Hofacker, Wilhelm - Am Karfreitag (Zweite Predigt).
Seht zu und merket, welch' ein Heil der HErr heute an uns getan hat, mit diesem Wort, mit welchem einst Moses am Tage der Errettung aus der Hand Pharaos und aus der Zwingherrschaft Ägyptens seinem Volk gegenüber trat, darf auch ich heute dich begrüßen, teure Gemeinde. Denn welch' ein Heil ist das, das uns heute der HErr bereitet hat! Unergründlich in seinem Ursprung, unermesslich in seinem Umfang, unabsehbar in seinen Folgen. Eine in Sünden tote Welt wurde heute durch ein Wunder der Liebe Gottes aus den Angeln gehoben; ein unter dem Fluch des Gesetzes liegendes Sündergeschlecht ward heute von der Obrigkeit der Finsternis errettet; eine Gemeinde ist heute gestiftet worden, die, weil sie erworben und erkauft ist mit dem heiligen, teuren Blut Christi, auch von den Pforten der Hölle nicht überwältigt werden kann. Was im Rat der unendlichen Liebe seit Ewigkeit her beschlossen war, worauf so viele Vorbilder und Weissagungen des Alten Bundes gedeutet haben, wozu sich der heilige Sohn Gottes aus freiem Gehorsam bereitwillig finden ließ; das ist am heutigen Tage in der Fülle der Zeiten wirklich geschehen. Er hat eine ewige Erlösung erfunden dadurch, dass Er Sein Leben für uns zum Schuldopfer gegeben; uns Sündern hat Er eine freie Bahn gemacht durch das rote Meer unserer Sünden hindurch; Er hat den Verkläger und Verfolger unserer Seelen zunichte gemacht und unsern Fuß an das Ufer des Friedens und der Freiheit gesetzt. Und wir, wir dürfen nun die Früchte der sauren Versöhnungs-Arbeit unsers großen Bürgen genießen und der Erlösung uns freuen, die Er uns blutend und sterbend errungen hat. Wir dürfen einstimmen in das Loblied der vollendeten Gerechten, die da rufen: Heil und Macht und Preis und Lob und Ehre und Dank sei dem Lamm, das uns erkauft hat mit Seinem Blut und hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Seinem Vater. Ja, wie dort Israel das Lied Mosis sang, so lasst auch uns dem Herzog unsrer Seligkeit ein Danklied anstimmen zum Preise Seiner Versöhners-Liebe und heiligen Mittlers-Treue.
Die Gemeinde sang:
Ich danke Dir von Herzen,
Versöhner meiner Schuld,
Für Deines Todes Schmerzen,
Für Deine treue Huld.
Dir will ich mich ergeben,
Um, mein Erlöser, Dein
Im Tode wie im Leben,
Um ewig Dein zu sein.
Text: Leidensgeschichte.
Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: es ist vollbracht! Und rief abermals laut und sprach: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände. Und als er das gesagt, neigte er das Haupt und verschied
(Joh. 19,29. Luk. 23,46. Matth. 27,50. Mark. 15,37.).
Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke, von oben an bis unten aus. Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf, und stunden auf viel Leiber der Heiligen, die da schliefen, und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung, und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen.
(Matth. 27,51-53. Mark. 15,38. Luk. 23,45.).
Aber der Hauptmann, der dabei stund, gegen ihm über, und die bei ihm waren. und bewahrten Jesum, da sie sahen das Erdbeben und dass er mit solchem Geschrei verschied, erschraken sie sehr, und preisten Gott und sprachen: wahrlich dieser ist ein frommer Mensch und Gottes Sohn gewesen! Und alles Volk, das dabei war, und zusah, da sie sahen, was da geschah, schlugen sie an ihre Brust und wandten wieder um.
(Matth. 27,54, Mark. 15,39. Luk. 23,47.48.).
Es stunden aber alle seine Verwandten von ferne, und die Weiber, die ihm aus Galiläa waren nachgefolgt und hatten ihm gedient, und sahen das alles; unter welchen war Maria Magdalena, und Maria, des kleinen Jakobus und Joses Mutter, und Salome, die Mutter der Kinder Zebedäi, und viele andere, die mit ihm hinauf gen Jerusalem gegangen waren.
(Matth. 27,55.56. Mark. 15,40.41. Luk. 23,49.).
Die Juden aber, dieweil es der Rüsttag war, dass nicht die Leichname am Kreuze blieben den Sabbat über (denn desselbigen Sabbats Tag war groß), baten sie Pilatum, dass ihre Beine gebrochen, und sie abgenommen würden. Da kamen die Kriegsknechte, und brachen dem ersten die Beine, und dem andern, der mit ihm gekreuzigt war. Als sie aber zu Jesu kamen, da sie sahen, dass er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht; sondern der Kriegsknechte einer öffnete seine Seite mit einem Speer, und alsobald ging Blut und Wasser heraus. Und der das gesehen hat, der hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr; und derselbige weiß, dass er die Wahrheit sagt, auf dass auch ihr glaubt. Denn solches ist geschehen, dass die Schrift erfüllt würde: „ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen.“ Und abermals spricht eine andere Schrift: „sie werden sehen, in welchen sie gestochen haben“
(Joh. 19,31-37.).
