Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Epheser in 34 Predigten - Vierzehnte Predigt.

Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Epheser in 34 Predigten - Vierzehnte Predigt.

Kommt her zu mir, beladne Sünder -
Ruft uns der liebe Heiland zu -
Kommt her und werdet Gottes Kinder.
Ich gebe euren Seelen Ruh.
Kommt, nehmet meinen Frieden an,
Den euch die Welt nicht geben kann.

Als der Heiland geboren war zu Bethlehem, lobte die Menge der himmlischen Heerscharen Gott und sprach: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Da ist nun zugleich gesagt, liebe Christen, was der Neugeborene uns bringen würde. „Friede auf Erden“. Sein Werk ist ein Friedenswerk. Darum war er schon von den Propheten genannt worden der Friedefürst (Jes. 9, 6), und geweissagt: Der Streitbogen soll zerbrochen werden, denn er wird Frieden lehren unter den Heiden (Sacharja 9, 10.) Nun, Teure, es ist von ihm in den verflossenen 1800 Jahren schon mancher Streitbogen zerbrochen, auch in der Brügger Gemeinde, wovon ihr zeugen könnt, die ihr in Unfrieden lebtet mit Gott, mit dem Nächsten und mit euch selbst, nun aber Frieden habt, und viele Tausende von denen, die auf dem Friedhofe schlafen, wenn sie von da zurückkehren könnten, würden freudig bekennen: Christus hat uns versöhnt mit Gott, und so sind wir selig entschlafen und haben die ewige Ruhe gefunden für unsere Seele. Wünscht nicht auch ihr einst in Frieden zu entschlafen? Nun, ich will euch den Weg zum Frieden zeigen, es ist der von den Botschaftern Christi gewiesene Weg: „Lasst euch versöhnen mit Gott.“ Hört nur, was uns der Apostel Paulus heute von Christo sagt.

Ephes. 2, 14 - 18: Denn Er ist unser Friede, der aus beiden Eins hat gemacht, und hat abgebrochen den Zaun, der dazwischen war, indem dass er durch sein Fleisch wegnahm die Feindschaft, nämlich das Gesetz, so in Geboten gestellt war, auf dass er aus zwei Einen neuen Menschen in ihm selber schuf und Frieden machte, und dass er beide versöhnte mit Gott in Einem Leibe, durch das Kreuz, und hat die Feindschaft getötet durch sich selbst, und ist gekommen, hat verkündigt im Evangelium den Frieden, euch, die ihr ferne wart, und denen, die nahe waren; denn durch ihn haben wir den Zugang alle beide in Einem Geist zum Vater.

Was der Apostel zuvor gesagt hatte: „Durch das Blut Christi sind nahe geworden, die weiland ferne waren,“ das setzt er in den verlesenen Worten näher auseinander. Folgen wir ihm in seiner Auseinandersetzung, unter dem Geleit Gottes, der uns an der Hand seines Heiligen Geistes durch den Garten unseres Textes führen möge. Das Thema des Apostels sei auch unser Thema:

Christus unser Friede.

Und nun fragen wir:

1. wer waren die Feinde?
2. und wie hat Christus Friede unter ihnen gestiftet?

1.

