Hörschelmann, Ferdinand - Halte, was du hast - Am zweiten Weihnachtstage.
Ich steh an deiner Krippe hier,
O Jesu, du mein Leben,
Ich stehe, bring und schenke dir,
Was du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn,
Herz Seel' und Mut, nimm Alles hin
Und lass dir's wohlgefallen.
Die Krippe zu Bethlehem ist wiederum der selige Standort, der uns heute angewiesen ist. Die Führer und Wegweiser dahin sind uns die Hirten. Mit ihnen machen wir uns auf, nachdem wir die Engelsbotschaft vernommen, zu sehen die Geschichte, die geschehen, das Kindlein, das geboren ist. „Ich sehe dich mit Freuden an,“ sprechen wir weiter mit dem Sänger, „und kann nicht satt mich sehen, und weil ich nun nicht weiter kann, so rühm ich, was geschehen. O dass mein Sinn ein Abgrund wär' und meine Seele ein weites Meer, dass ich dich möchte fassen!“
Ja, rühmen, was geschehen, dazu treibt der Drang unserer Seele. Aber, dass wir ihn recht rühmen und preisen könnten, dazu gilt's ihn zu fassen, in uns zu schließen, im Herzen zu tragen, als unseres Lebens reichsten Schatz. Das aber ist nicht unser Werk. Aus Gnaden, aus freier Liebe ist er uns gegeben, aus Gnaden, aus freier Liebe geht er in uns ein. Wie aber geschieht das? In der Hirten Seele senkte sich Gottes Gabe durch das Wort der Engel, - das fiel wie ein Himmelsfunke in ihre Seele, entzündete in ihnen Glauben, Liebe, Eifer des Suchens und Nachgehens, bis sie ihn fanden und fassten. Noch früher, als wir im Wort ihn hören und fassen können, kommt er zu uns durch ein anderes Mittel seiner Gnade, in dem sein Leben, seine Gotteskraft und sein Gotteslicht sich uns ins Herz senkt.
Von dieser Gabe redet unsere Epistel. Lasst uns diese vernehmen.
Tit. 3, 4-7.
Da aber erschien die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, unseres Heilandes; nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig, durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, welchen er ausgegossen hat über uns reichlich durch Jesum Christum, unsern Heiland; auf dass wir durch desselben Gnade gerecht, und Erben seien des ewigen Lebens, nach der Hoffnung.
Wir stehen an der Krippe zu Bethlehem. Aber die Krippe ist leer. Der darin geruht, er ist jetzt wieder erhöht zu dem, von dem er ausgegangen. Aber nicht vergeblich hat er da geruht. Ein Quell des Segens ist aus dem Felsengrab zu Bethlehem entsprungen; von da gehen sie aus, die heiligen Ströme. Weit haben sie sich ausgebreitet, allenthalben hat die Hand des Herrn sie hingeleitet. Und im Lichte der heutigen Epistel sehen wir die Menschen aus aller Welt Gegenden und Zungen zu diesem Quelle wallen, dem gnadenreichen Wasser des Lebens nahen, in seine Fluten tauchen, um als neue Menschen, gereinigt, geheiligt, neugeboren demselben zu entsteigen.
Christi Geburt und unsere Wiedergeburt, sein Kommen ins Fleisch und unsere Geburt aus dem Geist, sein Eingehen in die Welt und unsere Aufnahme in das Reich Gottes; das sind die verbindenden Gedanken, die von der Krippe des Menschensohnes zur Wiege unserer Gotteskindschaft uns leiten.
So sehen wir denn an
das Bad unserer Wiedergeburt, im Lichte der Geburt unseres Herrn.
Wir schauen an
1) dieselbe Erscheinung der Niedrigkeit,
2) die gleiche Offenbarung der Freundlichkeit unseres Herrn,
3) denselben Reichtum der Gotteskraft.
I.
Die Geburt unseres Herrn, wie die Wiedergeburt unseres Lebens in der Taufe, sie stehen vor uns in gleicher Erscheinung der Niedrigkeit.