Und siehe, am Abend, dieweil es der Rüsttag war, welcher ist der Vorsabbat, kam ein reicher Mann von Arimathia, der Juden Stadt, mit Namen Joseph, ein ehrbarer Ratsherr. Der war ein guter, frommer Mann, und hatte nicht gewilligt in ihren Rat und Handel. Er wartete auch auf das Reich Gottes, und war ein Jünger Jesu, doch heimlich, aus Furcht vor den Juden. Der wagte es, und ging hinein zu Pilato und bat ihn um den Leib Jesu. Pilatus aber verwunderte sich, dass er schon tot war, und rief den Hauptmann und fragte ihn, ob er längst gestorben wäre? Und als er es erkundet von dem Hauptmann, befahl er, man sollte Joseph den Leichnam geben. Und er kaufte eine feine Leinwand, kam, und nahm den Leichnam Jesu herab
(Matth. 27,57-59. Mark. 15,42-46. Luk. 23,50-53. Joh. 19,38.).
Es kam aber auch Nikodemus, der vormals bei der Nacht zu Jesu gekommen war, und brachte Myrrhen und Aloen unter einander bei hundert Pfund. Da nahmen sie den Leichnam Jesu, und banden ihn in leinene Tücher, mit Spezereien, wie die Juden pflegen zu begraben
(Joh. 19,39.40.).
Es war aber an der Stätte, da er gekreuzigt ward, ein Garten, und im Garten ein neues Grab, das eigene Grab des Joseph, welches er hatte lassen in einen Fels hauen, in welches Niemand je gelegt war. Daselbst hin legten sie Jesum um des Rüsttags willen der Juden, weil der Sabbat anbrach und das Grab nahe war. Es folgten aber die Weiber nach, die mit ihm gekommen waren aus Galiläa, Maria Magdalena und Maria Joses. Die setzten sich gegen das Grab, und schaueten zu, wo und wie sein Leib gelegt ward. Und Joseph wälzte einen großen Stein vor die Tür des Grabes. Und sie kehrten um und bereiteten die Spezerei und Salben. Und den Sabbat über waren sie still nach dem Gesetz
(Joh. 19,41.42. Matth. 27,60.61. Mark. 15,46.47. Luk. 23,53-56.).
Nur sechs Stunden lang dauerte die Todesqual, mit welcher der HErr der Herrlichkeit Sein Leben am Fluchholz verzehrte. Nur achtzehn Stunden im Ganzen waren Ihm zugemessen, um den Leidenskelch, welchen der Vater Ihm darreichte, bis zu seiner tiefsten Neige zu trinken. Im Ganzen eine kurze Zeit, die schnell und rasch vorüberfloss. Aber war nicht in diese wenigen Stunden eine Ewigkeit zusammengedrängt, so dass Ewigkeiten dazu gehören werden, um die unermesslichen Wirkungen dieses Leidens und Sterbens zu ermessen und zu begreifen? Ja, wie die vier Enden des Kreuzes Christi, das auf Golgatha erhöht war, in vier Weltgegenden hinauswiesen, in die Höhe und in die Tiefe, in die Länge und in die Breite, so erstreckt sich auch die Wirkung Seines Todes hoch hinauf in die Räume der unsichtbaren Welt und tief hinab in die Behausungen der Finsternis; sie weist zurück in die längst vergangene Zeit des Alten Bundes, bis auf den Fall der ersten Eltern, ja noch weiter rückwärts in den Ratschluss der Erlösung vor Grundlegung der Welt, und sie zeigt wieder vorwärts auf die unermesslichen Raum- und Zeitgebiete der Menschheit, ja sogar bis hinaus auf den großen Zielpunkt aller Dinge, auf die Erneuerung und Verherrlichung des ganzen Welt-Alls durch Christum. Unmöglich ist es, mit dem kurzsichtigen Menschenauge die Höhen und die Tiefen dieser Erkenntnis zu durchmessen; aber Seligkeit ist es, auch nur Splitter dieser himmlisch-hehren Wahrheit ins Herz zu fassen und wenn auch nur an etlichen Strahlen derselben das heilsbedürftige Herz zu laben und zu weiden. Wir gedenken deswegen, unter dem Segen von Oben unsrer Andacht vorzuhalten den weltversöhnenden Tod Christi in seiner Macht und Wirkung.
Der Gegenstand unsrer Betrachtung zerfällt nach Anleitung unsres heutigen Passions-Abschnittes in drei Teile.
- Der Tod Christi öffnet den Himmel und sprengt die Tore der Hölle.
- Er erschüttert die Welt und sammelt die Kinder Gottes.
- Er treibt zur Geistesarbeit die Lebenden und lässt im Frieden ruhen die Sterbenden.
I.