Er hat aus Beiden Eins gemacht. Wo Krieg und Unfriede ist, da stehen Zwei sich feindlich gegenüber. Wer sind die Zwei? Der Apostel redet nun ganz vornehmlich von Israel, dem Volke Gottes, wie es weiland den Heiden gegenüber stand. Da war Feindschaft und Hass, in dem Maße, dass der Jude den Heiden nicht nur nicht seinen Tempel betreten ließ, und durch eine Mauer das Heiligtum von dem Vorhof der Heiden schied, sondern auch im gewöhnlichen Leben keinen Verkehr mit ihm haben, nicht von Einem Brot mit ihm essen, nicht aus Einem Becher mit ihm trinken wollte. Da haben wir denn die Zwei, die mit einander in Feindschaft lebten. Aber der Zwiespalt, wenn wir ihn, abgesehen von Israel und den Heiden, ganz allgemein betrachten, greift viel weiter, wie auch der Apostel nachher andeutet, wenn er redet von einer Versöhnung mit Gott. Alle Feindschaft der Menschen unter sich hat ihre tiefste Wurzel in ihrer Feindschaft mit Gott. Mensch und Gott das waren vor Allem die Zwei, die Christus mit einander versöhnen musste. Wir waren Feinde Gottes, ehe wir mit ihm versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, sagt die Schrift (Röm. 5, 10). Der natürliche Mensch, wie er tot ist durch Übertretung und Sünde, wie er wandelt nach dem Lauf dieser Welt und nach dem Fürsten der Finsternis, der sein böses Werk in ihm hat; der natürliche Mensch, wie er in fleischlicher Gesinnung seinen Lüsten folgt und ein Kind des Zorns ist von Natur; der natürliche Mensch, wie er entfremdet ist der himmlischen Bürgerschaft, und ohne Verheißung, ohne Hoffnung, ohne Gott ist in der Welt: - dieser natürliche Mensch, wie Paulus uns ihn zuvor geschildert hat, kann doch nicht ein Freund Gottes heißen? Ach, blickt nur in eure eigene Vergangenheit, wo ihr euch um ihn entweder gar nicht bekümmertet - ihr hattet ihn nicht lieb, ihr betetet nicht, lobtet und danktet nicht, oder wenn Herz und Gedanke auf ihn geführt wurden, da klagtet ihr über ihn, murrtet wider ihn, und standet mit dem Streitbogen eurer Sünden und Übertretungen wider ihn gerüstet. Es kommen nicht selten böse Auftritte vor zwischen Gott und dem Menschen. - Ist aber Feindschaft zwischen Vater und Sohn: wie sollte Friede sein zwischen Bruder und Bruder? Was jene entzweit, das entzweit auch diese, wovon die Erfahrung tausend Beispiele zeigt. Geht nur in die Häuser derer, die noch nicht den Frieden Gottes haben: welchen Krieg findet ihr da oft zwischen Vater und Kind, zwischen Bruder und Schwester, zwischen Mann und Weib, zwischen Herr und Knecht, zwischen Frau und Magd! Soweit die Liebe fehlt, durch die wir Alle Ein Herz und Eine Seele sind, soweit ist Feindschaft unter, uns. Geht in die Dörfer, in die Städte, und untersucht, wie die Nachbarn zu den Nachbarn, wie die Wohlhabenden zu den Armen stehen, so stoßt ihr auf viele Hundert, die, wo sie nicht offene Feinde sind, doch zu denen gehören, von denen man sagen muss: Sie sind weder kalt noch warm. Von Natur haben die Menschen einander so wenig lieb, dass Jemand gesagt hat1), es sei der Menschen Zusammenleben von Natur ein Krieg Aller gegen Alle. So finden wir's im Kleinen, und so im Großen ebenfalls: Volk wider Volk, Nation wider Nation! Der Jude verachtete den Römer, der Römer den Juden; Aufruhr, Empörung, Krieg ist eine Flamme, die gebrannt hat von Anfang der Welt bis auf unsere Tage. Nicht einmal mit sich selber kann der natürliche Mensch in Frieden leben, sondern hat er draußen keinen Feind, so hat er ihn drinnen, in seinem eigenen Herzen, wo die Gedanken wider einander sind, wo er Kläger ist wider sich selber als Verklagten, und unter diesem innerlichen Hader oft so leidet, dass er den Tag seiner Geburt verflucht.

Woher nun dieser Streit der Zwei, mag nun das Geschöpf wider den Schöpfer, oder der Bruder wider den Bruder, oder der Mensch wider sich selber, oder die Kreatur wider den Menschen sein? Paulus sagt: ein Zaun war dazwischen, oder, wie es im Grundtext lautet: eine Scheidewand der Umzäunung. Welcher Zaun ist es denn, der die Scheidewand bildet und durch sie die Feindschaft macht? Antwort: Das Gesetz, welches Gott gegeben hat. Wie?! ist denn Gott selbst der Friedensstörer? Das sei ferne! Was eigentlich den Menschen zu einem Feinde Gottes, zu einem Feinde seines Nächsten und zu seinem eigenen Feinde macht, das ist die Sünde, so dass du also Niemanden anzuklagen hast, als dich selbst. Wärst du ohne Sünde, so wärst du auch Gottes Freund, liebtest deinen Nächsten von ganzem Herzen und würdest von ihm geliebt, wüsstest auch nichts von einem Gewissenswurm und Gewissensfeuer in deinem eigenen Herzen. Die Sünde tut's, dieser höllische Funken, an dem alle Feindschaft sich entzündet. Aber die Sünde würde nicht als Sünde erkannt, und würde nicht so große Feindschaft stiften, wo nicht das göttliche Gesetz da wäre, in dessen Lichte sie erkannt und an dessen Feuer sie glühend wird, wie der Apostel spricht (Röm. 7): Ich wüsste nichts von der Lust, wenn das Gesetz nicht gesagt hätte: lass dich nicht gelüsten.