Was uns an der Weihnachtstatsache als Armut und Niedrigkeit erscheint, - es ist von dem Glanz aus der Höhe, von dem Reichtum der Gnadenverkündigung, von der Hoheit der Boten also in diesen Tagen überwallt, dass das Auge an dem Eindruck der Niedrigkeit nicht lange mehr haften kann, dass es von der Dunkelheit sich alsobald wendet zu der Fülle des Lichtes, das die arme Geburt unseres Herrn umstrahlt. Anders verhält sich's in der Christenheit, auch in der gläubigen Christenheit mit dem Wunder, von dem die heutige Epistel zu uns redet, mit dem Wunder unserer neuen Geburt in der Taufe. Auch über diese ergießt sich in der Verkündigung des Herrn und in dem Wort der Apostel eine Fülle himmlischen Lichtes, göttlicher Klarheit. Aber ich darf's in unser Aller Namen aussprechen: Wie träge, stumpf und gleichgültig ist doch der Sinn, wie verschlossen das Auge dem Reichtum dieses Lichtes gegenüber! Mehr als recht und billig, mehr als wir vor Gott und uns verantworten dürfen, haftet bei diesem gottgewirkten Wunder unser Auge, an der Armut und der Niedrigkeit der Erscheinung und weiß sich nicht in den Reichtum der Gotteskraft und des himmlischen Segens zu versenken, der sich uns auch hier erschließt. Sagt selbst, ihr Christen, der ihr im Glauben euer Herz dem Herrn geöffnet, die ihr im Lichte seines Wortes wandelt, wie oft gedenkt ihr des Ursprunges eures Gotteslebens in der Taufe? Ihr, die ihr eure Kinder zu Gotteskindern erziehen wollt, wie oft geschieht's, dass ihr dabei an die Gottesgabe und das Gotteswerk der heiligen Bundschließung anknüpft, und wo ihr dieses Werk selbst unter Händen habt, steht da nicht oft alles Andere, die leibliche Hilfe, die der Mutter und dem Kinde geworden, der Segen, der dem Hause gespendet, die gemeinsame Freude über diese irdisch-leibliche Gabe euch so viel näher und höher, als die über Alles hohe, heilige, selige Gottesgabe, die er in der Taufe der sündigen Menschenseele gespendet? Auch wir Diener am Wort dürfen uns von solcher Schuld des Undanks nicht frei sprechen. Viel zu lau, viel zu wenig, viel zu selten wird öffentlich und sonderlich von dem Reichtum, der Kraft und Wirkung der heiligen Taufe von uns gezeugt und gepredigt.
Da Maria und Joseph an der Krippe des Kindleins gestanden, da bedurften auch sie, im Anblick der unbeschreiblichen Armut und Niedrigkeit bei der Geburt des Davidssohnes, des Wortes der Hirten, die mit der Verkündigung dessen, was ihnen über seine Herrlichkeit offenbart war, ihre Herzen bewegten und zum Preise ihres Gottes entzündeten.
So lasst euch denn heute gefallen die Rede meines Mundes, die ich in Gottes Auftrag vor euch bringe, ob Gott Gnade gebe, unsere Herzen zu Lob und Preis. seiner Gnade zu bewegen.