Dass der Himmel dem Sünder durch den Fall verschlossen, der freie, kindliche Zugang zu Gott abgeschnitten sei, diese Wahrheit ist von Natur schon jedem Menschenherzen durch die Stimme des Gewissens unaustilgbar eingeprägt. Dem Volk Israel aber wurde sie noch insbesondere durch ein bedeutsames Sinnbild in dem Heiligtum, in welchem es seine Andacht zu verrichten pflegte, äußerlich veranschaulicht und nahe gelegt. Zwischen dem Heiligtum nämlich, in welchem die Priester ihres Amtes warteten, und zwischen dem Allerheiligsten, in welchem die Herrlichkeit Gottes über den Cherubim thronte, hing ein mehrere Finger dicker und dreißig Ellen langer Vorhang, gewirkt durch und durch, so dass unmöglich irgend ein Lichtstrahl von Innen heraus, noch auch ein Menschenblick von Außen hineindringen konnte. Nur nach langer Vorbereitung und Reinigung durfte ein Mal des Jahres am großen Versöhnungstage der Hohepriester hineingehen in das Inwendige des Vorhangs, in der einen Hand das Rauchfass, in der andern das Opferblut der Versöhnung, um die Sünde des Volks zu bedecken. Jedem andern Israeliten war es bei Todesstrafe verboten, einen Fuß auf den Boden dieses Heiligtums zu setzen. Was anders sollte dadurch dem Volk Israel veranschaulicht werden, als dass durch die Sünde eine Kluft entstanden sei zwischen Gott und dem Menschen, dass ihm dadurch der Zugang ins obere Heiligtum, zum himmlischen Gnadenthron verschlossen, und jeder unmittelbare und nähere Umgang mit Gott, dem Heiligen und Gerechten, so lange untersagt sei, bis der rechte und ewige Hohepriester, der keiner Reinigung von eigener Sünde bedürfen werde, kommen, die Sünden des Volkes hinwegnehmen und den Zugang öffnen würde zur vollen, seligen Gemeinschaft mit dem Gott aller Gnade und dem Vater der Barmherzigkeit.
Dieser Zeitpunkt aber war mit dem Karfreitag eingetreten; denn in dem Augenblick, in welchem der heilige Sohn Gottes am Kreuz erblasste, und Sein Geist von dem gemarterten Leib sich loswand, um mit dem Blut der geschehenen Versöhnung ins himmlische Heiligtum einzugehen und für uns zu erscheinen vor Gott, Seinem und nun auch unsrem Vater in jenem Augenblick war der verschlossene Himmel für die erlöste Sünderwelt wieder geöffnet, der Zugang zum Vaterherzen Gottes gebahnt, der Geist der Kindschaft uns erworben, und die bisher bestandene Scheidewand zwischen Gott und den Menschen aus dem Mittel getan. Und zum offenkundigen und unwidersprechlichen Zeugnis davon riss denn auch in jenem feierlichen Augenblick der Vorhang im irdischen Tempel mitten entzwei von oben an bis unten auf, so dass die Geheimnisse des Allerheiligsten dem Menschenblick sichtbar wurden, und die dort verschlossenen Wunder der Nähe Gottes auch dem Niedrigsten im Volk anschaubar näher traten. Der Himmel ward geöffnet, und die hinter dem ersten Menschen verschlossene Pforte des Paradieses durch den zweiten Adam wieder aufgetan. Und das eben, meine Lieben, ist eine der wunderbarsten Wirkungen des Todes unsres großen Mittlers und Bürgen, dass nun ein mit Seinem Blut besprengter Sünder im Glauben hinzutreten darf zum göttlichen Gnadenthron und wir Alle berufen sind, als ein erwähltes Volk priesterlich vor dem Vater zu erscheinen, gekleidet in die Kleider des Heils, angezogen mit dem Leibrock einer vollgültigen Gerechtigkeit, ohne dass Furcht und Zaghaftigkeit uns zurückscheuchen, oder irgend ein Feind unsrer Seligkeit die teuer erworbenen Kindschaftsrechte, die wir im Sohn der Liebe haben, uns rauben könnte. An dem heutigen Tag aber, an welchem Christus als der ewige Hohepriester die Versöhnung für unsere und aller Welt Sünde vollbracht hat, heute dürfen wir mit doppelter Freudigkeit vor Gottes Angesicht treten und unsere Hände ausbreiten nach dem oberen Heiligtum, wo Vaterarme sich uns entgegen breiten und Vaterliebe uns krönen will mit Gnade und Barmherzigkeit. Und auch ich darf heute euch zurufen:
Kommt Sünder, freut euch der süßesten Reden;
Denn hier ist wahrlich der Schlüssel zum Eden!
Jedoch nicht bloß aufwärts heißt uns der heutige Gedächtnistag des Todes Christi schauen, zu den lichten Höhen der Gnade Gottes, die Er uns aufgeschlossen; auch abwärts darf sich unser Auge heute wenden zu den finstern Gemächern des Todes und der Hölle, die durch den großen Todesüberwinder siegreich gelichtet und machtvoll gesprengt worden sind.
