Hollaz, David - Die gebahnte Pilgerstraße - Das sechste Gnadenwerk.

Hollaz, David - Die gebahnte Pilgerstraße - Das sechste Gnadenwerk.

auf der Straße zur Stadt des lebendigen Gottes ist
die Erhaltung bei Christo Jesu
im rechten einigen Glauben.

Das ganze Gnadenwerk besteht in Buße und Glauben; dieses hat Paulus geprediget Apstg. 20,21 und es allen Rath Gottes zu unserer Seligkeit genannt. 1) In der Buße zu Gott hat man es mit dem heiligen und gerechten Gott und Richter zu thun, vor welchem ein erschrockener Sünder sich auch wohl in die Hölle bettete Ps. 139,8. Christus ist in solchem Zustande noch nicht so ganz klar. 2) Im Glauben an Jesum hat man es mit einem süßen, freundlichen Heilande, mit einem versöhnten, gnädigen, lieben Vater zu thun. Dadurch geschieht dem Fleische und alten Menschen Abbruch, und der Geist und neue Mensch wird erweckt, belebt und gestärkt 2 Kor. 4,16.

Zu Buße und Glauben werden die ersten Samenkörnlein in der vorlaufenden Gnade schon gelegt, theils durch gesetzliche, theils evangelische Rührungen, heilsame Erkenntnisse und süße Gnadenzüge. Dazu schicken sich die Mittel in der vorbereitenden Gnade: Gesetz und Evangelium. Das Gesetz tödtet und verdammt; das Evangelium macht lebendig und selig Röm. 1,16. Dahin gehen auch die zwei Sakramente und Siegel; die Taufe hat es mit Absagen, Ersäufen und Tödten des alten Menschen, das heilige Abendmahl mit Nähren und Stärken des neuen Menschen zu thun. Dieses Werk fängt der heilige Geist in uns an, und setzt es fort.

Ob nun wohl, wenn Jesus verklärt wird, Moses und Elias verschwinden, und Jesus allein das Ein und Alles bleibt; ob wohl gesetzliche Angst und knechtische Furcht aufhöret, so geht Buße und Glauben doch täglich fort, aber auf eine evangelische Art, nämlich a) tägliche und tiefere Beugung, und mehrere Erkenntniß von dem unaussprechlichen Verderben, b) tägliche und tiefere Gründung und Befestigung in dem gekreuzigten Heilande. Die Reben an dem Weinstocke, wenn sie Frucht bringen sollen, saugen nicht allein Saft, sondern werden auch beschnitten und gereinigt, das ist, den Gläubigen werden ihre Sünden nicht nur vergeben, sondern auch die Gebrechen geheilet Ps. 103.

Damit nun das geschenkte geistliche Leben und die Seele in der Gnade, und wiederum die Gnade in der Seele bewahrt, und solcher Gestalt beides der Most und die Schläuche erhalten werden mögen Matth. 9,17, so wird ihr ein genugsames Maaß des Geistes geschenkt, das heißt:

Die Salbung ,

1 Joh. 2,20.
oder Salböl, damit wird sie versiegelt bis auf den Tag ihrer Erlösung 2 Kor. 1,22. Eph. 4,30.

Diese Salbung erweiset sich erstlich durch eine heilsame Zucht, durch eine innerliche und mütterliche Bestrafung bei allen Abweichungen, Untreuen und Fehlern, durch mancherlei Läuterungen und Reinigungen von den noch übrigen Schlacken und Unlauterkeiten der Eigen- und Weltliebe, dadurch die Seele in täglicher Buße geübt und erhalten wird.

Für’s andere erweiset sich die Salbung durch kräftige Einflüsse, Begnadigungen und Glaubensstärkungen. Die Seele wird von der Gnade mächtiglich unterstützt bei allen Vorfällen, dadurch sie aus dem Gnadenstande kann gerückt werden. Bei den Anfechtungen wird sie probirt und auch bewährt. (Anfechtungen sind die Anfälle und Reizungen von Fleisch, Welt und Satan zur Sünde, Unglauben, Trägheit etc.) Wir können nicht bitten, daß wir gar nicht angefochten würden, so wenig ein Soldat begehren kann, mit keinem Feinde zu streiten; wohl aber mögen wir bitten um Verwahrung und Sieg, daß uns Gott wolle erhalten, auf daß uns der Teufel, die Welt und unser Fleisch nicht verführe, nicht betrüge, daß wir nicht wieder in die Stricke und Herrschaft der Sünden verfallen; aber wir müssen uns auch nicht eigenmächtig, vermessentlich in Dinge hinein wagen, und uns also nicht selbst Versuchungen und Anfechtungen machen. Ohne Befehl zum Streit gehen, wird keinem Soldaten gut geheißen. Von der Sünde angefochten, und von ihr beherrscht werden, ist ein großer Unterschied. Unbekehrte werden beherrscht, das sind freiwillige Sklaven; Bekehrte werden angefochten, das sind Streiter. Was mich anficht, das will ich nicht, was ich aber dulde und hege mit Wissen und Willen, das herrscht. Wer bei Anfechtungen und in dem geistlichen Kriege nicht Treue gegen seinen Feldherrn beweist und nicht wider die Feinde streitet, nicht wachet, wird gefangen genommen und beherrscht. Darum heißt’s im Katechismus: Wir bitten, Gott wolle uns behüten und erhalten, daß, ob wir gleich angefochten würden, wir doch endlich gewinnen und den Sieg behalten mögen.