Was Maria und Joseph, auch was die Hirten sahen, war arm und niedrig, - aber grade das war ihnen als Zeichen genannt, an dem sie den Herrn erkennen sollten. In Windeln gewickelt, in der Krippe liegend sollten sie den Gottessohn finden. Die Zeichen, an denen wir Gottes Tun erkennen sollen, sind auch nichts anderes als unscheinbare irdische Dinge. Das irdische Element des Wassers ist von Gott zum Zeichen und Träger seiner Gnade ersehen. Wie hat er es geehrt mit solcher Gnadenwahl! Aller Segen, den dieses erquickende, belebende Element Allem, was lebt, bringt, alle Größe und Majestät, mit der es unsern Erdball umwallt, es schwindet in nichts dahin gegen die Ehre, die ihm wiederfahren, da der Herr aller Kreatur dort im Jordan, als er getauft war, das Wasser selbst zum Mittel seiner Gnade tauft und weiht, - als er vor seiner Himmelfahrt, das Haupt bereits in den Wolken, seine segnende Hand über die Welt ausstreckt und durch das Wasserbad im Wort herzubringen heißt die Völker der Erde zu seinem Reich. Und dieses segnende stiftende Wort, - es webet auch jetzt noch in seiner Kraft und Gnade über dem unscheinbaren Gefäß, in welchem die Fülle seines Lebens uns und unsern Kindern zuerst sich darbietet.
Wer hat in dem Kindlein in der Krippe zu Bethlehem die Herrlichkeit des Vaters sehen können, die voller Gnade und Wahrheit sich durch ihn offenbart? Wer sieht's unsern Kleinen an, was der Geist Gottes ihnen bringt, an ihnen wirkt und tut? In schlummerndem Bewusstsein liegt das Jesuskindlein da; mit verschleiertem Auge des Herzens und aller Sinne werden unsere Kindlein dem Herrn auf die Arme gelegt. Nur was äußerlich an ihnen geschieht, die Berührung mit dem fremden Element, ruft wohl eine Empfindung in ihnen hervor, lässt sie ihre Gesichtchen verziehen, die Augen aufschlagen, - was aber über ihnen, an ihnen, in ihnen durch die Wunderwirkung des Geistes sich vollzieht, es bleibt ihnen ebenso verborgen, als Alles, was sie an Gaben und Kräften des Geisteslebens in der natürlichen Geburt im Keim empfangen, dass es bei erwachendem Bewusstsein unter der Pflege der Elternliebe emporsprosse, in seiner Kraft, Schönheit und Lieblichkeit sich entfalte. Die Armut und Niedrigkeit ist das Erste, was sich unsern Augen darbietet. lasst uns darüber nicht übersehen, lasst uns, grade weil's noch näher uns liegt, als das was dort zu Bethlehem geschah, die Augen nicht verschließen gegen die Offenbarung der Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, welche in dieser armen Hülle sich birgt, um in uns ein Neues zu wirken, uns aus der Unreinheit und Schwachheit des Sündenlebens in das Reich der Gnade und Kraft zu erheben.
II.
„Es ist erschienen die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes unseres Heilandes“, heißt es in unserem Text. Dem Glaubensauge öffnet sich im dunklen Stall, an der armen Krippe der Blick ins Herz Gottes, in den Abgrund der Liebe, die uns da entgegenwallt. „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gab“. Das ist die über Alles herrliche, selige Überschrift, welche über der Krippe leuchtet. Nun, die Glaubensaugen auf! dass ihr schaut, was über uns geschehen, was über unseren Kindlein geschieht, wo der Himmelsstrahl der Gottesliebe uns zuerst ins arme sündige Herz geleuchtet. Ins Vaterherz Gottes schauen wir zu Bethlehem.
Unser, dein und mein Vater ist er aber doch erst geworden, als er die Vaterhand nach mir und dir ausstreckte, als er den Mund über uns geöffnet und gesprochen: „Das ist nun auch mein liebes Kind, an dem ich, um meines Sohnes Jesu Christi willen, Wohlgefallen habe“. Jesu Christi als unseres Heilands und Bruders uns freuen können wir doch erst seit der Stunde, da er uns als zweiter Adam zu Genossen seines Geschlechtes gemacht, da er im Bade der Wiedergeburt in uns hineingeboren und uns zu seinem Leben erneuert. Der Segensfrucht, die er der Welt gebracht, können wir doch erst genießen, nachdem er den Geist über uns ausgegossen, der solche Frucht einzig und allein in uns wirken kann.
Gedenke dessen, schaue das an, und du siehst über dem Wasserbade im Wort den Himmel sich auftun, du siehst an uns armen Menschenkindern sich wiederholen, was bei der Taufe Jesu geschah, du hörst den heiligen Eid deines Gottes über dem gesprochen, siehst den in den Friedensbund Gottes aufgenommen, zu dem der heilige dreieinige Gott sich so gnadenreich bekannt. In den Namen des Vaters, des Sohnes und Geistes wird getauft, in seine Gemeinschaft wird die Menschenseele aufgenommen, so bezeugt's Christus bei der Einsetzung des heiligen Sakraments, so hören wir's aus unserm epistolischen Wort: „Gott macht uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, den er ausgegossen hat über uns reichlich durch Jesum Christum unsern Heiland“. Wie schwinden da vor unsern Augen die sichtbaren Zeichen! Wir sehen hinein in den offenen Himmel, wir schauen die Fülle des Segens herabkommen auf das arme Menschenkind, wir hören aufs Neue einen Wiederhall des Weihnachtslobgesanges. Ehre dem Gott, der in der Höhe thront, der sich als Vater bekennt nun auch zu diesem seinem Kinde, Friede von dem, der nun auch ihm ein Immanuel geworden, ein Wohlgefallen an ihm, der jetzt zur Behausung des Geistes geheiligt ist.
O, dass wir's fassten, was Gott damit an uns getan! Dass ihr Eltern, wenn ihr mit bewegtem Herzen auf eure Kleinen seht, nachdem ihr aus der Taufe sie gehoben, dass ihr Raum gebet solcher Gnaden-Verkündigung! Dass das Hirtenwort, welches der zum Hirtenamt berufene zu euch geredet, auch dann noch von euch im Herzen bewegt werde, ihr euch dessen erinnert, wo die Weihestunde sakramentlicher Feier vorüber ist!
Ein Gotteskind habt ihr zurückempfangen, ein Gotteserbe steht ihm bereit. Mag es euch genommen werden, es ist alt genug zum Sterben, denn das Himmelreich ist ihm zugesprochen. Lässt es Gott euch aber zu eures Lebens Freude, wie ernst sollte es euch da sein, es anzuleiten, ihm zu helfen, dass es sich selbst an diesem seligen Stande und Gotteserbe schon hienieden freuen lerne, schon hienieden zu dem sich kehre, der als Vater über ihm waltet, als sein Heiland es führt, als der Geist der Heiligung und Erneuerung in ihm wohnen, es zum Vollbesitz seines Heilsschatzes heranziehen will!
III.
Der göttliche Grund ist gelegt, und weil es ein göttlicher Grund ist, darum schließt er einen Reichtum der Gotteskraft ein, deren Segenswirkung bis in Zeit und Ewigkeit hinein sich erstreckt. In das Licht der Krippe sehen wir uns selbst und unsere Kinder gestellt. Von dem Urbild fällt das Licht des Verständnisses auf die Abbilder. Im Jesuskinde, im Säugling dort sind bereits Gott und Menschen geeint. Allmählig tut der Schatz vor Menschen, vor dem Kindlein selbst sich auf. Es wächst heran, genährt vom Lebensbrot des Wortes, geleitet in dem Lichte dessen, was von ihm geredet war von Anfang. Immer höher schlägt's die Augen auf, ein Siegel der Gottesgeheimnisse nach dem andern löst sich mit jedem Schritt, den es tut. Welch' ein Erheben der Augen dieses Kindes zum Vater dort in jener Weihestunde des ersten Tempelganges, bei der Offenbarung am Jordan. „Der Vater im Himmel, mein Vater in einzigartigem Sinn, ich sein Sohn, der Sohn des Wohlgefallens, - in mir die Welt aufgenommen in den wiedererlangten Anteil daran, mein Werk, ein Versöhnungswerk, meine Speise, zu tun den Willen meines Vaters!“ Immer voller geht seiner Erkenntnis, seinem Willen auf die Fülle dessen, was er war, was er sollte. Dem eignen Geiste wird's offenbar, den Augen der Welt wird's klar, ein Strahl der Herrlichkeit nach dem andern leuchtet hervor in den Offenbarungen seiner Wundernacht, bis die volle Krone ihn umleuchtet, da er eingeht als verklärter Menschensohn in die Fülle der Gottes Herrlichkeit. Und das Alles war im Keim schon vorhanden, da er als hilfloses Kind in der Herberge Bethlehems geruht, vor Menschen und den eignen Augen verborgen. Der Glaube fasst's allein.
Zu Gläubigen rede ich, den gläubigen Augen zeige ich ein Wunder, das aus jenem einzigen höchsten Wunder mit entsprungen, einen Anfang, aus dem, was das Auge an sichtbaren Mitteln sieht, nicht erklärbar, aber einen Keimpunkt des Lebens, aus Gott geboren, voller Reichtum der Gotteskraft, der auch von Stufe zu Stufe sich bis zur Vollendung und Verklärung entfalten soll. Von dem Anfang auf die Vollendung weist der Apostel mit den Worten „auf dass wir durch desselben Gnade gerecht und Erben seien des ewigen Lebens nach der Hoffnung.“
Gotteskraft ruht in dem Anfange und die Kraft kann nicht ruhen, sie treibt vorwärts. Eine doppelte Richtung der Kraft zeigt der Apostel uns, wenn er davon redet, dass wir gerecht und Erben des ewigen Lebens sein. Wie das Wasser, das irdische Mittel, reinigt und Leben spendet, so auch die Gotteskraft des Geistes, der zu uns kommt.
Ein Reinigungsquell der Seele tut sich uns auf, da dieser Geist über uns ausgegossen wird. Dies ist das Bad, an welches der Herr seine Jünger erinnert, da er ihnen die Füße wusch, das Bad, dessen keiner mehr bedarf, der es einmal empfangen. Nur immer wieder in dasselbe hineinzutauchen gilt es die verunreinigten Füße, den Unflat des täglichen Lebens uns abzunehmen. Und von dem neuen Leben, das uns in der Taufe geschenkt wird, zeugt der Herr, wenn er sagt: „Was vom Geist geboren ist, das ist Geist“ und der Apostel, wenn er spricht: So viel euer getauft sind, die haben Christum angezogen“, den angezogen, in dem wir erstarken und wachsen sollen, um sprechen zu können: „Ich lebe, doch nun nicht ich, Christus lebt in mir.“
Mit ihm begraben werden durch die Taufe in den Tod zur Reinigung und Vergebung der Sünden, mit ihm auferstehen zum Wandel im neuen Leben, das ist die Doppelgabe und nun auch die Doppelaufgabe unseres ganzen Lebens, bis wir nach der Hoffnung Erben werden seiner Herrlichkeit.
Seht hier den Reichtum der Gotteskraft, die da fortwirkt bis in Ewigkeit. Blickt ihr nun noch einmal auf das Urbild unseres Lebens, o da lasst von dem, der höher ist als wir, so viel der Himmel höher ist, als die Erde, doch dies Eine uns merken, dass diese Kraft nur dann zu heiliger Auswirkung und seliger Vollendung in uns gelangen kann, wenn wir in Kraft des Geistes, der auch über uns gekommen, von Stufe zu Stufe immer bewusster und entschlossener sprechen: „Ich will der sein, der ich bin, und ich will das tun, was ich kann und soll. Mein Speise sei, zu tun deinen Willen, mein Vater, mein Gott“. Dass wir aber die Kraft dazu haben, das werden wir je mehr und mehr erfahren, je mehr wir zu schöpfen verstehen aus dem Quell solcher Gotteskraft für uns und die Unsern.
