Hofacker, Wilhelm – 45. Am Feste der Himmelfahrt Christi.

Hofacker, Wilhelm – 45. Am Feste der Himmelfahrt Christi.

(Erste Predigt; vor dem Konfirmationssonntag.)

Setze dich zu meiner Rechten, bis dass ich lege deine Feinde zum Schemel deiner Füße: so spricht der Vater der Herrlichkeit im heiligen Psalmbuch (Psalm 110, 1.) zum Sohn der ewigen Liebe; und am heutigen Festtag wurde diese Schrift erfüllt. Zur Rechten der Kraft in der Höhe durfte sich der erniedrigte und durch Leiden des Todes vollendete Hohepriester der Menschheit setzen. Aus der tiefsten Erniedrigung stieg Er auf zur höchsten Verherrlichung; aus dem Todesstaub dieser armen Welt schwang Er sich auf zum Thron ewiger Macht und Majestät, und da herrscht und lebt Er nun mit dem Vater der Herrlichkeit, gleicher und wahrer Gott, hochgelobt in Ewigkeit. Lobpreisend und dankend dürfen wir heute unseres allerheiligsten Glaubens besonders froh werden und freudig bekennen: Jesus Christus ist König nach der Weise Melchisedeks; sein Zepter ist ein gerades und richtiges Zepter, sein Reich ein ewiges Reich, seine Herrlichkeit ist eine unvergängliche Herrlichkeit; ja freudiger als sonst dürfen wir heute in die Saiten der Zionsharfe greifen und vor aller Welt es rühmen:

Jesus Christus herrscht als König,
Alles ist Ihm untertänig,
Alles legt Ihm Gott zu Fuß!

Jedoch diese verheißene Erhöhung zur Rechten Gottes ist nur Ein Teil seiner erlangten Verherrlichung. Der Vater hat Ihm noch eine andere verheißen: alle deine Feinde will ich legen zum Schemel deiner Füße. Er ist nun der große Ehrenretter des Sohnes geworden und wird nicht ruhen, bis alle feindseligen Gewalten unter seine Herrschaft gebeugt, die Schwerter und Spieße aber seiner Feinde zerbrochen und das Reich Christi als ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit angerichtet und durch alle Weltgebiete verbreitet und Eine Herde und Ein Hirte sein wird. Diese große Aussicht ist uns an dem heutigen Tag eröffnet und darum pflanzen wir das Panier des Sieges und der Hoffnung auf und frohlocken:

Es kann nicht Friede werden,
Bis seine Liebe siegt,
Bis dieser Kreis der Erden
Zu seinen Füßen liegt;
Bis Er im neuen Leben
Die ausgesöhnte Welt
Dem, der sie Ihm gegeben,
Vors Angesicht gestellt.

Ja kommt, wir wollen in die Saiten des Gesangs greifen und wir dürfen wohl heute dem großen HErrn der Herrlichkeit ein Loblied anstimmen. Wir singen den 3., 4. und 5. Vers aus dem Lied: Auf Christen, auf und freut euch!

Weit, über alle Himmel weit,
Geht seine Macht und Herrlichkeit.
Ihm dienen selbst die Seraphim;
Lobsingt mit lauter Stimme Ihm.

Sein sind die Völker aller Welt;
Er herrscht mit Macht und Gnad' als Held;
Er herrscht, bis unter seinen Fuß
Der Feinde Heer sich beugen muss.

Beschirmer seiner Christenheit
Ist Er in aller Ewigkeit;
Er ist ihr Haupt; lobsinget Ihm,
Lobsingt mit froher Stimme Ihm.

Text: Luk. 24, 49-53.
Und Jesus sprach zu ihnen: siehe, ich will auf euch senden die Verheißung meines Vaters. Ihr aber sollt in der Stadt Jerusalem bleiben, bis dass ihr angetan werdet mit Kraft aus der Höhe. Er führte sie aber hinaus bis gen Bethanien, und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, da Er sie segnete, schied Er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten Ihn an, und kehrten wieder gen Jerusalem mit großer Freude, und waren allewege im Tempel, priesen und lobten Gott.

Kurz, einfach und schmucklos erzählt unser heutiges Evangelium die Aufnahme Christi in den Himmel. Es ist aber nicht das erste Mal, dass die Bibel von einer Himmelfahrt erzählt.