Für’s Dritte äußert sich die Salbung in der Gabe, die Geister zu prüfen, dahin sie Johannes 1 Joh. 2. deutet, daß wir uns nicht von jedem Winde der Lehre wägen und wiegen lassen, durch Schalkheit und Täuscherei der Menschen, damit sie uns erschleichen zu verführen Eph. 4,14, sondern wachsen an dem, der das Haupt ist, Christus, aus welchem der ganze Leib zusammengefüget ist. V. 15. Auch dieses Wachsen ist nöthig, wenn wir in der Gnade und bei Christo wollen erhalten werden. O wie viele werden sonst verführt, und entfallen aus ihren Festungen 2 Petr. 3,7! Das Mittel dagegen siehe V. 18, da es heißt: Wachset aber in der Gnade und Erkenntniß unsers HErrn und Heilandes Jesu Christi. Wenn dieß Oel des heiligen Geistes in die Seele fließt, wird sie bei Jesu Christo, wohlgemerkt: bei Jesu Christo erhalten im rechten einigen Glauben. Wer an dem Weinstock nicht bleibet, der verdorret Joh. 15. Nun Kindlein, bleibet bei Ihm, daß ihr nicht zu Schanden werdet vor Ihm 1 Joh. 2,28.

Viertens erweiset sich die Salbung auch in der Gabe der gemeinschaftlichen Erweckung und Stärkung der Kinder Gottes unter einander, da die Zionspilger sich mit einander anfassen, unter einander wahrnehmen, reizen zum Versammlungen-Anstellen, unter einander ermahnen Hebr. 10,25 als gesalbte geistliche Priester, einander erinnern und führen, daß sie nicht die Krone des Lebens verlieren. Da wächset der ganze Leib, oder einige Glieder, die zu einer Zeit und an einem Orte leben, durch eine brüderliche Fügung an dem Oberhaupte, und hanget ein Glied an dem andern, und thut eines dem andern Handreichung zur Besserung Eph. 4,16. Der Artikel von der Gemeinschaft der Heiligen war bei den allerersten Christen recht in der Uebung Apg. 3,42. O die Gemeinschaft der Gläubigen und Heiligen hat einen großen Segen! Die Todtengebeine rühren sich, fügen sich beim Weissagen (bei der Predigt des Evangelii) zusammen; der Wind oder Geist des HErrn bläset sie an, daß sie leben Hes. 37. Philadelphia, die Brüdergemeinde, die den Namen des Heilandes nicht verläugnet, hat eine offene Thüre Offenb. 3,8, und offenbaren Segen V. 9. Etwas davon haben auch wir in unsern Tagen erlebt. Der HErr bringe diesen Artikel (von der Gemeinschaft der Gläubigen) je mehr und mehr zur rechten Praxis! Es ist ein herrliches Mittel, daß die Seelen wachsen im Guten, und beständig bleiben! Paulus sagt Eph. 4,16: Es machet, daß der Leib wächset, nicht allein nach der Gnade, sondern auch nach der Zahl; das Häuflein vermehrt sich.

A) Selbstbetrug der Rückfälligen.

Ein großer Selbstbetrug ist’s, wenn Rückfällige, die in die Welt wieder hinein gegangen, und ihren Posten wieder verlassen haben, sich auf ihre erste Erweckung oder auch geschenkte Gnade stützen, steifen und mit starren Augen darauf sehen, da sie sich doch derselben bereits verlustig gemacht. Die über dem Nichtigen halten, verlassen ihre Gnade Jona 2,9.

B) Wodurch das Bleiben bei Christo Jesu schwer gemacht, und viele Seelen rückfällig werden?