Versteht ihr wohl die Sprache, welche die beim Tod des Weltheilandes in Zuckungen liegende Erde zu uns redet, da ihre Klüfte erbebten, die Felsen zersprangen, die Gräber sich öffneten, und selbst der Tod seinen längst schon verschlungenen Raub wieder herausgeben musste? Ja, nicht nur die Erde, nein, auch die Hölle erzitterte, und zum Zeichen, dass auch ihr die Beute, die sie an sich gerafft, genommen sei, zum Zeichen, dass der Teufel, der bisher des Todes Gewalt hatte, keine Seele mehr halten und hinter seine finstern Tore und Riegel verschließen könne, zum Zeichen, dass über den Gewaltigen, der seinen Palast zu bewahren wusste, ein noch Stärkerer gekommen sei, der auszog die Fürstentümer und Gewalten, und einen Triumph aus ihnen machte durch sich selbst, und die Werke des Teufels auf immer zerstörte - zum Zeichen davon gingen aus den Gräbern entschlafene Heilige hervor, die durch Christum nun den Eingang fanden in das Reich unvergänglichen Lebens, in das himmlische Jerusalem, in die Stadt des lebendigen Gottes. Denn am Kreuz Christi ist das Gericht über den Fürsten dieser Welt ergangen; da ist seine Macht und Gewalt gebrochen worden; da wurde der Schlange der Kopf zertreten und nun gibt es für einen jeden Sünder, der seine Zuflucht zum Blute der Versöhnung nimmt, eine vollkommene Erlösung, kraft der er mit Luther sprechen kann: der Strick ist entzwei und ich bin frei. Nicht bloß die Schuld unsrer Sünde wurde im Tode unsres Bürgen getilgt, nein, auch die Macht der Sünde wurde dadurch gebrochen, ihre Herrschaft zunichte gemacht. Der heilige Leib Jesu Christi, verwundet und getötet um unsrer Missetat willen, ist scheidend zwischen uns und die Sünde getreten, und in Kraft des Sieges, den Christus am Kreuz über alle Macht der Finsternis errungen, kann nun unsere Seele alle Bande und Fesseln der Ungerechtigkeit, die sie gefangen hielten, von sich werfen und aus dem Grabe des geistlichen Todes hervorgehen als ein neuer Mensch und frei sich ergehen, als Bürgerin des himmlischen Jerusalems, im Sonnenschein des neuen Lebens, in der seligen Freiheit der Kinder Gottes. Das soll euch ein Wort des Trostes und der Aufrichtung sein, ihr gefangenen Geister im Kerker der Sünde und der Finsternis. Feinere oder gröbere Lüste und Begierden, offenbare oder verborgene Belialsstricke haben euch bisher zu Sklaven des Satans gemacht. Ihr habt euch vielleicht schon manchmal herausgesehnt aus den Banden eurer Dienstbarkeit, aber vergeblich gerüttelt an den Schlössern und Riegeln, die euch einzwängten. Nach allen solchen Befreiungsversuchen, die ihr in eigener Kraft unternommen habt, seid ihr nur matter und hoffnungsloser in die alte Nacht zurückgesunken. Aber wisst, heute ist nicht bloß der große Versöhnungs-, heute ist auch euer Befreiungstag. Denn heute hat euer rechtmäßiges Oberhaupt, euer himmlischer Friedenskönig, eine Befreiungsschlacht für euch geschlagen und das Tyrannenjoch, das euch auf dem Nacken lag, mit siegreicher Hand zersprengt und zerbrochen. Der Sündenbund, durch den ihr an Satan und Hölle festgekettet wart, ist entzwei geborsten; der große Durchbrecher ist erschienen, das Tor der Erlösung ist euch aufgetan; ihr könnt frei werden durch die freimachende Kraft des Blutes Jesu Christi. Hebt eure Häupter empor, eure Erlösung naht. Keine Sündenfessel ist so stark, dass sie der Todesüberwinder nicht entzwei reißen, keine Kette der Weltlust so schwer, dass sie euch der Sieger auf Golgatha nicht abnehmen könnte. Heute noch könnt ihr es erfahren, dass in Christo allen nach Heil und Frieden Schmachtenden der Tag des Sieges und der Freiheit angebrochen ist.
Er führt Seines Reiches Kriege
Macht der Sklaverei ein End'.
Er lässt aus der Gruft die Seelen
Durch des Neuen Bundes Blut,
Lässt euch länger nicht so quälen,
Denn Er meint's mit euch ja gut.
Der Tod Christi öffnet den Himmel und sprengt die Tore der Hölle.
II.
Sein Tod erschüttert aber auch die ungläubige Welt, während er ein Panier für die gläubigen Kinder Gottes wird, sie zu sammeln und zu vereinigen.
