Huhn, August Ferdinand - Predigten über die Heiligen Zehn Gebote - Erste Predigt über den Beschluss der zehn Gebote.

Huhn, August Ferdinand - Predigten über die Heiligen Zehn Gebote - Erste Predigt über den Beschluss der zehn Gebote.

Herr, strafe mich nicht in Deinem Zorne und züchtige mich nicht in Deinem Grimme! So müssen wir flehen jedes Mal, wenn wir vor Dein Angesicht treten, Du heiliger, lebendiger Gott! Denn wir haben Deine Gebote übertreten, wir sind Sünder. Und Du, Du bist ein starker, eifriger Gott, der über die, so Dich hassen, die Sünden der Väter heimsucht an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied. Gerechter Gott! lass uns das nie vergessen. Lass uns lernen, Deinen Zorn und Deinen fürchterlichen Ernst über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen. Lass es uns lernen an dem Leiden und Sterben Deines Kindes Jesu Christi, der unsere Strafe trug, der Deinen Zorn versöhnte, der für uns geplagt und gemartert ward. Ja, unter Deinem Kreuze, Du Lamm Gottes, wollen wir heute lernen, uns fürchten vor dem Zorne des heiligen Gottes und nicht gegen seine Gebote tun. Dazu gib Gnade. Dazu sende uns Deinen Geist, den Geist der Wahrheit. Dazu segne uns dieses Stündlein! Amen.

Wir kommen heute in unseren Katechismus-Betrachtungen zum Beschlusse der Gebote. Hört das Wort.

2 Mos. 20, 5 und 6.
Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der über die, so mich hassen, die Sünde der Väter heimsucht an den Kindern, bis ins dritte und vierte Glied; aber denen, so mich lieben und meine Gebote halten, tue ich wohl bis ins tausendste Glied.

Luthers Erklärung:
Gott droht zu strafen Alle, die diese Gebote übertreten; darum sollen wir uns fürchten vor seinem Zorne und nicht wider solche Gebote tun. Er verheißt aber Gnade und alles Gute Allen, die solche Gebote halten; darum sollen wir ihn auch lieben und vertrauen, und gerne tun nach seinen Geboten.

Drohung und Verheißung, Strafe und Lohn, Fluch und Segen, Tod und Leben, Zorn und Gnade, das wird uns in diesen Worten vorgelegt. Eins von Beiden wird jedem Menschen zu Teil; ein Drittes gibt es nicht. Was willst Du, mein Christ, dass Dir zu Teil werde? Nicht wahr, Du willst die Verheißung? Du willst Gnade, Leben und Segen? Wollen wir das, wohlan, so müssen wir, nach unserem Katechismus, uns erst fürchten lernen vor dem Zorne Gottes und nicht wider seine Gebote tun. Wer Gottes Zorn und fürchterlichen Ernst über die Sünde und Übertretung seines Gesetzes nicht fürchten gelernt hat, der fasset die Gnade und das Erbarmen Gottes über die Sünder gar nicht, er tritt das Leben und den Segen mit Füßen, er macht Christus zum Sündendiener.

Seht, und darum gemahnt es mich, heute zu Euch zu reden:

Vom Zorne Gottes über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen.

Ich will Euch nun, unter Gottes Beistande, zeigen:

I. dass Gott seinen Zorn über alles gottlose Wesen nicht nur offenbart hat, sondern
II. dass Er diesen seinen Zorn auch noch heute und allezeit offenbart und in Ewigkeit erst recht offenbaren wird, und dass wir eben darum uns auch heute noch fürchten sollen vor seinem Zorne.

I.

