Hus, Jan - Synodalpredigt über Ephes. 6, 14-15 am Tage des Evangelisten Lukas.

Hus, Jan - Synodalpredigt über Ephes. 6, 14-15 am Tage des Evangelisten Lukas.

1)So steht nun, umgürtet eure Lenden mit Wahrheit und angezogen mit dem Panzer der Gerechtigkeit und an den Beinen gestiefelt, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens!

So steht geschrieben Epheser 6 in der Epistel des vergangenen Sonntags.2) Da das christliche Heer in der Nachfolge Jesu Christi des Herrn in dreifacher Reihe bei dem geistlichen Kampfe wider den Teufel vorschreiten muss, nämlich der Klerus, die weltliche Obrigkeit und das ihnen untergebene Volk, der Klerus aber die geistliche Schlachtlinie anführen muss, so ist klar, dass der Klerus tapferer dastehen und mit geistlichen Waffen vorzüglicher ausgerüstet sein muss. Denn wenn der Klerus, der in der vordersten Schlachtlinie steht, zum Kampfe untauglich ist, so wird der Sieg gewiss nur höchst selten oder niemals errungen, da der Klerus, wenn er die Flucht ergreift oder niederstürzt, im nachfolgenden Heere Mutlosigkeit oder gar Auflösung erzeugt. Ist er niedergeworfen oder getötet, so hindert er den Rest des Heeres, dass sie den Feind nicht anzugreifen vermögen. Stimmt er gar mit verräterischem Sinn mit den Feinden überein, so gibt er ihnen die Waffen in die Hand, womit sie das Kriegsheer Jesu Christi des Herrn um so leichter und tückischer besiegen können. Dies ist eben die Ursache, warum das christliche Kriegsheer heutzutage von Fleisch, Welt, Teufel und Heiden so schmählich besiegt ist! Um die bejammernswerte Überwindung des christlichen Heeres abzuwenden und einen ruhmvollen Sieg herbeizuführen, ruft Christus. der Feldherr, alle Christen, die zum geistlichen Kriegsdienste berufen sind, zu den Waffen mit den Worten: steht, umgürtet eure Lenden!

Da aber der Klerus Christo dem Führer in nächster Nähe nachfolgen, im Vordertreffen am tapfersten stehen und mit der vollständigsten Waffenrüstung bekleidet sein muss, damit er nicht verwundet unterliege, so spricht der Apostel zu dem Klerus und den einzelnen Klerikern besonders: Steht, umgürtet rc. Denn wie die Kleriker ganz besonders Christi, d. h. Gesalbte, und also Christen genannt werden, wie sie auch selbst versichern, so müssen sie auch ganz besonders mit Waffen der Tugend bekleidet sein und Christo dem Herrn am treuesten nacheifern. Sonst würden sie den Namen Christi, ihres Gottes, vergeblich tragen und nicht in Wahrheit Christi Eigentum und Christen heißen, sondern sie wären vielmehr gottlose Antichristen. So bezeugen ja der heilige Cyprian der Märtyrer und Augustin der Bekenner: umsonst trägt den Namen des Christseins, wer Christum nicht nachahmt. Was nützt es dir denn, sagt Augustin, zu heißen, was du nicht bist, und einen Namen dir anzueignen, der dir nicht gebührt? Wenn du Christ sein willst, tue, was zum Christsein gehört, und führe den Christennamen mit Recht! Ein wahrer Christ ist, wer jedermann Gutes tut, wer sich durch Unrecht nicht erbittern lässt, wer fremden Schmerz als eignen fühlt, an dessen Tisch jeder Arme willkommen ist, wer vor den Menschen gering, vor Gott und den Engeln aber hoch geachtet wird, wer das Zeitliche verachtet, um das Ewige zu besitzen, wer den Armen nicht unterdrücken lässt, wer den Elenden hilft, wer mit den Weinenden weint, wie Paulus tat 2. Kor. 11,29: Wer ist schwach und ich werde nicht schwach? Ein wahrer Christ ist, wie Goldmund (Chrysostomus, Homilie 20) sagt, wer nicht nur nicht töten, sondern auch nicht einmal ohne Ursache zürnen, wer nicht nur nicht falsch, sondern überhaupt nicht schwören, nicht nur nicht ehebrechen, sondern auch nicht einmal mit den Augen begehren, wer nicht nur nicht schlagen will, sondern geschlagen nicht wieder schlagen, wer nicht nur nicht stiehlt, sondern auch lässt dem, der ihn bestohlen hat, wer nicht nur Freunde, sondern auch Feinde aufrichtig liebt, wer nicht vor den Leuten Almosen gibt, wer am Gebet hält im stillen Kämmerlein, wer da fastet, ohne sauer zu sehen. So der heilige Goldmund.

Aus diesen Worten der Heiligen sieht man, dass nur der ein wahrer Christ heißt, welcher die Gebote Gottes hält und Christo in Sitten gleicht. Er nur wird mit Christi Kraft und Macht bekleidet, dass er bestehen könne gegen die listigen Anläufe des Teufels, gegen Fleisch und Blut, gegen Fürsten und Gewaltige, gegen die Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, gegen die bösen Geister, dass er die feurigen Pfeile des Bösewichts auslöschen und am bösen Tage vollkommener Widerstand leisten könne, zu welchem Widerstand der Apostel mahnt, die Waffen der Ritterschaft Christi anzulegen: So steht nun, umgürtet eure Lenden!

Diesen Befehl des Apostels verachtet jedoch der falsche Christ; mit Christi Namen angetan, ist er mit den Waffen des Teufels bekleidet und folgt der Fahne des Antichrists; er sagt, er kenne Gott, aber verleugnet ihn mit der Tat, er ist ein falscher Christ, ein wahrer Antichrist! Und ach, das ist nicht nur einer, ihrer sind viele, wie der Herr spricht (Matth. 24,24): Es werden falsche Christi aufstehen; und Johannes, der Jünger, den der Herr lieb hatte, bezeugt (1. Joh. 2,18): Nun sind viele Widerchristen geworden! Aber wer sind sie? Fürwahr, vornehmlich diejenigen, welche unter dem Namen Christi in Sitten ihm zuwider sind und zerstreuen, was er sammelt. Höre des Herrn Wort (Luk. 11,23): Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut. Wer nicht mit mir ist, d. h. in tugendreichen Werken, der ist wider mich, d. h. in Verbrechen; wer nicht mit mir sammelt, d. h. in Wahrheit und Liebe, der zerstreut, d. h. in Feindschaft und Zwieträchtigkeit; sicher ist der mir zuwider und ist folglich ein Antichrist. Denn was bedeutet das Wort Antichrist? Antichrist ist so viel als Feind und Widersacher Christi.

Und worin? Worin anders, als in den Sitten und in den bösen Werken? Durch diese wird ja der Mensch in einen Teufel verwandelt und zieht den Antichrist an; da der Apostel doch gebietet Röm. 13,14: Zieht an den Herrn Jesum Christum. Ihn und infolgedessen notwendigerweise die sittliche Kleidung: Sanftmut, Demut, Armut, Gerechtigkeit, Wahrheit und Mäßigkeit; denn auch er war von Herzen sanftmütig und demütig, völlig arm und gerecht, vollkommen wahrhaft und keusch; mit diesen Tugenden will er, dass auch seine Jünger bekleidet seien. Sonst hätte er ja vergeblich sie gelehrt (Matth. 11,29): Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. Siehe hier die Sanftmut und Demut! Und wieder Luk. 14,33: Wer nicht absagt allem, das er hat, kann nicht mein Jünger sein. Siehe hier die Armut, die er nicht bloß scheinbar, sondern durch die Tat an sich selbst beweisen wollte (Luk. 9,58): Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hinlege. Ferner Matth. 5,20: Es sei denn eure Gerechtigkeit besser, denn der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen; das von der Gerechtigkeit. Und von der Wahrhaftigkeit Matth. 5,37: Eure Rede sei: ja, ja, nein, nein; und endlich von der Keuschheit Luk. 12,35: Lasst eure Lenden umgürtet sein! Ja, das ist der echte Kleiderschmuck der Priester Christi, wie der heilige Augustin zu Ps. 132,9: Deine Priester lass sich kleiden mit Gerechtigkeit, sagt: Im alten Testamente hatten die Priester verschiedene Kleider, so schmücken sich die evangelischen Priester mit verschiedenen Tugenden. Das ist ihr Kleiderschmuck, den Gott von ihnen fordert. Denn was die Gesetzespriester in den Kleidern trugen, das müssen die evangelischen Priester in den Herzen haben.