Auch der alte Bund hat eine Himmelfahrt aufzuweisen, deren Beschreibung ausnehmend schön, erhaben und großartig ist und die um ihrer Herrlichkeit willen unsere schmucklose und einfache kurze Festtags-Erzählung gleichsam überstrahlt und verdunkelt. Elias heißt der Mann, der einer solchen herrlichen Vollendung gewürdigt wurde, neben Moses der größte unter allen Propheten, ausgezeichnet durch seine Geistesgaben wie durch seinen Feuereifer, herrlich durch seine Taten wie durch sein Ende. Aber trotz der wunderbaren Herrlichkeit, mit welcher seine Entrückung in den Himmel umflossen ist, wie viel herrlicher und großartiger ist doch die Auffahrt, die unser HErr Jesus Christus gefeiert hat! Bei Elias kamen die Kräfte der unsichtbaren Welt in Bewegung, es mussten aus der Unsichtbarkeit die nötigen Zurüstungen herbeigeschafft werden, um Ihn, den Sohn des Staubes, aus dem irdischen Jammertal aufwärts zu tragen in das Land der Verherrlichung und himmlischen Verklärung. Bei Jesus bedurfte es dies Alles nicht; leicht und aus eigener Machtvollkommenheit schwang Er sich aufwärts als der, der das Recht zum Throne und das Leben in sich selber hat und als König der Ehren keiner äußeren Hilfe bedurfte. Bei Eliä Himmelfahrt war die sichtbare Natur im Aufruhr und lag gleichsam in Geburtswehen über dem ungewöhnlichen und wundervollen Ereignis; er musste im Wetter und im Toben der Elemente die Trosse aufwärts finden; bei Jesus war der Himmel heiter und Frühlingslüfte wehten um den Ölberg und seine einsame Kuppe; die sichtbare Schöpfung fand es gleichsam ganz natürlich, dass der Sohn der Liebe auf diese Weise zurückkehre aus der Fremdlingsschaft, und feierte in heiliger ehrerbietiger Stille die Verklärung ihres Schöpfers. Bei Elias endlich war nur eine einzige Seele, die aus seiner Auffahrt Nutzen und Gewinn zog, Elisa, der die Bitte gewährt erhielt, dass der Geist des Lehrers zweifältig auf ihm ruhen sollte. Bei Jesus aber stand um seinen Auferstehungsthron eine zahlreiche Jüngerschar, die gesegnet entlassen wurde und der noch mehr verheißen wurde, der Geist, der ein Geist der, Herrlichkeit und des Lebens ist. Sie waren gleichsam nur eine kleine Zahl erwählter Repräsentanten der unzählbaren Menge, die seit der Auffahrt Christi gesegnet wurde mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern in Christo Jesu ihrem HErrn. Sagt selbst: ist nicht diese Auffahrt herrlicher als das Herrlichste, was je die Sonne gesehen und die arme Erde erlebt hat, seitdem sie um ihre Are rollt? Und darum ist es wohl der Mühe wert, dass wir beim Auffahrtstag Christi länger verweilen und ihn uns vorhalten in seiner heilig tiefen Bedeutung:

Der Tag der Auffahrt Christi als ein Tag voll heiliger und tiefer Bedeutung,

1) als ein Tag des reichsten und herrlichsten Segens,
2) als ein Tag der großartigsten Huldigung,
3) als ein Tag der freudigsten Ermutigung.

I.

