Johannes vom Kreuz - Siebenter Brief.
Eine Antwort auf drei an ihn gerichtete Fragen, nämlich: über die Beweinung der Sünden, die Betrachtung des Leidens Christi und die Herrlichkeit des künftigen Lebens.
Jesus sei allzeit in deiner Seele! Gott schenke dir, o Tochter, Seine Gnade, damit du in allen Dingen dich ganz Seiner Liebe und seinem Dienste weihst, was du auch schuldig bist, denn allein darum hat Er dich erschaffen und erlöst.
Auf deine mir vorgelegten Fragen, über welche du meinen Rat begehrst, wäre wohl Vieles zu sagen, doch die Kürze der Zeit (denn der Bote wartet darauf) gestattet für jetzt nur Weniges zu schreiben; aber die von dir vorgelegten drei Hauptpunkte; die dir zu deinem geistlichen Fortschreiten augenblicklich allerdings heilsam sein können, will ich hier in der Kürze berühren.
Was du über die Sünde, ihre Flucht und Beweinung fragst, darüber sage ich dir, meine Tochter, dass sie, wie du selbst sagst, aus ganzem Herzen zu beweinen und zu fliehen ist, sie ist ein Gräuel vor Gott, und Christus musste für sie sterben. Das mit du sie aber gewisser vermeiden kannst, so entziehe dich, so viel möglich, dem Umgang mit Menschen, sei sparsam in Worten, rede nicht mehr, als die Pflicht und augenblickliche Not erfordert, denn auch den Vollkommenen, wie vielmehr den Anfängern, ist zu häufiger Umgang mit andern, ist vieles Reden schädlich. Erfülle, meine Tochter, das Gesetz des Herrn ganz und mit Liebe.
Zur heilsamen Betrachtung des Leidens des Herrn gehört strenge Zucht des Leibes, jedoch mit nötiger Bescheidenheit, Abtötung des Fleisches zum Dienst des Geistes, Abtötung des Eigenwillens, der Eigenliebe, der Eigenlust in allen Dingen, denn der Eigenwille des Menschen und seine Lust war die Ursache des Leidens und Todes des Herrn; doch folge in allen diesen Übungen dem Rat deiner Vorsteherin.
Damit dir endlich die Herrlichkeit des Himmels und des künftigen Lebens anschaulich werde und erwünscht, so achte alle Reichtümer und Wollüste der Welt als Kot zur Befleckung der Seele, als Eitelkeit und nutzlose Abmattung des Geistes, was sie denn auch wirklich sind. Lasse dich nicht täuschen auch vor dem glänzendsten Schimmer der Welt, eben, weil Alles nur Schein ist, nichts ist groß, meine Tochter, als Gottes Gnade und seine Freundschaft, und im Vergleich mit jenen ewigen Gütern, die zu erreichen, wir von Gott geschaffen sind, sind alle Herrlichkeiten dieses Lebens bitter und schädlich, und, obgleich sie selbst in sich vergänglich sind, so bleibt dennoch die Makel, die sie der Seele, die sich ihnen hingegeben hat, eindrückt, ewig unvertilgbar in ihr.
Deines mir anbefohlenen Geschäftes vergesse ich nicht, es liegt mir selbst am Herzen, nur jetzt kann es nicht ausgeführt werden durch mich, trage es Gott ernstlich vor in deinem Gebet. Gott schenke dir Seinen Geist.