Weil nun der Apostel des Herrn will, dass wir mit solchen Kleidern angetan seien, ruft er: So steht nun, umgürtet eure Lenden! Als wollte er sagen: Bleibt sanftmütig und demütig, gerecht und arm, keusch und wahrhaft, nach der Anordnung und dem Befehle des Evangelii des Friedens; denn so werdet ihr Christo ähnlich und stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke, so könnt ihr am bösen Tage Widerstand tun und fest stehen wider die listigen Anläufe des Teufels, wider Fleisch und Blut, wider die Fürsten und Gewaltigen, wider die Herrscher der Finsternis, wider die Geister der Bosheit; und nicht nur das, ihr könnt auch alles wohl ausrichten und die feurigen Pfeile des Antichrists auslöschen. Um deswillen hat dieser Meister der Kriegskunst den Soldaten Christi den Befehl erteilt: So steht nun, umgürtet eure Lenden!

Gerüstet aber wäre das Heer Christi und vor allem der Klerus, zu stehen in der geistlichen Waffenrüstung wohl gegürtet und fertig, um das Evangelium des Friedens wacker und eifrig zu treiben, wenn er auf seinen Führer und sein treffliches Vorbild fleißig sähe und auf ihn die gewisse Hoffnung der Hilfe setzte; wenn er, ach, die große so listige. und grausame Menge der Feinde und so den gefährlichen Kampf erkennen würde; wenn er endlich zurückschreckte vor ständigem Unterliegen und die Frucht des ruhmreichen Sieges bedächte. Denn so allein würde er die schändliche Furcht verlieren und was Christus vorbildlich getan, auch zu vollbringen streben, weil zu dem gewaltigen Kampfe Christi furchtsame Krieger nicht taugen, wie der Herr vorbildlich zu Gideon gesagt hat (Richter 7,3): So lass nun ausschreien vor den Ohren des Volks und sagen: Wer blöde und verzagt ist, der kehre um! Und unser Herr Jesus ruft seinen Kriegern zu (Matth. 24,6): Wenn ihr von Kriegen und Kriegsgeschrei hören werdet, so erschreckt nicht; das muss zum ersten alles geschehen! Und sie noch mehr zu bestärken, sagt er Matth. 10,28: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten! Und wiederum wie Gideon zum Volke sagte: „Seht auf mich und tut auch also,“ so spricht unser Feldherr Jesus zu seinen Soldaten (Joh. 13,15): Ein Beispiel habe ich euch gegeben, dass ihr tut, wie ich euch getan habe! und verheißt dabei (Joh. 16,33): Seid getrost, ich habe die Welt überwunden, ihr werdet auch überwinden! Und Luk. 21,15: Ich will euch Mund und Weisheit geben, welcher nicht sollen widersprechen mögen, noch widerstehen alle eure Widerwärtigen! Der Klerus wäre alsdann auch mit rechter Klugheit ausgerüstet, um die große Menge der Widersacher zu bekämpfen. Denn von dieser Menge steht vorbildlich Richter 7, dass die Midianiter und Amalekiter und alle Völker des Ostens im Tale sich ausgebreitet hatten wie eine Menge Heuschrecken, und ihre Kamele zahllos waren wie der Sand am Meere. (Midian aber ist so viel als gottlos oder widersprechend und bezeichnet den Klerus, der durch gottlose Werke Christo widerspricht; und Amalek so viel als unvernünftiges oder leckendes Volk, welches die Leckereien des Fleisches und der Welt beleckt.) Das sind die zwei Völker, die im Tale des Elends lagern, gierig und gefräßig wie die Heuschrecken, bucklig und höckerig durch Laster, wie die Kamele; und diese streiten wider Gideons Heer, das ist, wider die Gemeinde, die mehr in der Niedrigkeit kämpft, also wider das Kriegsheer Jesu Christi. Dabei fehlen auch Gog und Magog nicht, das ist nach einer Glosse, diejenigen, welche heimlich und öffentlich die Gläubigen des Herrn verfolgen; auch die Blutsverwandten fehlen nicht, wie der Heerführer des Kriegs spricht Luk. 21,16-17: Ihr werdet überantwortet werden von den Eltern, Brüdern, Freunden und Verwandten, und sie werden euer etliche töten; und ihr werdet gehasst sein von jedermann um meines Namens willen. Doch auch mit diesem ist die Zahl der Widersacher noch nicht voll, es kommt die Menge der Dämonen dazu, wer von uns kennt ihre Zahl? Als (Mark. 5) unser König einen, der im Kampfe unter dem Angriff der Dämonen gefallen war, errettete, fragte er den Angreifer: Wie heißt du? Und er sprach: Legion heiße ich, denn unser ist viel. Wenn also eine Legion Dämonen, das ist sechstausend sechshundert sechsundsechzig, von einem Menschen Besitz ergriffen hatte, wie groß muss die Menge der Feinde sein! Ja, da wider unsern Feldherrn und König streiten alle Teufel, alle Sünden, jeder schlechtgesinnte Mensch, so ist offenbar, dass wider jeden seiner Streiter stehen Welt, Fleisch, alle Teufel, alle Sünden, jeder böse Mensch.

Da es nun diesen Feinden nicht an Macht, Schlauheit und Grausamkeit fehlt, so frage ich: wie kann sich ein Mensch, der für Gott streitet, wehrlos dem Schlafe ergeben, fällt er doch so in die Anfechtung, vor der ihn sein König warnt und gibt sich freiwillig in des Feindes Gewalt! Zum Wachen mahnt unser aller Heiland und Heerführer die Schlafenden Matth. 26,41: Was schlaft ihr? Wacht und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Was ich aber euch sage, sage ich allen: Wacht! und Luk. 21,36, indem er auch die Zeit und die Ursache der Wachsamkeit angibt: So seid nun wacker allezeit - denn die Feinde kämpfen immerdar und immer gefährlichere Angriffe drohen - betet, dass ihr würdig werden mögt, zu entfliehen diesem allem, das geschehen soll, und zu stehen vor des Menschen Sohn, nämlich der Gefahr der Verdammnis, der Tapferkeit, List, Grausamkeit und Verfolgung der Feinde und dem plötzlichen Tag des Gerichts; zu dessen Vermeidung die Streiter Christi Lust und unerlaubte Sorgen dieses Lebens fliehen müssen, nach dem Wort des Herrn Luk. 21,34: hütet euch, dass eure Herzen nicht beschweret werden mit Fressen und Saufen und mit Sorgen der Nahrung und komme dieser Tag schnell über euch; denn wie ein Fallstrick wird er kommen über alle, die auf Erden wohnen. Darum so steht nun, umgürtet eure Lenden.

Aus dem bisher Gesagten haben wir erkannt, wie wichtig der Kampf und wie herrlich und preiswürdig der Sieg im Dienste Christi ist, durch den die Streiter Christi allen Übeln entrinnen, kein Haar von ihrem Haupte verlieren, was sie verloren, hundertfältig wieder erlangen und mit Ehren stehen werden vor des Menschen Sohn und ihre Seelen retten. Ja, nachdem sie alle Güter erlangt, werden sie nach dem Siege mit dem Herrn Christus auf seinem Thron im ewigen Leben herrschen. So spricht der, der auf dem Throne sitzt (Offenb. 3,21): Wer überwindet, dem will ich geben mit mir auf meinem Stuhle zu sitzen! O wunderbare Ehre, deren uns Christus würdigt, o herrliche Liebe, mit der er uns umfasst, o kostbarer Lohn, den er uns verheißt, zu seiner Rechten zu sitzen und an der ganzen Herrlichkeit seines Reiches teil zu haben! Ja, es spricht der Wahrhaftige, der auf dem Throne sitzt: ich will ihm geben, mit mir auf dem Stuhle zu sitzen! Wer verheißt dies? frage ich, und wem? Der wahrhaftige Gott, die höchste Gütigkeit, dem elenden Menschen! der Schöpfer dem Geschöpf! der König der Herrlichkeit der befleckten Natur! der höchste Gott dem ärmsten Knecht! der Erlöser dem längst verderbten Menschen! der Heerführer seinem Soldaten! der Hohepriester seinem Diener! Auf seinem Stuhl zu sitzen verheißt er, d. i. zu ruhen von der Arbeit, zu essen vom Holze des Lebensbaumes Gottes, die Krone des Lebens zu tragen, vor dem Vater und seinen Engeln einen Namen zu haben, den Namen Gottes zu tragen mit Christo auf seinem Throne!