1) Auf einen der erhöhten Punkte des Ölbergs stellt uns unsere heutige Textgeschichte. Der HErr ist im Begriff, sich aufwärts zu schwingen in das Reich, das Ihm der Vater beschieden hat; Er ist fertig auf Erden, Er hat vollbracht das Werk, das Er Ihm aufgetragen hat; Er will heimkehren aus der Fremdlingsschaft in die längst ersehnte Heimat. Auch sind Seine letzten Befehle bereits gegeben, Er steht an der Pforte seiner Vollendung. Aber siehe: Er kann noch nicht aufwärts fahren, Er kann sich noch nicht losreißen, Er muss sie noch einmal segnen, die Erkorenen seines Herzens, die Jünger seiner Liebe. Darum tritt Er noch einmal hinein in ihre Mitte, feierlich hebt Er seine Hände empor über ihre Häupter, und indem sein Herz voll heiliger, voll unendlicher Liebe Ihm überwallte gegen sie, sprach Er Worte herrlichen und himmlischen Segens, die wie milder Honig von seinen Lippen träufelten. Noch einmal sollte, ehe er sich schloss, der reiche Blumenkelch seines treuen und unwandelbaren Herzens in Worten des Segens sich über ihnen erschließen, um den Wohlgeruch und den Duft seiner Gnade und Wahrheit über sie auszuströmen und sie zum letzten Mal damit zu laben und zu erquicken. Jesus trat damit ganz hinein in die Fußstapfen des alttestamentlichen Hohenpriesters Aaron, dessen süßestes und schönstes Geschäft es war, das Volk nach jeder Zusammenkunft segnend zu entlassen und die Gnade des heiligen Gottes über dasselbe auszuspenden. Aber hier war mehr als Aaron. Hier war der, der das Leben in sich selber hat und darum Leben geben kann, welchem Er will; hier war der, der den Schlüssel Davids hatte und hinzutreten konnte zu den ewigen Lebensströmen, um sie in dürstende und lechzende Herzen hinüberzuleiten; hier war der, der den Geist hat ohne Maß und darum auch aus seiner Fülle Geist und Leben mitteilen konnte, dass sie nehmen Gnade um Gnade.

Segnend ist Jesus von der Erde geschieden, - ist das nicht bezeichnend für seine ganze Erscheinung auf Erden? ist das nicht die schönste und wahrste Auflösung vom Zweck seines ganzen Lebens? Ja um zu segnen, um von der verfluchten Menschheit den Fluch des Todes hinwegzuheben, um die Quelle des Jammers und der Verdammnis zu verstopfen, um die Missetat zu versiegeln und die ewige Gerechtigkeit und dadurch Leben und Seligkeit wieder zu bringen, - dazu ist Er herabgestiegen vom Thron seiner Herrlichkeit, dazu ist Er in Armut gewandelt und in Knechtsgestalt, darum hat Er Marter und Tod am Kreuz erlitten, darum hat Er sich erniedrigt bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz, und darum hat Er sich nun aufwärts geschwungen auf den Thron der Herrlichkeit, um die Heils- und Segens - Güter, die Er so sauer erstritten, Licht und Leben, Gnade und Wahrheit, Frieden und Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit und Herrlichkeit auszuteilen und auszuspenden auf alle hungernden und dürstenden Herzen, damit sie gesegnet werden mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch seine Liebe.

Und darum darf auch heute vom Amt, das die Versöhnung predigt, zum Lebens- und Segensstrom, der in seiner Auffahrt eröffnet ist, eingeladen und jeder verlangenden Seele zugerufen werden: Er ist auch bereit, dich zu segnen, Er hat Gaben empfangen für die Menschheit, und seine Freude und Wonne ist es, diese Gaben auszuteilen und die Frucht des himmlischen Lebensbaumes frei und umsonst dir in den Schoß zu schütten.

Ja hier, hier sind die rechten Gaben,
Da dein Hirt,
Jesus, wird
Dich ohn' Ende laben.

2) Jedoch nicht auf einmal teilte der auffahrende Jesus alle seine Heils- und Segens-Güter aus, Er hat damit hausgehalten und als ein weiser Pfleger der himmlischen Güter behielt Er noch gar Manches für sie im Vorrat. Deswegen vertröstete Er sie auch in Beziehung auf weitere Erweisungen seiner segnenden Liebe auf die Zukunft und sprach: ich will auf euch senden die Verheißung meines Vaters, darum bleibt in der Stadt Jerusalem, bis ihr angetan werdet mit Kraft aus der Höhe. Auch die gesegneten Jünger sollten warten und harren lernen auf noch größere Segnung, und indessen sich begnügen mit dem, was Er ihnen aus der Fülle und dem Reichtum seiner Liebe darbot, und eben dadurch sich tüchtig machen, noch Weiteres und Reicheres zu empfangen. Der Heiland handelte hierin nach seinem großen und unwandelbaren Reichs-Grundsatz: wer da hat, dem wird gegeben; Er wollte, ohne mit ihnen Sprünge in ihrer geistigen Entwicklung und Wachstum zu machen, seine Jünger von Stufe zu Stufe, von Kraft zu Kraft führen und sie so nach und nach reifen lassen zu dem vollkommenen Mannesalter in Christo, ihrem HErrn. Er wollte aus seinen Jüngern keine Treibhaus-Pflanzen machen, sondern sie stetig reifen lassen am Sonnenstrahl seiner segnenden und mitteilenden Liebe. Ist das nicht auch ein herrlicher und sprechender Beweis seiner segnenden Liebe? Hat Er nicht auch darum den Thron der Herrlichkeit bestiegen, um von dort aus als der große Erzieher des Geistes die Seinigen in die Schule seines Geistes zu nehmen und nach seiner Weisheit sie zu bilden und von einer Stufe der Erkenntnis und des Glaubens zur andern zu führen und nach dem verborgenen Gesetze seines Reichs und seiner Liebe das gute Werk an ihnen fortzusehen und zu vollenden zu seines Namens Preis?