Ich der Herr, dein Gott, bin ein starker, eifriger Gott, der über die, so mich hassen, die Sünde der Väter heimsucht an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied. Und Gott droht zu strafen Alle, die seine Gebote übertreten; darum sollen wir uns fürchten vor seinem Zorne und nicht wider solche Gebote tun. An diesem Worte des lebendigen Gottes und dessen Erklärung im Katechismus nehmen heutzutage noch gar Viele Anstoß. Sie wollen von einem Zorne Gottes, von Strafe und Fluche nichts wissen. Wo sich dergleichen sichtbar zeigt, wo man es so zu sagen mit den Augen sehen und mit den Händen greifen kann, wie behände ist man da, es wegzuschwatzen, und Alles aus ganz natürlichen Ursachen herzuleiten, nur nicht aus der eigenen Sündenschuld und aus dem Zorne Gottes über die Sünde. Höchstens statuiert man so etwas von Strafe im eigenen Gewissen. Das sagt man, das ist des Menschen Himmel oder Hölle, da empfindet er Fluch oder Segen, Lohn oder Strafe. Dabei übersieht man aber, dass das, was das Gewissen empfindet, nur erst ein Anfang von der Offenbarung des Zornes Gottes, eine Strafe und einen Fluch über alle und jede Sünde, über alle und jede Übertretung der Gebote gäbe? Doch wie der Mensch überhaupt über sich selbst und über Gott höchst ungern nachdenkt, so will man auch hier über nicht weiter nachdenken. Heißt es nun: Es steht ja aber doch im Worte Gottes geschrieben, dass Gottes Zorn über die Sünde so stark und eifrig ist, dass Er die Sünde der Väter sogar an den Kindern heimsucht; seht doch, wie Er es mit seinem eigenen Volke gemacht hat; wie viele Hunderte von Offenbarungen des göttlichen Zornes das ganze Alte Testament enthält; wie schrecklich Gott die Sünde vom Sündenfalle an, durch alle Zeiten gestraft hat; wie viel tausend Kinder die Missetat ihrer Väter haben büßen und an dem Fluche schleppen müssen, der auf den vorigen Geschlechtern ruhte. Wenn man so spricht, dann sagt die heutige Aufklärerei: Wir sind Christen, wir sind keine Juden, wir haben mit dem Alten Testamente nichts mehr zu tun, und am allerwenigsten mit der Alt-Testamentlichen Vorstellung von einem Zorne Gottes. Das ist durch das Neue Testament abgeschafft. Wir wissen nur von einem lieben und nachsichtsvollen Vater, und den wollen wir auch nur; wir wollen von dem Zorne Gottes nichts hören. Glaubt ja nicht, meine Freunde, dass ein solches Denken von Gott und seinem Wesen erst die Frucht der neuesten Aufklärungen ist. Nein, so hat man von der Sündflut und von den Zeiten Sodoms und Gomorrhas her schon gedacht. Ja die Leute selbst, von denen das Alte Testament handelt, die halsstarrigen Juden, haben schon in der ältesten Zeit so gedacht. Sie haben schon längst in der Praxis geübt, was man jetzt als die Frucht einer aufgeklärten Schrift-Auslegung bis in den Himmel erhebt, das heißt, sie haben den Zorn Gottes fahren lassen, und haben Gott nicht gefürchtet und sind gottlos gewesen nach Herzenslust.

Ich denke, wir werden als Christen, und namentlich als gute Lutheraner, es diesen Leuten doch nicht nachreden und nachmachen wollen. Oder glaubt Ihr denn, was Gott uns heute in seinem Worte zuruft, das sei eben nur ein Wort, wie wir es auch wohl sagen und es am Ende doch nicht so meinen? Es sei eben nur eine Drohung? Oder glaubt Ihr, dass Luther nicht gewusst hat, was er den Christen sagt, wenn er das Wort so erklärt: Darum sollen wir uns fürchten vor seinem Zorne?

Ich will es Euch mit Gottes Hilfe zeigen, dass es nicht so ist. So angenehm das klingt, wir haben mit dem Zorne Gottes nichts mehr zu tun, es existiert gar nicht mehr, das ist eine Alt-Testamentliche Vorstellung, wir wissen nur von einem lieben und nachsichtsvollen Vater, so angenehm das klingt, so grundfalsch ist es doch. Und so viele Seelen diesen einmal als wahr im Schwange gehenden Satz zugetan sind, daran hängen, darin ihre ganze Religion haben, so viele Seelen sind geradezu in der Lüge befangen, ja in einer Feindschaft gegen Gott und sein Wort, ohne dass sie es vielleicht selbst einmal wissen. Schmerzt es aber vielleicht Manchen unter Euch, wenn ich ihm das angreife, was er sein Leben lang für wahr gehalten und lieb gehabt, worin er vielleicht seinen einzigen Trost und seine Ruhe gefunden (wiewohl ein solcher Trost und eine solche Ruhe sehr traurige und unsichere Dinge sind): so bitte ich Euch, rechnet das mir, dem Diener der Wahrheit, nicht zu, sondern, wenn Ihr rechten wollt, wenn Ihr Euch ärgert, tut es, wenn Ihr könnt, mit Dem und an Dem, dessen Wort und Wahrheit ich rede, an Dem, der da will, dass Allen geholfen werde und Alle zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