O, nur ein Sohn des Verderbens, ein Wahnsinniger, voller Sünde und dem Teufel unterworfen, kann diese Belohnungen nicht achten, so viele und so große Freuden für den vorübergehenden Kitzel der Fleisches- und Weltlust dahingeben und das Leben der Herrlichkeit mit dem ewigen Verderben vertauschen! Wehe! Ach, leider so viele tun es dennoch, die eitler Ruhm verführt! Nicht also, ihr Streiter Christi, nicht also, hören wir vielmehr den Befehl unsers Heerführers und stehen wir fest und unerschütterlich im Kampfe unsers Herrn Jesu Christi! Denn nur wer bis ans Ende beharret, der wird selig (Matth. 10,22); nur wer überwindet, dem gibt er, auf seinem Stuhle zu sitzen! Dafür lasst uns beten, die Lenden umgürtet mit Keuschheit, als die Diener Christi, angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit, als die Streiter Christi, und an Beinen gestiefelt, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens, als die Haushalter Christi, auf dass uns jedermann dafür halte, nämlich für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse, die da treu erfunden werden (1. Kor. 4,1-2). Wer da treu erfunden ist, der ist fürwahr ein Engel des Herrn, ein Priester des höchsten Gottes, ein Hohepriester, ein oberster Bischof, ein ausgezeichneter Lehrer, ein Erbe der Apostel, ein Lehrer der Heiden, ein Anker der Hoffnung, ein Brautführer der Braut Christi, ein Gefäß der heiligen Dreieinigkeit, eine Wohnung Christi, ein Diener der Heiligen, ein Erbe des Reiches, ein Miterbe Christi, ein Erstling der Heiligen, wie Abel, ein Glaubensheld, wie Noah, ein Erzvater, wie Abraham, ein Priesterkönig, wie Melchisedek, ein Würdenträger, wie Aaron, ein Fürst, wie Moses, ein Richter, wie Samuel, ein Felsenmann, wie Petrus, ein Gesalbter, wie Christus. Sir. 31,9-10: Wo ist der? So wollen wir ihn loben, denn er tut großes Ding unter seinem Volk; der bewährt hierinnen und rechtschaffen erfunden ist, der wird billig gelobet; er konnte wohl Übels tun und tat es doch nicht, und Schaden tun und tat es auch nicht! Fürwahr, er ist ein Herold des Herrn, eine Posaune des Evangeliums, ein Freund des Bräutigams, ein Spiegel des Klerus, ein Auge der Blinden, ein Fuß der Lahmen, ein Salz der Erde, ein Licht des Vaterlandes, ein Diener des Allerhöchsten, ein Stellvertreter Christi, ein Christ des Herrn! Er ist's, dem die Schlüssel des Himmelreichs übergeben und die Schafe Christi anvertraut sind! Er ist's, der da Macht hat, die Herde mit dem Worte, dem Leibe und Blute des Herrn Jesu Christi zu weiden! Er ist's, der Gewalt empfangen, die Kirche durch Lehre und Wandel zu erbauen! Er ist's endlich, den der Herr sich erwählt zum Lehrer des Volks, zum Vorbild des Lebens, zum Spiegel der Buße und zum Exempel der Heiligkeit, dem er den Geist der Weisheit und des Verstandes eingießt, dass er unter den Gelehrten der Gelehrteste, unter den Gerechten der Gerechteste, unter den Keuschen der Keuscheste, unter den Demütigen der Demütigste und fertig zu treiben das Evangelium des Friedens unter den Nützlichen der Nützlichste sei, feststehend, umgürtet an den Lenden, angezogen mit dem Panzer der Gerechtigkeit und gestiefelt, zu treiben das Evangelium. Wo ist dieser Priester des Herrn? So wollen wir ihn loben, denn er tut Wunder in seinem Leben! O, seht zu, dass ihr also werdet und steht darum und umgürtet eure Lenden! Denn wer, wie der Lügner von Anfang, in der Wahrheit nicht besteht, die Lenden nicht umgürtet, die Wahrheit nicht anzieht, noch gestiefelt ist, das Evangelium des Friedens zu treiben, der ist nach dem Zeugnisse Christi, wie Judas Ischarioth, ein Teufel, weil er aus der Gnade gefallen, ein böser Geist, weil er blutbefleckt ist mit allen Verbrechen, ein Belial, weil er ungehorsam das Joch des Herrn abgeworfen, ein Satan, weil ein Widersacher Christi, der Behemoth, weil ein blutdürftiges Tier, der Leviathan, weil er eine Sünde auf die andre häuft, ein Mammon an Geiz, ein Bel an Gefräßigkeit, ein Asmodeus an Verderbenslust, ein Satansengel an Verführungslist, ein Dagonspriester an Abgötterei, ein Bileam an Lästerung, ein Lügenprophet, eine Grundsuppe aller Bosheit, ein Herold der Schlechtigkeit, ein Verführer zum Verbrechen, ein Gefäß voll Unehren, eine Wohnstätte des Teufels, ein Knecht der Sünde, ein Erbe der Hölle, ein Genosse des Antichrists, ein Luzifer, ein Fürst der Finsternis, ein Unglücksbote, ein Lügenmaul, ein Satansfreund, ein Verstörer des Klerus, ein Verblender des Volks, ein dummes Salz der Erde, das nicht einmal in den Mist nütze ist, Finsternis der Hölle, ein Statthalter des Widerchrists, den er selbst bestellt hat, um das Volk zu verführen, ein verweltlichter Mensch, ein Spiegel der Nichtswürdigkeit, ein Exempel aller Schurkerei, dem der Teufel den Geist der Bosheit eingegossen, dass er unter den Kindern dieser Welt der verschlagenste, der üppigste, der prachtliebendste, der ungerechteste, der lügenhafteste, kurz, allem zuwider sei, was das Evangelium Christi gebietet, unter den Unnützen der Unnützeste, unter den Verdammten der Verdammteste!

Siehe, wie pestbringend die Verderbnis der Priester! Siehe, wie ungeheuer die Stufenleiter der Sünden, auf der sie von der Tugend in das Laster verfallen, vom Licht in die Finsternis, von der Freude in die Trauer, vom Leben in den Tod, von der ewigen Herrlichkeit in unendlichen Jammer! All das flieht und verabscheuet, ihr Priester, wenn ihr noch Vernunft habt, und steht darum und umgürtet eure Lenden! Siehe, die wir das heilige Priesteramt verwalten, wir haben nun gehört, wie groß die Würde und der Lohn des treuen, und wie schrecklich der Fluch und das Verderben des schlechten Priesters ist, wir haben gehört von dem Aufstieg zur Herrlichkeit, wir haben auch gehört von dem Absturz zur Verdammnis! Vermag euch diese nicht anzureizen, so möge euch doch jene erschrecken, weil die Traurigkeit über den Verlust von Ehre und Ruhm lange nicht so groß ist, als der Schmerz, die ewige Herrlichkeit zu verlieren und in die äußerste Finsternis geworfen zu werden, da wird sein Heulen und Zähnklappen, ein unauslöschliches Feuer und eine ewige Qual.

Heulen und Zähnklappen! Das ist die Strafe, die unser Heiland im Evangelium siebenmal gegenüber dem siebenfachen Verderben des Klerus angekündigt hat. Denn weil sie mit dem Schmutze des Geld- und Ehrgeizes befleckt und also nicht hochzeitlich bekleidet zur Priesterwürde sich herzudrängen, so ruft der König der Hochzeit zuerst einem jeden von ihnen zu (Matth. 22,12-13): Freund, wie bist du hereingekommen und hast doch kein hochzeitlich Kleid an? Und dann: Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn in die äußerste Finsternis, da wird sein Heulen und Zähnklappen! Weil sie zweitens ein gottloses Leben führen, so spricht der Mund der Wahrheit (Matth. 13,42): Die da Unrecht tun, wird man in den Feuerofen werfen; und folgt: da wird sein Heulen und Zähnklappen! Drittens weil sie andre ärgern, so wird des Menschen Sohn seine Engel senden und sie werden sammeln aus seinem Reich alle Ärgernisse; dann folgt dieselbe Drohung. Weil sie viertens unnütz sind im Lehren, so urteilt der Herr über sie (Matth. 25,30): Den unnützen Knecht werft in die äußerste Finsternis hinaus; und folgt: da wird sein Heulen und Zähnklappen! Weil sie fünftens ihre Untergebenen bedrücken, ruft er ihnen zu (Matth. 24,48ff.): So aber jener, der böse Knecht, wird in seinem Herzen sagen: Mein Herr kommt noch lange nicht; und fängt an zu schlagen seine Mitknechte, isst und trinkt mit den Trunkenen; so wird der Herr desselben Knechts kommen an dem Tage, dass er sich nicht versieht und zu der Stunde, die er nicht meint, und wird ihn zerscheitern und wird ihm seinen Lohn geben mit den Heuchlern. Und folgt: da wird sein Heulen und Zähnklappen. Ebenso sechstens, weil sie ein üppiges Leben führen, wie geschrieben steht Lukas 13,24ff.: Ringt danach, dass ihr durch die enge Pforte eingeht; denn viele werden, das sage ich euch, danach trachten, wie sie hinein kommen, und werden es nicht tun können; sie werden anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken; er aber wird ihnen sagen: Ich kenne euch nicht, weicht alle von mir, ihr Übeltäter. Und folgt: da wird sein Heulen und Zähnklappen. Endlich siebentes, weil sie nicht Buße tun; weshalb der Herr ebendaselbst (Luk. 13,3.5) zweimal zu ihnen sagt: So ihr euch nicht bessert, werdet ihr alle auch also umkommen; und Matth. 8,12, wo er den Glauben des Hauptmanns, des Laien, lobt: Die Kinder des Reichs, das sind die Kleriker, die selten Buße tun, werden ausgestoßen in die äußerste Finsternis, da wird sein Heulen und Zähnklappen. Denn die Kleriker, sie tun, wie Chrysostomus sagt, selten oder nie wahre Buße; darum wehe ihnen, sie werden gebunden und in die äußerste Finsternis gestoßen werden, da wird sein Heulen und Zähnklappen, unauslöschliches Feuer und ewige Qual. Ja, wehe ihnen, die so unwürdig sich zur Priesterwürde herzudrängen, die ein so gottloses Leben darin führen, andre ärgern, zum Lehren untauglich sind, ihre Untergebenen bedrücken, ein üppiges Leben führen und nicht Buße tun! Wehe und abermals wehe; es wäre solchem Menschen besser, wenn er nie geboren wäre! Seht die sieben Laster des Klerus und dem entsprechend die siebenfache Qual. Gedenkt ihr dieser Qual zu entrinnen, so hütet euch vor den Lastern, steht, umgürtet eure Lenden!