Drei Feinde machen es schwer durchzukommen und auszuharren: das Fleisch, die Welt und der Satan. Wer die geschenkte Gnade nicht anwendet, 1) zum beständigen Mißtrauen und Wachen gegen sein inwohnendes Verderben; wer sie nicht braucht 2) zur Reinigung von der Weltliebe und von den Weltleuten 2 Tim. 2,21, sich nicht helfen läßt von den unartigen Leuten Apg. 2,40, nicht von ihnen ausgehet 2 Kor. 6,16; wer die geschenkte Gnade nicht anwendet 3) zum täglichen Wachen und Beten wider den brüllenden Löwen und Erbfeind; Wer endlich 4) die Zucht hasset und wieder mitläuft Ps. 50,17.18, der kommt nicht durch.

C) Wann der Rückfall vorhanden?

Ein gewisser Rückfall ist vorhanden, wenn auch nur eines von den jetzt angezeigten Stücken in wahrer Beugung und Glauben nicht recht fortgeht, und zwar 1) wenn der Mensch sich nicht der heilsamen Zucht des Geistes, auch der brüderlichen Bestrafung und nöthigen Beugung entziehet, so ziehet sich auch die Gnade zurück, und verfällt der Mensch in eine sträfliche Ungebundenheit, Freiheit und Frechheit des Fleisches, und geht in solche Dinge hinein, die ihm vorhin die größte Angst würden verursacht haben.

Auch geht es zurück 1) wenn einer aus der seligen Festung der Erbarmung und Versöhnung entfällt, und nicht in einer kindlichen Fassung bleibt; denn da verfällt er gewiß und zu gleicher Zeit in ein knechtisches, ängstliches Eigenwirken, Kraftlosigkeit, Ohnmacht und Ermüdung. Die ihr durch’s Gesetz wollt gerecht und selig werden, ihr seid von der Gnade gefallen Gal. 5,4.

3) Wenn man endlich der Mittel müde wird, an Gottes Wort einen Eckel bekommt, die Trägheit und Lauigkeit im Gebet überhand nehmen, und wieder zur Herrschaft kommen läßt. Gott erhält alles durch Mittel! Niemand lebt in der Natur ohne Speise und Trank. Niemand kann ohne Gebet und Gottes Wort im Gnadenstande bleiben Matth. 4,4.

4) Den Rückfall hilft befördern ein sparsamer Umgang mit Kindern und Knechten Gottes, und wenn man sie allmählig zu fliehen und zu meiden anfängt; hingegen aber in unnöthigen und freiwilligen Umgang mit Weltkindern geräth. Da Petrus sich unter die Feinde Jesu wagte, verläugnete er Jesum.

D) Auf wie vielerlei Weise der Rückfall geschehe?

Der Rückfall geschieht auf zweierlei Weise: Erstlich, wenn ein Kind Gottes die Weltliebe wieder läßt zur Herrschaft kommen, bei ihren Anfällen und Reizungen nicht treulich über sich wacht, in eine schändliche Bauchsorge verfällt, sich von der Hauptsorge und von dem Einen abbringen läßt, dem Geiz nachstellt, reich werden will: da fällt es in Versuchung und Stricke thörichter und schädlicher Lüste, die es in’s Verderben versenken, und geht vom Glauben irre 1 Tim. 6,8.10. Wer das eitle üppige Welt-Wesen und sündliche Lüste liebet, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Wie mancher wird in den Unflath der Welt wieder eingeflochten! 2 Petr. 2. Das ist Adams Fall!

Für’s Andere geschieht der Rückfall bei einem Kinde Gottes, wenn es die Eigenliebe wieder zur Herrschaft kommen läßt, wenn sich’s vom Satan auf Höhen, auf die Zinne des Tempels, auf eigene Geistlichkeit, Selbstgefälligkeit, vieles Wissen und Schwatzen führen und von der Einfältigkeit in Christo verrücken läßt 2. Kor. 11,2. Wenn es etwas sein will, wenn es aufgeblähet, geistlich, auch wohl leiblich stolz wird. Die besten Gaben werden durch die Eigenheit verdorben. Bespiegelt euch ja nicht in eigenen Thaten, sonst ist die Festung dem Feind verrathen! O wie gefährlich ist das! Das ist Lucifers Fall. Wie manche sind umgewandt dem Satan nach! 1 Tim. 5,15.

Dazu kann kommen, wenn man durch seine Näscherei vom Evangelio auf ungesunde giftige Weide und Schriften fällt, da fängt man gleich an zu schwellen. Christus muß wachsen, wir abnehmen. Je größer uns Christus wird, je kleiner werden wir in unsern Augen. Je weiter der Mond von der Sonne steht, je größer ist sein Schein oder Ansehen; je näher, je kleiner. Am Mittage sind die Schatten am kleinsten. Je weiter in der Gnade, je ärmer, je kleiner ist man in seinen Augen. Werde du Nichts, laß Christum Alles sein.