Die Vögel und vierfüßigen Tiere und übrigen Kreaturen, ob sie auch nach dem Gesetz leben: Friss oder lass dich fressen, wissen doch nichts von Sünde, denn sie kennen nicht das Gesetz der beiden Tafeln. Wir aber sind Menschen, geschaffen nach dem Bilde Gottes, und darum hat Gott uns, da wir in die Sünde versunken waren, aufs Neue seinen heiligen Willen vorgehalten, in welchem wir als in einem Spiegel erkennen, dass wir allesamt wie die Unreinen sind und unsere Gerechtigkeit wie ein unflätig Kleid. Nun es heißt: Du sollst nicht andre Götter haben neben mir, nun siehst du wohl die schändliche Abgötterei, in die du versunken bist, und so steht das Gesetz da als ein Zaun, der eine Scheidewand macht zwischen dir und Gott. Nun es heißt: Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst, nun siehst du wohl, wie fern du deinem Nächsten stehst, durch Neid, Zorn, Rache, Feindschaft und andere Sünden, womit du wider ihn gewaffnet bist. Nun es heißt: Du sollst nicht begehren, nun siehst du wohl, wie dein Herz so vieler bösen Begierden voll ist, die es verunreinigen, und es zu einem Acker voll Unkraut machen. Immer ist es der im Gesetz dir vorgehaltene heilige Wille Gottes, durch den du deiner Sünden inne wirst, magst du nun abends mit dir allein sein in deiner stillen Kammer, oder hier öffentlich am Altar sprechen: Ich bekenne, o Gott, dass ich deine Gebote und Wege vielfältig übertreten habe! So oft das Gesetz, diese heilige Gottesmacht, der du unterworfen bist, über dich kommt, dich richtet und verdammt, da ist's wie ein Zaun, der zwischen dir und Gott, zwischen dir und dem Nächsten, zwischen dir und dem Frieden eine Scheidung macht. Der Mensch würde, wie der Vogel in der Luft, seines Lebens froh sein, würde nichts von Reue und Leid, nichts von Angst und Gewissensunruhe, nichts von Unfrieden und Verzweiflung wissen, wenn er nicht aus dem Gesetze wüsste, wie tief er gefallen ist. Daher Paulus sagt (Röm. 7): „Die Sünde erkannte ich nicht ohne durchs Gesetz. Ohne Gesetz war die Sünde tot; da aber das Gesetz kam, ward die Sünde wieder lebendig.“ Was ist die Reue, die innere Anklage, das innere Gericht anders als die in uns lebendig gewordene Sünde?

Und nimmt sie nun etwa damit ein Ende, dass sie von uns erkannt und so lebendig wird? Nein! das Gesetz kann mir die Sünde zeigen, aber sie mir nicht vergeben; das Gesetz kann mich entzweien, aber mich nicht versöhnen; das Gesetz kann mir meine Ohnmacht und meinen Tod offenbaren, aber sie nicht in Kraft und Leben verwandeln. So verlier' ich wohl vollends alle Kraft, Freudigkeit und Mut, und gebe mich ganz und gar der Sünde hin, der zu widerstehen ich nicht durch mich selbst im Stande bin. Wer trachtet nicht nach dem Verbotenen? wer gibt sich der verbotenen Lust nicht desto mehr hin, je mehr er seine Ohnmacht ihr gegenüber erkennt? Das Gesetz kann mich durch Furcht von dieser und jener groben Übertretung zurückschrecken, aber es kann mich durch sein Gericht, das es über mich hält, und durch die Furcht, die es mir einflößt, nicht zu einem neuen Menschen machen. Dazu gehört eine andere Macht, die Macht der Gnade, die mich von dem Wege des Verderbens auf den Weg des Lebens zieht. So lange ich unter der Macht des Gesetzes bin, sehe ich nichts als Zwiespalt - Zwiespalt zwischen mir und Gott, von dessen Leben ich entfremdet bin; Zwiespalt zwischen mir und meinem Gewissen, wo die Gedanken sich unter einander verklagen; Zwiespalt zwischen mir und dem Nächsten, der wider mich ist, wie ich wider ihn bin; Zwiespalt zwischen mir und der Außenwelt, gegen deren Anfechtung, Trübsal und Tod ich wehrlos bin.

2.

Das sind nun die Beiden, die mit einander zu versöhnen waren. Christus hat sie versöhnt, er ist unser Friede. Wir haben den Frieden nicht bloß durch ihn, sondern haben ihn in ihm. Eine Trennung des Friedens - von dem Friedensfürsten findet nicht statt, so wenig der Sonnenstrahl sich scheiden lässt von der Sonne. In wem Christus lebt, Er selbst, der hat Ihn und hat in Ihm zugleich den Frieden. Wie hat nun aber Christus den Frieden zu Stande gebracht? Dadurch, dass er die Scheidewand der Umzäunung abgebrochen hat, welche die Feindschaft wirkte, oder, wie der Apostel näher erklärt: indem er das Gesetz aufhob, so in Geboten gestellt war oder bestand. Wie?! stimmt das zu dem Worte unsers Herrn, welcher spricht: Ihr sollt nicht wähnen, dass ich gekommen bin, das Gesetz aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen! (Matth. 5, 17). Aber das ist auch nicht die Meinung des Apostels, dass der Herr das Gesetz gänzlich aus dem Wege geschafft habe. Es ist ja das Gesetz eine Macht, die nicht aufgehoben werden könnte, ohne dass Gott selbst und sein heiliger Wille aufgehoben würde; eine Macht, ohne die kein Band mehr wäre, das unsern Willen an den Willen Gottes knüpfte. Hörte das Gesetz auf, so wäre Gott nicht mehr Gott, so wäre der Mensch nicht mehr Mensch, so wäre keine Liebe mehr, die das Herz des Gesetzes ist, so könnte es nicht mehr heißen: Seid heilig in allen eurem Wandel, wie Gott heilig ist. Wie hat denn Christus das Gesetz aufgehoben? Ja, das Gesetz, sofern es eine Scheidewand ist und Feindschaft anrichtet zwischen uns und Gott, zwischen uns und unserem Nächsten. Das tut es aber, zum Ersten, als das in allerlei Geboten und Verboten zu uns redende Gesetz. So lange du kein anderes Gesetz kennst, als das, welches mit Befehlen wie mit Ruten und Skorpionen hinter dir steht, und bei jedem Schritt und Tritt, den du tust, zu dir sagt: das sollst du tun, das, das; und wiederum: das sollst du nicht tun, und das und das auch nicht so lange ist an keinen Frieden mit Gott und mit dem Nächsten zu denken. Da wirst du immer von den Geboten gejagt und geplagt, wie ein armer Hirsch, der von zehn oder gar hundert Jägern verfolgt wird; da treibt's dich von Gebot zu Gebot, von Sünde zu Sünde, und ob du dich wolltest abarbeiten und abmartern im Dienst des Gesetzes, wie ein Pferd, das hinter dem Pfluge geht, so würdest du dennoch nimmer einen recht frohen Tag in deinem Leben haben, sondern nur immer tiefer in die Schuld und in die Feindschaft kommen. Nun steh! mein Christ, diese Marter des Gesetzes hat dein Heiland von dir genommen; er hat das Gesetz der Gebote in die süße Macht der Liebe verwandelt, die dich innerlich beherrscht. Das Zehn-Gebot ist worden zu einem Ein-Gebot, welches spricht: Lasst uns ihn lieben, denn er hat uns zuerst geliebt, Glaubst du von ganzem Herzen an Christum, so weißt du, dass dir alle deine Schuld erlassen ist durch die Gnade Gottes; weißt, dass dein Heiland die Handschrift, die wider dich war, hinweggetan und an das Kreuz geheftet hat (Kol. 2, 14); weißt, dass dein lieber Gott im Himmel nicht mit dem gespannten Bogen der Gerechtigkeit auf dich zielt, sondern die Liebe selber ist, welche Liebe er nun auch ausgegossen Hat in dein Herz. Nun ist Gesetz nicht mehr Gesetz, Gebot nicht mehr Gebot für dich; nein, du tust nun den Willen deines lieben himmlischen Vaters gern, und tätest ihn, auch wenn. er nicht mehr in zehn oder hundert Geboten geschrieben stände. Damit ist nun, fürs Andere, auch das Gesetz als Gebot oder Satzung aufgehoben, das heißt, als eine Menge von Geboten, die von Gott als einer äußerlichen Macht uns gegeben werden, wie wenn ein König oder Kaiser heute dieses, morgen jenes Gebot ausgehen lässt unter seine Untertanen. Ist Gott für uns, die wir erlöst sind, noch eine äußerliche Macht? Für euch mag er es sein, die ihr ihn nur im Sturm oder im Gewitter oder weit hinter den Sternen sucht, und so lange er von euch geschieden und ferne von euch ist, wird sein Gebot, das ihr von ihm habt, euch nimmer mit Frieden und Freude erfüllen können. Uns andern aber ist Gott nicht mehr ein ferner Gott; nein, er ist uns nahe gekommen in Christo und wir ihm; er hat Wohnung gemacht in unserem Herzen, und was er uns sagt, das ist uns nicht wie ein Gebot des Kaisers Augustus, sondern nun er in uns ist und wir in ihm, ist sein Wille auch unser Wille, und ist ein innerlich Gebot, zu dem wir mit Freuden Ja und Amen sagen. So ist denn nun freilich das Gesetz Gottes für uns geblieben in seiner ganzen Macht und Majestät, ja, es ist noch viel mächtiger und majestätischer geworden, als zuvor, weil wir nun mit der kindlichsten Liebe und Gottesfurcht daran hangen, und lieber ins Feuer und Wasser springen, als uns scheiden wollten von dem herrlichen Willen unsers lieben. Vaters im Himmel; aber was es früher gewesen, das ist es nicht mehr, nicht mehr ein Jägercorps mit Muskete und Bajonett, nicht mehr eine vom dampfenden Sinai heranrückende Macht, darum auch kein Zaun, keine Scheidewand mehr zwischen uns und unserem Gott, zwischen uns und unserem Nächsten. In diesem Verstande hat Christus das Gesetz aufgehoben.

Wodurch? Mittelst seines Fleisches, sagt der Text, oder wie es nachher heißt: durch das Kreuz. Seht, immer kommt der Apostel zurück auf die Tat aller Taten, die der Erlöser für uns vollbracht hat, da er für uns in den Tod gegangen ist. Mit Zorn und Gewalt war das Feuer der Feindschaft nicht zu löschen, das in unserem Herzen brannte. Liebe kann nur gestiftet werden von der Liebe. Nun aber weißt du, welche Liebe es ist, die in unserem Herzen Liebe und Freundschaft gestiftet hat - die Liebe des großen Gottes und unsers Heilandes, der unser Fleisch und Blut angenommen hat; noch mehr: die auch allen Jammer und Fluch unsers Herzens auf sich geladen hat; noch mehr: die mit dieser Pein und mit jenem Fleisch sich an das Kreuz der Missetäter hat schlagen lassen. Diese in Knechtsgestalt für uns leidende, Schmach, Marter und Tod für uns duldende Gottesliebe hat den Zaun abgebrochen, hat die Feindschaft ausgelöscht. Zu der Tat ist gekommen das Wort. „Und er kam und verkündigte Frieden euch den Fernen und Frieden den Nahen.“ Das Wort allein konnte nicht Frieden stiften, auch nicht das Wort des Friedens, das Christus selbst predigte, ehe er an das Kreuz geheftet ward. Wie viel wir auch halten von dem Wort, als welches eine Kraft ist, selig zu machen alle, die daran glauben: so wäre doch dies Wort und Evangelium nicht tüchtig, Frieden auf Erden zu stiften, wenn nicht die gekreuzigte Gottesliebe wäre, hinter der es hergeht und auf die es hinzeigt. Das Kreuz ist nicht der Dolmetscher des Worts, als käm' es vor allem auf die Lehre Christi an, die sein Tod etwa nur ins rechte Licht gestellt und bestätigt hätte; sondern das Wort Christi ist der Dolmetscher seines Kreuzes, durch das allein er die Welt erlöst hat. Das Wort ist hinterher gekommen. Vorher hatte der Heiland noch gesagt: Geht nicht auf der Heiden Straße und zieht nicht in der Samariter Städte (Matth. 10) war das ein Wort, das Israel und die Heiden versöhnen konnte? Aber als das Wort gesprochen war am Kreuz: Es ist vollbracht; als die göttliche Liebestat geschehen war, die den Heiland in den Tod brachte und in das Grab, da hieß es: Geht hin in alle Welt! Und vollends als der Gekreuzigte auferstanden, als der Auferstandene gesetzt war zum Haupt der Gemeinde über Alles, da kam er wieder mit seinem Geiste und ließ die Seinigen mit dem Wort vom Kreuz als einem Friedensworte ausgehen zu den Nahen in Israel und zu den Fernen in der Heidenwelt. So kam er und verkündigte Frieden, und tut's noch jetzt allüberall, wo in seinem Geiste das Friedenswort gepredigt wird. Dies teure, werte Wort hat die Kraft, Freundschaft und Frieden zu stiften zwischen denen, die geschieden sind. Haben wir davon nicht den Beweis vor Augen, spricht der Apostel? Haben wir früher Geschiedenen nicht in Einem Geiste jetzt den Zutritt zum Vater? Ist noch Jude hier und Heide? Nein! seit wir vernommen haben das Wort und geglaubt haben an den Gekreuzigten, sind aus Beiden Kinder geworden, die das Recht und die Freiheit haben, vor Gott zu treten, wann sie wollen. Christus ist die offene Tür, durch die wir zum Vater gehen. Des Vaters Liebe zieht uns zu sich hin, und wir als seine Kinder spüren in uns den kindlichen Geist, welcher schreit: Abba, lieber Vater. Zeigt also das Evangelium nicht durch seine Wirkung, die es tut, dass es Frieden stiften kann?

Und das ist auch eben der Zweck, warum Christus gestorben ist und hinterher sein Evangelium hat predigen lassen und noch immer predigen lässt. Mittelst seines Fleisches hat er das Gesetz aufgehoben und es verklärt zu einer heiligen Liebesmacht. Warum das? Damit er die Feindschaft tötete am Kreuz, damit er die Getrennten, in Einem Leibe vereinigt, mit Gott versöhnte. Soll Friede unter den Menschen sein, so muss ja vor Allem Friede sein mit Gott. Diesen Frieden wirkt das Kreuz. Es bringt die Getrennten zusammen, dass sie Ein Leib sind, erfüllt von Einem Geiste, und so sich versöhnt wissen mit Gott. Was ist doch die Gemeinde des Herrn anders als Tausende, die nicht mehr tausend, sondern Einer sind, Einer nach dem Haupt, worunter sie verbunden, Einer nach dem Geist, womit sie erfüllt, Einer nach der Liebe, wovon sie durchdrungen, Einer nach dem Vater, dessen Kinder sie alle sind? Das hat Christus gewollt mit seinem Kreuz, das er uns nun predigen lässt. Und damit hat er nun auch die weiland Getrennten schaffen wollen in sich selbst zu Einem neuen Menschen, indem er so Frieden stiftete. So lange der alte Adam in uns lebt, ist an Frieden nicht zu denken, denn sein Werk ist es, dass er die Menschen trenne durch Neid, Zorn, Hass, Feindschaft und andere Sünden. Darum muss Adam sterben, und das Kreuz Christi macht ihn tot. Glaubst du von Herzen an ihn, den für dich Gekreuzigten, so wird der alte Mensch in dir krank, schwach, stirbt und wird aus deinem Herzen hinausgetragen, um auf ewig begraben zu werden. Mit ihm aber stirbt nun auch alle Feindschaft, die er gestiftet hatte zwischen dir und Gott, zwischen dir und deinem Nächsten. An Adams Stelle tritt Christus, der nun Wohnung nimmt in deinem Herzen. Mit ihm zieht der Friede in dich ein, und mit dem Frieden alle Friedensengel, als da sind Liebe, Freundlichkeit, Versöhnlichkeit, Sanftmut, Gütigkeit, Barmherzigkeit. So bei dir, so bei Allen, die samt dir Christum in sich aufgenommen haben. Ihr seid nun nicht mehr Zwei; nein, ihr seid, wie viele euer auch sein mögen, Einer und zwar der Eine neue Friedensmensch. Da heißt's nun nicht mehr: Ich ein Israelit und du ein Heide; ich ein Engländer und du ein Däne; ich ein Herr und du ein Knecht; ich ein Mann und du ein Weib nein, diese Unterschiede hören auf, sobald Christus uns in seine Gemeinschaft aufgenommen, uns zu seinen Reben gemacht, uns Alle in Einen verwandelt hat. Aber, fragst du, wo finden wir solche Einheit und solchen Frieden in der Welt? Selbst die sogenannte Christenheit angesehen: ist da nicht immer noch ein Volk wider das andere und eine Nation wider die andere? Wird nicht alle mögliche Klugheit, alle mögliche List aufgewandt, damit nur Ein Volk dem andern ein Vorteil abgewinne und sich