O wie viele unnötige Sorgen und wie viele ermüdende Klagen könnten wir manchmal uns ersparen, wenn wir an dieser Wahrheit treuer und kindlicher festhielten! Du klagst etwa über deinen schwachen Glauben, und wer möchte daran zweifeln, dass du damit Wahrheit redest? Aber warum willst du vor der Zeit ein Mann sein, während du doch noch ein Kind im Verständnis und am Glauben bist? Ist nicht ein schwacher Glaube auch ein Glaube und ein tatsächlicher Beweis der segnenden und erziehenden Liebe deines Gottes und Heilandes? du klagst über dein tückisches, zu allem Bösen geneigtes, so leicht verführbares Herz, und du wirst wohl in dieser Beziehung nie mehr sagen können, als was Wahrheit ist; aber ists nicht der erste Schritt zum Anderswerden, dass man die Tücke und Gräuel seines Herzens einsieht und vor sich selber erschrickt und zurückbebt, und an dem trostvollen Wort sich aufrichtet:

Was noch jetzo an mir klebt,
Wird nicht ewig an mir bleiben,
Jesus wird es schon vertreiben,
Wenn Er mich in sich erhebet.

Du klagst über Mangel an Erquickung und Gefühl des Friedens, der höher ist als alle Vernunft, und beschwerst dich, dass so wenig Friede und Freude im heiligen Geist dein Herz durchströmt und unter Dürre und Trockenheit der Boden deines Gemüts lechzt, weißt du denn nicht, dass der HErr seinen Frühregen und Spätregen zu seiner Zeit gibt, und dass die Ähren oft am besten reifen im trockenen Sonnen-Strahl, und Er auch die Erquickungszeiten seiner Macht vorbehalten hat? so überlass dich kindlich und ergebungsvoll dem Entwicklungs-Gang seiner erziehenden, segnenden Liebe und harre und warte mit den Aposteln, bis der HErr die Hilfe aus Zion sendet und zu seiner Zeit den Arm seiner Macht und Herrlichkeit offenbart. Er ist und bleibt die segnende Liebe, und wie Er durchs Geben segnet, so segnet Er durchs Entziehen, denn von Ihm und durch Ihn und zu Ihm sind alle Dinge, Ihm sei Ehre in Ewigkeit!

II.

