Hörschelmann, Paul Eduard - Erster Weihnachttag.
(D. G. Nr. 1.)
Altar - Gebet.
Und sollten wir denn nicht von ganzem Herzen auf Deine Hilfe trauen, Gott in der Höhe, Allmächtiger und Gnädiger, dem alle Ehre gebührt von Ewigkeit zu Ewigkeit? Sollten wir Dir nicht trauen, bei dem Gnade um Gnade wohnt und Segen die Fülle über Alle, die zu Dir kommen und Dich von Herzen anrufen! Ja! wir vertrauen Dir im Leben und Sterben. Du bist fürwahr unser Hort und unsere feste Burg, unser Schild und Schirm allezeit! Uns war ja Deine Gnade nahe, seitdem Dein Vaterruf auch uns ins Leben sandte, um diese Eine Stelle im weiten Raume Deiner Schöpfung auszufüllen! ist erschienen Deine heilsame Gnade, und ist uns sichtbar worden auf Erden, als Du der Liebe, mit welcher Du die Welt geliebt hast, Raum gestattetest, uns Deinen ein geborenen Sohn, unsern Herrn und Heiland zu senden, auf dass Alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. Uns tritt noch täglich Deine Gnade nahe, auch heute näher und wirksamer in Kraft zum Glauben und heiligen Leben, da Du in der Feier der Weihnacht mit deinem teuren Worte uns den heiligen Geist schenkst, dass er uns umwandele gleich den Neugebornen, zu Deinen Kindern!-
O! lass ihn wirken mit Macht, mit Ernst und Liebe zugleich, dass wir verleugnen das ungöttliche Wesen und vor Dir in Züchtigkeit, Gerechtigkeit und Gottseligkeit wandeln! - Und was uns hieran bisher gefehlt hat, das schenke Du uns aus dem Reichtum Deiner Gnade, indem Du zuerst uns Vergebung unserer Sünden darreichst im Glauben an Jesum Christum unsern Herrn! In Ihm sei unser Leben Dir geweiht nun und immerdar! Amen.
Geschieht denn das nun, wozu uns der Sänger des Liedes hier aufforderte, geschieht es denn nun voll genügend, durch das, was eben vor unseren Augen sich zuträgt? - Wir sehen an dem heutigen Tage alle Gotteshäuser eröffnet und festlich geschmückt. Wir hören Stimmen zum Lobe des Herrn, schwebend auf feierlichen Klängen, von allen Seiten sich erhebend und verhallend unter des Himmels hohem Gewölbe. Wir vernehmen in Liedern und Gebeten der christlichen Gemeinden die Botschaft der heiligen Weihnacht, einen Wiederhall der Worte jener himmlischen Heerscharen, die den zu Bethlehem Geborenen begrüßten. Wir finden uns, wohin wir auch auf diese Botschaft uns wenden, überall von einer Christenmenge umringt, die den schöneren Festschmuck der Andacht an sich trägt, so weit hierin Menschenaugen dringen können. Da ist denn gewiss vielerlei schon geschehen, um einen Jeden von uns, die wir an des Festes Feier Teil nehmen, so zu stellen, dass auch seine Seele den mächtigen Zug nach oben empfinde, und den Aufschwung. bis zum Throne dessen gewinne, der die Welt also geliebt hat, aus freiem Triebe uns, seinen Sohn zum Heilande zu geben. Gewiss vielerlei dazu geschehen. Aber das Beste kommt von oben, muss in dem tief Innersten des Herzens und des Lebens gewirkt und geweckt sein, trägt sich nie zur Schau, so weit hierin etwas Vorbedachtes und Geflissentliches liegt, sondern drängt sich nur, durch Kraft des Lebens, die ihm gegeben ist, ans Licht, gleich wie lebendige Keime, die durch des Schöpfers Macht im Schoß der Erde erwacht sind. Das ist der Weihnacht Weihe, um welche es denen zu tun sein muss, die sie feiern. Das ist die Hoffnung, die uns in dieses Fest begleiten muss, damit es sein Festliches gewinne und behalte. Das ist unser Gebet und Flehen, das sich in unsere Lieder des Lobes mischt, und womit wir vor Deinen Thron treten, barmherziger und gnädiger Gott, der Du Dich uns in der heiligen Weihnacht als unseren rechten Vater kund getan hast von Ewigkeit zu Ewigkeit. Ja! es ist Deine Gnade, die allen Menschen erschienen ist. Wir sagen es mit Danken und mit Loben. Hilf aber dazu nach Deiner Macht, dass sie auch uns eine heilsame sei, nach Deinem gnädigen, väterlichen Willen, dass Niemand von uns Deine Gnade vergeblich empfahe, und dass sie, die Allen ein Seil der Liebe sein soll zu ihrer Himmelfahrt, Keinem zu einem Fallstrick werde durch eigene Schuld! - Sei bei uns mit Deinem Geiste in seiner Kraft! Amen!