Und somit sage ich Euch noch einmal rund heraus: jenes Gerede, als ob der Zorn Gottes und Strafe und Fluch, nur Alt-Testamentliche Vorstellungen wären, ist grundfalsch. Denn entweder müsste Gott im Neuen Testamente ein anderer geworden sein, als im Alten Testamente, und das könnt Ihr doch, da Ihr wisst, dass Gott unveränderlich ist und ewig derselbe bleibt, der Er war, nicht zugeben; oder was Gott im Alten Testamente redet, wäre Lüge, wäre nur von Menschen erdacht. Nun, dann hat es mit dem ganzen Christentume ein Ende, dann ist das ganze Evangelium eine Lüge, da dasselbe bekanntlich nicht eine Auflösung, sondern im strengsten Sinne des Wortes eine Erfüllung dessen ist, was im Alten Testamente geredet ist.

Man kann also nichts Verkehrteres tun, als wenn man sich, um nur von dem Zorne Gottes nichts hören zu wollen, auf das Neue Testament, wenn man sich auf das Evangelium beruft. Das zeigt, dass man das Neue Testament gar nicht einmal angesehen und den eigentlichen Kern des Evangeliums gar nicht verstanden hat. Was sagt Paulus (Römer 1, 18.) vom Evangelium? Es wird darinnen offenbart Gottes Zorn vom Himmel über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten. Habt Ihr über diesen Satz schon einmal recht nachgedacht, meine Freunde? Fällt er Euch nicht auf, da Ihr ja immer gehört habt, dass das Evangelium nur eine Offenbarung der unaussprechlichen Liebe und Barmherzigkeit Gottes gegen die Sünder ist? Wohl wahr. Das ganze Evangelium predigt: Gott ist die Liebe! Aber indem es das predigt, so predigt es uns auch den Zorn Gottes und seinen fürchterlichen Ernst über die Sünde eindringender, ergreifender, schrecklicher, als das ganze Alte Testament. Alle Drohungen Gottes im Alten Bunde sind nur leise Stimmen gegen das Eine Donnerwort im Neuen Bunde: So wir mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, so haben wir weiter kein anderes Opfer mehr für die Sünde, sondern ein schreckliches Warten des Gerichtes und des Feuereifers, der die Widerwärtigen verzehren wird. Denkt hierbei an Alles, was Jesus, die ewige Liebe, vom Gerichte sagt; denkt an seine Tränen; denkt an sein Suchen, an sein Bitten, an sein Laden. Ja, die ganze Zeit des Alten Testamentes ist nur eine Zeit der Geduld, des Nachsehens, des Aufschiebens des Zornes Gottes gewesen, wie Paulus (Apostel-Geschichte 17, 30.) sagt: Und zwar hat Gott die Zeit der Unwissenheit übersehen, nun aber gebeut Er allen Menschen an allen Enden, Buße zu tun, darum, dass Er einen Tag gesetzt hat, auf welchen Er richten will den Kreis des Erdbodens mit Gerechtigkeit durch einen Mann, in welchem Er's beschlossen hat, und Jedermann vorhält den Glauben. Und alle Strafgerichte, die Gott im Alten Bunde über die Ungehorsamen verhängte und ausführte, wie schrecklich sie uns auch erscheinen, sie waren nur ein Vorspiel des allerfürchterlichsten Schauspiels, das jemals die Welt gesehen. Soll ich es Euch noch nennen? Habt Ihr bei der Kreuzigung Jesu nie an Gottes Zorn über die Sünde gedacht? Habt Ihr mit den Töchtern Jerusalems niemals erwogen, was das ist, da Jesus rief: Weint nicht über mich, weint über Euch selbst und über Eure Kinder. Denn siehe, es wird die Zeit kommen, in welcher man sagen wird: selig sind die Unfruchtbaren, und die Leiber, die nicht geboren, und die Brüste, die nicht gesäugt haben. Dann werden sie anfangen zu sagen zu den Bergen: fallt über uns! und zu den Hügeln: deckt uns! Denn wenn das am grünen Holze geschieht, was wird es am dürren werden? Ja alle Blitze und Donner auf dem Sinai, sie verhallen gegen den Angstruf auf Gethsemane: Mein Vater, ist es möglich, so lass diesen Kelch vorübergehen! und