstrahlest mit des Lebens Tag.
Verlorne waren es, woraus
Du dir erbaut hast ein Haus,
Das auf dem Felsen Christus steht,
Ein schönes Haus, das nie vergeht.

Es gibt einen Bau, von Gott errichtet, der besser und köstlicher ist als jeglicher Bau der Menschen, und wenn es das Schönste wäre, das je Menschenhand und Menschenverstand errichtet hat. Ich rede von der Kirche Christi, in der alle, die an den Herrn glauben, beisammen wohnen als in einem großen Hause, wo Gott der Hausvater ist, unter dem sie als seine Familie leben. Nichts ist majestätischer als dieser Bau, denn es wohnt der König aller Könige und der Herr aller Herren darin. Nichts ist älter; denn ehe noch Städte und Dörfer gebaut wurden, hat Gott schon angefangen den Grund zu legen zu diesem Hause, darin er wohnen wollte mit seinen Kindern. Nichts ist fester und dauerhafter, denn Himmel und Erde werden vergehen, aber dieser Bau vergeht nicht, der errichtet ist über dem Wort der Apostel und Propheten, und über dem Eckstein Christus, gestern und heute und derselbe in Ewigkeit. Nichts ist schöner, denn dieser Bau ist zusammengefügt nicht aus totem Holz oder Stein, sondern aus Christen und Kindern Gottes, die lebendige Bausteine sind. Nichts ist erhabener, denn der Bau reicht von der Erde bis an den Himmel, ja der Himmel selbst gehört dazu, als dessen Engel samt uns wohnen in diesem Hause. Nichts ist geräumiger, denn er bedeckt die ganze Erde, und wo nur Menschen gefunden werden, die Christum von Herzen bekennen, die alle sind unsere Mitbürger und Hausgenossen. Nichts endlich ist heiliger, denn in diesem Hause wohnen nur die beisammen, die einen göttlichen Sinn haben und ein göttlich Herz, und in Erkenntnis und Liebe zunehmen in alle Ewigkeit. Gelobt sei Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der diesen Kirchenbau vollbracht zu unserer Seelen Seligkeit. Hört nun ein Wort über diesen Bau aus dem Munde des Apostels Paulus.

Ephes. 2, V. 19-22: So seid ihr denn nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen, und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau in einander gefügt, wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn, auf welchem auch ihr mit erbaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist.

Wer kann dies hören oder lesen, ohne dass er Lust bekäme, Gottes Hausgenosse zu werden, wenn er es vielleicht seither noch nicht gewesen ist? Ach, wer noch draußen steht und als Hausgenosse des Teufels kein anderes Wohnhaus gehabt hat als die Welt, in der er lebt ohne Hoffnung, ohne Gott, der ziehe doch lieber heute als morgen aus, und werde samt allen übrigen Heiligen ein Hausgenosse Gottes. Da, in dem von Gott gebauten Hause der Kirche Christi, ist's gut sein, wie uns Paulus lehrt. Das Thema unserer Predigt sei

der Bau der Kirche Christi.

Erwägt nur:

1 wie gut sich's dort wohnt;
2. wie fest und sicher diese Wohnung ist; und
3. wie sie immer mehr wächst zu einem Tempel Gottes.

1.

