Hörschelmann, Ferdinand - Halte, was du hast - Am ersten Adventssonntage.
Macht die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe! Hosianna dem Sohne Davids, gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, Hosianna in der Höhe!
Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit, dass ich dahinein gehe, und dem Herrn danke. Das ist das Tor des Herrn; die Gerechten werden dahinein gehen. Ich danke dir, dass du mich demütigst, und hilfst mir. Der Stein, den die Bauleute verworfen, ist zum Eckstein geworden. Das ist vom Herrn geschehen, und ist ein Wunder vor unseren Augen. Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen, und fröhlich darinnen sein. O Herr, hilf, o Herr, lass wohl gelingen! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Wir segnen euch, die ihr vom Hause des Herrn seid. Der Herr ist Gott, der uns erleuchtet. schmückt das Fest mit Maien, bis an die Hörner des Altars. Du bist mein Gott, und ich danke dir; mein Gott, ich will dich preisen. Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.
Psalm 118, 19-29
Ein rechter Adventspsalm ist's, den wir vernommen haben, der Advents-Gemeinde aus dem Worte Gottes dargeboten. „Siehe, dein König kommt zu dir“, - so hat uns das heutige Evangelium gegrüßt. Wir sehen ihn einziehen durch die Tore der heiligen Stadt, einziehen durch die Tore des neuen Kirchenjahres. Mit Freuden kommen wir ihm entgegen. „Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit, dass ich da hinein gehe und dem Herrn danke“, so sprechen wir mit dem Psalmisten. Lobsingend wallen wir ihm entgegen, feiernd schließen wir uns ihm an, voller Freuden geleiten wir ihn auf den Wegen, die er nun vor uns, mit uns gehen will in der neu beginnenden Gnadenzeit. Wahrlich, ein Heils- und Gnadenweg ist's, den er uns führt, vorbei an den Stätten des Heils, die wir aufs Neue mit ihm betreten, hindurch durch all „die Tage, die er gemacht“, die heiligen Festtage der Christenheit. Durch die ahnungsreiche Adventszeit gehts in die lieblichen Weihnachtstage, da die Engel im Himmel und die Gemeinde auf Erden ihm das Gloria um die Wette singen, da es lauter und jubelnder, als bei irgendeinem Feste durch die Kirchen und Häuser schallt: „Lasst uns freuen und fröhlich darinnen sein“. Und weiter durch das Adventstor hindurch lässt unser Adventspsalm uns auf den Heilsweg schauen. Wie Ostergeläute tönt es uns von Ferne entgegen, wenn wir von dem Stein vernehmen, den die Bauleute verworfen, und der zum Eckstein geworden, ein Wunder vor unseren Augen. Und wie Pfingsthauch weht es uns an, wenn wir die Worte hören: „schmückt das Fest mit Maien bis an die Hörner des Altars“.
Wahrlich, ein seliger Gang, so unter dem offenen Gnadenhimmel, der sich zu Weihnachten uns aufgetan und zu Pfingsten uns offengeblieben, an der Hand des Herrn dahinzugehen! Wie sollten wir nicht da unsre Straße fröhlich ziehen und die Herzen weit auftun, dass der König der Ehren bei uns einkehre. So segne uns der Herr seinen gnadenreichen Advent, segne uns das neue Kirchenjahr und in ihm jeden Tag, da er zu uns kommt. Er segne den heutigen Tag und die Festfeier dieser Stunde, segne an uns allen sein Wort, dass es uns zur rechten Bereitung unserer Herzen diene.
Den Adventsruf, mit dem die feiernde Gemeinde und der Adventskönig einander grüßen, bringt uns unser heutiger Text.
1) Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! so lautet unsre Huldigung,
2) Herr hilf, o Herr, lass wohl gelingen! so unsre Bitte,
3) Gesegnet, die ihr vom Hause des Herrn seid, so die gnadenreiche Antwort des Herrn.
Wie soll ich dich empfangen,
Und wie begegn' ich dir?
O aller Welt Verlangen,
O meiner Seele Zier!
