Heliand - 23 - Die Stillung des Meeres
Da kam ein groß Gewühl
aus allen Gauen um Christi Gaben willen,
um des Mächtigen Schutz. Da wollt' ein Meer befahren
Gottes Sohn mit den Jüngern, an Galiläaland hin
auf den Wogen, der Waltende. Der Leute Gewühl
hieß er weiter wandern; mit wenigen stieg
in einen Nachen nur der Nothelfer Christ,
von der Reis' erschöpft bis zum Schlafe. Die Segel hißten
wetterweise Männer und ließen vom Winde sich
über den Meerstrom treiben, bis in die Mitte kam
der göttliche mit den Jüngern. Da begann des Wetters Kraft:
Im Wirbelwinde stiegen die Wogen,
Nacht schwang sich schwarz hinab, die See kam in Aufruhr,
Wind und Wasser kämpften. Angst erwuchs den Leuten,
da das Meer so mutig ward. Der Männer versah sich keiner
längeres Lebens. Den Landeswart alsbald
weckten sie und sagten ihm von des Wetters Kraft,
flehten, daß gnädig ihnen der Notretter Christ
wider das Wasser hülfe, „sonst werden wir qualvoll
sterben in diesem Sturm“. Da stand vom Lager empor
der gute Gottessohn und sprach zu den Jüngern:
Euch darf des Wetters Wut wenig erschrecken:
Wie hat euch Furcht erfaßt? Noch nicht fest ist euch das Herz,
noch laß euer Glaube. Nicht mehr lange währt es,
so muß die Strömung stiller werden
und das Wetter wonnesam.„ Da sprach er zu dem Winde
und zu dem Meere zumal, und hieß sie milder
beide gebaren. Dem Gebot gehorsam
und des Waltenden Wort stillten die Wetter sich,
heiter floß die Flut. Das Volk unter sich
Gewahrt es verwundert, Worte gingen hin und her,
welch ein mächtiger Mann das sein müsse,
daß ihm Wind und Welle aufs Wort gehorchten,
seinem Gebot beide. Der Geborne Gottes
hatte sie der Not entnommen. Der Nachen schritt dahin,
der hochgehörnte Kiel: die Helden kamen
zu Land, die Leute, und lobten Gott,
verherrlichten seine Herrscherkraft.