So seid ihr denn nicht mehr Fremdlinge und Beisassen. Paulus redet hier zu denen, die Heiden gewesen, nun aber Christen waren. Wie es ehemals um sie gestanden, das hat er ihnen auseinandergesetzt, und jetzt am Schlusse des Kapitels macht er das Fazit und erinnert sie schließlich an die selige Veränderung, die mit ihnen vorgegangen, dass sie aus Fremdlingen und Beisassen Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes geworden seien. Fremdlinge wart ihr, und das ist jeder, der noch nicht von ganzem Herzen an Christum glaubt. In welchem Verstande ein Fremdling? Weil er noch fremd ist der himmlischen Bürgerschaft, noch ein ohne Hoffnung, ohne Gott in der Welt Lebender, noch ein von allen jenen Rechten Ausgeschlossener, die uns zu Teil werden, wenn uns Christus aufnimmt in sein Himmelreich. Was bist du, lieber Mensch, und was hast du ohne Christum? Ob du auch sagen kannst: ich bin ein Weltbürger, so bist du doch kein Himmelsbürger; ob du auch Vater und Mutter hast, so kannst du doch nicht sprechen: Abba, lieber himmlischer Vater, und hast die Gnade Gottes nicht zur Mutter; ob du auch reich wärst und alle Tage herrlich und in Freuden leben könntest, so fehlen dir doch die himmlischen Güter, welche sind Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit; ob du auch Aussicht hättest auf ein Leben von 70 oder 80 Jahren, so kannst du dich doch nicht getrost auf dein Sterbebette legen und fröhlich deine Seele in Gottes und Christi Hand befehlen. Ohne Christum da lebt sich's bei aller irdischen Herrlichkeit schlecht in dieser Welt, so schlecht, dass man bekennen muss: Es ist ein elend jämmerlich Ding um unser Leben, vom Mutterleibe an, bis wir in die Erde begraben werden (Sir. 40, 1). Also steht's, so lange wir Fremdlinge sind. Ach, wie viele solcher Fremdlinge gibt's noch hier und allenthalben! Sie könnten etwa fragen: „Wir Fremdlinge? Leben wir denn nicht mit euch in Einem Lande, in Einem Dorfe, in Einer Stadt, wohl gar in Einem Hause?“ Ja, wenn's die äußerliche Nähe täte! Paulus redet von Beisassen in unserem Texte; darunter versteht er solche, die unter einem Volke wohnen, ohne an den Bürgerrechten des Volkes teilzunehmen. Der Heide bleibt ein Fremdling, auch wenn er mit dem Christen unter Einem Kaiser lebt und in Einer Stadt, wo er der Obrigkeit Schutz genießt. Was hilft dies äußerliche Beisammenwohnen, so lange die Teilnahme an den Rechten der Bürger fehlt! Der Schutzbürger ist noch kein wahrer Bürger.

Ohne Christum ist jemand nur ein Beisasse oder Schutzbürger des Reiches Gottes, wenn er äußerlich den Christen auch noch so nahe stände. Ihr lebt mit uns in Einem Lande unter Einer Obrigkeit; ihr führt sogar Einen Namen mit uns, den Christennamen; ihr seid mit Wasser getauft und habt auch eure Kinder kaufen lassen; ihr habt mit uns das Gotteshaus gemein und den Altar, und genießt mit uns gleichen Schutz und Beistand der christlichen Obrigkeit: seid ihr denn nun nicht unsere Mitbürger im Himmelreich? Nein! so ihr nicht Glauben habt an Christum und ihm innerlich nahe steht, hilft euch euer Beisammenwohnen mit uns nichts, denn euch fehlt noch das himmlische Bürgerrecht. Erst wenn Gott euch als die Seinen erkennt; erst wenn euer Name im Buche des Lebens geschrieben steht; erst wenn ihr mit uns Einen Zutritt zum Vater habt, und gleicher Gnade, gleiches Friedens, gleicher Hoffnung mit uns teilhaftig geworden seid, erst dann habt ihr aufgehört, bloße Beisassen oder Schutzbürger zu sein. Verwechselt den äußeren Stand zur Kirche nicht mit dem inneren Stand zu ihr.