E) Was der Rückfall für Schaden bringe?

Der Schaden vom Rückfall ist: a) Das Letzte wird ärger, als das Erste, oder, als der erste Zustand vor der Bekehrung. Satan kommt mit sieben ärgern Geistern wieder. Ja, es wird je länger, je ärger 2 Tim. 3,13.

b) Es folgt eine schwere Bekehrung. Paulus sagt Gal. 4,14: Er müsse dergleichen Leute abermals mit Schmerzen gebären.

c) Kriegt man auch wieder Gnade, so kommt man doch selten wieder zu seinem ersten Loos. In der Bekehrung bekommt man mit der Gnade ein gewisses Loos, den Platz, Ort, Function im Hause Gottes nach unserer Faßlichkeit: ein Gefäß ist herrlicher als das andere. Eines ist ein Fuß, das andere eine Hand, oder ein Auge am Leibe: dieses erste Loos, Ort und Platz wird durch den Rückfall verscherzt, man muß es wissen; es rücken andere in die Ordnung.

F) Vortheile zur Beständigkeit und zum Ausharren.

Die Vortheile zur Beständigkeit und zum Ausharren sind: 1) behalte was du hast, auf daß dir Niemand deine Krone nehme. Die Gnade, die du fahren lässest, bekommt ein anderer. Willst du nicht, es sind andere da; die Brosamen, die du mit Füßen trittst, lesen andere mit größter Begierde auf. Der Juden Fall ist der Heiden Heil Röm. 11,11. Der Leuchter des Evangelii zieht von einem Ort zum andern.

2) Lerne Christum und seine Gnade immer höher achten.

3) Sei der Zucht und der Salbung gehorsam, betrübe nicht den Geist Gottes.

4) Werde immer gnadenhungriger, begieriger nach dem Wort, durstiger nach dem wahren Heil. Bleibe in der Armuth des Geistes. Wie gut ist’s, sich so fühlen, daß man täglich Nahrung und Stärkung aus Gottes Wort bedürfe; diejenigen, die sich darüber weg zu sein glauben, sind vom Satan geschleudert.

5) Fliehe den unnöthigen Umgang mit der Welt, oder es wird dich zu spät gereuen.

6) Bleibe beständig a) in der Apostellehre, b) in der Gemeinschaft mit redlichen Seelen, c) und im Gebet Apg. 2,42.

7) Laß dich durch nichts aus der Armuth des Geistes und Fassung des Glaubens verrücken; eile täglich mit den Sündern, die nur erst erweckt worden, ja als der elendeste mit hinzu, begehre keinen Vorzug vor den größten Sündern, wirf dich neben ihnen zu den Füßen des Lammes.

8) Glaube, es ist genug Gnade zur Beständigkeit vorhanden, der Heiland läßt Ihm auch kein Schäflein rauben, das nicht muthwillig aus seinen Schranken lauft, und ehe es so weit kommt, gehen viele Warnungen vorher.

9) Laß dich nun in die gesegnete und tägliche Kreuzes- und Todesgemeinschaft Christi einleiten, und lerne allem absterben. Dadurch wirst du immer mehr gefördert, und das muß nach der Versöhnung deine Sache und Ziel sein.

G) Vortheile zur Bewahrung des Glaubens und der Vergebung.

Da merke sonderlich folgendes: 1) Wenn wir beim Gefühl des Elendes glauben lernen, so kann uns unser Elend nicht vom Glauben abbringen.

Anfechtung der Sünden und Unglauben können unsern Glauben zwar bestürmen, aber sie müssen ihn uns nicht rauben.

Fehler und Vergehungen, die wider unsern Sinn und Willen an uns sind, erfordern und bringen, wenn es recht zugeht, zwar Reue und Beugung, aber sie heben die Gnade und also auch unsern Glauben nicht auf, sie sind alle mit bezahlt. Im alten Bunde konnten sie mit den Opfern nicht fertig werden, sondern mußten, so oft sie sündigten, wieder opfern Hebr. 10,1. Christus aber hat uns nun mit einem Opfer in Ewigkeit vollendet V. 14, und eine ewige Gerechtigkeit zuwege gebracht! Dan. 9,24. Diese gilt bei allen unsern Fehlern V. 12, nur daß wir nicht muthwillig sündigen V. 26. auch 1 Joh. 2,1.2.

Die Bestrafung des Geistes müssen wir lieben, uns darüber freuen und dabei gläubig bleiben. Amen!

Ich entsage allen eigenen Wegen und Wahl, und folge dem Wort und Zucht des Geistes!

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