gegen den Todesschrei auf Golgatha: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen! Was war es, dass der Herr der Herrlichkeit so seufzte und schrie? Was lag Ihm so bis zum Erdrücken schwer auf der Seele? Was presste Ihm den blutigen Schweiß aus und machte seine Gestalt wie einen Wurm, der zertreten wird? Was betete Er? Gerechter Vater, die Welt kennt Dich nicht, ich aber kenne Dich! Die Strafe unserer Sünden und Übertretungen lag auf Ihm; die Schmach derer, die Gott geschmäht, hatte Ihn getroffen; der Fluch, mit dem das ganze Geschlecht der Sünder, vom Falle an, verflucht ward, auf Ihn war er gefallen; der ganze Zorn Gottes über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen, gegen Ihn war er gerichtet. Alle Gerichte, die Gott von Anbeginn den Übertretern angekündigt, an Ihm, dem Einen, wurden sie vollzogen. Für alle Sünden, welche die Millionen Menschen, die waren und noch sind und sein werden, welche sie in Gedanken, Worten und Werken vollbracht, dafür stand der Eine, Jesus, im Gerichte, dafür büßte, dafür litt und starb Er. Jesus, ja Jesus ist das Kind aus dem dritten und vierten Gliede, an dem der heilige und lebendige Gott heimsuchte die Sünden der Väter. Darum wurde der Sohn Gottes Mensch, darum nahm er das Bild Adams und die Gestalt unseres sündlichen Fleisches an, darum wurde Er dem Leibe nach Adams Kind und des Menschen Sohn, um an sich heimsuchen zu lassen die Sünden der Väter, die Sünde Adams und seines ganzen Geschlechtes, unsere Sünden. Wenn das Gott an seinem lieben Kinde getan hat, der von keiner Sünde wusste, o so lernt auf Golgatha, meine Freunde, lernt mit Furcht und Zittern, dass es wahr ist, was Jehova auf Sinai sprach: Ich, der Herr dein Gott, bin ein starker, eifriger Gott, der über die, so mich hassen, die Sünde der Väter heimsucht an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied. Nehmt es also zu Herzen, was Luther sagt: darum sollen wir uns fürchten vor seinem Zorne und nicht wieder solche Gebote tun.

II.

Nun, meine Freunde, ist Gott in der Zeit des Neuen Testamentes ein anderer geworden, als Er im Alten Testamente war? Widerspricht das Evangelium (das, was auf Gethsemane und Golgatha geschah), widerspricht es dem Donnerworte auf Sinai und Ebal? Hat Gott im Neuen Testament aufgehört, die Sünde zu hassen und seinen Zorn über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen zu offenbaren? Hat Er aufgehört, über die, so Ihn hassen, die Sünde der Väter heimzusuchen an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied? Nein, der Herr, unser Gott, ist ein starker, eifriger Gott auch im Neuen Testament, so müssen wir sagen, wenn anders wir den Ratschluss Gottes im Evangelium verstehen.

Ja, das glauben wir auch, was im Neuen Testamente steht, das wollen wir zugeben, werdet Ihr nun vielleicht sagen. Aber was haben wir denn jetzt noch mit dem Zorne Gottes zu tun? Jetzt hat er doch wohl aufgehört? Jesus hat Ihn ja für alle Zeiten versöhnt. Jesus hat ja Alles gebüßt und getragen, was der starke, eifrige Gott als Strafe und Fluch über die Sünde nur jemals ausgesprochen und gedroht hat. Und das hat er doch anstatt unserer getragen. Darum beten wir ja auch mit David: Herr! strafe mich nicht in deinem Zorne und züchtige mich nicht in Deinem Grimme! Jesus ist statt unserer geplagt und gemartert worden. Nun sind wir doch frei. Nun wird uns Gott doch nicht mehr in seinem Zorne strafen und in seinem Grimme züchtigen. Er wäre ja sonst kein gerechter Gott. Jetzt kann Er ja doch um Christi willen nur mit Augen der Gnade und Liebe auf uns sehen. Jetzt hat ja sein Zorn für uns ein Ende, wie wir alle Sonntage singen:

Ein Wohlgefall'n Gott an uns hat,
Nun ist groß' Fried' ohn' Unterlass,
All' Fehd' hat nun ein Ende.

Wohl wahr, meine Freunde, sehr wahr! Ach Gott gebe, dass Ihr das Alle mit einem Herzen und Einem Munde bekennt, dass Ihr Alle, auch bei jeder Strafe und Züchtigung, nur die Liebe und das Erbarmen Gottes preisen könnt!

Aber, Christen wisst Ihr denn auch, warum Christus den Zorn Gottes versöhnt und von uns weggenommen hat? Wisst Ihr, warum Er alle Strafe und allen Fluch für unsere Übertretungen getragen, warum Er die Gnade und Liebe des Vaters uns erworben hat? Hat Er es darum getan, dass wir nun denken können: O! es hat mit dem Zorne Gottes gar nicht solche Not. Es ist mit der Strafe für die Übertretung seiner Gebote gar nicht so ernst gemeint. Er nimmt es mit dem Halten oder Übertreten seines Gesetzes gar nicht so genau. Er wird schon Nachsicht mit uns haben. Wir tun, was wir in unserer Schwachheit können, das Andere wird er schon übersehen und verzeihen. Wir haben einmal einen lieben und nachsichtsvollen Vater im Himmel und können nun, als seine Kinder, ganz ruhig und sicher sein, ohne an Zorn und Strafe und dergleichen Dinge zu denken.

Denkt jemand so von der Versöhnung in Christo, dann denkt er nichts anders, als der Unglaube, dem das Wort vom Zorne Gottes ein Gräuel ist, er macht Christum zum Sündendiener. Denn das ist der Ratschluss Gottes bei der Versöhnung der sündigen Welt durch Christum nicht gewesen, sondern darum hat Gott den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in Ihm würden die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Darum war Gott in Christo und versöhnte die Welt mit sich selbst und rechnete ihnen ihre Sünde nicht zu, damit wir uns mit Gott versöhnen lassen, damit wir unsere Feindschaft und Ungehorsam gegen Gott fahren lassen und nicht gegen seinen Willen denken und handeln, sondern Ihn lieben und gerne tun nach seinen Geboten. Weil der abgefallene, sündige Mensch aus eigener Vernunft und Kraft Gottes Gebote nicht halten kann, weil kein Fleisch durch des Gesetzes Werke vor Gott gerecht werden konnte (ohne die Gerechtigkeit oder die vollkommene Gesetzes-Erfüllung aber kein Mensch selig werden kann; denn verflucht ist Jeder, der nicht Alles tut, was im Gesetze geschrieben ist, und selig sind nur die, die reines Herzens sind, sie werden Gott schauen, jede Sünde und Übertretung aber Entfernung und Abfall von Gott, ja Feindschaft gegen Ihn ist: seht, darum, darum beschloss Gott Alles unter den Unglauben, aber damit Er sich Aller erbarme. Gott wollte nicht des Sünders Tod; Er wollte uns selig machen. Und darum schlug Er einen anderen Weg ein. Im ganzen Alten Bunde ließ Er diesen Weg verkünden und anbahnen als den einzigen Weg, dem Zorne Gottes zu entrinnen und selig zu werden, bis Er in Jesu erschien. Ja Jesus, Jesus ist der Weg die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch Ihn. Ihn, seinen eingeborenen Sohn, Ihn machte Gott für uns zur Weisheit und Gerechtigkeit, zur Heiligung und Erlösung. Es sollte der Mensch nun nicht mehr aus eigener Gerechtigkeit selig werden, sondern durch die vollkommene Gerechtigkeit und durch das Verdienst des wahrhaftigen Gottes und des wahrhaftigen Menschen, durch den Glauben an Jesum Christum. Alles eigene und selbstgemachte Werk, alles eigene Verdienst und Würdigkeit, alles eigene Sorgen und Grämen und Quälen sollte der Mensch als etwas, woran Gott kein Gefallen haben kann, wegwerfen und für Schaden achten. Durch das Leiden und Tun, durch das Lieben und Arbeiten, durch das Blutvergießen und Sterben seines Gottes und Schöpfers für Ihn sollte der Mensch selig werden wollen, und durch nichts anderes, welchen Namen und welchen Ruhm es auch haben möge.

Christum und seine Gerechtigkeit sollte der Mensch ergreifen und im Glauben daran hangen, und auf nichts Anderes bauen und auf keinem anderen Wege seine Gerechtigkeit vor Gott suchen. Denn nur aus Christo und Seinem Verdienste sollte der Mensch empfangen ein ganz neues Herz, einen ganz neuen Sinn, Liebe zu Gott und Lust und Kraft und Freudigkeit zu seinen Geboten. Christus allein sollte durch seinen Geist unser steinernes Herz in ein fleischernes verwandeln und Gottes Gebote in unser Herz geben, Gottes Willen in unseren Sinn schreiben und unseren ganzen verkehrten, sündigen, ungöttlichen und Gott widerstrebenden Willen in einen göttlichen Willen, in Gehorsam, in Sanftmut und Demut, in das Eine umwandeln (welches ist des Gesetzes Erfüllung), in Liebe. Das war der Ratschluss Gottes bei der Versöhnung der sündigen Welt durch Christum. Das war der einzige Weg, dem Zorne Gottes zu entgehen. Das war der einzige Weg, gerecht vor Gott und selig zu werden. Darum heißt es: Wer den Sohn Gottes hat, der hat das ewige Leben; wer aber den Sohn Gottes nicht hat, der wird das Leben nicht sehen ewig, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm. Und dieses Wort, so wahr es Gottes Wort ist, gilt heute noch und zu allen Zeiten. Heute noch und durch alle Zeiten gibt es keinen anderen Weg, dem Zorne Gottes zu entrinnen, als Jesus und der Glaube an Ihn. Tue, was Du willst, sei heilig, wie Du kannst, häufe Verdienste auf Verdienste und Würdigkeiten auf Würdigkeiten hast Du den Sohn Gottes nicht, so wirst Du das Leben nicht sehen ewig, sondern der Zorn Gottes bleibt über Dir.

Nun, meine Freunde, wie ist es? Haben wir jetzt wirklich nichts mehr vom Zorne Gottes zu reden? Mich däucht, wir haben noch eben so viel davon zu reden, als im Neuen Testamente davon geschrieben steht. Oder wie: sollte es heutzutage wirklich gar keine Seelen mehr geben, die sich, wie Israel, daran ärgern, wenn das Evangelium alle eigene Gerechtigkeit des Menschen verwirft und nur die Gerechtigkeit Christi als das einzige Mittel zur Seligkeit anbietet? Oder sollte es wirklich Niemand mehr unter uns geben, dem das Wort vom Kreuze eine Torheit ist? Sollte Niemand da sein, der mit dem Leibe und Blute des Herrn leichtsinnig um geht und von der Sünde absolviert sein will, nur, um desto ruhiger fortsündigen zu können? Niemand, der die in Christo angebotene Gnade versäumt, verträumt, veruntreut; der die Kraft die Christus zur Gesetzes-Erfüllung darbeut, vergeudet? Niemand der durch Gebet und Flehen die Kraft zur Heiligung zu holen, versäumt? Christen, so lange wir über diese Fragen erröten, verstummen und uns schuldig bekennen müssen, so lange haben wir zu glauben und zu reden von dem Zorne Gottes, den Er im Evangelio offenbart über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten; so lange haben wir uns zu fürchten vor seinem Zorne.

Oder was meint Ihr, worüber der Zorn Gottes sonst entbrennen soll? Er sagt es, dass Er die Sünden der Väter an den Kindern heimsuchen will über die, so Ihn hassen. Wer sind die, welche Ihn hassen? Sind es die Heiden, die von dem lebendigen Gott noch nichts gehört haben? Sind es die Diebe und Mörder, die von Jugend auf verwahrloset hingegangen? Oder sind es die, welche beim hellen Lichte des Evangeliums sich doch nicht zum Evangelium bekehren? Sind es nicht die, welche bei allem Wissen von dem wahren Wege doch die breite Straße der Verdammnis wandeln, welche bei allen geöffneten Gnadenschätzen doch nicht Hand und Fuß rühren, welche trägen Herzens in vorsätzlicher Übertretung der Gebote hingehen? Den erbarmungsvollen Gott hassen, tun das nicht die, welche Den verwerfen und anfeinden und lästern, den Er für sie dahingegeben, den Er nicht verschont, den Er um Ihretwillen hat plagen und martern lassen? Ja, meine Freunde, Jesum, der uns von Gott gemacht ist zur Gerechtigkeit, verwerfen und seine eigene Gerechtigkeit aufrichten, dass ist der entschiedenste Hass und die entscheidendste Feindschaft gegen den lebendigen Gott. Darüber muss und wird sein ganzer Zorn entbrennen. Glaubt Ihr, dass Er darüber noch heute die Sünden der Väter an den Kindern heimsucht? Wir können es sehen und mit den Händen greifen. Seht die Juden an, wie sie heute noch vor unseren Augen stehen, wie sie zerstreut in alle Welt, verachtet, verspottet, gedrückt einherwandeln müssen. Glaubt Ihr, dass unter den Hunderten von Völkern des Altertumes, die alle spurlos verschwunden sind, dieses älteste, dieses auserwählte Volk, zu dem Gott vom Sinai redete, was wir heute gehört, dieses Volk, in welchem Gott selbst Mensch wurde, glaubt Ihr, dass es so zufällig bis auf heute übrig geblieben ist und so zufällig allen Menschen und aller Welt vor die Augen kommen muss? Nein, meine Freunde, der lebendige Gott, derselbe, den ihre Väter verworfen, derselbe, dessen Eingeborenen sie kreuzigten, der predigt seinen Zorn über die, so Ihn hassen, nicht allein mit dem Worte, Er predigt ihn mit der Tat, Er predigt ihn heute noch in fürchterlichen Exempeln. Seht Israel an, das Jesum verwarf und seine eigene Gerechtigkeit aufrichten wollte, das den einzigen Weg, den Gott eingeschlagen, nicht gehen wollte, seht es an und bekennt: der Herr, unser Gott, ist ein starker, eifriger Gott, der über die, so ihn hassen, die Sünde der Väter heimsucht an den Kindern, bis ins dritte und vierte Glied. Sie sind zerbrochen um ihres Unglaubens willen. (Römer 11, 20.) Glaubst Du, dass Gott Dich in Deinem Unglauben verschonen werde? Hat Gott der natürlichen Zweige (und das sind die Juden) nicht verschont, wird Er Dich, der Du ein wilder, ein nur eingepfropfter Zweig bist, verschonen? Darum schaue die Güte und den Ernst Gottes. Den Ernst an Denen, die gefallen sind, die Güte aber an Dir, so fern Du an der Güte bleibst, sonst wirst Du auch abgehauen werden. Und jene, so sie nicht bleiben im Unglauben, werden sie eingepfropft werden. Gott kann sie wohl wieder einpfropfen.

So wollen wir uns denn, meine Lieben, fürchten vor seinem Zorne und nicht wider seine Gebote tun. Das ist aber sein Hauptgebot, dass wir glauben an seinen Sohn: denn Er allein ist uns von Gott gemacht zur Gerechtigkeit und zum Segen, bis ins tausendste Glied. Lasst uns nicht durch unseren Unglauben den Zorn Gottes über uns und unsere Kinder häufen wollen; lasst uns nicht machen, dass das dritte und vierte Glied über uns seufze und uns verklage am Tage des Gerichts. Küsset den Sohn, so ruft uns der 2. Psalm zu, o küsset den Sohn, dass Er nicht zürne und Ihr umkommt auf dem Wege; denn Sein Zorn wird bald entbrennen. Aber wohl Allen, die auf Ihn trauen! Denen will Gott wohl tun, bis ins tausendste Glied. Amen.

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