Erst dann seid ihr glücklich zu preisen, wenn man euch sagen kann: Ihr seid nicht mehr Fremdlinge und Beisassen, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes. Das Himmelreich wird eine Stadt genannt, nicht eine sichtbare, davon man sagen könnte: sie liegt in Dänemark oder Deutschland oder anderswo, sondern überall, wo Christus gepredigt und an Christum geglaubt wird, da ist dieser göttliche Bau, dessen Meister und Schöpfer Gott selber ist (Hebr. 11, 10). Sein ist die Stadt, darum auch genannt die Stadt des lebendigen Gottes (Hebr. 12, 22); denn Er ist's ja, der Christum und mit ihm Gerechtigkeit, Friede und Freude vom Himmel hat kommen lassen auf die Erde. Wer sind nun die Bürger dieser Stadt? Die Heiligen, sagt Paulus, also die Unheiligen nicht, die noch einerlei Herz, Sinn und Wandel mit den Kindern der Welt haben. In der Stadt Gottes bekommt Niemand das Bürgerrecht, der nicht heilig ist. Erst wenn du aufhörst, der Welt dich gleichzustellen nach deinem Glauben, Leben, Tun; erst wenn du anfängst, Buße zu tun und an Christum von ganzem Herzen zu glauben und dich ganz deinem Gott zu eigen zu geben, und so als ein Heiliger zu leben unter den Heiligen: siehe, dann bist du ein rechter Bürger der herrlichen Gottesstadt, und erkennst, was das für ein schöner Bau ist und wie gut sich's dort wohnt. Du stehst dann Gott so nahe, nicht nur wie ein Stadtbürger seiner Obrigkeit, sondern sogar wie ein Hausgenosse seinem Hausvater, daher Paulus sagt: du bist ein Hausgenosse Gottes. Denkt nicht, das sei bloß ein Bild; denn es ist ein Bild und zugleich die Sache selbst, wie sie sich in Wahrheit verhält. Wir leben im Himmelreiche als in einem Hause, wo Gott unser Hausvater ist. Dass er uns so nahe stehen will, hat er schon vor mehr denn dreitausend Jahren gesagt, 3 Mos. 26, 11: Ich will meine Wohnung unter euch haben, und will unter euch wandeln, und will euer Gott sein, so sollt ihr mein Volk sein. Wir erfahren's denn auch täglich, dass er nicht fern ist von einem jeglichen unter uns, sondern vom Morgen an, wo er seine milde Hand auftut, bis an den Abend unter und über uns waltet, so dass auch kein Haar von unserem Haupte fällt ohne seinen Willen. Wer ohne Gott gelebt hat in der Welt, der weiß, wie gut sich's lebt im Himmelreich unter Gott, der für uns sorgt als ein Vater für seine lieben Kinder.

2.