bereichern möge, müsste auch das andere Volk darüber zu Grunde gehen? Steht die Politik und die Diplomatie der christlichen Völker ganz auf dem Boden des evangelischen Friedens, und stehen alle die verschiedenen Menschen und Völker so zu einander, dass man sagen kann, sie sind der von Christo geschaffene Eine neue Mensch? Wenn das aber nicht der Fall ist, sondern wenn noch immer, wie in alter Zeit, der Heide wider den Juden und der Christ sogar wider den Christen ist, und alle Gräuel des Hasses und der Feindschaft selbst in der Christenheit gefunden werden: was ist's dann mit dem gepriesenen Frieden, den Christus auf Erden gestiftet haben soll? So fragst du, und ich antworte: Was geht mich die Welt an als Welt? und was gehen mich die Reiche auf Erden an als Reiche der Welt? Es ist nicht von England, Dänemark, Deutschland, Russland als von Reichen dieser Welt die Rede. Soweit sie von dieser Welt sind, ist auch der Welt Lüge, Hass, Feindschaft das Mark in ihren Gebeinen. Und da wundert's mich nicht, dass unter den Fürsten und Gewaltigen, wie unter ihren Räten, noch so viele sind, die nicht das evangelische Friedenswerk auf Erden treiben; und mich wundert's nicht, dass ein Christ wider den andern und ein Volk wider das andere ist. Du sollst aber die verschiedenen Länder und Völker als Provinzen und Völker des Reiches Gottes betrachten. Siehe, so viele aus der ganzen Masse dieser Völker Christo angehören und mit Christo verbunden sind durch den Glauben, die alle sind Ein Volk, Ein neuer Mensch, dessen Friede Christi ist. Und wäre das Reich dieser Welt noch so groß und das Reich Christi noch so klein; wären's auf der ganzen Erde nur hundert oder gar nur zehn es sind ihrer aber doch in Wahrheit Millionen, die sich von Christo haben mit Gott und unter sich versöhnen lassen, so bleibt dennoch Alles wahr, was in unserem Texte steht. Unter diesen, wie viele ihrer denn sind, ist nicht mehr die alte Scheidewand, nicht mehr die alte Feindschaft. Christus hat sie versöhnt, Christus ist ihr Friede. Ich bitte nun aber, liebe Christen, tretet ihr zu der kleinen oder großen Schar hinzu. Christus werde auch euer Friede. Sein Kreuz und das Wort von seinem Kreuze versöhne euch. Es ist nicht möglich, dass ein wahrhaftiger, herzlicher, dauerhafter Friede zu Stande komme ohne ihn. Werde denn Christus, dieser himmlische Friedefürst, euer Herr und Haupt, dass ihr unter ihm Frieden habt mit Gott und Frieden unter euch.

Wir bedürfen deinen Frieden,
Mittler zwischen uns und Gott;
Schenk die Seelenruh den Müden!
Du bist unser Weg zu Gott.
Hilf uns froh zu ihm uns wagen,
Gläubig, kindlich Vater sagen,
Seiner rühmt sich jedes Kind,
Weil wir nun versöhnt sind.

1)
Hobbes
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