Zur gemeinsamen Feier der heiligen Weihnachtzeit, auch wenn sie noch auf mehre Tage verlegt wäre, als uns in diesem Jahre zufallen, würde immer das Anfangswort unserer heutigen Epistel ausreichen, das Wort:
Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen!
Der ganze, kurze und schöne Weihnachttext ist vom Apostel Paulus verzeichnet:
Tit. 2, 11-14.
„Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen, und züchtigt uns, dass wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen, und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt, und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unsers Heilandes Jesu Christi, der sich selbst für uns gegeben hat, auf dass er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit, und reinigte ihm selbst ein Volk zum Eigentum, das fleißig wäre zu guten Werken.“
Unser diesjähriges Weihnachtwort, an dessen Hand und unter dessen Anhauch im Geiste wir, so Gott will! diese drei uns gesetzten Tage der Christfeier zu durchwandeln gedenken, hat seine rechte Stelle gefunden, da es die Reihe evangelischer Festgedanken eröffnet. Aus dem Texte ist es genommen, und ist selbst der rechte Text für jegliche Weihnacht, die uns im Leben wiederkehrt. Hat doch der Engel des Herrn, welcher, nach Inhalt unseres Festevangeliums, zu den Hirten auf dem Felde hintrat, keinen andern gehabt, sondern denselben, nur mit andern Worten ausgedrückt, da er sprach: Fürchtet Euch nicht; siehe, ich verkündige Euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr! -
So neben einander gestellt, erläutern sich die beiden Festworte gegenseitig. Denn, wenn der Apostel ruft: Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen! - so weist der Evangelist nach Bethlehem hin und zeigt die Erscheinung derselben in der Geburt des Knaben, der sein merkwürdiges Dasein unter uns in der Krippe begann und am Stamme des Kreuzes beschloss, zu einem Zeugnisse, dass, wo es auf göttliche Gnadenerweisungen ankommt, des Lebens äußere Gestalt gar nichts ausmacht, sondern es dem Herrn ein Leichtes ist, durch viel oder wenig zu helfen. Wenn der Apostel von der Erscheinung göttlicher Gnade spricht, so stimmt der Evangelist ihm bei, indem er den Lobgesang der himmlischen Heerschaaren anhebt: Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen. Wenn der Apostel die erschienene Gnade eine heilsame nennt, so zeigt der Evangelist Grund und Ursache davon nach, indem er den neugeborenen Knaben Christum, „den Herrn“ nennt, der ihnen ein Heiland geboren ist, und lässt des Heiles erste liebliche Blüte im Leben der Menschen hervortreten, indem die Furcht der armen Hirten sich wandelt in freudige Zuversicht. Und wenn der Apostel endlich alle Menschen in den Bereich derselbigen Gnade Gottes befasst, so hatte auch bereits der Evangelist die Freude des Tages als eine solche verkündigt, die allem Volke widerfahren sei, und offenbar leuchteten ihm seine Augen und brannte ihm das Herz bei dem Anblicke dessen, dass die heilige Weihnacht Friede auf Erden bringe und den Menschen ein Wohlgefallen. So ist denn auch hier die Auswahl gerechtfertigt, welche die Väter der Kirche getroffen haben, um diesem schönen Feste der Christenheit seine festlichen Losungsworte aus heiliger Schrift mitzugeben, das Eine aus dem Kreise der heiligen Geschichten des Evangeliums, das Andere aus dem Schatz seiner heiligen Lehren und Wahrheiten! Uber so sehr fallen sie nie in Eins zusammen, dass nicht ein Jedes, zu welchem Du Dich auch hinwendest, immer noch überdies sein Eigenes behielte an Lehre, Strafe, Besserung und Züchtigung in der Gerechtigkeit oder dass es nicht noch seine besondere Weise hätte, einen Menschen Gottes anzufassen und ihm zu helfen, dass er vollkommen sei, zu allem guten Werke geschickt. Und siehst Du nun hierauf unseren heutigen Text, und seinen Kern und Mittelpunkt, nämlich das Weihnachtwort an: Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen! so kannst Du nicht leugnen, es dringe dasselbe tief ein und umfasse alle Hauptpunkte eines in christlichem Geiste gestalteten, inneren Lebens, so, dass, wer dasselbe in sein Herz aufnimmt, und es drinnen fromm und nachdenkend bewegt, gewiss nicht aus der Festzeit der Geburt unsers Herrn hervorgehen wird, ohne sie auf die eigentlich christliche Weise gefeiert zu haben, nämlich nicht ohne das herzinnige Verlangen, sein eigenes, zweites und schöneres Geburtsfest zu feiern, da sich das bisherige Kind des Staubes, der Zeit und der Welt in Dir verkläret zu einem seligen Kinde Gottes durch Jesum Christum, und da die Kraft seines heiligen und Dir befreundet gewordenen Geistes ein neues Leben in Dir schafft, die Augen Deines Verständnisses erleuchtend, dass Du den Vater schauest, wie ihn der Sohn uns offenbart hat, voll Ernst und Milde, und Deine Seele ausrüstend mit Kraft aus der Höhe, dass Du mächtig wirst, jedem anderen Willen zu widerstehen, dem eigenen zuerst, und allein den heiligen Willen Gottes in Dir walten zu lassen, dass Du erwählest, was Er liebt, dass Du hasst, was er verwirft, dass Du selig bist in dem, das Ihn freut. Nichts Geringeres als das ist es, worauf die christliche Feier der heiligen Weihnacht ausgeht, und was jedes rechte Weihnachtwort unverwandt im Auge behält. Das unsrige in diesem Jahre tut es auch; denn, wenn Du es in dem Zusammenhange betrachtest, in welchem es sich in unserer Festepistel findet, so berührt und umfasst es alle Hauptpunkte eines in christlichem Geiste gestalteten, inneren Lebens. Oder sollten wir darüber noch uneins, oder Jemand in seinem Herzen darüber noch schwankend und ungewiss sein können, dass eines so gestalteten Lebens ganz entscheidende Punkte folgende drei sind, nämlich der Glaube, auf welchem es fußt, die Hoffnung, nach welcher es hinlangt, die Liebe, in welcher es wirkt? Kann darüber eine Frage oder ein Zweifel sein, nachdem der Apostel Paulus, wo er das Jetzt und das Dereinst einander gegenüber stellt, von dem Jetzt, an welches wir gewiesen sind, ausdrücklich sagt: Nun aber nun bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe - diese drei. So dass wir also wohl sagen müssen, es sind dies die wesentlichen Stücke eines in christlichem Geiste gestalteten Lebens, so dass deren keines fehlen kann, ohne dass die andern alle verloren gehen und ohne dass das geistige, innere Leben unaufhaltsam entfliehe, gerade wie das leibliche gewiss ertötet wird, wenn von seinen drei wesentlichen Bedingungen Eine nur entweder des Blutes Umlauf, oder des Pulses Schlag, oder des Atems Hauch kann aufgehoben, oder bis zum völligen Stocken gehemmt werden. Dazu ist aber erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen, und dazu wird ihre Erscheinung wenigstens doch Ein Mal ausdrücklich in der jährlichen Wiederkehr der heiligen Weihnacht gefeiert, damit Dein Leben in der Welt diese Gestalt gewinne, in welcher ihm abzumerken ist, dass es ein Ziel hat über den engen Kreis der Erde hinaus, und dass es seine Richtung nimmt zu diesem Ziele hin. Dazu gehört denn zuerst, dass Deine Seele sich empor schwinge auf die Höhe des Glaubens. Denn zum Aufschwung in den Himmel gehört, dass Du zuvor fest stehest und hoch und frei. Aus den Sümpfen ist es vergeblich, aus eigner Kraft sich hinauf zu arbeiten. Man versinkt nur tiefer. Und in solche Sümpfe war die Welt geraten, bevor es Weihnacht ward zu Bethlehem und erschienen war die heilsame Gnade Gottes allen Menschen. Hätte man damals Umfrage gehalten, und Jedermann hätte frei und offen antworten wollen, so wäre wohl nirgends her auf Er den eine Stimme laut geworden, wie die des Apostels Paulus, da er spricht: Ich weiß, an welchen ich glaube, und bin gewiss, dass Er kann mir meine Beilage bewahren bis an jenen Tag! Seitdem haben Viele diese Sprache gelernt Gott gebe aber, nicht mit dem Munde allein, sondern vielmehr aus Drang der Herzen, Viele sie von Anfang an gelernt durch eben diesen Apostel Paulus oder durch einen andern seiner Gefährten, aber Niemand von Ihm. Denn der Glaube kommt nicht von Menschen zu Menschen, sondern er kommt von oben, gleichwie der Lichtstrahl zu denen, die oben in den Lüften oder unten in den Wassern leben zwar durch Luft und Wasser zu ihnen kommt, aber doch nur von der Sonne her, die ihn allein senden kann. Die heilige Weihnacht ist die Zeit des Sonnenaufganges, für das Land des Glaubens und für alle seine seligen Bewohner. Schon damals, als sie den Neugeborenen in Windeln wickelten und ihn in die Krippe legten, schon damals konnte von ihm gesagt werden, in Ihm ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen; schon damals von ihm gesagt werden: Er hat sich selbst für uns gegeben, auf dass er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit, und reinigte ihm selbst ein Volk zum Eigentume, das fleißig wäre zu guten Werken! - Denn die übersehen doch offenbar gar zu viel, die, wenn sie von seinen Opfern um unsertwillen sprechen, die Rechnung erst da anfangen, wo Er sein letztes brachte, auf der verhängnisvollen Höhe von Golgatha, oder höchstens die wenigen Tage vorher, die wir noch jetzt als seine Leidenszeit feiern. Nein! hier war Alles Opfer, freiwilliges Entsagen um unser Willen, freudig erduldetes Entbehren dessen, was sein gewesen war in der Gemeinschaft der Herrlichkeit und der Seligkeit des Vaters. Wir freuen uns zwar des armen und kleinen Bethlehems, dass sein Name so groß geworden ist über alle Namen auf Erden, und uns allen, selbst bis auf die Welt der Kinder hin, so lieb und lieber noch, als der Ort, wo uns selbst das Licht des Lebens begrüßt hat. Für Ihn aber war doch auch Bethlehem schon ein Golgatha in anderer Gestalt, und schon beim Eintritt in unsere Lebenskreise hätte Er eben so gut rufen können: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du `mich verlassen! denn jeder Schritt auf unsern Wegen hatte für seine göttliche Seele Dornen und spitze Steine und scharfe Schneiden. Wohl mag der Apostel Petrus sagen, dass wir nicht mit Silber oder Gold erlöst sind, sondern es hat einen höheren Preis gekostet, den wir zwar nennen, aber nicht fassen, wenn wir sagen, es sei sein heiliges Leiden und Sterben gewesen, worunter wir sein ganzes Leben in unserer Mitte zu verstehen haben. Und das ist unser Glaube an Ihn, dass wenn Er nicht, so gewiss Keiner auf der Welt, und wenn nicht Gottes Gnade um seinetwillen, so gewiss kein eigenes Verdienst, wie groß es sei, uns stillen könne des Gewissens Unruhe und seine brennenden Schmerzen.. Darin also ist uns zuerst erschienen die heilsame Gnade Gottes, und heute ist der Tag, da wir ihre Erscheinung wieder feiern! Ist aber Jemand von diesem Glauben ganz durchdrungen, und hat in demselben das Bewusstsein einer unermesslichen Liebe, die ihm ist zugewandt worden, so erscheint ihm auch darin ferner die heilsame Gnade Gottes, dass dieser Glaube nun in ihm eine Liebe schafft, die ohne Aufhören wirkt, was Gott gefällt. Aus diesem Gesichtspunkte schaute sogar der Apostel Paulus im heutigen Text das Heilsame der anbrechenden Weihnacht zu allererst an, indem er von der erschienenen Gnade Gottes zuerst sagte: Sie auferziehe uns, dass wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und sollen züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt! Das ist denn, wenn wir das Wort genau ins Auge fassen, gerade wieder das alte Gebot der Liebe, gestellt in dem bekannten Worte des Herrn: Du sollst lieben Gott, Deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte; und das Andere ist ihm gleich, du sollst Deinen Nächsten lieben, gleich als Dich selbst! Denn in dem gottseligen Leben, wovon der Apostel spricht, ist die Liebe Gottes, die selig macht, und in dem gerechten und züchtigen Leben ist die Liebe des Nächsten und Dein selbst. Zu diesem Allen aber gibt Dir die heilige Weihnacht den rechten lebendigen Trieb, die Kraft dazu, den Sinn dafür und die Freude daran. Denn da kommt ja Alles nur darauf an, ob Du die heilige Weihnacht mit dem gläubigen Auge des Propheten ansiehst, welcher im Vorgefühle ihrer einstigen Ankunft auf Erden in den Freudenruf ausbrach: Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben! Oder daraus kommt es an, ob Du des himmlischen Boten heutiges Wort, als zu Dir gesprochen, anerkennst, da er ruft: Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr! Sind das Worte, Dir aus der Seele gesprochen, so bleibt auch die Furcht fern, die heilige Weihnacht könnte kommen und gehen, ohne in Deiner Seele den Geist der Liebe wach gerufen zu haben, der sich allein an einem Leben in Züchtigkeit, Gerechtigkeit und Gottseligkeit zu erfreuen vermag, und der Alles von sich zurückstößt, was dem entgegen steht. Da kann man wohl getrost Euch fragen, die Ihr von dem Herrn gesegnet wurdet, dass Euch die Gnade Gottes im eignen Hause, in der Gestalt eines teuren Kindes erschien, von dem Ihr sagen konntet: Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben! ob Ihr nicht da schon, in diesem Zeichen göttlicher Liebe zu Euch, den Drang der Herzen fühltet, um dieses köstlichen Geschenkes Willen Euch selbst dem darzubringen, der Euch so viel gegeben hatte? ob nicht an den Wiegen Eurer geliebten Kleinen, wenn Euch das Herz voll seliger Freude an ihnen stand, ein neuer Geist über Euch gekommen sei, der Euch mit rührender und unwiderstehlicher Gewalt hinwegdrängte von dem ungöttlichen Wesen, und Euch mit heiligem Ernste für einen neuen Wandel in Zucht, Gerechtigkeit und Gottseligkeit in Anspruch nahm? S! soll denn das nicht viel mehr noch der Fall sein, wenn Ihr des Glaubens seid, in der trauten Kindesgestalt des Knaben zu Bethlehem sei auch Euch ein Heiland geboren, auch Euch ein Pfand der Liebe Gottes gegeben, ein Zeichen seiner Gnade und Barmherzigkeit zu Teil geworden? Muss denn nicht, wer die heilige Weihnacht so ansieht, selbst neugeboren werden in der Freude an der erschienenen heilsamen Gnade Gottes, und aus der langen Entfremdung heraus und eintreten in die Gemeinschaft eines heiligen Lebens in der Liebe? - Wird nicht die schöne Frucht mit ihrem ganzen Segen die Eure sein von dieser Feier unserer Gnadenzeit! Ihr ganzer Segen aber reicht weit hinaus über die Gegenwart; wächst weit hinein in das schöne und grenzenlose Land der frommen, christlichen Hoffnung. Denn auch hierin endlich ist es eine heilsame Gnade Gottes, die uns in der h. Weihnacht erschienen ist, dass sie uns lehret warten, nach des Apostels Worten, auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unsers Heilandes Jesu Christi! ! lasst Euch diese teure Gabe weder entgehen, noch wenn Ihr sie gefasst habet, sie Euch jemals rauben! Der in der Weihnacht zu Euch gekommen ist, kam nicht für die kurze und flüchtige Zeit der Gegenwart im irdischen Leben. Sagt nicht unser heutiger Weihnachtsbote anderswo mit ausdrücklichen Worten: hoffen wir aber allein in diesem Leben auf Christum, so sind wir die elendesten unter allen Menschen! Nein! für diesen nichtigen und uns bald aus den Händen gewundenen Gewinn wäre das ein zu hoher Preis. Sondern Jesus Christus ist gekommen, dass er sei ein Hoherpriester der zukünftigen Güter! Darin ist sein Erscheinen uns eine heilsame Gnade Gottes! Darin ist die Weihnacht eine heilige Zeit, weil sie uns mit Hoffnung der Seligen beschenkt. Und auch Du wirst an solcher nicht leer ausgehen wenn Du sie heute gefeiert hast im Glauben an den, der sich auch für Dich selbst dahin gegeben hat, auf dass Er Dich erlöste! Nicht leer ausgehen, wenn dieser Glaube in Dir den Geist der Liebe geweckt hat mit seiner lebenserregenden Kraft! Ist Glaube und Liebe da, so erblühet Dir in dem Herzen die fromme Hoffnung auf den Herrn. Die nimmt Dich in ihren Arm, wenn Du auf Erden Leid und Trübsal hast, denn sie sieht an dem, der zu Bethlehem geboren ist, den Helden Gottes, in dessen Hand der bittere Kelch zu einem Freudenbecher wird, der die müde Seele stärkt! Sie hebt Dich weit hinweg über alle Schmerzen dieser Erde und über ihre Furcht und Pein, und gibt Dir ein starkes Herz, dass Du auch lernst sprechen, wie der Knabe aus Bethlehem: Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist! Sie erhellet Dir das Dunkel der Gräber, dass Du im Namen Aller, die Du mit zitternder Hand in diese zweite Wiege bettest, und im eigenen Namen, wenn Deine stillste Ruhestätte bereitet wird, sprichst: Es ist vollbracht! und getrost geliebte Augen zudrückst, oder die eigenen müde vom Leben schließest, in der Hoffnung, wenn sie wieder aufgehen, werden sie den schauen, der Tod und Grab besiegt hat! Ja! Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen; sie ist such uns erschienen in Dir, o unser Herr und Heiland, den dieser Tag hoch preist vor aller Welt rc. rc.
(D. G. Nr. 127, 9. 10.)
Schluss-Gebet.
Du aber, erlöste Seele, erhebe Dich, mache Dich auf und suche den Herrn! Ja! wir suchen Dich, der Du in der heiligen Weihnacht uns erschienen bist als die heilsame Gnade Gottes, uns und allen Menschen auf Erden! Wir suchen Dich mit Danken und Loben, und freuen uns aller Deiner Gaben, die wir von Dir empfangen haben, freuen uns des teuren Glaubens, mit welchem Du uns beschenkst. Freuen uns der Kraft der Liebe, mit welcher Du uns ausrüstest zu einem Leben in Züchtigkeit und in Gerechtigkeit und in Gottseligkeit. Freuen uns der reichen Hoffnung, mit welcher Du die Gläubigen aufrichtest, dass sie sicher wandeln! Erhalte uns in dieser Freude immerdar, Du Herr der Herrlichkeit! Amen!