O Jesu, Jesu, setze
Mir selbst die Fackel bei,
Damit, was dich ergötze,
Mir kund und wissend sei! Amen.
I.
„Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn“, so lautet die Huldigung, mit der die feiernde Gemeinde ihren Adventskönig begrüßt.
Mit diesem Ruf begleiteten die Schaaren des Volks den Herrn, da er durch die Tore Jerusalems einzog, ein sanftmütiger König der Ehren. Den Jubelruf aber, mit dem ihr Mund ihn ehrte, während ihre Hände ihm Palmen streuten und Gewänder vor ihm ausbreiteten, - diesen Jubelruf haben sie von den Lippen des Psalmisten genommen, dessen Worte wir heute betrachten, von dem Munde der Kinder Israel, die diesen Lobgesang anstimmten, als der Herr sie aus dem Gefängnis Babels erlöst, in ihr Heimatland zurückgeführt, und sie nun Hand anlegten, ihm Steine zuzubringen zum Bau seines Heiligtums. Und der Psalmist wiederum er hat die Klänge des Lobliedes in seinen Psalm verwebt, das vor Alters Moses dem Herrn gesungen, als Gott mit allmächtiger Hand sein Volk aus dem Diensthause Ägyptens befreit, es von der Hand Pharaos errettet und unversehrt durchs Schilfmeer geführt.
Und, meine Lieben, wenn wir nun heute mit denselben Worten, die einst Moses am Ufer des roten Meeres, die das heimgekehrte Israel bei seinem Tempelbau, die die Jünger bei dem Einzug Christi in Jerusalem ihrem Herrn zu Ehren gesungen, mit den Worten, in denen Luther Gott als „seine Macht, seinen Psalm und sein Heil“ gepriesen, mit denen unsere Väter ihre Glaubenskämpfe gekämpft und ihre Glaubenssiege errungen, wenn wir heute mit denselben Worten dem Herrn die Lobopfer unserer Herzen darbringen, - fühlen wir uns da nicht mächtig von dem Bewusstsein der Einheit und Gemeinschaft erhoben, in der, durch die Jahrtausende hindurch zu einem heiligen Chor verbunden, das Volk des Herrn seinen gnadenreichen König preist. Ein Volk ist's, das ihm entgegenzieht, ein Lobgesang, der ihm entgegentönt, denn es ist ja der eine Herr, dessen Kommen durch alle Zeiten geht.
Und wenn nun, meine Lieben, dieser einige treue Bundesgott und Herr, der in der Zeit der Anbahnung sein Volk so treulich bereitet, und in der Zeit der Erfüllung es so gnadenreich heimgesucht, wenn er nun zu uns kommt und in uns eingehen will als unser Immanuel, als unser Jesus, der sein Volk selig macht von ihren Sünden; wie sollten wir ihm nicht da voll seliger Freude entgegengehen, ihm als unserem Könige huldigen, ihm die Tore weit und die Türen hoch machen, dass er in uns einziehe und bei uns bleibe!
Siehe, sein Volk vor den Toren Jerusalems, dieses Volk, über dessen Undank er so schmerzlich geklagt, dessen Wankelmut er so bald erfahren musste, - unter dem Wehen des Geistes Gottes hat es in jener Stunde sich ihm willig entgegengeneigt, ihm huldigend Palmen gestreut und Lob geopfert.