Das ist die Aufgabe der Übungsschule, die uns hienieden geordnet ist. Bete und glaube dich nur je mehr und mehr in das hinein, was dein Meister und Herr dir geboten, was er in dir wirkt. Und bildest du dich so in sein Bild hinein, so sei das auch deine vornehmste Aufgabe in Allem, was du an den Deinen zu bilden hast. Aller Elternliebe und Weisheit Summe liegt darin beschlossen: zur Reinigung und zur Stärkung ihnen zu verhelfen; Bedürfnis nach Reinigung und Vergebung in ihnen zu wecken, wo sie gefehlt; Abbitte vor Vater und Mutter, vor Gott dem Herrn; Bedürfnis nach Heiligung des Wandels, den Eltern zur Freude und Gott zur Ehre. Dann aber ebenso Stärkung des Glaubens, dass Gott treu ist, dass er uns hilft, zu wollen und zu vermögen, was wir sollen.
O was ist das für ein Reichtum der Gotteskraft, der aus solcher rechten Erfassung unserer Aufgabe der Erziehung als Tauferziehung in unsere Herzen, in die Seelen der Kinder strömt! Welchen Mut gewinnen wir schwachen, gebrechlichen Werkzeuge da als Mitarbeiter in Gottes Hand! Bei welch' heiliger Demut muss es uns aber auch erhalten, welch' heilige Wachsamkeit und Treue muss es uns geben, dass wir an den Gefäßen des Gotteslebens uns nicht vergreifen und versündigen! Die rechte Erzieherweisheit und Zartheit, muss es uns geben, den lieben Kleinen, die oft so viel inniger, einfältiger, lebendiger schon glauben, als wir alten, schwankenden, vom Zweifel zerrissenen Menschen, - ihnen zu helfen, das auszusprechen, in Worte zu fassen, was in des Herzens Tiefen lebt. welche Freude, wenn wir schauen, wie sie immer voller ihre Glaubensaugen zu dem Vater ausschlagen, der auch ihr Vater, zu dem Heiland, der auch ihr Jesus ist, und wir mit den Kindern als eine heilige Gottesgemeinde stehen vor dem, der zu uns kommt mit Wasser und mit Blut, und sein Geist uns Zeugnis gibt im Wort und im gemeinsamen Genuss des Fleisches und Blutes des Herrn, dass wir seine Kinder sind und Erben hier und dort.
„Seine Erben“, da dringt's uns wieder, von dem Ausblick auf unser Leben, unsere Hoffnung zu dem unsere Blicke zu lenken, der solches Erbe uns bereitet. Wir umfangen die kleinen Hände des Kindleins in der Wiege, wir schauen auf zu den ausgereckten Armen des Versöhners am Kreuze, wir stellen uns unter die segnend ausgebreiteten Arme des Erhöhten. Diese Hände sind es, die uns solches Erbe bereitet, die es uns fort und fort darreichen, die uns halten und tragen, dass das Siegel der Gotteskindschaft uns bewahret bleibe bis an den Tag, da wir ihn wiedersehen werden. O dass da nicht die Gottesgabe zum Gottesgericht und das Gnadenzeichen zum Kainszeichen an uns werde; dass die Feuertaufe des Geistes durch unser Leben hindurch in uns verzehre, was aus dem Fleische kommt, und immer mehr durchleuchte und verkläre, was aus ihm stammt!
Dazu lasst uns täglich aufs Neue hintreten an die Quelle der Gottesfreundlichkeit und Gotteskraft und unsern Glauben stärken durch das Anschauen seiner Wundermacht und Liebe, auf dass wir uns an der Niedrigkeit seiner Erscheinung nicht ärgern, durch die niedrige Hülle hindurch ihn schauen, seine Gaben fassen und dann mit Freuden ihn rühmen und sprechen:
Du bist mein Haupt, hinwiederum
Bin ich dein Glied und Eigentum
Und will, so viel dein Geist mir gibt,
Stets dienen dir, wie dir's beliebt.
Ich will dein Halleluja hier
Mit Freuden singen für und für,
Und dort in deinem Ehrensaal
Soll's schallen ohne Zeit und Zahl:
Halleluja. Amen.