1) Die segnende Liebe hatte ihr Geschäft vollendet; nicht nur jetzt schon tatsächlich segnend, sondern auf weitere Segnungen freundlich vertröstend hatte sich Jesus von seinen Jüngern gelöst, und nun schwang Er sich aufwärts zu den lichten Höhen seines unvergänglichen Reichs und eine Wolke nahm Ihn auf. Aber nicht auf einmal verschwand Er vor ihren Augen, nein, zusehends erhob Er sich in die Höhe, so dass sie Ihm nachblicken und die große und herrliche Veränderung gewahren konnten, die jetzt mit ihrem geliebten HErrn und Meister vorging. Der irdische Leib verklärte sich zum himmlischen, die Auferstehungs-Herrlichkeit zu einer Himmels-Herrlichkeit, und was die drei Lieblings-Jünger nur vorübergehend geschaut hatten, das schauten sie Alle jetzt in viel herrlicherer und großartigerer Vollendung. Da zuckte es wie ein Feuerstrahl durch ihre Seele und heiliger Schauer durchrieselte ihre Glieder, ihr Herz wurde erfasst von einem heiligen Beben, und sie konnten nicht anders, sie mussten niederfallen und anbeten vor dem HErrn der Herrlichkeit, der sich nun aufwärts schwang zum Schauplatz seiner himmlischen Wirksamkeit. Wie manchmal, solange sie noch auf Erden mit Christo wandelten, Einzelne von ihnen ein Schauer vor seiner Majestät ergriffen hat, - einen Petrus beim Fischfang, als er im Boot zu den Füßen Christi niederstürzte mit den Worten: „HErr, gehe hinaus von mir, ich bin ein sündiger Mensch!“ oder wie die Maria Magdalena nach der Auferstehung, als sie das einzige Wörtlein: „Maria!“ unwillkürlich zu den Knien Jesu niederzog: so wurden nun sie alle mit Einem Mal von heiliger Ehrfurcht ergriffen, dass sie in den Staub sanken, um Ihm zu huldigen, als dem König und HErrn der Herrlichkeit. Und so gehörte sich's; denn in den Staub gehört der Sohn des Staubes vor dem HErrn, der heute auffährt zu seinem Reich; auf die Knie gehört der Sünder vor dem Heiligen Gottes, der mit dem Diadem göttlicher Macht und Herrschaft gekrönt ist. Wer will denn noch auf Erden aufrecht vor Ihm bleiben, wenn die Thronfürsten des Himmels in den Staub sinken und ihre Kronen zu seinen Füßen legen und sprechen: du bist würdig zu nehmen, Preis und Ehre und Anbetung und Macht und Kraft und Herrlichkeit? Und wer will denn seinen Nacken und seine Knie steifen hienieden, wenn die Gewalten und die Fürstentümer und die Thronen und die Herrschaften und die tausendmal Tausend zu seiner Rechten es sich zur höchsten Ehre rechnen, nach seinem Winke zu fliegen und seine Befehle auf Sturmesfittichen auszuführen? Darum nur herab, stolzer, hochmütiger Sünder, nur herab von deiner erträumten Höhe! du tust nichts als deine äußerste Schuldigkeit, wenn du Christo auf den Knien huldigst und deinen Dank und deine Anbetung im tiefsten Staube Ihm darbringst. Ja du ehrst dich damit wahrhaftig selber: du hast die Ehre, dich nur an die große Geisteskette anzuschließen, die sich durch alle Himmel zieht und von den höchsten Stufen bis zur niedersten sich heraberstreckt, auf welcher die Sünder von gestern her ihre Anbetung Ihm stammeln dürfen. Ja stammle du mit der pilgernden Kreuzgemeinde sein Lob und sprich:

Ich auch auf den tiefsten Stufen,
Ich will glauben, reden, rufen,
Bis ich droben bei Ihm bin!

2) Jedoch die Huldigung, welche dem HErrn seine Apostel in tiefster Beugung darbrachten, war nicht bloß eine höfische Ehrenbezeugung, sondern sie war eine Huldigung der Liebe, der Anhänglichkeit und des Gehorsames. „HErr, wohin sollen wir gehen? du hast Worte des ewigen Lebens,“ - so hatte einst Petrus im Namen Aller gesprochen und darin die schönste und die lieblichste Huldigung ewiger Anhänglichkeit dargebracht. Aber hier auf dem Erlösers-Berge, hier im Angesicht seiner Gottesmajestät und Herrlichkeit, hier wurde gewiss von Allen im innersten Seelengrund - mit der heiligsten Sprache eine noch viel schönere und edlere Huldigung gestammelt, die sie ewig an den Mann ihrer Liebe binden und mit unauflöslichen Ketten der Anhänglichkeit mit Ihm vereinigen sollte. Gewiss, hier wurden sie, wie die Apostelgeschichte von ihnen rühmt, Ein Herz und Eine Seele in seiner Liebe, hier flossen sie zusammen im Mittelpunkt und Brennpunkt der treuesten und der rückhaltlosesten Hingabe an Ihn, hier wurde wahr, was ein gesalbter Dichter sagt:

Herz und Herz vereint zusammen
Sucht in Jesu Herzen Ruh';
Lasset eure Liebesflammen
Lodern auf den Heiland zu!