Wie steht es nun mit dir, du neutestamentliches Volk des Herrn, du Christengemeinde? Wir gedachten mit Freuden der erhebenden Gemeinschaft, in der wir uns mit den Gläubigen aller Zeiten und aller Völker in dem Lobpreis unseres Herrn zusammenschließen. In wie weit besteht in Wahrheit solche Gemeinschaft unter denen, die heute den Christennamen tragen? Wie steht es damit in der gegenwärtigen Christenheit, wie in unserer Gemeinde? Ach wie viele, wie unzählig viele haben sich von dem Hause gewandt, das auf den Grund der Apostel und Propheten erbaut ist, haben dem Herrn dieses Hauses den Rücken gekehrt! Und in unserer Gemeinde? Wie viele, die sich äußerlich zu ihr zählen, sind innerlich dem Glauben entfremdet und kommen nicht, gehen nicht mehr ein durch die Türe des Hauses Gottes, dem Herrn zu danken und seinen Namen zu preisen! Nun und ihr, die ihr hier versammelt seid, steht ihr da als eine rechte Adventsgemeinde, die mit Freuden dem Herrn entgegengeht und bereit ist, ihn zu empfangen? Sagt doch, ihr Christen alle, die ihr nun Jahr für Jahr die Stimme seiner Boten höret, an die der Herr immer und immer wieder persönlich herangetreten, euch auf mancherlei Weise besonders genommen und euch die Arbeit seiner Gnadenbereitung erfahren lassen, ist es ihm gelungen, sich nun wirklich die Bahn zu euch zu bereiten? Ist der Wall durchbrochen, sind die Steine hinweggeräumt, ist beseitigt, was ihm den Einzug hindert? Ein Jeder weiß ja am Besten selbst, mit welchen Hindernissen er zu kämpfen hat, welche Steine dem Herrn den Weg zu ihm versperren. Sei es der Hochmut, der sich nicht beugen, und der Trotz, der sich nicht brechen lassen, - sei's der Kleinmut, der's auf des Herrn Wort nicht wagen, und der Unglaube, der ihm nicht trauen will; sei es die Selbstsucht, die uns das Herz eng, oder der Eigenwille, der es uns hart macht, sei es der Ungehorsam, der nicht die eignen Wege lassen, sei es die Leidensscheu, die sich nicht in des Herrn Wege finden will, sei es unsre Trägheit, die sich nicht aufzuraffen, oder unsre Ungeduld, die dem Herrn nicht stille zu halten vermag, sei es die eigene Weisheit, welcher das Wort vom Kreuz eine Torheit, oder die Eigengerechtigkeit, der es ein Ärgernis ist, oder der leichtfertige Sinn, der dem Manne mit dem Kreuze allenthalben ausweichen will, was es auch irgend bei dem einen oder anderen sei, - liegen diese Steine noch groß und breit da, oder sind sie bereits hinweggeräumt? Und wenn auch nicht hinweggeräumt, sind sie wenigstens ins Wanken gebracht? Hast du, wo du's innegeworden, wie des Herrn Hand sie angerührt, hast du da auch selbst mit Hand angelegt, sie fortzurücken, dass er ungehindert einziehen könne?
Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen, ja es ist da! Es ist wahrlich da, dein König ist da. Er steht wieder an der Pforte der Gnadenzeit, an der Pforte deines Herzens. Er redet zu dir, er breitet seine Arme über dir aus, er kommt zu dir. Soll er auch über dich klagen: „Ach, dass du es wüsstest zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dient! Nun aber ist es vor deinen Augen verborgen.“ Zu Jerusalem kam er zum letzten Mal. Weißt du, wie oft er noch zu dir kommen wird, ob es nicht das letzte Gnadenjahr ist, das du heute beginnst?
O so vernimm seinen Ruf, eil ihm entgegen! Und damit du es tun kannst mit dem Huldigungsruf der Anbetung, dem Huldigungszeugnis des Glaubens, dem Huldigungseid der Treue, o so komm zu ihm bittend, flehend, stimme ein in
II.
das Gebet der Adventsgemeinde:
„Herr hilf, o Herr, lass wohl gelingen“!
Hosianna, Herr hilf! das war der Bittruf der Jünger des Herrn vor den Toren Jerusalems. Mit dem Hosianna geleiteten sie den einziehenden König in seine Stadt, das Gotteslamm auf seinem Gange zum Opferaltar. „Hosianna in der Höhe“! - so erbaten sie ihm die Kraft von oben, dass aus seinem Leiden der Welt die Versöhnung, aus seinem Tode das Leben komme.
Auch dieser Bittruf ist unsrem Psalm entnommen. Mit diesen Gebets-Worten haben die Priester und Leviten sich damals im heiligen Schmuck um den Grundstein versammelt, der zum Bau des Heiligtums gelegt ward. „Herr hilf, lass wohl gelingen, was wir in deinem Namen beginnen“! Nun der Herr hat's wohl gelingen lassen, hat mehr getan, als sie zu bitten verstanden. Er hat nicht nur erstehen lassen den Bau, der mit Händen gemacht ward. Er hat einen anderen Tempel aufgerichtet, in den die Herrlichkeit des Herrn sich gesenkt. Diese seine Herrlichkeit, die in den Tagen der Väter in der Wolke ins Heiligtum eingezogen, sie hat wie in einer Hütte unter uns gewohnt in der Gestalt dessen, in dem die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes erschien. Und als er, der Gekreuzigte und Auferstandene, durch den zerrissenen Vorhang ins himmlische Heiligtum eingegangen, da hat er sich einen neuen Tempel aus lebendigen Steinen erbaut, auf ihn, den auserwählten Eckstein, gegründet. Und dieser Tempel, das bist du, christliche Gemeinde. Dir gilt das Wort deines Gottes: „Und auch ihr als lebendige Steine baut euch zum geistlichen Hause und zum heiligen Priestertum, zu opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum.“
So hat Gott das Gebet seiner Heiligen über Bitten und Verstehen herrlich erfüllt. Dass es nun aber in Wahrheit auch an uns und durch uns erfüllt werde, dass wir nicht daliegen als rohe, auseinander gesprengte Steine, dass Jeder einzelne von uns durch den Glauben an den Herrn lebendig, und wir alle insgesamt zu einem Hause Gottes, zum Volke des Eigentums und zu königlichen Priestern unseres Gottes werden möchten, dazu lasst uns alle aus tiefstem Herzensgrunde zu ihm rufen: „Ach Herr, hilf, Herr, lass wohl gelingen!“
Durch den Glauben werden wir zu lebendigen Steinen. „Wenn du Glauben hättest, so würdest du die Herrlichkeit Gottes sehen“. „Wer da glaubt an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit“. „Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe“. So große Verheißungen gibt der Herr dem Glauben für den Anfang, den Fortgang, die Vollendung des aus ihm geborenen Lebens. Kann er sie auch an dir wahr machen? Seine Augen sehen auf den Glauben. Findet er ihn auch bei dir? Du klagst über deine Armut an Glauben, über die Schwäche, die Halbheit, die Haltlosigkeit deines Glaubens. So mancher spricht: „Ich möchte wohl, aber ich kann nicht glauben; ich kann es nicht in dieser von Unglauben vergifteten Zeit in meinem von Zweifeln zerrissenen Herzen.“ Wie? Der Herr stellt diese eine Bedingung, und diese sollte unerfüllbar sein? Der Herr sucht nach dieser einen Gabe, und er sollte sie dir nicht geben? Er fordert ja doch nichts, was er nicht auch gibt; und er gibt nichts, zu dessen Aneignung er nicht auch verhilft. Und du solltest nicht glauben können, obgleich er den Glauben wirkt, und du nach ihm begehrst! Nun ob es dir wirklich ernst damit ist, ob du glauben möchtest, wie du es vorgibst, an dem Einen sollst du es merken. Betest du auch? Bittest du den Herrn um Glauben? Hast du es getan, tust du es noch? So wahr der Herr lebt, und sein Wort wahrhaftig ist, du sollst es nicht vergeblich tun. Denn wer da bittet, der nimmt, wer da sucht, der findet, wer da anklopft, dem wird aufgetan.
Und so ihr, die ihr arg seid, könnt euren Kindern gute Gaben geben, wie viel mehr wird der Vater im Himmel denen seinen Geist geben, die ihn darum bitten, den Geist, der den Glauben weckt und stärkt und erhält.