Wir sind die Kinder im Hause, ja, wir sind das Haus selbst, sagt Paulus. Denn wie man zu einem Bau Steine zusammen bringt und verbindet zu einem Ganzen, also hat Gott uns als lebendige Steine zusammengefügt zu seinem Hause, dass er darin wohne. Seid ihr nicht Gottes Ackerwerk und Gottes Gebäude? (1 Kor. 3, 9). Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? (1 Kor. 3, 16). Auf welchem Grund und Boden stehen wir denn? Lasst uns die Antwort auf diese Frage hören, damit wir erkennen, wie fest und sicher der Bau der Kirche Christi ist. Ihr seid, spricht Paulus, aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten, da Jesus Christus selbst der Eckstein ist. Nun sagt, kann die Kirche einen festeren Grund haben als diesen? Zuerst werden die Apostel genannt. Menschen sind das freilich gewesen, aber welche Menschen? Solche, die den Herrn selbst gesehen haben und seine Herrlichkeit drei Jahre lang; die Ohrenzeugen gewesen sind seines Worts, das er gepredigt, Augenzeugen seiner Werke, die er vollbracht hat; die bei ihm gewesen sind, als er seinen Gang nach Golgatha tat, und mit ihm umgegangen vierzig Tage, nachdem er auferstanden war von den Toten. Männer sind es, die bei ihm standen, als er von Gott aufgenommen ward in den Himmel, und die nachher voll wurden des Heiligen Geistes, nach der Verheißung, die er ihnen gegeben hatte: Ich will euch den Tröster senden, den heiligen Geist, der soll euch leiten in alle Wahrheit. Und als sie so ausgerüstet waren, da gingen sie hin in alle Welt, wie er ihnen befohlen hatte, und predigten das Evangelium, arm an irdischem Gut, wie Jakob, der nichts hatte als einen Stab, da er über den Jordan ging, aber reich an den Gaben des Heiligen Geistes, der sie erleuchtete, der sie lehrte, was und wie sie reden sollten, der sie überschwänglich erfüllte mit Kraft, Mut und Freudigkeit, so dass sie um des Evangeliums willen keine Gefahr scheuten, keine Not und sogar nicht den Tod, denn sie starben fast alle den Märtyrertod. Seht, diese Männer sind es, deren Wort- und Tat-Zeugnis uns genannt wird als der Grund und Boden, worauf wir mit unserem Glauben und mit unserer Hoffnung stehen. Dazu die Propheten. Sind die Propheten des Alten Testaments gemeint? Nun, es steht freilich für uns das Zeugnis der Apostel obenan, wie ja für Christen das Neue Testament mehr gelten muss als das Alte; aber es sind doch die Propheten nicht zu trennen von den Aposteln, da Gott durch sie das Evangelium zuvor verheißen hat (Röm. 1, 2). Und der Herr selbst beruft sich auf das, was die Propheten geredet haben, danach auch die Apostel, z. B. Paulus (Apg. 26): Ich sage nichts außer dem, das die Propheten gesagt haben, dass es geschehen sollte. Redeten doch auch sie, getrieben vom heiligen Geiste, und besiegelten ihr göttlich Zeugnis mit heldenmütiger Tat und heldenmütigem Tod. Diese Apostel und Propheten sind der Grund, worauf wir stehen, wie denn das Himmelreich eine Stadt heißt, deren Mauer zwölf Gründe hat, die zwölf Apostel des Lammes (Offb. 21, 14). Möchtet ihr nun diesen prophetisch-apostolischen Grund vertauschen mit dem Fundament, das ein sogenannter Apostel oder Prophet unserer Tage zu legen trachtet? Verlasst ihr den alten, von Gott gelegten Grund, so ist's sofort um die Sicherheit eures Glaubens und eurer Hoffnung geschehen; es wird Alles zweifelhaft, wo's nicht gar vom Zweifel fortgeht bis zum völligen Unglauben. Wer den Grund verlässt, genannt „die Propheten und Apostel“, der ist gleich einem Mann, der mit einem Schiff ohne Steuer in See sticht, wo er dann ein Spiel aller Winde und ein Kind des Verderbens ist.

Aber freilich, wären nur die Apostel und Propheten der Grund, worauf wir stehen, so hätten wir, auch wenn jene die erleuchtetsten und besten Männer wären, die je die Welt gesehen, dennoch nichts als einen menschlichen Grund. Was dem Bau der Kirche Christi erst seine rechte Festigkeit gibt, das sagt Paulus: Jesus Christus selbst ist der Eckstein. Von den Aposteln und Propheten haben wir bloß ein geschriebenes Zeugnis, wir aber stehen mit unserem Glauben nicht auf Papier, sondern das ist unser Ruhm und unsere Freude, dass jene Männer nur Zeugen Christi sind, Christus aber selbst zugegen ist, wie er sagt: Ich bin bei euch alle Tage. Darum heißt er der Eckstein, der die Seiten des Gebäudes verbindet, und mehr denn alle andern Steine dem Bau Festigkeit gibt Wie schnell würde die Kirche Christi zusammenstürzen, wenn Er nicht wäre, Er, der nicht bloß über uns ist als unser Haupt und Herr, sondern auch in unser in uns und wir in ihm ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir! Sein Wort ist meines Fußes Leuchte, sein Geist ist meines Glaubens Pfand, und was ich nur denke, red' und tu', das ist nicht von mir, sondern von ihm, wie der Rebe sagen müsste, wenn er Sprache hätte: Was ich an Schönheit habe, an Saft und Kraft, das hab' ich nicht aus mir, sondern aus dem lieben Weinstock, woran ich hange. Was fehlt nun deinem Glauben an Festigkeit, wenn du außer dem Zeugnis der Apostel und Propheten auch noch Christum selber hast, der dein wie aller Gläubigen Grund und Eckstein ist, worauf sie gebaut sind? Christus der Eckstein, spricht Paulus, in welchem das ganze Gebäude zusammengefügt ist. Denn was verbindet uns als Christen und macht uns zu Einem Tempel? Tut's nicht die Gemeinschaft mit Ihm? Du, ich und alle, die wir glauben, sind zwar sehr verschieden nach Ort, Zeit, Stand, Vermögen, Bildung; der Eine hier, der Andere da, der Eine ein Jüngling, der Andere ein Greis, der Eine wohlhabend, der Andere arm, der Eine gelehrt, der Andere ungelehrt; aber dennoch, weil Ein Christus ist, zu dem wir gehören, so ist's Ein Glaube, den wir bekennen, Ein Wort, davon wir leben als von unserem Himmelsbrot, Ein Geist, der uns erleuchtet, heiligt und bei Gott erhält, Eine Liebe, die dich zu meinem, mich zu deinem Bruder macht, Eine Hoffnung, die uns fröhlich und getrost macht unter unsern Leiden, Ein Gott und Vater, zu dem wir alle den gleichen Zutritt haben als seine lieben Kinder. Ein Bau nun, der solche Grundlage hat und solche Verbindung aller seiner Teile, wovon auch Petrus viel zu rühmen weiß (1 Petri 2); soll dieser Bau der Kirche Christi nicht ein köstlicher Bau heißen? Ja, da ist's gut sein, da ist sicher wohnen.

3.

Aber der Bau ist gleichwohl noch nicht, was er sein wird. Erst recht schön und herrlich ist er in seiner Vollendung, der er entgegenreift. Der Bau ist noch nicht fertig, sondern, wie er in Christo zusammengefügt ist, wächst er, wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Sieht man die Kirche Christi an, wie sie gegenwärtig ist, so gleicht sie etwa dem Dom zu Köln, woran schon Jahrhunderte gearbeitet wird, und doch gleicht er noch jetzt mehr einer Ruine als einem fertigen Gotteshause. An der Kirche Christi ist schon Jahrtausende gebaut worden, aber fertig ist sie noch lange nicht. Die Bauleute Christi, deren auch ich einer bin, sind in großer Zahl beschäftigt und bringen neue Steine hinzu, das geschieht in der Predigt, in der Seelsorge, in der Unterweisung der Kindlein und in sonstigem geistlichen Werk, so dass täglich, hinzugetan werden zu der Gemeinde, die da selig werden sollen.

Das ist das äußere Wachstum der Kirche. Aber Paulus redet vornehmlich von ihrem inneren Wachstum. Die bereits eingefügten Steine sind ja nicht tote, sondern lebendige Steine, und das ist eben ihr Leben, dass sie nicht bleiben wie sie sind, sondern zunehmen und wachsen. Nenne dich nicht einen Christen, wenn du nicht wächst. Die Häuser, welche Menschen bauen, werden bald fertig, und von dem Tage an, da sie fertig sind, nehmen sie allmählig wieder ab, bis sie zuletzt untergehen. Auch die Pflanzen und Bäume, die die Natur erzeugt, erlangen ihre Reife, und sind sie reif und fertig, so müssen sie wieder untergehen. Wäre es so auch im Reiche Gottes, so wäre die Vollkommenheit, die wir erreichten, unser Tod: denn was nicht mehr zunimmt, das nimmt ab, und was nicht mehr an Leben gewinnt, das fällt dem Tode anheim. Aber im Reiche Christi herrscht ein anderes Gesetz. Das Gesetz des Werdens, des Wachsens, das kein Ende hat. Fürwahr! du wärest ein Kind des Verderbens, wenn du dich dünken lassen wolltest, dass du schon vollkommen seist. Sprich lieber mit Paulus: Nicht dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, dass ich's ergreifen möge. Was ist dein Glaube? Stückwerk. Was ist deine Liebe? Flickwerk. Wir alle, sagt Petrus, haben uns angesehen als neugeborene Kindlein, die noch an der Mutter Brust liegen (1 Petri 2, 2). Wie nun ein Kindlein sich nähret an der Mutter Milch und täglich wächst und zunimmt, so nähren sich die Christen von der Milch der Gnade und wachsen so. Worin wachsen sie? In der Erkenntnis ihres Herrn und Heilandes Jesu Christi (2 Petr. 3, 18). Worin wachsen sie? Im Glauben, in der Liebe, in der Geduld, in der Barmherzigkeit, in der Gütigkeit, in der Sanftmut, in der Keuschheit, kurz in aller Tugend, wie Paulus von den Thessalonichern rühmt: Euer Glaube wächst sehr und die Liebe eines Jeglichen unter euch allen (2 Thess. 1, 3). Das lasst euch gesagt sein zur Lehre, dass ihr das Gesetz des Himmelreichs erkennt, und zur Warnung, dass ihr euch nicht dünken lasst, ihr seid schon reif und fertig; und zur Ermunterung, dass ihr nicht aufhört mit Wachen, Beten, Kämpfen und Arbeiten, auf dass aus dem Bäumchen eures Christentums ein immer größerer Baum werde mit immer reicherer Frucht. Kann man denn von unserer Gemeinde sagen, sie sei schon ein heiliger Tempel Gottes? Ach nein, es ist noch viel Unheiliges in ihr, das hinweg muss, viel Schwaches, das stark, viel Unvollkommenes, das vollendet werden muss. Schafft das Schlechte aus euch hinweg, schafft das Gute und Göttliche in euch hinein! Mit eurer Macht ist's zwar nicht getan; aber es fehlt auch nicht die Hand von Oben, wenn ihr sie nur ergreifen wollt. Das Wachsen, sagt Paulus, geschieht im Herrn. Ja, der euch auf die Bahn gebracht hat, der hilft auch, dass ihr fortschreitet auf der Bahn; der zusammengefügt hat die Steine, der schafft auch ihr Wachstum. Bleibet ihr nur in der lebendigen Gemeinschaft mit Christo, so hast' ich dafür, dass es über ein Jahr, ja schon über einen Monat besser um euch steht als jetzt; eure Erkenntnis ist heller, euer Glaube ist fester, eure Liebe ist wärmer, eure Tugend ist größer geworden.

Hört, was ich sage, nicht an, als wäre es für Andere gesagt. Paulus redet die Epheser noch ganz insonderheit an. In Christo, spricht er, werdet auch ihr mit gebaut zu einer Wohnung Gottes im Geiste. Auch ihr! Hört! hört! ihr seid nicht ausgeschlossen. Zu eurem Troste sei es gesagt, dass ihr mit gehört zu dem göttlichen Bau der Kirche Christi. Oder wollt ihr Heiden sein, Heiden im Unglauben und in der Gottlosigkeit? Dann freilich seid ihr nicht lebendige Steine im Tempel Gottes, sondern liegt als tote Steine zerstreut auf dem Acker der Welt. Aber ihr bekennt euch ja zu Christo und sprecht: Wir glauben! Seid ihr denn nun Christi eigen und glaubet an ihn, so gehört ihr auch zu der Wohnung Gottes und lebt im Geiste als in einem Elemente, und es wird an euch wie an allen übrigen gebaut, dass ihr immer mehr zu einer Wohnung werdet, in der Gott sein bleibendes Werk hat von nun an bis in alle Ewigkeit. Einen besseren Trost kann's nicht für euch geben, aber auch keine kräftigere Ermunterung, dass ihr die Hand des dreieinigen Gottes täglich an euch bauen lasst.

Wir wollen deine Wohnung sein,
Ein Bauwerk deiner Hände.
O, mache diese Wohnung rein,
Dass nicht die Welt sie schände!
Bau fort, o Herr, bau immer fort
An deiner Wohnung, hier und dort.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/k/kaehler_c/kaehler_epheserbrief_15_predigt.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain