Jellinghaus, Theodor - Kapitel IV. Die Heiligungskraft des Todes und der Auferstehung Christi oder Christus, der Gestorbene und Auferstandene, ist Siegeskraft, Reinigung und Heiligung für die Gläubigen.
Heiligung und Sieg durchs Blut Christi
Wir sahen bei der Lehre von der Sündenvergebung, dass niemand Gewissheit der Vergebung und der Gotteskindschaft haben und behalten kann, der nicht weiss und vertraut, dass Jesus die Schuld getilgt hat, oder genauer, dass Jesus durch seinen Opfergang zum Vater ein Erlöser von allen Sünden und Bringer ewigen Lebens geworden ist. Steht dies nicht fest, dass Jesus ein solcher im Worte gegenwärtiger Erlöser ist, so kann kein Mensch mit wachem Gewissen in der Gewissheit des Gnadenstandes stehen und die Rechtfertigung, Bekehrung und Wiedergeburt bleibt in Dunkel gehüllt.
Ebenso verhält es sich mit dem Siege über die Schwachheitssünden und mit der Erlangung und Bewahrung eines reinen Herzens.
Die Schrift bezeugt uns die Tatsache, dass Christus ein völliger Erlöser von Sündenmacht und Sorgenangst ist.
Gott sei Lob und Dank, die klaren Zeugnisse der Bibel sagen uns, und die Erfahrung bestätigt es, dass in Christi Person und Werk uns alles, was zum Sieg über die Sünde und zum Leben und göttlichem Wandel dient, reichlich geschenkt ist und das Christus durch sterben und auferstehen uns ein völliger, gegenwärtiger Erlöser von aller Sündemacht geworden und ein Wiederbringer von Licht, Liebe, Leben, Gerechtigkeit, Friede und Freude des Himmelreiches ist.
Diese selige, kraftgebende Wahrheit war aber bisher in der Gemeinde Christi und auch in der Kirche der Reformation verhüllt.
Es trat mir und vielen anderen in den tiefsten Erbauungsschriften und Predigten erfahrener Brüder in Oxford und nachher als eine neue Lehre entgegen, dass aus der Schrift bezeugt wurde, dass das Blut, d.h. der Tod und das auferstandene Leben Christi unmittelbar die Sündenmacht breche, heilige und Leben gebe, wenn man sich Jesu, dem völligen Erlöser mit hingegebenen nach Gerechtigkeit und Heiligung hungerndem Herzen anvertraute. Es wollte uns scheinen, dass dies doch wohl nicht so in der Bibel stünde, da wir es noch nie so bestimmt gelesen oder gehört hatten. Je mehr wir aber die betreffenden Stellen prüften, je mehr merkten wir, dass dies offenbar der wirkliche Sinn derselben sei.
Seid der Zeit habe ich alle Stellen, wiederholt mit Vergleichung deutscher, exegetischer Werke im Zusammenhang studiert. Durch dies Studium ist es mir ganz unzweifelhaft geworden, dass die Bibel ganz deutlich und unmissverständlich aussagt, dass durch Christi Tod und Auferstehung, Blut und Opfer nicht nur die Sündenschuld ein für allemal getilgt ist, sondern auch die Herrschermacht der Sünde, der Welt und des Teufels für die ganze Menschheit und für jeden einzelnen Sünder schon gebrochen und Siegeskraft erworben ist.
Diese Wahrheit ist auch nicht allein in diesen zahlreichen, einzelnen Stellen ausgesprochen, sondern sie bildet einen wesentlichen Teil der apostolischen Heilspredigt und gibt vielen biblischen Hauptbegriffen, wie „mächtige Gnade, reinigendes Opfer, Opferblut, Erlösung, Vollmacht, ewiges Leben, Heiligkeit, Heiligung durch den Glauben, Gerechtigkeit, Christus der Weinstock, Abendmahl, Taufe, Christus in uns, Königreich Jesu etc. erst ihren vollen Sinn und Verständnis.
Bisher wurde es in fast allen unseren besten theologischen Werke und Erbauungsbüchern im wesentlichen so dargestellt, dass Christi Tod unmittelbar ein für allemal die Vergebung der Sündenschuld erworben hat und dann nur mittelbar durch dankbare Gegenliebe, Gebet, Selbstkreuzigungen, heiligende Anstrengungen, wachsende Erkenntnis Christi, Leidensschmerzen allmählich die Macht der Sünde immer mehr brechen kann.
Gewiss wird von tieferen Gottesmännern bezeugt, dass nur die Gnade durch „Christus für uns und in uns“, uns heiligen könne und es wird von ihnen vor Selbstheiligungsstreben nach dem Gesetz ernstlich gewarnt.
Es wird wohl gesagt, dass Christus für uns und in uns allen Sieg und alle Heiligung wirken muss, dass alles von Anfang bis zum Ende Gnade sei; aber es wird nicht klar gemacht, dass Christus durch Tod und Auferstehung schon dieser völlige Erlöser für uns geworden ist und im Worte nahe ist und als solcher nur im hingegebenen Glauben angeeignet und erfahren werden soll.
Weil die Wahrheit der vollbrachten, völligen, freien, gegenwärtigen Erlösung nicht in ihrer ganzen Fülle erkannt ist, darum wird der Sieg noch zu viel von unserer Gegenliebe, Wachsamkeit, Frömmigkeitsübung, wachsenden Erfahrung und der Stärke unseres neuen Menschen erwartet.
Betrachten wir nun die einzelnen, von den Früchten und Wirkungen des Todes und der Auferstehung Christi handelnden Bibelstellen, in denen wir die bestimmte Aussage finden, dass Christus für jeden, der Ihn im Glauben annehmen und festhalten will, die Sündenmacht am Kreuze gebrochen und siegreiche Heiligungskräfte erworben hat und so ein völliger Erlöser von allen Sünden für seine Getreuen ist.
Der Erfolg und die Frucht des Opfertodes ist also Abgestorbensein der Gläubigen in Christus für die Sünde, das Geheiltsein von der Sündenkrankheit, so dass sie, als vom guten Hirten Erlöste, beschützte und geleitete Schafe, der Gerechtigkeit leben. Die Todeswunde Jesu bewirkt nicht nur Lossprechung von Sündenschuld, sondern Heilung und innere Gesundung.
1. Petr. 1,18-19:
„ Wisset, dass ihr nicht mit vergänglichen Silber oder Gold erlöst seid von eurem eitlen Wandel….sondern mit dem Blute Christi.“
Es wird hier vom Blute Christi unmittelbar die Erlösung von dem eitlen, von den Vätern ererbten Sündenwandel zugeschrieben, ohne dass die Erlösung von Sündenschuld noch erwähnt wird. Der Mensch, besonders der Heide ist in dem väterlichem Aberglaube fest wie mit Ketten gebunden. Selbst wenn er sich davon losmachen will, gelingt es ihm nicht. Aber die Kraft des Blutes Christi bricht diese Ketten, so dass er Gott in gerechtem Wandel dienen kann.
2. Kor. 5,14-15: „Denn die Liebe Christi drängt uns so, dass einer für alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben und er ist darum für alle gestorben, auf dass die so da leben, hinfort nichts sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist.“
Als Christus als organisches Haupt für alle Menschen starb und auferstand, da er allen Menschen das Mitsterben und Mitauferstehen mit ihm möglich machte, so dass man nun sagen kann, dass alle Menschen von rechtswegen gestorbene und auferstandene sein sollten. Die wahren Gläubigen halten im hingegebenen Vertrauen und erfahren dies wirklich und leben nicht mehr für sich selbst und der Sünde, sondern für ihren Herrn in der Liebe Christi. Demgemäss wird die Heiligung hier nicht als eine Folge der Liebe dargestellt, sondern die Liebe als Folge des Glaubens, durch den der Christ sich selbst und der Sünde stirbt, um nun in Christus durch den Heiligen Geist zu leben.
In Röm. 6,1-4 wird gesagt, dass die wiedergeborenen Christen durch die Taufe in den Tod begraben und auferstanden seien.
Wie kann man aber der Sünde absterben und abgestorben sein? Durch einen blossen Entschluss oder Vorsatz ist dies nicht möglich. Durch Christi Tod ist die Sündenmacht gebrochen. Darum kann man in der Bekehrung durch die Taufe mit dem Heiligen Geist, der den Glauben wirket (1.Kor. 12,3 und 1.Thes. 4,8), Jesus mit seinen Todes- und Auferstehungskräften sich aneignen und stirbt so wirklich Christus der Sünde, um mit Ihm dem Auferstandenen, in der Gerechtigkeit zu leben.
Der alte Mensch ist objektiv schon auf Golgatha längst gekreuzigt und zum Tode bestimmt, oder Christus ist schon durch seinen Opfergang ein Erlöser von allen Menschen geworden. Dies wird bei den einzelnen Christen, wirklich und tatsächlich, sobald sie durch den Heiligen Geist an Jesus glauben und sich im ergeben, um mit ihm gestorben zu sein. Dadurch wird der Leib der Sünde ausser Wirksamkeit Gesetz, so dass der im Glauben geheiligte Christ der Sünde nicht zu dienen braucht. So ist wer mit Christus seinem alten Menschen gestorben ist, vor Gott frei und gerecht geworden in Bezug auf die Sünde.
Darum können und sollen sich die gläubigen Christen im einfachen Vertrauen auf die grosse, geschehene Tatsache, dass in Christus Freiheit und Erlösung von der Sünde für sie zu erlangen ist. Als der Sünde gestorben und von ihr freigeworden sollen sie sich halten und sollen dann erfahren, dass ihnen, nach ihrem in Gottes Wort gegründetem Glauben geschieht, nämlich dass sie in Christus von aller Macht der Sünde frei sind und frei bleiben.
Nicht vom Werden zum Sein in Christus, sondern vom sein in Christus durch die Glaubenshingabe zum Werden in Christus durch den Glauben. Nicht erst in die Gnade hineinwachsen, sondern erst in die Gnade kommen durch Glaubensübergabe, dann in ihr wachsen.
Gal. 2,19-21: „Ich bin aber durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, auf dass ich Gott lebe; ich bin (nicht: ich werde halb und halb) mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, aber doch nicht ich, sondern, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch , das lebe ich im Glauben (im hingegebenen Vertrauen) an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich dargegeben. Ich behandle nicht als kraftlos die Gnade Gottes, denn so durch das Gesetz (von inneren Selbsttötungen und Büssungen) die Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben.“
Paulus gibt es hier als das Geheimnis seiner Kraft in der Heiligung an, dass er im Glauben ein mit Christus Gekreuzigter ist und Christus in ihm lebt. Er preist also allein die Kreuzigung und Auferstehung Christi, (nicht irgend welche gesetzlichen Frömmigkeitsübungen und Selbstertötungen) als einzige Ursache seiner Freiheit von der Sünde und seines heiligen Lebens.
Kol. 1,22: „Nun aber hat er versöhnet mit dem Leibe seines Fleisches durch den Tod, auf dass er euch darstellte heilig und unsträflich und ohne Tadel vor Ihm selbst; so ihr wirklich bleibet im Glauben gegründet und fest.“
Besonders gehören hierher die Stellen, die von der Reinigung, Abwaschung und Heiligung durch das Blut reden.
1. Joh. 1,7-9 / 3,3 / Hebr. 9,14 / 10,29 / Offb. 1,5/7,14 / Hebr. 1,3 / 12,11 / 1. Petr. 1,19 / 2. Petr. 1,9.
Man hat diese Stellen von protestantischer Seite meist so ausgelegt. als wollten sie nur die Reinigung von der Sündenschuld, aber nicht die Reinigung von der Sündenunreinigkeit bedeuten. Nun ist es zwar wahr, dass das griech. Wort „katharizein“ = reinigen auch Reinigung von der Schuld bedeuten kann, ebenso wie im Deutschen. Soll aber das Wort diesen ausschliesslichen Sinn des Reinigens von Schuld haben, so muss es der Zusammenhang ergeben. Wo einfach von Reinigung und Abwaschen der Sünden die Rede ist, da müssen wir immer mindestens an Reinigung von Sündenschuld und Sündenunreinigkeit denken. Diese gebietet schon der Sinn des Wortes „rein“ als Gegensatz zu unrein.
Wir haben auch schon bei der Lehre von der Sündenvergebung und Wiedergeburt gesehen, dass der Glaube an Christus uns nicht bloss in Gottes Urteilsspruch gerecht, sondern auch wirklich von Sündenschmutz rein macht und neues, reines Leben aus Christus in uns zur Herrschaft bringt (1. Kor. 6,11 / Apg. 15,9).
Weil der Tod und die Auferstehung Christi diese Macht hat, von Sündenschuld und Sündenunreinigkeit wirklich zu befreien und siegreiches Leben zu geben. Darum ist er das Mittel einer wahrhaftigen Erlösung.
Im Hebräerbrief ist auch das Gereinigtwerden durch das Blut noch dadurch erklärt, dass gesagt wird, dass die Gläubigen durch das Blut Christi geheiligt würden. 13,12 „Darum auch Jesus, auf dass er heiligte das Volk durch sein eigen Blut, hat er gelitten aussen vor dem Tore.“
In Kapitel 8 heisst es, dass der alte Bund sich nicht als ausreichend bewiesen, dass darum Gott den neuen Bund durch das Blut Christi gestiftet habe, durch den man ein neues, reines Herz erlangen könne.
In Kapitel 9 wird dann weiter bezeugt V. 14 „wieviel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst fleckenlos durch den Heiligen Geist geopfert hat, unser Gewissen reinigen von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott.“
Also, das Blut reinigt nicht nur von der Sündenschuld, sondern auch von den toten Werken, (was böse Werke oder Gesetzeswerke, oder beides zugleich bedeuten kann) zu einem wahren Gottesdienst, also zu einem geheiligten Leben für Gott.
In Kapitel 10 heisst es nicht „konnten“, die da opfern vollkommen machen. Aber Christus ist gekommen, Gottes Erlösungswillen zu vollbringen.“ V10 „In welchem Willen wir Geheiligte sind auf einmal durch das Opfer des Leibes Jesu Christi.“ Damit vergleiche man 1,3 „Christus hat gemacht die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst.“ 13,20-21 „Der Gott aber des Friedens, der von den Toten ausgeführt hat den grossen Hirten der Schafe durch das Blut des ewigen Testament, unseren Herrn Jesus Christus, der mache euch vollkommen in allem guten Werk, zu tun seinen Willen und schaffe in euch, was vor ihm wohlgefällig ist durch Jesus Christus.“
Hiermit stimmt Offb. 7,14 überein „Diese sind es, die gekommen sind aus grosser Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im Blute des Lammes.“ Da ist doch offenbar von diesen Heiligen ausgesagt, dass sie durch das Blut Christi sich hatten reinigen lassen und so die Sünde und den Teufel besiegt.
In der Stelle Offb. 22,14 heisst es nach der jetzt allgemein angenommenen Leseart nicht: „Selig sind, die seine Gebote halten, auf dass ihre Macht sei an dem Holz des Lebens,“ sondern: „Selig sind, die ihre Kleider waschen (Präsens fortwährend), auf dass…“
1. Joh. 1,7-2,1
Diese Stelle im Zusammenhang mit 1. Joh. 3,10 beweist klar, dass wir zwischen Sünde haben und Sünde tun wohl unterscheiden müssen.
Es wird die Stelle oft so verstanden, als wäre hier gelehrt, dass der gläubige Christ alle Tage und alle Stunden sündigen müsse und dass ihn dann von der Schuld dieser Sünden das Blut Christi immer wieder reinigen werde. Aber dies kann nach dem Zusammenhang unmöglich der Sinn sein, denn Johannes will ja gerade beweisen, dass Gott Licht ist und dass im Wandel in der Finsternis der Sünden sich nicht mit dem Wandel im Licht Gottes und in der Gemeinschaft Gottes vertrage.
Die richtige Auslegung hat schon Tertullian zu dieser Stelle. Er sagt zu 1,7 „Sündigen wir, wenn wir im Lichte wandeln und werden wir gereinigt, wenn wir im Lichte sündigen? Keineswegs. Denn wer sündigt, ist nicht im Licht, sondern in Finsternis. Johannes zeigt, wie wir gereinigt werden von der Sünde, wenn wir wandeln im Lichte, in welchem keine Sünde begangen werden kann, denn dies ist die Kraft des Blutes Christi, dass es diejenigen, welche es von Sünde gereinigt hat, forthin rein bewahrt, wenn sie fortfahren, im Lichte zu wandeln.“
Es ist auffällig und traurig, dass dies einfache und urchristliche Verständnis von dieser Stelle und vor der rein bewahrenden Kraft des Blutes Christi in der Kirche hat so verdunkelt werden können, dass es fast verschwunden ist. Denn wenn auch unsere tüchtigsten deutschen Ausleger wie Neander, Düsterdick, Lücke, Olshausen, Ebrard und ihnen folgend einige Engländer, wie Alford etc. in neuerer Zeit wieder auf diese Auslegung Tertullians teilweise zurückgekommen und dem Wortsinne gemäss wieder auslegen, dass das Blut Christi selbst reinige und heilige, so war diese Auslegung doch bisher in der Praxis fast gar nicht in Gebrauch.
Der Christ erlangt durch die Wiedergeburt oder durch einen höhere Stufe der Heiligung nicht eine selbständige Heiligkeit, nicht ein Freisein vom alten Menschen in eigener Kraft; oder eine solche Stärke des neuen Menschen, dass dieser selber das Fleisch im Tode halten könnte.
Der Christ kann nur rein sein als Glied an Christus dem Haupte, als Rebe am Weinstock. In sich ist jeder Christ ein Glied der sündigen Menschheit und zur Sünde geneigt. Nur durch die Einpflanzung in Christi Tod und Auferstehung kann er heilig sein und bleiben. Losgelöst von Christus und seinem reinigenden Blute (Blut bedeutet in den Tod gegeben und auferstandenes Leben Christi) ist er sündig und in Sünden.
Das Glied des Leibes, z.B. die Hand, ist in sich ohne die Verbindung mit dem Herzblute ohne Kraft, ohne Gesundheit und der Fäulnis verfallen. Aber solange die Hand von dem gesunden Blute des Leibes durchflossen, ist sie gesund.
Zum vollen freudigen Bewusstsein der Vergebung einer Sünde gehört nämlich auch die innere Freimachung von ihrer Macht und Unreinheit und die Zuversicht, dass man sich im Besitze einer Gnadenkraft befindet welche den Mut gibt, das Wiedergeschehen der Sünde nicht zu erwarten sondern auf den Sieg und Reinbleiben zu hoffen. Ohne diese Erwartung des Glaubens kann man sich der Vergebung nicht mit voller Freude trösten. Das zeigt sich schon beim Vergeben der Menschen untereinander. Ich kann nicht von Herzen darüber froh sein, dass mir mein Vater oder Bruder eine bereute Verschuldigung gegen ihn ganz vergeben hat, wenn ich nicht die Zuversicht habe, dass ich es nicht mehr tun werde. Darum ist auch in dem Verhältnis des Menschen zu Gott Vertrauen auf die Reinigungsmacht des Blutes Christi so durchaus nötig zur frohen Gewissheit der Sündenvergebung und des Gnadenstandes.
Sehr empfehlenswert ist die Auslegung von O. Stockmayer (1.Joh. 1,7-9).
„Das aber, wodurch in Luthers Übersetzung dieser Vers 9 mit dem vorhergehenden Vers 8 verbunden ist, steht nicht im Grundtext. Nach diesem Vers 9 knüpft Gott an das Bekenntnis der Sünde zwei Dinge: 1.Vergebung 2.Reinigung. Alle Christen kennen das erste, vielleicht nur wenige das zweite recht. Wo es aber zu keiner Reinigung kommt, da kommen die gleichen Sünden immer wieder vor. Gott ist treu und barmherzig zu seinen Kindern voll unerschöpflicher Geduld und Langmut, bereit, die gleichen Sünden immer wieder zu vergeben; aber es setzt dies, je länger, je mehr ein Siechtum und einen Schwächezustand im Herzen an und führt zu Gebundenheit und Lähmung. Das Herz verliert seine jungfräuliche Zartheit der Zucht des göttlichen Geistes gegenüber, seine Empfänglichkeit für die Einwirkungen der göttlichen Gnade, Heiligkeit und Liebe. Soll es zu einer Reinigung kommen, so gilt es, nicht stehen bleiben bei einem flüchtigen Bekennen der Sünde. Was wir von Sünden zu bekennen, Gott auszusprechen und zu sagen haben, hat seinen Wert nur, wenn wir dadurch Gott Gelegenheit und Raum geben, sich seinerseits auszusprechen und uns zu sagen, was Er auf dem Herzen hat. Was Er uns zu sagen hat ist viel wichtiger, als was wir ihm zu sagen und bekennen haben. Wir müssen erst stehen lernen vor Gott, wie die alten Propheten, die sagen konnten: „Der Gott vor dem ich stehe!“ - stehen und stillestehen, bis uns Gott alles gesagt hat, was er uns zu sagen hat. Die einzelnen Fehler sind Sünden sind nichts Unzusammenhängendes und Zufälliges, sondern kommen aus einem unrichtigen Herzensstand, wie Geschwüre aus unreinem Blut. Wir kennen aber unser Herz nicht; nur Gott, nur er kann uns den verborgenen Grund aufdecken, aus dem das Geschwür hervorgebrochen ist; wie wir vielleicht nicht in der rechten Wahrheit Lauterkeit und Demut geblieben waren, das eigene Leben und den eigenen Willen nicht am Kreuze gelassen hatten. Da ist es nun äusserst wichtig, dass wir bei jeder Sünde in innerer Regung oder Unterlassung, vom Herrn uns sagen lassen, wie das so gekommen ist, mit dem Wort, dass wir uns richten lassen. Das Stehen vor Gott führt dann bald zu einem liegen im Staube. Wer sich vom Herrn demütigen, richten und strafen lässt, den heilt Er; was er aufdeckt, nimmt er weg. Ueberall wo wir seinen Flammenblick eindringen lassen, da kommt er mit dem Licht auch Freiheit und Erlösung. So führt ein Bekenntnis der Sünde, bei dem man Gott gründlich mit sich reden lässt, durch Gericht hindurch zu einer Reinigung unseres ganzen Wesens, zu einem unmittelbaren Licht als zuvor! Heraus aus dem Eigenen näher zu Gott! Durch Bekenntnis und Gericht wird der Grund uns Stand unseres Herzens, aus dem die Sünde hervor gewachsen war, gereinigt und erneuert, so dass wir nicht mehr der Sünde dienen müssen.