Nun wohlan! ihr Glaubensarmen, ihr Herzensträgen alle - hinan zu dem Herrn mit der Bitte, die sein Wort euch heute in den Mund legt. „Herr hilf“! So ruft zu ihm aus der Tiefe! „Herr hilf“, das war die Bitte, mit der die kleingläubigen Jünger den Herrn geweckt, mit der der sinkende Petrus die Hand seines Heilands ergriff, mit der das kananäische Weib sich an den scheinbar widerstrebenden Helfer klammerte. „Herr hilf“! das sei auch die Bitte deines kleinen, zagenden, und doch auf das Wort des Herrn es wagenden Glaubens. „Ich glaube Herr, hilf meinem Unglauben“! - und es soll und wird dir geholfen werden. „Herr hilf!“ das sei die Bitte jeder einzelnen Seele, das sei die gemeinsame Bitte der Adventsgemeinde, mit der sie sich den Advents-Segen des zu uns kommenden Herrn erfleht.
Herr hilf, Herr, lass wohl gelingen! so rufen wir zum Beginn des neuen Kirchenjahrs, „hilf dein Wort recht teilen, deine Herde recht weiden, dein Reich unter uns recht bauen, hilf, dass wir nicht anderen predigen und selbst verwerflich werden, „ - so flehen wir aus Herzensgrund, denen der Herr die Predigt seines Wortes befohlen. „Hilf dein Wort recht hören, recht aufnehmen, es in einem feinen guten Herzen bewahren“, so beten wir alle um den Segen des Wortes. „Tue uns im Glauben unsre Augen auf, dich zu schauen, unsere Herzen, dich zu fassen, unsre Lippen, dich zu bekennen und deinen Ruhm zu verkündigen“. „Wenn diese schweigen, so werden die Steine schreien“, so sprachst du Herr bei dem Einzuge in deine Stadt. O bewahre uns, dass wir dein Wort nicht vergeblich hören, dass nicht deine Gnade sich zum Gericht uns wandle, und einst die Steine dieser Kirchenmauern wider uns zeugen, wo das Wort, das hier gepredigt ist, auf, steinerne Herzen gefallen und ohne Lebensfrucht geblieben ist. Ja hilf, Herr, hilf, und lass Alles wohl gelingen“!
III.
Und der Herr will uns nicht vergeblich zu ihm rufen lassen, er will uns hören und erhören. Denn also lautet die gnadenreiche Antwort des Adventskönigs an sein Volk. „Gesegnet, die ihr vom Hause des Herrn seid“.
Haben wir betende Hände zu ihm erhoben, er breitet sie segnend über uns aus. Den Namen, in dem alles Heil für uns beschlossen ist, er legt ihn segnend auf unsre Häupter, senkt ihn segnend in unsere Herzen. Und worin solcher Segen besteht, unser Psalm sagt es uns in den Worten: „der Herr ist Gott, der uns erleuchtet“. Das Licht, das vom Himmel strahlte in der heiligen Weihnacht, das in feurigen Zungen über den Häuptern der Gemeinde erschien zu Pfingsten, es geht in uns ein in dem Geist des Herrn, der uns in alle Wahrheit leitet, der uns Alles lehrt, was der Herr den Seinen gesagt, und Alles des erinnert, was wir von ihm gehört. Und aus derselben Quelle, die ihr Licht über uns ergießt, strömt uns auch der Friede, der Friede, von dem die Engel über der Krippe des Herrn gesungen, den der Gekreuzigte auf Golgatha uns erstritten, den der Auferstandene aus dem offenen Grabe uns gebracht. „Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit, dass ich da hineingehe und dem Herrn danke. Das ist das Tor des Herrn; die Gerechten werden dahinein gehen“, so bezeugt uns der Psalmist. „Sind wir nun gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott und einen offenen Zugang zu seiner Gnade,“ - so der Apostel. Ein- und ausgehen durch die rechte Tür und Weide haben für unsre Seelen, mit Freudigkeit herantreten zu dem Gnadenstuhl, um in der Vergebung der Sünden die Gerechtigkeit zu empfangen, die vor Gott gilt; als die Gerechtfertigten hinabgehen in unser Haus, hinein in die Wege unseres täglichen Berufes, - das sind die köstlichen Gnadengaben, die wir von dem Friedefürsten empfangen. „Du bist mein Gott, ich danke dir; mein Gott, ich will dich preisen“, so heißt's am Schluss unseres Psalms. Als sein Eigentum seinen Namen bekennen, in heiligem Schmuck ihm dienen, als sein Volk seinen Ruhm verkündigen und also ihm die Früchte seiner Gnade in einem Leben dankbarer Liebe und neuen Gehorsams darbringen, siehe da fasst sich zusammen der Segen dessen, der uns von Gott gemacht ist, zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heilung und zur Erlösung. Welch' eine Fülle der Gnade, welch' ein Reichtum des Segens, denen verheißen und gespendet, welche vom Haus Gottes sind!
Wen verlangt nicht nach solcher Gnade, wer begehrt nicht solchen Segen! Oder bedarfst du seiner nicht? Bist du schon so reich und satt, dass du nicht nach ihm fragest? Die Hungrigen füllt er mit Gütern, die Satten lässt er leer. so kommt, ihr Hungernden, dass er mit seiner Himmelsspeise euch sättige, ihr Dürstenden, dass er mit seinen Gnadenströmen euch tränke! Kommt, ihr Unreinen, lasst euch von ihm rein, ihr Armen, lasst euch von ihm reich, ihr Schwachen, lasst euch von ihm stark machen! Bringt ihm die Opfer, die ihm wohlgefallen, die Opfer eines geängsteten und zerschlagenen Herzens, eines demütig gläubigen Geistes, und er will euch eure Opferschalen füllen mit den Gaben seines Heiles, dass ihr ihm mit Freuden Dank opfern und Lob und Preis darbringen möget.
Ein köstliches Gefäß ist es, das der Psalmist uns darreicht, beides für Bitte und Gebet, für Lob und Dank.
Unser Luther hat dieses heilige Opfergefäß hoch zu halten gewusst. „Dieser 118. Psalm ist mein Psalm,“ sagt er, „den ich liebhabe. Wie wohl der ganze Psalter und die Heilige Schrift gar mir auch lieb ist, so bin ich doch sonderlich an diesen Psalm geraten, dass er muss mein heißen und sein, denn er sich auch redlich um mich gar oft verdient und mir aus manchen großen Nöten geholfen hat, da mir sonst weder Kaiser, Könige, Weise, Kluge, Heilige hätten helfen mögen.“
Nun, meine Lieben, indem Luther diesen Psalm seinen Psalm insonderheit nennt, hat er ihn damit, wie er sagt, Niemandem vorwegnehmen, ihn vielmehr uns Allen erst recht lieb und wert machen wollen, und wünscht nichts mehr, als dass ein Jeder ihn im selben Sinne als seinen Psalm ansehen möge. Nun so lesen, so beten und glauben wir uns immer mehr in ihn hinein, dass er einem Jeden so recht sein eigen werde! Und ist er's uns geworden, so dass es uns aus tiefstem Herzen kommt, was er bittet und dankt, und tief ins Herz dringt, was er darbietet und verheißt, dann ist mehr unser eigen geworden, als dieser Psalm, dann ist der Herr Christus, unser lieber Adventskönig, selbst unser eigen. Dann feiern wir einen rechten seligen, fröhlichen Advent, und dieser fröhliche Advent leitet uns dann hinein in ein reiches, gesegnetes Kirchenjahr, da der Herr mit Heil und Gnaden zu uns kommt, um in uns zu wohnen, uns zu seinem Eigentum zu heiligen und uns einst als die Seinen ganz heimzuholen.
So seid denn gesegnet im Namen des Herrn alle, die ihr vom Hause Gottes seid! gesegnet im Hause des Herrn durch das Wort seiner Wahrheit und die Gaben seiner Gnade, gesegnet in euren Häusern durch den Geist seines Friedens und die Kraft seines Lebens, gesegnet in den Werken eures Berufes, in der Arbeit und im Kampf, gesegnet auf allen euren Wegen in guten und in bösen Tagen, in Freud und Leid, im Leben und im Sterben! Gesegnet sei unser Eingang und unser Ausgang von nun an bis in Ewigkeit! Amen.