Wie viel dazu gehöre, um ein ungläubiges Menschenherz zu erschüttern, wer weiß das nicht! Scheint es ja doch oft wie von Erz und Stahl zu sein, so dass alle göttlichen Gnadenwirkungen von ihm zurückprallen. Was für scharfe Zuchtmittel muss deswegen oft Gott anwenden, um den starren Nacken des Eigensinns zu beugen; was für Hammerschläge des Unglücks oft auf den Menschen hernieder fallen lassen, um das steinerne Herz zu zermalmen; was für Flammen des Anfechtungsfeuers anzünden und schüren, um das starre Metall des Gemüts zu erweichen und in Fluss zu bringen. Der Kraft des Todes Christi aber gelingt dies oft viel leichter und viel schneller, und ein solcher Sieg ist um so viel herrlicher, als die Klarheit des Neuen Bundes herrlicher ist, denn die des Alten. Einen Beleg hierfür gibt uns ein herzerhebender Auftritt am Kreuz des sterbenden Weltversöhners. Als die Umstehenden all' das sahen, was vorging im Augenblick des Todes Christi, das Erdbeben, das den Boden zu ihren Füßen zittern machte, als sie den Machtruf hörten, mit welchem Jesus verschied, da wurde es ihnen bange ums Herz, die Spottreden erstarben auf ihren Lippen, die Witzeleien verstummten in ihrem Mund, sie schlugen betroffen an ihre Brust und wandten sich von dem Schauplatz des Grauens und gingen in die Stadt zurück. Das Erz am Kriegerherzen des Hauptmanns aber, der Wache hielt am Kreuz, sprang, und ein gutes Bekenntnis, das Fleisch und Blut ihm nicht offenbart hatte, sondern der Vater im Himmel, floss über seine Lippen: „Wahrlich, dieser ist ein frommer Mensch und Gottes Sohn gewesen!“ Was war's, das diesem für göttliche Dinge sonst stummen Männerherzen diese Christum verherrlichenden Worte entlockte? was war's, das sein heidnisches Gemüt am Kreuz des geächteten, den Römern sonst so verächtlichen jüdischen Mannes mit einem heiligen Schauer und einem inneren Beben erfüllte? Es war die Macht des Todes Christi, der auch im Verscheiden noch Herzen eroberte, und verhärtete und unempfängliche Seelen mit dem Eindruck des Göttlichen überwältigte. Der römische Hauptmann steht als der erste Abgeordnete aus der Heidenwelt am Kreuze des Herrn, zum Zeugnis, dass, weil Israel verstummte und scheu und verstockt sich hinwegstahl, Gott nun heidnische Lippen zu öffnen wissen werde, um dem Gekreuzigten die Ehre zu geben; er steht da als ein sprechendes Vorbild aller derer, die unter dem Kreuz Christi in ihr Herz und Gewissen gehen, ihre Schuld und Seine Huld mit tiefer Beschämung und Beugung erkennen, und dem Lamm Gottes den Zoll demütiger Ehrerbietung, heißen Dankes und feurigen Preises nicht versagen können. Er sei uns willkommen am Kreuz dieser heidnische Krieger als eine schöne und hoffnungsreiche Prophezeiung.
Auch unter uns, mitten in der Christenheit, gibt es so manche heidnische und ungläubige Herzen. Sie stehen der Wahrheit bis jetzt noch feindlich und kriegerisch gegenüber, der Panzer der Gleichgültigkeit deckt ihre Brust, der Helm des Trotzes sitzt auf ihrem Haupt, der Schild der falschberühmten Kunst ist in ihrer einen, das Schwert der Zweifelsucht in der andern Hand. Wie kann man sie treffen ins Innerste, dass es schmerzt und blutet? wie kann man sie schlagen und verwunden, dass sie nach dem Arzt, der allein heilen kann, sich umsehen? wie kann man sie überzeugen und überwältigen, dass sie der Wahrheit sich gefangen geben? Menschliche Waffen sind dazu zu stumpf, Menschenmacht dazu zu kurz, Menschenwort dazu zu schwach. Das kann nur Einer, der im Tod noch Felsen zersprengen, Gräbertore erbrechen und eine bisher nur im kriegerischen Befehlswort geübte Zunge zum Preise Seines Namens öffnen konnte. Das kann Er bei solchen, die nicht feig und scheu von Seinem Kreuz sich hinwegstehlen, das kann Er bei solchen, die, wie der Hauptmann, Ihn, den großen Gekreuzigten fest und unverrückt ins Auge fassen, das kann Er bei solchen, die wenigstens mit der natürlichen Aufrichtigkeit ihres Herzens in ungekünstelter und unverstellter Offenheit Gott die Ehre geben. Die Heuchler und Lichtscheuen bekommen keinen Teil an der Kraft des Todes Christi; aber den Aufrichtigen lässt der HErr sein Licht aufgehen mitten aus der Dunkelheit. Darum ihr, die ihr noch ferne steht in der Gemeinde des HErrn, tretet herzu; stellt euch mit dem Hauptmann unter das Kreuz; dann werdet ihr wenigstens, wenn ihr aufrichtig sein wollt, das bekennen müssen: dieser, der hier stirbt, ist ein frommer Mensch und Gottes Sohn gewesen. Der Geist der Wahrheit aber wird euch weiter führen; er wird den in euch verklären, der auch für eure Sünden geblutet und um eurer Missetat willen das Haupt im Tod geneigt hat. Fasst Ihn nur recht fest ins Auge in Seiner großen Dulders-Herrlichkeit; gewiss auch euer Herz wird immer weicher, zum Glauben immer geneigter, zur Huldigung vor Ihm immer williger werden. Ihr werdet den HErrn erkennen und euer Mund wird Gott preisen über dem Tode Seines eingebornen Sohnes. Ja
Kommt, Sünder, und blicket dem ewigen Sohne
Ins Herz, in die Nägelmal', unter die Krone,
Und sucht euch noch mehrere zuzugesellen,
Die sich mit euch vor den Gekreuzigten stellen!
Hierzu eben fordert unser Passionsabschnitt noch durch einen andern Auftritt uns auf, der an das Bekenntnis des Hauptmanns unmittelbar sich anschloss. Bereits sehen wir nämlich eine kleine Schar sich einfinden, um sich vor den Gekreuzigten zu stellen; ja das Kreuz Christi gestaltet sich zum Sammelplatz aller gläubigen Kinder Gottes.
Durch die grauenvollen Zeichen, die mit dem erschütternden Tod des Sohnes Gottes verbunden waren, wurde der Platz um das Kreuz her von den eitlen Gaffern und Spöttern und dem übrigen Pöbel gesäubert. Es wurde stiller und ruhiger um die ernste Todesstätte her. So vermochten dann die Verwandten des HErrn und die Frauen, die Ihm aus Galiläa nachgefolgt waren und Ihm gedient hatten, Maria Magdalena, die andere Maria, Salome und die andern Freunde und Freundinnen dem Kreuz sich zu nahen, ohne gerade Verunglimpfungen ausgesetzt zu sein. So fand sich dann nach und nach das Häuflein der Gläubigen zu den Füßen ihres bereits erblassten Hauptes und Meisters ein; sie waren zersprengt worden vom Wolf, der die Herde zerstreut und den Hirten geschlagen hatte, aber jetzt scharten sie sich um Ihn in Trauer und Wehmut, beseelt von jener Liebe, die stärker ist als der Tod und die auch viele Anfechtungswasser nicht auszulöschen vermögen. Ja sie durften sich sogar eines Zuwachses erfreuen; es schlugen sich noch mehrere zu ihnen, die dem HErrn und ihnen vorher ferne gestanden waren, Joseph von Arimathia, der fromme und ehrbare Ratsherr, und Nikodemus, der früher bei Nacht zu Jesu gekommen war. Vorher hielt sie Menschenfurcht und Menschengefälligkeit von einem offenen Bekenntnis zu dem verachteten Nazarener zurück; nun aber warfen sie alle Bedenklichkeiten über Bord, sie zogen die Flagge des Gekreuzigten als Zeichen ihres gereifteren und erstarkteren Glaubens auf und steuerten dem Sammelplatz Seiner Getreuen entgegen. Und so finden wir denn unter dem Kreuz Christi beinahe die ganze damalige Gemeinde Seiner Gläubigen versammelt; Christum, den Gekreuzigten aber, mitten unter ihnen, als Magnet ihrer Liebe und ihrer Hoffnung.
Seht da auf dunklem Grund, aber in glänzenden Farben, ein liebliches Abbild von der Gemeinschaft der Heiligen, von der gliedlichen Vereinigung aller Gläubigen mit einander unter ihrem gemeinschaftlichen Haupt, dem gekreuzigten Heiland.
Mag das innere und äußere Gedränge um sie her auch noch so groß sein, zum Kreuze ihres Erlösers suchen sie sich täglich im Geist einen Durchgang zu bahnen. Denn hier allein wird es ihrer Seele wohl; hier kommt ihr Herz zum Frieden; hier schmeckt es die Kräfte der zukünftigen Welt. Die Welt kann ihnen den Weg zu vielerlei versperren, den Weg zur Ehre und zum Ansehen, zur Macht und zum Reichtum, zur Freude und zum stillen Lebensgenuss; sie denken: lass fahren dahin, sie haben's keinen Gewinn, kann sie uns doch den Weg zum Kreuz Christi nicht verlegen. Dort aber ist ein weiter Raum für alle armen Sünder, die Trost für ihr Gewissen, Ruhe für ihren geängsteten Geist, Erquickung für ihr müdes Herz und den Frieden suchen, den die Welt nicht gibt, und nicht geben kann. Keinem ist hier der Zutritt verwehrt; keiner ist ausgeschlossen, der Sehnsucht und Heilsbegierde mitbringt und seine Knie vor dem Gekreuzigten beugt. Deswegen findet man auch unter dem Kreuz Christi eine Gemeinde aus allen Nationen und Sprachen, von allen Bildungsstufen und Altern, von allen Enden und Orten. Dort legen sie täglich im Geist ihre Bußgebete nieder, die sie vor den Thron der Barmherzigkeit bringen; dort schöpfen sie täglich neuen Mut und neue Freudigkeit beim Blick auf den befleckten Rock ihres Fleisches und auf die große Schuld ihres verderbten Herzens; dort waffnen sie sich täglich mit neuer Kraft zu ausharrender Geduld und guter Ritterschaft; dort stammeln sie endlich täglich ihre Dank und Jubellieder Dem zu Ehren, der in der Angst des Gewissens ihr Friede, in der Armut des Geistes ihr Reichtum, in den Kämpfen dieser Zeit ihr Panier und ihre Hilfe, und selbst im Tod ihr Sieg und ihre Zuversicht ist. Ja hier ist hienieden aller Gläubigen Sammelplatz; das Getrennte. fließt dort zusammen; die Entzweiten söhnen sich aus; ein Sünder gibt dem andern hier williger die Hand; denn hier fühlen sie es: wir Alle brauchen Vergebung und wir finden sie bei dem Einen, der unser Haupt und unser Mittler, und der allgemeine Heiland aller der Seinigen ist.
Ja unter dem Kreuz Christi strömt täglich Seine teuer erkaufte Gemeinde zusammen; hier ist der Quellpunkt ihrer gemeinschaftlichen Liebe zu Ihm und ihrer brüderlichen Liebe unter einander; und von Golgatha herab tönt erst recht in voller Harmonie das Lied des Friedens und der Gemeinschaft, mit dem sie sich als Erlöste Eines HErrn begrüßen auf der Wanderschaft zur himmlischen Heimat:
Herz und Herz vereint zusammen.
Sucht in Gottes Herzen Ruh.
Lasset eure Liebesflammen
Lodern auf den Heiland zu!
Er das Haupt, wir Seine Glieder;
Er das Licht und wir der Schein;
Er der Meister, wir die Brüder;
Er ist unser, wir sind Sein.
Das Kreuz Christi sei und bleibe deswegen auch unser Mittelpunkt und Sammelplatz. Dann werden wir auch
III.
zur Geistesarbeit uns schicken als die Lebenden und im Frieden ruhen als die Sterbenden. Dies sei das Letzte, worauf wir noch kurz unsere Aufmerksamkeit lenken. Mit dem Tod Christi war die Arbeit Seiner Feinde zu Ende; ihr Zweck war erreicht, der Fürst des Lebens lag unter den Toten. Deswegen wurde ihm auch kein Bein zerbrochen, wie den beiden übrigen Missetätern; auch bekümmerten sich Seine Widersacher an diesem Tag nicht mehr um Seine Kreuzabnahme und Seine Grablegung. Das überlassen sie Seinen Freunden. Ihr Rachedurst war gekühlt; ihre Blutarbeit ruhte. Aber nun begann die Arbeit Seiner Getreuen. Sie erhoben die ermatteten und müden Hände und schritten zum Werke, zu dem der Geist von Innen sie trieb. Joseph ging zu Pilatus, und erbat sich den Leichnam, ein schwerer Gang für einen Mann in diesen amtlichen Verhältnissen und Verbindungen. Er tat aber in seinem Teil, was er konnte. Die Frauen bereiteten Spezereien und sorgten für eine reinliche Bekleidung der Leiche und wickelten dieselbe in feine Leinwand. Das war ihr Geschäft. Nikodemus endlich brachte Myrrhen und Aloen und blieb dabei, bis dem geliebten Toten seine Ruhestätte angewiesen war. Das war sein Geschäft. Siehe! lauter geschäftige und emsige Herzen und Hände, voll frommer Hingabe und Fürsorge. Und was setzte sie in Bewegung? Woher diese Rührigkeit und dieser unermüdete Eifer? Die Liebe zum Erblassten war's, die sie nicht rasten ließ, die Liebe, die durch Seinen Tod nicht vermindert, sondern nur noch gesteigert und verklärt worden war. Davon zeugten die Tränen, die reichlich aus ihren Augen quollen, und nun im Abendgold der untergehenden Sonne glänzten. Davon zeugte die zarte und freigebige Bestattung der Leiche, der sie gerne all das Ihrige zum Opfer dargebracht hätten.