Es wird in ganz neuer Weise ein Wall zwischen uns und der Sünde aufgerichtet.“ (Aus „Gnade und Sünde“ S. 48f von O. Stockmayer)
Aus dem Gesagten geht hervor, dass „Sünde haben“ im Sinne von Johannes wohl verträglich ist mit „gutem Gewissen“, mit „reinem Herzen“ (Matth. 5,8) mit völlig sein in der Liebe„ (1.Joh. 4,12-18), „mit in Christus bleiben und nicht sündigen“. Denn obwohl der im Glauben geheiligte Christ Fleisch und Sündennatur in sich hat, so ist diese durch die Kraft des Blutes, des Wortes und des Heiligen Geistes wirklich gekreuzigt und ihrer Herrschaft beraubt, so dass der Heilige Geist, dem im Blute lebenden Christen das Zeugnis eines guten Gewissens und reinen Herzens und unsträflichen Wandels geben kann.
Es ist wohl Zunder für Versuchungen im Herzen des geheiligten Christen, aber dieser Sündenzunder wird durch die Einwohnung des Blutes im Glauben in den Zustand zur Unentzündbarkeit gebracht und erhalten. Durch Weichen von Jesu und Verscheuchen des Heiligen Geistes kann er (der Zunder) aber bald wieder entzündet werden.
Dass im Tode und in der Auferstehung Christi nicht bloss die Schuldtilgung, sondern unmittelbar die ganze Kraft des Christen zum Leiden, Dulden, Kämpfen, Verklärtwerden etc. liegt, beweisen auch die vielen tiefen Stellen, die von der Gemeinschaft des Todes und der Auferstehung handeln.
In Math. 16,24 „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich, nehme sein Kreuz auf sich und folge mit nach“ ist der Sinn von „sein Kreuz aufnehmen“ wohl nicht so sehr, wie es gewöhnlich verstanden wird, „sein Leiden in Jesu Nachfolge geduldig tragen,“ sondern sich selbst in den Tod geben. Das Kreuz war damals das Zeichen der Hinrichtung, also bedeutet dann, Sein Kreuz auf sich nehmen, sich als einen mit Christus Gekreuzigten betrachten und behandeln, sich selbst nicht mehr kennen. Das tägliche mit Christus gekreuzigt sein und bleiben gibt erst die rechte Kraft zur Heiligung und zur Nachfolge; denn da ist der Christ von sich selbst los, so dass Christus ihn regieren kann.
Daraus folgt den auch, dass er sein Leben geduldig trägt und Kraft dazu bekommt.
Die viel umstrittene Stelle 1. Petr. 4, 1-2 „Weil nun Christus gelitten hat am Fleisch, so wappnet euch mit dem selben Sinn; denn wer am Fleisch leidet, der hört auf von Sünden (Grundtext: denn wer am Fleisch gelitten hat, der hat Ruhe von der Sünde), dass er hinfort die verleibende Zeit im Fleisch, nicht der Menschen Lüste, sondern dem Willen Gottes lebe.“ erklärt auch am besten, wenn wir sie von dem in den Tod geben des Fleische in Christus verstehen.
Christus hat einmal unter der Last unserer Sündenschuld und Sündenmacht am Fleische den Tod erlitten und ist so durch dieses Leiden am Fleisch gänzlich von der Sünde, die auf Ihm lag, frei geworden (Röm. 6,7-11; Hebr. 9,27-28). So soll der Gläubige sich gewappnet haben, als Waffenrüstung angelegt habend, dieselbe Gesinnung (Eph. 6,11). Er soll auch sein Fleisch im Glauben in den Kreuzestod Christi gegeben und so gelitten haben. Tut er dies, dann hat er in Christi Ruhe von der Sünde und kann nun in der Heiligung, von den Lüsten, durch Christi Blut rein bewahrt, dem Willen Gottes leben.
Das eine Opfer geht hier nicht nur auf den Tod am Kreuz, sondern noch mehr auf die Darbringung Seiner Selbst und Seines sündentilgendes und heiligendes Blutes im himmlischen Tempel, wo er als Versöhner, Erlöser, Reiniger, Helfer und Führer Seiner Gläubigen sitzt.
Der Sinn dieser Stelle (Hebr. 10,14-16) ist nicht, dass wir durch Christi einmaliges Opfer eine zugerechnete Heiligung haben, obwohl wir immer in Sünde fallen und unrein bleiben, sondern: „Durch ein Opfer, durch seinen Tod und seine Auferstehung und seine Fürbitte für uns vor Gottes Thron ist Jesus ein völliger Erlöser geworden für alle, die sich in Glaubenshingabe begnadigen, reinigen und heiligen lassen.“ Also derselbe Sinn wie in dem herrlichen Worte Hebr. 7,25 nach wörtlicher Uebersetzung: „Daher er auch erlösen kann aufs Völligste, die durch ihn zu Gott kommen, als der da immerdar lebet (oder weil er allezeit lebet), um (hilfreich) für sie einzutreten.“
Eine Bestätigung finden alle diese Beweisstellen für die unmittelbare Heiligungskraft des Blutes unseres Mittlers Christi in den zahlreichen Stellen, die Christus und sein Evangelium als die mächtige Erlösung aus der Sündenmacht preisen. Matth. 1,21 / 1. Joh. 4,4 / 1. Kor. 1,30 / Luk. 1,74-75 / 2. Petr. 1,3-4 / Eph. 1,19-20 / Judas 24 / 2. Tim. 2,1.
Wir sehen aus allen diesen Schriftstellen, dass die Heilige Schrift meint, was sie sagt, wenn sie bezeugt, dass das Blut Christi rein macht von aller Sünde, dass die Seele durch Christi Blut geheiligt wird, dass das Fleisch bei den mit Christ Auferstehung göttliche Kräfte für die Gläubigen erworben sind, dass Christus uns zur Heiligung gemacht ist.
Wenn Christi Tod und Auferstehung unmittelbar nur die Kraft und das Mittel wäre, um die Sündenschuld zu tilgen, aber nicht nur um die Sündenmacht zu brechen, so wäre Jesus kein völliger Erlöser und sein Erlösungswerk nicht „ganz vollbracht“, sondern es bedürfte einer Ergänzung durch die Menschen, ja fast der grösste Teil müsste dann noch durch die Menschen selbst geschehen und erworben werden. Wenn wir den in Sündenketten gebundenen Menschen nicht als Botschafter für Christus sagen und bezeugen könnten: „Christus hat deine Schuld getilgt und die grosse Macht deiner Sünden auch für dich gebrochen, so dass er jetzt dein Mächtiger Erlöser ist, und „wo nun die Sünde mächtiger ist geworden, da ist die Gnade noch viel mächtiger.“ (Röm. 5,20), so könnten wir keine sichere, freie und völlige Erlösung verkündigen, so wäre der Name unseres Jesus „Er wird sein Volk erlösen von ihren Sünden“, nicht ganz wahr.
Wie durch Adams und Evas Sünde die menschliche Sünde zuerst erzeugt ist und die Sündenmacht in aller Nachkommen Herzen durch die Abstammung Wurzel gefasst hat und auch für die noch ungeborenen Menschenkinder schon da ist. - so ist durch den Opfertod und die Auferstehung des Zweiten Adams alle Sündenmacht in den Menschenherzen schon gebrochen und sind für alle schon siegreiche Lebenskräfte vorhanden, so dass, wenn die Menschen im Glauben, im hingegebenen Vertrauen, Jesus als solchen völligen Erlöser annehmen und behalten, ihnen die Erlösung in ihm zu Teil wird.
In Christus selbst ist volle Vergebung, Gerechtigkeit und neues, heiliges Leben den Gläubigen zu eigen geworden. Wir haben die Christusnatur und die Heiligung ebenso wenig zu produzieren, als wie wir die Adamsnatur selbst produziert haben. Wir haben sie stets im Glauben zu empfangen.
Unsere Heiligung beruht auch auf Christi für uns vollbrachtem Siege über alle Sündenmacht und auf dem, was Christus selber für uns getan hat und fortwährend tut, wenn wir ihm uns ganz zum Mitsterben und Mitleben ergeben und anvertrauen.
In der Bibel wird auch oft das Vorbild und Bild Christi als unsere Heiligungskraft hingestellt. 2. Kor. 3,18 „Wir alle aber mit aufgedecktem Angesicht des Herrn Klarheit im Spiegel anschauend, werden verwandelt in dasselbe Bild von einer Klarheit zur anderen als vom Herrn, dem Geiste, d.h. vom Herrn Jesu, der mit dem Geiste eins ist.“
Von der heiligenden Kraft des Blutes und der Auferstehung Christi zeugen besonders klar viele unserer besten Kirchenlieder:
Jesus, Deine tiefen Wunden,
Deine Qual und bittrer Tod
Geben mir all Zeit und Stunden
Trost in Leibes- und in Seelennot.
Fällt mir etwas Arges an,
Denk ich gleich an deine Pein,
Die erlauben meinem Herzen,
mit der Sünde nicht zu scherzen.
Will sich dann in Sünden weiden,
mein verderbtes Fleisch und Blut,
Oh so denk ich an dein Leiden,
bald wird alles wieder gut.
Kommt der Satan und setzt mir heftig zu,
halt ich ihm dagegen,
deine Gnad und Gnadenzeichen;
bald muss er dann weichen.
Friedrich August Weihe:
Wie wohl ist mir in Jesu Armen,
an seiner Brust in seinem Schoss!
Hier hab ich ewiges Erbarmen;
da werd ich aller Sünde los.
Da hab ich's unaussprechlich gut;
Er wäscht mich rein mit seinem Blut!
Geh' verderbter Eigenwille,
geh und stirb am Kreuzesstamm,
du sollst mich nicht länger plagen,
Er hat dich ans Kreuz geschlagen,
Er das teure Gotteslamm.
In dem Liede von Tersteegen „Ruhe hier mein Geist, ein wenig“:
Zieh durch deine Todeskräfte
mich in deinen Tod hinein.
Lass mein Fleisch und sein Geschäfte,
Herr mit dir gekreuzigt sein,
dass mein Wille werde stille
und die Liebe heiss und rein.
Diesem Liede fühlt man es besonders in der unverkürzten Form aufs tiefste ab, dass Tersteegen im Tode und Blute Christi nicht nur Sieg über die Versuchung, sondern eine Ertötung seines alten Ich und reines Herz und Heiligkeit gefunden und erfahren hat.
In dem Lied „Lamm, du Muster wahrer Liebe“ heisst es am Schluss:
Lamm, verleihe mir die Güte,
deinem Sterben gleich zu sein,
führe mein verführt Gemüte
doch in deine Wunden ein.
Dass ich bei den schlimmsten Blitzen,
bei dem Sturm der bösen Welt.
mag im Frieden sitzen,
wenn dies Ganze selbst zerfällt.
Ph. F. Hiller:
Dies, dies verlang ich sehnlich,
dass ich nur Christo ähnlich,
in seinem Tode sei:
Mit Ihm ans Kreuz gebunden
und heil in seinen Wunden,
mit Ihm von aller Sünde frei.
Zinzendorf: In seinem Lied „Christi Blut und Gerechtigkeit“.
Und weil ich wusste, dass dein Blut
die Sünde wegschwemmt mit seiner Flut;
Und dass man nicht muss willigen ein,
lies ich's mir eine Freude sein.
Wenn nun kam eine böse Lust,
so dankt ich Gott, dass ich nicht musst,
ich sprach zur Lust, zum Stolz, zum Geiz,
Dafür hing unser Herr am Kreuz.
Und in einem andern Liede:
Wir und des Lammes Kreuzgemein,
wollen des ewiglich Zeugen sein,
Dass im Blute Jesu allein zu finden
Gnade und Freiheit von ALLEN Sünden.
Für alle Welt.
Dass wir unüberwindlich sind
und werden täglich freier,
dass glauben wir, das sieht ein Kind
und ist dem Glauben teuer.
Wir fürchten unsere Feinde nicht;
denn Jesus führt den Krieg,
und Brüder, die Erfahrung spricht:
Wo Jesus ist, da ist der Sieg.
Was in diesem Abschnitt über die Heiligungskraft des Todes und der Auferstehung gesagt ist, das wird bestätigt durch die Stellen der Bibel, die von der Heiligung durchs Wort, durch den Namen Jesu und durch den Heiligen Geist reden.
Wer das Geheimnis der Einheit von Jesu Blut, Wort und Geist noch nicht erkannt hat, dem könnten sie als der Heiligung durchs Blut widersprechend erscheinen. Wer aber dies Beisammensein kennt, dem ist alles, was von der Kraft des Wortes und des Geistes gesagt wird, ein Zeugnis mehr von der reinigenden und heiligenden Kraft des Blutes Jesu.
Nur durch das ganze Wort Gottes kommt der ganze Erlöser zu uns ins Herz und zur Wirksamkeit. Haben wir aber das ganze Wort Gottes tief im Herzen, glauben und gehorchen wir ihm von ganzer Seele, so sollen wir gewiss sein, dass wir den ganzen Jesus (obwohl wir Ihn nicht sehen und auch nicht immer fühlen) im Herzen haben mit aller Kraft und Heiligungsmacht.