Und diese Flamme war denn auch mächtig und kräftig genug, zu verbrennen alle irdischen und weltlichen Rücksichten, mit denen sie bisher sich noch getragen hatten, und sich Ihm zu stellen zum heiligen und ungeteilten Dienst.

Meine Lieben, ist der erhöhte und verherrlichte Heiland nicht wert, dass auch wir Ihm so huldigen von ganzer und ungeteilter Seele? Wollen nicht auch wir um seinen Thron uns stellen und einander die Hände darauf reichen und uns zu dem heiligen Gelöbnis vereinigen:

Einer ists, an dem wir hangen,
Der für uns in den Tod gegangen
Und uns erkauft mit seinem Blut;
Unsre Leiber, unsere Herzen,
Gehören Dir, du Mann der Schmerzen,
In deiner Liebe ruht sichs gut;
Nimm uns zum Eigentum,
Bereite Dir zum Ruhm
Deine Kinder;
Dein Joch ist süß,
Dein Gang gewiss,
Und offen steht dein Paradies.

O wenn so bald hier, bald dort Häuflein sich zusammentäten, zusammengehalten von dieser Liebe, verbunden mit ihr, o wie würden da gar bald die Feuerzeichen eines neuen Lebens in unserer Mitte sich erheben, und gleichsam von Berg zu Berg die Signale leuchten, dass der, der aufgefahren ist in die Höhe, nun wieder herabfährt auf uns und mit heiliger Flamme niederzuckt, um den Erdkreis zu taufen mit neuen Geistesstrahlen und ein neues Pfingsten zu feiern in der Tat und Wahrheit.

III.

1) Gerne noch länger mochten wohl die Jünger in anbetender Huldigung auf dem Himmelfahrtsberge verweilt haben; denn dort oben war es ihrem Geiste wohl; dort sahen sie gleichsam den Himmel offen und den, der ihre Seele liebte, hingehen, um auch ihnen eine Stätte zu bereiten. Aber sie mussten wieder zurück, zurück nach Jerusalem und herab von den lichten Höhen, auf welchen sie gestanden, in das Tal der Dämmerungen und der Todesschatten. Wie der HErr der Bitte Petri nicht willfahrt hatte auf dem Verklärungsberge, wo dieser sprach: hier ist gut sein, lasst uns Hütten bauen, wie sie herab mussten mit Ihm, um Ihn dann seinen Ausgang nehmen zu sehen in Jerusalem; so mussten sie auch jetzt herabsteigen auf den Kampfplatz und ins feindliche Gedränge. Doch siehe! wie willig taten sie es; da war kein Murren, kein Widerstreben, kein Klagen über die feindliche Stadt, in die sie zurückkehren mussten, da war nichts als Gehorsam, Folgsamkeit, Mut und Freudigkeit, und sie wussten doch, dass hier Allerhand auf sie warte und sie hier seien wie wehrlose Schafe unter reißenden Wölfen. Wie kam das? das machte der großartige Eindruck, den sie auf dem Ölberg empfangen hatten; in der Himmelfahrt Christi hatte sich in ihnen alle Dunkelheit und Finsternis ihres Lebensweges in helles freundliches Licht aufgelöst. Durch Nacht zum Tag, - durch Leiden zur Herrlichkeit, das stand jetzt so fest in ihrer Seele, dass sie die Leiden dieser Zeit nicht wert hielten der Herrlichkeit, die an ihnen sollte offenbar werden, an ihnen, die nicht sahen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.

Und ach! müssen nicht auch wir fort und fort wandeln in dem bunten Leben der Welt? Es ist wahr; aber ebenso gewiss ist ferner: auch wir können uns hier auf keinen höheren Berg der Verheißung stellen, auf dem der Kampf und die Leiden dieser Zeit in ihr Nichts zusammenschrumpfen, als gerade auf den Himmelfahrtsberg. Wie es den hohen Alpenbewohnern geht auf ihren Schneegebirgen, dass sie im Sonnenschein sich ergehen, während zu ihren Füßen in den Tälern Sturm, Losen und Gewitter sich entladen, so geht es denen, die im vollen Glauben auf den Berg der Erhöhung sich stellen. Hier glänzt der Sonnenschein unserer ewigen Verherrlichung, während zu unsern Füßen noch Gewitternacht und Todesschatten sich ausbreiten. O darum steig' oft hinauf auf diese Höhe, hier wird sich dein Glaube wieder stärken, dein Mut wieder kräftigen, deine Geduld wieder stählen, deine Hoffnung neu beleben. Ja, von diesem Berge aus sieht man das rechte Kanaan, wo Lebensströme fließen; blicke oft hinauf, der Anblick kann den Leidenskelch versüßen.