Seht da wiederum eine großartige Wirkung des Todes Christi! Was ein Paulus ausruft: die Liebe Christi dringt uns; denn wir halten dafür, dass, so Einer für Alle gestorben ist, so sind sie Alle gestorben; Er ist aber darum für Alle gestorben, auf dass die, so da leben, nicht ihnen selbst leben, sondern Dem, der für sie gestorben und auferstanden ist, das bezeichnet das Grundgesetz eines Herzens, in welchem die Kraft der Versöhnung sich belebend und erneuernd kund getan hat. Ein Blick auf das Kreuz Christi treibt zu freudiger und unverdrossener Geistesarbeit, so lange es Tag ist; eine Erinnerung daran, was Er für uns getan, spornt zum willigen Entschluss, auch zu tun für Ihn, was in unsern Kräften steht. Was war es, was die Apostel drang, Bequemlichkeit und Ehre bei den Menschen, Hab' und Gut, gute Tage und irdischen Besitz mit dem Rücken anzusehen und ihr Leben im Dienst des Evangeliums unter Gefahren, Nöten, Ängsten und Anfechtungen aller Art zu verzehren und endlich zum für alle Arbeit und Mühe einem martervollen Tod sich zu unterziehen? Nur die Liebe zum Gekreuzigten konnte solche Opfer bringen. Was war's, was die Märtyrer und Blutzeugen drang, Alles was ihnen teuer war, daran zu setzen, die Scheiterhaufen zu besteigen, in den Todesrachen der wilden Tiere sich zu stürzen und unter tausend Qualen ihr Bekenntnis mit ihrem Blut zu besiegeln? Nur die Liebe zu Dem, der uns zuerst geliebt hat, hat sie so stark und todesmutig gemacht. Was war's endlich, was, um auch ein Beispiel der neuern Zeit anzuführen, vor hundert Jahren die Sendboten der Brüdergemeinde in die Eisfelder des Nordens, an die Schneeküsten von Grönland und Nordamerika trieb und unter Not und Gefahr Jahrzehnte warten und ausdauern ließ, bis endlich ein zündender Feuerfunke göttlichen Lebens in die finsterste Nacht heidnischer Unwissenheit fiel? Nur die Liebe zum Mann der Schmerzen, dem sie ihre Leiber und ihre Herzen verpfändet hatten, gab ihnen solche Ausdauer und Gelassenheit, solchen unbezwinglichen Hoffnungsmut auch dann noch, als nichts mehr zu hoffen war. Denn die Liebe Christi macht verwegen und stark, hingebend und treu. Darum, wenn es dir an Trost und Kraft gebrechen will, um auszuharren in deinem vom HErrn dir angewiesenen Tagwerk, wenn du müde wirst und erliegen willst bei so manchen Lasten, die dich zu Boden drücken, Seele, dann gehe nach Golgatha; dort wird neues Leben auf dich strömen, um aufzufahren mit den Flügeln des Glaubens, wie ein Adler, und ohne müde zu werden, in dem Kampf zu laufen, der dir verordnet ist. Hier wirst du zu jener Geduld dich wieder ermannen, die aushält bis an's Ende; du wirst überwinden lernen, wie dein großer Vorgänger überwunden hat, getragen von der Hoffnung, die hinausschaut auf den Feierabend, der nach des Tages Last und Hitze dem müden Arbeiter anbrechen soll.
Denn im Frieden sollen ruhen die Sterbenden, die in dem Tode Christi das Leben gefunden haben. Er selber, der erblasste Dulder, lag am Abend des Karfreitags bereits im süßen Gottesfrieden; der Sabbat war Ihm angebrochen nach einer schwülen und herben Leidenswoche. Die Ruhe auf Seinem Antlitz bezeugte, dass Sein Werk vollbracht und Sein Geist geborgen sei in den Händen des Vaters, im Zelt des Himmelsfriedens und seliger Paradieseswonne. Da schlug für die Frauen und Freunde des Entschlafenen die Stunde der Trennung von der geliebten Leiche; sie nahmen Abschied von ihr mit tausend bittern Wehmutstränen; aber auch sie waren jetzt stille den Sabbat über, der anbrach, nach dem Gesetz. Große, selige Erlaubnis derer, die den HErrn geliebt und Ihm gedient und für Ihn gearbeitet haben im irdischen Prüfungsstand - wenn nun der Abend anbricht, und der Sabbat erscheint, still und sanft ruhen zu dürfen im Frieden der Versöhnungsgnade durch den Glauben an Den, der Alles vollendet, und das Werk unserer Rechtfertigung und Beseligung hinausgeführt hat zum Sieg. Sie dürfen mit jenem ergrauten Diener Christi sprechen:
Meine Arbeit geht zu Ende,
Und der Sabbat bricht mir an,
Die durchgrab'nen Füß' und Hände
Haben Alles für mich getan.
Zwar beugt es sie tief in den Staub, dass sie sich gestehen müssen, sie hätten noch treuer sein können in ihrem Tagewerke, noch brünstiger im Geist, noch wackerer im Bekenntnis, noch fleißiger im Gebet, noch entschiedener im Kampf wider Sünde und Welt, noch vorsichtiger im Wandel, noch ausdauernder in der Liebe und in der Geduld; aber ihr Friede und ihre Sterbenszuversicht wurzeln in einem andern Boden, sie gründen sich auf die vollgültige Gerechtigkeit ihres ewigen Bürgen, an welchem sie haben die Erlösung durch Sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden. Sein Leidensgang zum Vater ebnet auch ihnen den rauen Weg auf der Vollendungsstraße; und im Glauben an Ihn legen sie getrost ihr Gebein in die stille Ruhekammer nieder, die Er durch Seinen Schlummer im Grabe geweiht und geheiligt hat. Sie wissen, dass auch ihr Fleisch ruht auf Hoffnung, und einst verjüngt und verklärt zur Auferstehung der Gerechten reifen wird durch den, der Alles neu macht.