In diesen unsern Textesworten ermahnt der Apostel zu einem Dreifachen: zur Beständigkeit in guten Werken, zum Tun derselben ohne Falschheit und zur Reinheit der Absicht; denn diese drei Stücke sind uns bei der Verführung des Fleisches, in einer argen Welt und am Scheideweg des Himmels und der Hölle durchaus notwendig. Wegen des ersten ermahnt er: Steht, umgürtet eure Lenden mit Wahrheit; wegen des zweiten: Steht angezogen mit dem Panzer der Gerechtigkeit; wegen des dritten: Steht gestiefelt an den Beinen als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens.

Es ist klar, dass hier der Apostel eine dreifache Waffenrüstung meint.

Das erste Stück derselben ist der Gürtel der Heiligkeit in der Wahrheit, mit dem wir zuerst unsern Leib gegen die Verführung des Fleisches umgürten müssen. Denn fest steht nur, wer die Liebe festhaltend den Angriffen des Teufels Widerstand tut, die Lenden mit dem Gürtel der Keuschheit umgürtet und die Lenden des Gemüts mit der Tugend der Mäßigkeit begürtet. Jeder Mensch, vornehmlich aber der Kleriker, muss den Feind, den er im eignen Hause hat, zuerst bezwingen; denn durch diesen greift ihn der Teufel am stärksten an und besiegt ihn am leichtesten. Die Rüstung aber, womit dies geschieht, ist nicht eine körperliche, die nicht viel nütze ist, sondern eine geistliche, wie der Apostel sagt 1. Petr. 1,13: Begürtet die Lenden eures Gemüts, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird. Von dieser aber fällt ab, wer in Untreue dem Weibe und dem Fleische dient; denn er weicht von der Wahrheit, wie der Abtrünnige, indem er als ein Götzendiener dem Fleische und der Lust als seinen Göttern dient, wie der Apostel sagt Phil. 3,19: Der Bauch ist ihr Gott!

Daraus folgt, dass alle fleischlich und ehebrecherisch Gesinnten und vornehmlich die Kleriker, die so gesinnt sind, Götzendiener, Bund- und Eidbrüchige und Kinder des Teufels sind, die den Herrn Jesum und ihre Priesterpflicht nicht kennen, wie die Söhne Elis; ja, ein Ketzer muss genannt werden, wie Hieronymus zum Brief an die Galater schreibt, jeder Sodomite, der wider die Natur sündigt, jeder Unkeusche, der sich mit einer Blutsverwandten vergeht, jeder Ehebrecher, der eines andern Ehebett besteigt, jeder Heiligtumsschänder, der eine Gott geweihte Jungfrau oder geistliche Tochter schändet, jeder Hurer und Jungfrauenräuber und was sonst noch von derartigen fleischlichen Werken genannt werden mag. Ja, da jeder, der so sündigt, Gott verleugnet, da Gott an ihnen ein Gräuel hat und gehorchen nicht und sind zu allem guten Werk untüchtig, ist offenbar, dass er ein Ketzer ist. Wie der Apostel Tit. 1,15-16 schreibt: „Den Reinen ist alles rein; den Unreinen aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern unrein ist beides, ihr Sinn und Gewissen. Sie sagen, sie erkennen Gott, aber mit den Werken verleugnen sie es; sintemal sie sind, an welchen Gott ein Gräuel hat, und gehorchen nicht und sind zu allem guten Werk untüchtig.“

Die aber ihre Hurerei gar nicht für Todsünde erklären, verteidigen und keine Zucht Gottes und ihrer Oberen, ihrer Brüder und des gemeinen Urteils des Volkes annehmen, sind in ihrer Verstocktheit ganz hartnäckige Ketzer. Solche Hurer befiehlt der Apostel (1. Kor. 5,5) dem Verderben des Fleisches zu übergeben, keine Speise mit ihnen zu genießen und sie für Ketzer zu halten. Und der heilige Gregor sagt von ihnen: Wer nach dem Empfang der heiligen Weihen in fleischliche Sünden verfällt, der soll der heiligen Weihen verlustig sein und nicht ferner dem Altare dienen! Ebenso gebietet eine kirchliche Konstitution: Wenn ein Bischof, Presbyter oder Diakon nach Empfang der Weihe in Hurerei oder Ehebruch verfällt, so soll er, abgesetzt und aus der Kirche ausgestoßen, unter den Laien Buße tun! Und der treffliche Erzbischof Ernst von Prag, seligen Angedenkens, hat in seinen Provinzialstatuten die Bestimmung getroffen, dass alle konkubinarischen Priester ihrer Stellen entsetzt werden sollten; haben sie aber keine Stellen, so sollen sie vom Amte entfernt und, wenn sie nicht davon lassen, aus der Diözese vertrieben und ihre Archidiakonen und Pfarrgeistlichen, weil sie solche Sünden wissentlich dulden, bestraft werden, als ob sie selbst im Konkubinat lebten. Der allmächtige Gott aber befahl einst wegen der Hurerei des Volkes mit den Töchtern Moab alle Obersten gegen die Sonne aufzuhängen (4. Mos. 25). Wozu Origenes bemerkt: Siehe, das Volk sündigt und die Fürsten werden gegen die Sonne an den Pranger gestellt, das ist zur Prüfung vorgeführt, um vom Lichte gestraft zu werden. Hier siehst du, welche Stellung die Fürsten des Volks einnehmen; sie müssen nicht nur für ihre, sondern auch für des Volkes Sünden Rechenschaft ablegen, weil die Schuld auch auf sie fällt, wenn das Volk sich versündigt, darum dass sie dasselbe nicht belehrt und nicht vermahnt, noch gehindert haben, dass die Ansteckung weiter um sich greife. Denn dies alles liegt den Fürsten und Lehrern ob, zu tun. Versäumen sie es aber, tragen sie nicht Sorge für das Volk und sündigt dasselbe alsdann, so werden sie dafür zur Rede gestellt und vor Gericht gefordert. Moses, d. i. Gottes Gesetz, beschuldigt sie als Nachlässige, Träge und Unvermögende; der Zorn Gottes wendet sich gegen sie und weicht vom Volk. Wenn die Menschen dies bedächten, würden sie niemals nach der Herrschaft über das Volk verlangen oder buhlen. Ich wenigstens habe genug daran, um meiner eignen Sünden und Vergehen willen zur Rede gestellt zu werden, für mich selbst und meine Sünden Rechenschaft abzulegen. Was sollte ich mich auch noch für die Sünden des Volkes gegen die Sonne stellen lassen, vor welcher nichts verborgen oder verheimlicht werden kann? So Origenes.

O, möchten das doch alle erwägen, die Päpste, Kardinäle, Patriarchen, Primate, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Pröbste, Archidiakonen, Prioren, Dekane, Presbyter, Guardiane, Brüder und Mönche! Aber sie lassen's nicht nur daran fehlen, die Hurerei zu verhindern, sondern viele unter ihnen verheimlichen und gestatten auch noch diese und ähnliche Laster ihrer Untergebenen, sei's aus Furcht vor der Welt, sei's aus Gunst und weil sie Geschenke dafür nehmen und was noch viel abscheulicher ist, weil sie selbst aufs ärgste darin verstrickt sind. Denn so spricht nicht mein, sondern des Herrn Wort (Jerem. 5,3 ff.): Sie haben ein härter Angesicht, denn ein Fels, und wollen sich nicht bekehren. Ich dachte aber: Wohlan, der arme Hause ist unverständig, weiß nichts um des Herrn Weg; ich will zu den Gewaltigen gehen und mit ihnen reden, dieselbigen werden um des Herrn Weg wissen; aber sie hatten das Joch noch mehr zerbrochen und die Seile zerrissen; ihrer Übertretungen waren noch viel mehr und ihre Abweichungen noch viel stärker geworden. Nun ich sie gesättigt habe, treiben sie Ehebruch und laufen ins Hurenhaus. Ein jeglicher wiehert nach seines Nächsten Weibe, wie die vollen, rennenden Hengste. Und ich sollte sie um solches nicht heimsuchen? spricht der Herr! - Ja, der Herzen und Nieren prüft, spricht: es muss geschehen, weil die Gewaltigen ihre Angesichter verhärtet haben, nämlich durch ihre Verstockung in der Bosheit, und weil sie noch mehr, als ihre Untergebenen, das Joch des Gebotes des Herrn zerbrochen und in allen Sünden sich verhärtet haben. Denn sie sind die jungen Kälber und die fetten Stiere, von denen der Prophet namens Christi und der Kirche sagt (Ps. 22,13): Große Farren haben mich umgeben, fette Ochsen haben mich umringet; d. i., wie die Glosse bemerkt, ein üppiges und ausgelassenes Volk, das, wie der Farre, noch kein Joch getragen oder dasselbe zerbrochen hat, wie der Ochse. Sie sind noch mehr, sie sind fette Kühe, die kein Bauer und kein Hirte, geschweige denn ein Priester, zu bändigen vermag; wie Amos 4, 1 sagt: Höret dies Wort, ihr fetten Kühe, die ihr auf dem Berge Samaria seid und den Dürftigen Unrecht tut und untertretet die Armen und sprecht zu euern Herren: Bring her, dass wir saufen. Wozu die Glosse bemerkt: Dies geht speziell auf die Prälaten, denn sie sind auf dem Berge Samaria, d. i. auf dem hervorragendsten Wachtposten aufgestellt; sie sind nicht Männliche, sondern Kühe, weil durch ihre unreinen Lüste weibisch geworden; und fett sind sie auch, denn sie haben Überfluss an allen zeitlichen Gütern. Wegen dieses Überflusses und Fettseins spricht Habakuk 1,16 von dem Teufel: Sein Teil ist so fett und seine Speise auserlesen. Die Prälaten und schlechten Priester sind nämlich ganz vorzüglich Beute und Speise des Teufels. Das hat auch seinen Grund. Denn es spricht Amos der Hirt an der angeführten Stelle: Ihr fetten Kühe tut dem Dürftigen Unrecht - nämlich durch Erhebung von falschen Beschuldigungen. Ihr fetten Kühe, die ihr auf dem Berge Samaria seid, untertretet die Armen nämlich, indem ihr sie der Güter beraubt. Ihr fetten Kühe sprecht zu euren Herren, nämlich den höheren Prälaten, bringet her, das heißt: befehlt, dass hergebracht werde, und lasst uns saufen, uns zu berauschen. Aber was folgt dann? Höret, ihr fetten Kühe, sagt der Bauer und Hirt Amos: Der Herr hat geschworen in seinem Heiligen: siehe, es werden Tage über euch kommen, dass man euch mit Gabeln wird hervorholen und eure Überreste in heiße Töpfe werfen. Der Herr hat dies geschworen, d. i. fest beschlossen, nämlich Gott der Vater; in seinem Heiligen; d. i. in Christo; siehe, d. i. in Bälde; und öffentlich, denn „Tage“ kommen über euch fette Kühe, d. i. Tage des Jammers, des Elends und des Verderbens; und mit Gabeln werden sie euch holen, die Teufel, wie der Fischer die glatten Aale, die im Kote liegen, mit der Fischgabel aufstört, d. i. nach göttlichem Befehle; und eure Überreste, d. i. die unreinen Gedanken, die nach den Werken des Fleisches in euch übrig geblieben sind, werden sie in heiße Töpfe werfen, d. i. in heißen Pfannen braten. Das ist das Wort des Herrn und des Hirten und Bauern Amos über die fetten Kühe, die im Überfluss an zeitlichen Gütern die Bande der Mäßigkeit zerrissen haben. Wollt ihr dem entrinnen, haltet euch mager in eurem Stall, traget das Joch des Herrn! Steht, umgürtet eure Lenden mit Wahrheit!

Das zweite Stück der Waffenrüstung ist der Panzer der Gerechtigkeit, welcher den größeren Teil des inwendigen Menschen schützt, dass er vom Kote der Welt nicht verunreinigt werde. Darum sagt der Apostel zweitens: Zieht an den Panzer der Gerechtigkeit! Da nun nach den Kirchenvätern und Philosophen die menschliche Gerechtigkeit die Tugend ist, einem jeden das Seine zu geben, so ersieht man daraus, dass die Erfüllung der Gerechtigkeit in einem Dreifachen besteht: Gott zu geben, was Gottes ist, seinem frommen Knechte, was ihm gebührt, und dem Gottlosen, was ihm zukommen muss.

Was nun zuerst Gott betrifft, so gebührt ihm, als dem höchsten Herrn, die Ehre und alles Tun des Guten. Darum gibt der Mensch Gott, was Gottes ist, wenn er vor allem und zuerst darauf denkt, was er nur kann, zu Gottes Ehre zu tun; seinen frommen Knechten aber, wenn er sie in der Tugend schützt und dazu anleitet und was die Furcht des Herrn hindert, weltliche Ehre, zeitliche Güter u. dgl., weislich von ihnen ferne hält; endlich, wenn er sie die sichtbaren Güter nur insoweit zu gebrauchen anhält, als zur Tugend nötig ist. Den gottlosen Knechten gibt er, was ihnen gebührt, wenn er sie vor aller Bosheit warnt, in ihrem Übermute züchtigt und nötigenfalls auch auf gerechte Weise aus dieser Welt schafft.

Hier bitte ich aber dich, der du nicht blind bist, und wenn du auch halbblind wärst, gib genau acht, ob die Kleriker diese Bedingungen der Gerechtigkeit erfüllen, und du wirst deutlich sehen, dass sie vielmehr Gott die ihm gebührende Ehre entziehen und aufgeblasen, wie Luzifer, Christum verachten! Wie der Herr spricht (Jes. 1,2): Ich habe Kinder auferzogen und erhöht, aber sie verachteten mich! Und wie tun sie dies? Indem sie wie Fürsten stolz und wie Könige übermütig geworden sind. Höre, was ein gewaltiger Zeuge, der heilige Papst Gregor, sagt: Die Wahrheit hat's geweissagt, Pest und Schwert wüten auf der Welt, die Völker der Erde erheben sich, es erbebt der Weltkreis mit seinen Bewohnern, alle Bande lösen sich, der Fürst des Hochmuts ist nahe und aus den Priestern es ist schrecklich, es sagen zu müssen! wirbt er sich sein Heer, weil sie stolze Häupter einhertragen, da sie Vorbilder der Demut sein sollten. Siehe, wie der Antichrist sein Heer aus den Priestern sich sammelt! Und etwa nur aus vielen unter ihnen? Jeremias (Klagl. 1, 2) seufzt: Unter allen ihren Liebhabern ist niemand, der sie tröste; alle ihre Nächsten sind ihr untreu und ihre Feinde geworden. Ach, warum, o heiliger Priester Jeremias? Weil sie geizen allesamt, klein und groß und Propheten und Priester Lügen treiben; weil sie den Schaden meines Volkes aufs Leichte hin heilen und sagen: Friede, Friede, und ist doch nicht Friede; weil sie verwirrt sind und Gräuel treiben (Jer. 6,13-14). Diesen Gräuel hat der scharfsichtige Kenner des Zustandes der Kirche, der heilige Bernhard, richtig erkannt, wenn er in der 33. Rede über das Hohe Lied sagt: Die Freunde sind allzumal Feinde geworden, die Verwandten Widersacher, die Hausgenossen Friedestörer; auch die Nächsten suchen nur das Ihre, die Diener Christi dienen dem Antichrist; reich von den Gütern des Herrn, dem sie keine Ehre erweisen, stolzieren sie einher! Daher ihr buhlerischer Putz, den man täglich sehen muss, ihre schauspielermäßige Haltung, ihre königliche Pracht, daher ihr Gold an den Zügeln, an den Sesseln, an den Sporen; ihre Sporen glänzen mehr, als ihre Altäre; daher ihre mit Speisen und Getränken reich beladenen Tafeln, daher ihre Fressereien und Saufereien, daher ihr Zithern, Leiern und Flöten, daher ihre vollen Fässer und Vorratskammern, daher ihre Schminkbüchsen, daher ihre vollen Beutel! Und so wollen sie sein und sind der Kirchen Pröbste, Dekane, Archidiakone, Bischöfe und Erzbischöfe! Wahrlich, das sind sie nicht nach Verdienst und Würdigkeit, sondern nur in Heuchelei, die im Finstern schleicht! Was längst geweissagt war, das ist nun in Erfüllung gegangen: und das ist mein bitterster Kummer. Bitter war einst der Kummer über den Märtyrertod so vieler; noch bitterer, als es den Kampf mit den Häretikern galt; das Bitterste und Schlimmste aber ist die innere und wahrhaft unheilbare Verderbnis in der Kirche, die Sittenlosigkeit ihrer Hausgenossen, der sie nicht zu entrinnen, die sie nicht zu vertreiben vermag. So ist gerade im Frieden ihr Kummer am bittersten. Doch in was für einem Frieden? Es ist wohl Friede und doch kein Friede; Friede mit den Heiden, Friede mit den Häretikern, aber kein Friede mit den eignen Kindern! Denn es gilt jetzt: Ich habe Söhne erzogen und erhöht, aber sie verachten mich; sie schänden mich mit ihrem Lasterleben, mit ihrer Gewinnsucht, mit dem Gewerbe ihrer im Finstern schleichenden Heuchelei. So Bernhard. Wenn also die Kleriker Gott durch ihren Stolz verachten und durch schändlichen Erwerb und Heuchelei die Kirche beflecken, wie erfüllen sie dann die erste Pflicht der Gerechtigkeit, Gott zu geben, was Gottes ist? Ja, er muss klagen: Ich habe Kinder auferzogen und erhöht, aber sie verachten mich!

Und wie steht's sodann mit der zweiten Pflicht der Gerechtigkeit, dem frommen Knechte Gottes zu geben, was ihm gebührt, dem Vorgesetzten den schuldigen Gehorsam, dem Gleichgestellten wahrhaft brüderliche Gesinnung und dem Untergebenen Schutz, Hilfe und Zurechtweisung bei Ausschreitungen? O, auch ein Blinder kann's mit Händen greifen, dass dieses Stück der Gerechtigkeit in sein gerades Gegenteil verkehrt ist!

Den Vorgesetzten erzeigt der Klerus Ungehorsam, den Gleichgestellten Feindseligkeit und den Untergebenen Raub und Bedrückung, nebst einer Zucht, die ihnen gar nicht zukommt, indem der Pfarrer frech und zuchtlos, die Mönche aber stolz und übermütig sind. Denn jene, die Leutepriester und Weltgeistlichen, verkündigen wider ihren Befehl dem Volke Gottes Gebote nicht, sie lehren das Volk das Glaubensbekenntnis und das Gebet des Herrn nicht und die Laster reuten sie nicht aus, zerstören und zerstreuen sie nicht; da der Herr doch einem jeden von ihnen zuruft (Jerem. 1, 10): Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund, dass du ausreißen, zerbrechen und verderben sollst und bauen und pflanzen. Wie reißen sie aber aus, da sie dem Volke Gottes Wort nicht lehren? Wie zerstören sie die Sünde, da sie dieselbe vielmehr häufen, das Gute ausreißen und das Böse pflanzen? Wie der Herr spricht (Jerem. 2, 8): Die Priester gedachten nicht: Wo ist der Herr? und die Gelehrten achteten mein nicht und die Hirten fielen ab von mir; indem sie weder mir, dem Höchsten, noch ihren Oberen den schuldigen Gehorsam erzeigten! Diese aber, die Mönche, erzeigen ihren Oberen durch ihre stolze Ausnahmsstellung Ungehorsam: Ganz selten sind ja die Klöster, in denen man dem Diözesanbischof demütig gehorchen will; ein großer Teil der Brüder und Mönche hat sich sogar, wider die Regeln ihrer eignen Väter, von dem Gehorsam ihrer eignen Oberen losgemacht. Wem gehorchen sie also, da sie, wie Beliaskinder, ohne das Joch des Gehorsams sind? Und was gehen daraus für Früchte hervor? Der heilige Mönch Bernhard beschreibt es in seinen Briefen an den Papst Eugen: Keine andre Frucht geht daraus hervor, als dass die Bischöfe immer übermütiger und die Mönche immer ausgelassener sein werden! So muss dann das Volk immer frecher und zügelloser werden! Denn es ist niemand da, der sie zurechtweist. Was nützen sie also? Ich fürchte, ihnen ist gedroht, was Gott durch den Propheten spricht: Sie werden in ihren Sünden sterben. Hier sieht man den Nutzen der Exemptionen3)! Sie fürchtet deshalb Bernhard und sagt in seinem Apologetikus: Ich, als Mönch und Abt von Mönchen, bin der Überzeugung, dass, sobald ich versuchen würde, das Joch meines Priesters von mir abzuschütteln, ich mich der Tyrannei des Satans alsbald unterwerfen würde! Das ist ein weiteres Unheil, das aus den Exemptionen hervorgeht!

Aber die Kleriker erweisen auch gegen die ihnen Gleichgestellten und Nächsten Zwietracht wider das Wort des Herrn (Matth. 5,40): So jemand mit dir rechten will und den Rock nehmen, dem lass auch den Mantel! und wider das Wort des Apostels (1. Kor. 11,16): Ist jemand unter euch, der Lust hat zu zanken, der wisse, dass wir solche Weise nicht haben, die Gemeinen Gottes auch nicht. O Paulus, du Kleriker Christi, was sagst du? Wir haben eine solche Gewohnheit nicht? Wahrlich, wir modernen Kleriker haben sie! Was verwirrt denn die Kirche mehr, als unser Streiten? Wodurch anders ist das Schisma entstanden, als durch das Streiten? Was ist denn der Kleriker vorzüglichste Gewohnheit? O Paulus, bist du zu Rom? Ich bitte dich, was tut der Klerus zu Rom? Doch, du liegst dort tot und redest jetzt nicht mehr mit deinem Munde! Aber von dir und statt deiner redet der heilige Bernhard den Papst Eugen (in seinem Buch De consideratione, lib. I) also an: Sage mir doch, bitte ich, wo bist du noch frei, wo sicher, wo dein eigen? Überall überwältigt dich der Lärm, die Unruhe und das Joch deiner Knechtschaft; antworte mir auch nicht mit dem Worte des Apostels (1. Kor. 9,19): Wiewohl ich frei bin von jedermann, habe ich mich doch jedermann zum Knechte gemacht; denn das ist ferne von dir. Oder hat er auch in solcher Knechtschaft den Menschen gedient, dass er nach schändlichem Gewinne trachtete? Sind zu ihm auch alle Ehrsüchtigen, Habgierigen, Simonisten, Tempelschänder, Ehebrecher, Blutschänder, und was sonst noch gräuliche Menschen der Art sind, aus der ganzen Welt zusammengeströmt, um durch seine apostolische Autorität kirchliche Ehrenstellen zu erlangen oder nicht zu verlieren? Und weiter unten sagt er über die Streitsucht der Kleriker: Was ist knechtischer und unwürdiger, vor allem für den obersten Priester, ich sage nicht an jedem Tag, sondern fast zu jeder Stunde über solchen Dingen zu schwitzen? Und wann beten wir denn dafür? Wann lehren wir die Völker? Wann erbauen wir die Kirche? Wann forschen wir in dem Gesetz? Doch freilich, die Gesetze durchstöbern sie täglich im Palaste, aber nicht die des Herrn, sondern Justinians! Halte auch jenes Recht! Und du wirst sehen, nur das Gesetz des Herrn ist ohne Makel und bekehrt die Seele; diese Gesetze aber sind vielmehr Streitsätze und Sophistereien, die das Recht verkehren. Darum lass ab, ich beschwöre dich, du Hirte und Bischof der Seelen, von jenem Gesetze zu schweigen und von diesen immer zu schwatzen! Es sollte mich wundern, wenn dir diese Verkehrtheit nicht bisweilen Gewissensbedenken wachrufen; ich meine, sie müsste auch dich bisweilen mit dem Propheten ausrufen lehren: Die Gottlosen haben mir Fabeln erzählt, aber nicht nach deinem Gesetze. Seht, was die aus dem Geize und der ehrsüchtigen Zwietracht der Kleriker kommenden Zänkereien, Streitereien, Sophistereien und gottlosen Fabeln hervorbringen! Sie hindern das Gebet! Wie Bernhard sagt: Wann beten wir? wollte er sagen: niemals! Sie hindern die Unterweisung der Völker! Wie er sagt: Wann lehren wir die Völker? Als wollte er sagen: niemals! Sie zerstören die Erbauung der Kirche! Wie er sagt: Wann bauen wir die Kirche? Als wollte er sagen: niemals! Sie machen das Forschen im Gesetz des Herrn zunichte! Wir er sagt: Wann forschen wir im Gesetz? Als wollte er sagen: niemals! Sie unterdrücken den Schall des Gesetzes des Herrn! Wie er sagt: Lass doch ab, von jenem Gesetze immer zu schweigen! Viel machen sie dagegen des Geschwätzes von den Gesetzen Justinians! Wie er sagt: Lass ab, von diesen zu schwätzen! Da das Streiten der Kleriker nun so viele und so große Übel über die Kirche häuft, so sei es verflucht vom Herrn!

Zum dritten erzeigen die Kleriker gleich den Laien, den ihnen Untergebenen Beraubung statt Unterstützung, Bedrückung statt Verteidigung und eine Züchtigung, die mit dem Vergehen in keinem Verhältnisse steht. Raub verüben sie vornehmlich durch die Eintreibung von Leichengebühren und durch Erbschleicherei, indem sie die gesetzmäßigen Erben berauben, indem sie ungerechte Gesetze machen und das Gesetz des Herrn abschaffen, welches doch (4. Mos. 7) so deutlich, gerecht und ewig gültig bestimmt, dass den Waisen ihr Gut nicht räuberisch genommen werden darf. Wehe, ruft der Herr (Jes. 9, 15 ff.) solchen zu, wehe denen, die unrechte Gesetze machen und die schmählich Urteil schreiben heißen, auf dass sie die Sachen der Armen beugen und Gewalt üben im Recht der Elenden unter meinem Volk, dass die Witwen ihr Raub und die Waisen ihre Beute sein müssen. Was wollt ihr tun am Tage der Heimsuchung und des Unglücks, das von ferne kommt? Zu wem wollt ihr fliehen um Hilfe? Als wollte er sagen: zu niemanden! Und wo wollt ihr eure Ehre lassen? Als wollte er sagen: nirgends; denn ihr werdet keine haben, vielmehr verdammt werden. Das wusste auch der heilige Gregor, der als Papst den Entscheid gibt: Wir haben in Erfahrung gebracht, dass bei etlichen widerspenstigen Untergebenen der Kirche die Verwandten nicht zur Erbschaft zugelassen werden, sondern dass ihr Vermögen von der Kirche eingezogen wird; darüber verordnen wir hiermit, dass die Verwandten solcher, die im Besitz der Kirche verstorben sind, als Erben eintreten dürfen und dass ihnen am Erbgut nichts entzogen werden soll. Haben sie aber kleine Kinder hinterlassen, so sollen vertraute Vormünder bestellt werden, die ihnen das Vermögen verwalten, bis sie es selbst übernehmen können. Und der heilige Augustin sagt in der Homilie über die Worte Luk. 3,13: „Fordert nicht mehr, denn gesetzt ist“: Es ist unerträglich, wie die Zöllner (die Priester) ihre Forderungen häufen und Sünden zu Sünden paaren, indem sie ihr Betrügen und Rauben Vorteil und Gewinn heißen, während sie ihren Raub einheimsen. Und sie mehren noch ihre Verbrechen, indem sie vermeintliche Widersacher besonders verfolgen, und sie glauben öffentliches Gut verschwendet zu haben, wenn sie die Häuser der Waisen nicht weggenommen hätten. Z. B. sagen sie: Es ist nicht meine Sache, es ist die Sache der Kirche, des Konvents, der Bruderschaft; ich würde die Kirche, den Konvent, die Bruderschaft oder das Kollegium betrügen, wenn ich die Erbschaft nicht annähme. So kommt's dann fährt er weiter unten fort dass die Kinder eines Vaters, der vielleicht noch vor zwei Jahren ein Freund, Kollege oder Bruder gewesen, nach seinem Tode wie Unbekannte, Elende und Bettler behandelt werden. Wenn aber eine Witwe da war, so wird sie entweder durch Zusehen dahin gebracht, dass sie sich verheiraten muss, oder, wenn sie im Witwenstand verbleiben will, muss sie so viel hergeben, dass sie kaum noch leben kann. So füllen sie mit ihrem Betruge ihre Säckel und fröhlich und hurtig laufen sie dann zur Kirche hin, um Gott zu danken, als wenn sie selbst das Geld geopfert hätten. Zu allen ihren Sünden fügen sie auch noch die hinzu, dass sie Gott selbst zum Teilhaber ihrer Räubereien machen möchten. So Augustin wider die Zöllner und vor allem wider die Erzbischöfe, Pröbste, Äbte, Kanoniker und alle andern mit Besitz Ausgestatteten, die Presbyter und Mönche, die durch Leichengebühren, Erbschleichereien und andre Bedrückungen ihre Untergebenen mit solchen Titeln grausamer schinden, als die weltlichen Herren. Und in derselben Homilie sagt er, da er von den Zauberern und arianischen Ketzern erwähnt, dass sie die Gnade des heiligen Geistes verloren, von den geizigen Klerikern, denen die Gnade des heiligen Geistes nicht genügt: Auch den katholischen Kleriker trifft dieser Spruch; denn wenn er mit den Einkünften nicht zufrieden ist, welche er nach Gottes Ordnung vom Altar erhält, sondern treibt noch schändliche Hantierung, verkauft Fürbitten und nimmt gern Geschenke von den Witwen, so muss er eher für einen Trödler, als für einen Kleriker gehalten werden.

Ihr habt nun diese so treffenden Aussprüche der Heiligen vernommen! ihr Kleriker, die ihr des Herrn seid, so steht nun, angezogen mit dem Panzer der Gerechtigkeit, erweiset euern Vorgesetzten den schuldigen Gehorsam, den Gleichgestellten wahrhaft brüderliche Gesinnung und den Untergebenen Schutz, Hilfe und gebührende Zucht! Dann werdet ihr alle Gerechtigkeit erfüllen!

Zieht an also den Panzer der Gerechtigkeit und steht gestiefelt an den Beinen, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens. Dies ist das dritte Stück der Waffenrüstung, an den Füßen; nämlich die Beschuhung der Begierden des inwendigen Menschen, die den Wanderer abhält, dass er nicht, barfuß gehend, am Scheideweg in die Hölle abgleite. Dann aber richtet das Volk samt dem Klerus seine Begierden auf rechte Weise dem Evangelium des Friedens zu, wenn beide die Predigt zu dem Zwecke hören, dass sie durch die Erkenntnis der Wahrheit das Böse fliehen und dem Guten nachjagen lernen und, wenn sie gesündigt haben, die Zurechtweisung der Predigt demütig annehmen und Frieden halten mit Gott und Menschen. Und dann steht der Klerus des Volkes würdig da in der Bereitung des Evangeliums des Friedens, wenn er, Christo gleichförmig wandelnd, und zwar nicht gezwungen, sondern freiwillig, nicht um schändlichen Gewinnes oder flüchtigen Ruhmes willen, sondern zu Gottes Ehre und zum eignen und des Nächsten Heil, die Wahrheit der Schrift verkündigt und fromm und demütig dem Volke die Sakramente verwaltet. Denn so schüttelt er den Staub der Welt von den Füßen, d. i. von den Begierden, und steht nach der Vorschrift des Apostels gestiefelt da in der Bereitschaft des Evangeliums. Deshalb sagt der Apostel: So steht nun an den Beinen gestiefelt, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens. So äußert durch sein Gefäß der heilige Geist das Wort Gottes, weil gar viele davon abgewichen sind und das Evangelium nicht hören und lernen wollen, wie Joh. 6,66 gesagt ist: Viele seiner Jünger gingen hinter sich und sprachen: das ist eine harte Rede, wer kann sie hören? Ihr aber nicht also, sondern steht und höret demütig! Denn die da hören, werden leben (Joh. 5,24); selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren (Luk. 11,28); die aber nicht hören, werden ins Schwert fallen und in ihrer Torheit untergehen (Hiob 36,12); denn viele liegen auf der faulen Haut und predigen nicht, wie stumme Hunde, die nicht bellen können (Jes. 56,10). Ihr aber nicht also, steht und verkündigt dem Volke wacker das Evangelium, weil den stummen Hunden und unwürdigen Predigern der Tod und ewiges Verderben bereitet ist. Denn viele laufen, ohne vom Herrn gesandt zu sein, wie Jeremias 23,21 sagt: Ich sandte die Propheten nicht, doch liefen sie; denn wo sie in meinem Rat gestanden wären und meinem Volke meine Worte kundgetan hätten, so hätte ich sie von ihren bösen Wegen und von ihren argen Gedanken bekehrt. - Es laufen unberufen herzu, die ohne Antrieb und Rat Gottes und ohne im Gebot des Herrn zu stehen frevelhaft zur Predigt des Wortes Gottes sich eindrängen. Ihr aber nicht also, sondern steht und zieht Kraft an aus der Höhe, weil so viele unbeschuht dastehen und predigen, nur um hier Lob und Lohn zu erlangen, wie der Herr spricht (Matth. 23,5): Alle ihre Werke tun sie nur, dass sie von den Leuten gesehen werden; und alle, die nur das Ihre suchen und nicht, was Jesu Christi ist, die haben ihren Lohn dahin! Von diesem Lohne sagt Gregor in der 17. Homilie: Wer also predigt, um hier Lob oder Lahn zu erhalten, der beraubt sich ohne Zweifel des ewigen Lohnes. Darum tut ihr nicht also, sondern steht gestiefelt da an den Beinen und verachtet den vergänglichen Lohn, weil so viele in der Bereitschaft der Lüge dastehen und Lügen, Späße, Gemeinheiten und falsche Wunder verkündigen; sie halten dem Volke nicht seine Sünden vor, sondern suchen dessen Geschenke, wie der Herr bei Jer. 23,14 sagt: Bei den Propheten sehe ich Gräuel, wie sie ehebrechen und gehen mit Lügen um, verführen mein Volk durch ihre Lügen und Wunder, da ich sie doch nicht gesandt, noch ihnen Befehl gegeben, weil sie meinem Volk nichts nützen. Ihr aber nicht also, sondern steht in der Bereitschaft des Evangeliums!

Viele suchen auch Geschenke durch Bruderschaftsbriefe, durch besondere Ablässe, durch erdichtete Reliquien und durch bunte Bilder. Woher kommt das? Der heilige Bernhard antwortet darauf: Offen zu reden, dies alles macht nur der Geiz, welcher ist Götzendienst; wir suchen nicht Frucht, nämlich der Seelen, sondern Geschenke! Und fragst du: wie? so sage ich, auf ganz merkwürdige Weise: so wird nämlich das Geld ausgestreut, dass es sich vervielfältigt, und so ausgegeben, dass es sich vermehrt und dass die Verschwendung Überfluss erzeugt. Denn durch den Anblick der kostbaren, aber bewunderungswürdigen Eitelkeiten entzünden sie die Leute, dass sie immer mehr opfern, statt zu beten. So werden die Reichtümer zusammengescharrt, so schafft Geld Geld; denn je größere Reichtümer sie sehen, um so lieber spenden sie es ist unbegreiflich! den mit Gold bedeckten Reliquien; die Augen werden geblendet, die Beutel geöffnet; zeigt man das prachtvolle Bild eines Heiligen oder einer Heiligen, so glaubt man ihm um so mehr, je verzierter es ist. Da laufen die Leute herbei, es zu küssen, da lädt man zu Geschenken ein und das Schöne wird mehr bewundert, als das Heilige verehrt. Was glaubst du, dass man bei dem allen mehr sucht, die Buße Reuiger oder die Bewunderung von Gaffern?

Eitelkeit der Eitelkeiten! Doch mehr als Eitelkeit, Tollheit! Es glänzt die Kirche an den Wänden und darbt in den Armen, ihre Steine bekleidet sie mit Gold und ihre Kinder lässt sie bloß, mit den Spenden der Dürftigen dient man den Augen der Reichen; die Neugierde wissen sie zu befriedigen, aber dem Elend nicht zu steuern! Und weiter unten: Wozu auch alle diese lächerliche Prachtliebe, dieser wahrhaft schändliche Schmuck, diese geschmückte Schändlichkeit? Sie halten unreine Affen, wilde Löwen, ungeheuerliche Zentauren, Halbmenschen, gefleckte Tiger, Gladiatoren, Hörner blasende Jäger u. dgl. dgl. Gott, wenn sie sich der Torheit nicht schämen, sollten sie doch die großen Kosten reuen! So schreibt Bernhard, der nicht bloß aus hellem Tal, sondern vielmehr auch hellen und klaren Geistes war, wenn er die Üppigkeit und Eitelkeit der Kirchen und Reliquien aufdeckt und die heuchlerische Habgier der Kleriker! Seid nicht ihre Mitgenossen, steht beschuht da an den Füßen und haltet derartiges fern von euch, damit ihr mit dem Apostel sprechen könnt (1. Thess. 2,5): Wir sind nie mit Vorwänden des Geizes umgegangen, Gott ist des Zeuge!

Viele stehen auch deshalb nicht in der Bereitschaft, das ist im Zustande des Evangeliums des Friedens, sondern im Zustande gottlosen und simonistischen Wuchers, weil sie für die Sakramente Geschenke oder Geld einfordern, da doch die heilige Synode in Trier bestimmt: Man hat in Erfahrung gebracht, dass an manchen Orten für den Empfang des Salböles, wie auch für Taufe und Abendmahl Geld genommen wird; diese simonistische Ketzerei verdammt die heilige Synode hiermit und verordnet, dass diese und alle ähnliche Gaben Christi umsonst ausgeteilt werden sollen. Man darf solche Gebühren auch nicht etwa später, wenn die Funktion geschehen ist, eintreiben. Denn die Kirche spricht nach der ihr zukommenden Machtvollkommenheit durch Papst Innocenz: Wenn jemand Pfründen oder eine Probstei oder ein Dekanat oder sonst eine kirchliche Beförderung oder auch ein kirchliches Sakrament, wie das Salböl und die Weihung von Altären und Kirchen, aus Geiz für Geld erlangt hat, der soll der so schlecht erworbenen Ehre verlustig gehen und Käufer, Verkäufer und Zwischenhändler sollen gebrandmarkt und weder vorher, noch nachher etwas für die Funktion, auch nicht unter dem Vorwande der Erhaltung der Gewohnheit, eingetrieben werden; denn dies ist Simonie. - Wie deutlich zeigt hier die Kirche, dass ein Gesetz des Todes deshalb noch nicht gilt, weil es durch die Gewohnheit Geltung erlangt hat, da die Seelen dadurch nur um so länger gebunden werden. Möchten doch die Kleriker das große Verderben der freilich seit lange schon herrschenden Simonie erkennen und bedenken, was Paschasius, der Papst, davon sagt: die Simonisten sind von allen Gläubigen als die ersten und obersten Ketzer zu meiden. Erträglicher ist noch die gottlose Ketzerei des Macedonius und der Pneumatomachen. Denn jene erkennen den heiligen Geist doch noch für ein Geschöpf und einen Knecht Gottes des Vaters und des Sohnes. Diese aber machen den heiligen Geist zu ihrem eignen Knecht, indem sie die geistlichen Gaben verhandeln und dadurch das ewige Leben verlieren und die Verdammnis erlangen. Mögen sie erschrecken, diese Boshaften, die wie Jerobeam das Priestertum verkaufen und jeden schlechten Menschen zum Priester weihen! Denn eben deshalb ist das Haus Jerobeam ausgerottet worden. Mögen sie erschrecken, die wie Gehasi für eine geistliche Gnade Geschenke annehmen, sein Aussaß wird ihnen anhangen; die wie Judas Ischarioth das Heilige verhandeln, es wäre ihnen besser, sie wären nie geboren; die wie Simon Geld bieten, um geistliche Macht zu erlangen; jedem solchen gilt es wie dem Simeon: dass du verdammet werdest mit deinem Gelde, dass du meinst, Gottes Gabe werde durch Geld erlangt. Darum, fürchtet auch ihr euch und steht in der Bereitschaft, d. h. im Zustande des Evangeliums des Friedens, das da sagt: Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebt es auch. Es mögen sich fürchten die geizigen Kleriker, die, mit des Lebens Notdurft nicht zufrieden, nach immer mehr Pfründen trachten! Denn so sagt eine Glosse: Wer mehrere Pfründen hat, davon eine genügen würde, kann die andre nicht ohne Todsünde innebehalten. Wie auch der Pariser (Matth. von Janow) den heiligen Augustin anführend sagt: Wer wahren Glauben an Gott hat, begehrt nicht in diesem Jammertal reich zu werden. Wahren Glauben aber, diese oberste Gnade, scheint nicht zu haben, wer mehrere Pfründen zu haben begehrt. Was soll ich weiter von der Pluralität der Pfründen sagen? Ich will nur noch anführen, was Bonaventura darüber sagt: Die Pluralität der Pfründen bringt Pluralität der schwersten Strafen. Darum lasst uns begnügen, wenn wir Nahrung und Kleidung haben. Denn nur so stehen wir unbeschwert in der Bereitschaft des Evangeliums des Friedens, gestiefelt wider den Staub der Welt. So fordert es in Kraft des heiligen Geistes der Apostel: Steht gestiefelt an den Beinen in Bereitschaft des Evangeliums des Friedens!

In dieser Bereitschaft wolle uns der allmächtige Gott würdigen, den Finsternissen zu entfliehen, den Sinn zu reinigen, in der Gnade unser Leben zu führen und im Vaterland schließlich es zu vollenden, durch Jesum Christum, unsern Herrn, wahrer Gott und Mensch, der Jungfrau Sohn, der Welt Heiland, hochgelobt in Ewigkeit! Amen.

1)
18. Oktober 1407. Prag.
2)
21. n. Trin.
3)
Ausnahmen, Befreiungen
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autoren/h/hus/hus-synodalpredigt.txt · Zuletzt geändert: von aj
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