2) Ja die Freudigkeit, die sich den Jüngern auf dem Himmelfahrtsberge mitteilte, war so groß, dass sie auch überströmte in ihr Tun und Lassen, in ihr Reden und Zeugen, in ihr Handeln und Wandeln. Denn nicht in verborgene Winkel zogen sie sich zurück, sondern sie waren, wie unser Text erzählt, alle Tage im Tempel, dankten und lobten Gott. Ihr ganzer Beruf bekam durch das, was sie erlebt und geschaut hatten, neue Kraft und neues Leben.

O wie oft ists der Fall, dass uns unsere äußere Lage und unser äußerer Beruf traurig, niedergeschlagen und verdrießlich macht! Da hat man nur ein Auge für das Widerliche, Beschwerliche, Übungsvolle desselben, und diese Seite kehrt man vor sich und vor Andern heraus; die andere, die bessere, die zu unserer Reinigung, zu unserer Vollbereitung so notwendige, das Gute, das wir an der Hand unseres Gottes dahinnehmen dürfen, wird übersehen und in den Schatten gestellt, und man findet viel Ursache zum Klagen und Trauern, keinen Stoff aber zum Loben und Danken. Wie ganz anders, wenn Freude am HErrn das Herz erfüllt: wie wird dann auch das Schwere erleichtert, das Bittere versüßt und das Herbe gemildert, ja man findet Stoff und Ursache genug, die Klagen zu mäßigen und dem Dank und Lob Gottes Raum zu geben. War denn die Lage der Jünger äußerlich so beneidenswert? Hatten sie gute und gewisse Aussicht auf ein großes Lebensglück? oder wussten sie nur eigentlich, wo aus und wo ein: Nein, sie mussten harren, ohne zu sehen, harren auf das, was der HErr mit ihnen vorhatte; und doch lobten und priesen sie Gott; die Freude am HErrn hatte den Überschwang bei ihnen; sie freuten sich mit großer und unaussprechlicher Freude.

Seht, so macht der Himmelfahrtstag auch munter und rüstig zum Beruf. Im Blick auf den, der sich gesetzt hat zur Rechten Gottes, nimmt man den bösen Tag auch für gut und genießt, was Einem Gott gönnt, mit Danksagung. Man tut, was Einem obliegt im Stand und Amt, von Herzen als dem HErrn und nicht den Menschen, und man preist und lobt den, der überschwänglich tut über Bitten und Verstehen, von dem, durch den, zu dem alle Dinge sind, welchem sei Ehre in Ewigkeit.

So ist der Tag der Himmelfahrt für den Glauben ein Tag des herrlichen Segens, der großartigsten Huldigung und der freudigsten Ermutigung. Und dies soll er uns Allen, dies soll er auch unsern lieben Konfirmanden werden. Am Konfirmationstag steht ja der HErr auch unter ihnen, wie Er unter den Jüngern stand, und hebt Seine Hände auf über sie, um sie zu segnen mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern. Am Konfirmationstag kommen ja auch sie, wie die Jünger, vor Sein Angesicht, um ihre Huldigung darzubringen und Ihm Gehorsam und Anhänglichkeit zu geloben in Ewigkeit. Am Konfirmationstag sollen auch sie mit Kraft aus der Höhe ausgerüstet werden, um in dem Christenberuf, den sie feierlich übernommen haben, zu wandeln, wie sich's geziemt, und zu laufen in dem Kampf, der ihnen verordnet ist. der HErr gebe, dass in dieser dreifachen Beziehung. der Konfirmationstag ein Tag des Segens, der Huldigung und der Ermutigung werde zum Preis Seiner Gnade, zum Lobe Seines herrlichen Namens, um Seiner Liebe willen!

Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/hofacker_w/hofacker_w_himmelfahrt.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain