Heermann, Johannes - Heptalogus Christi - Das siebente Wort
Text: Luc. 23, 46.
Und JEsus rief laut und sprach: Vater, ich befehle meinen Geist in Deine Hände.
Es kamen die Töchter Israel jährlich zusammen und hielten das Gedächtniß der Tochter Jephtha, die ohne alle Schuld, wie Etliche wollen, geschlachtet und geopfert worden. Unser Heiland Jesus Christus, meine Lieben, ist heute am Stamm des Kreuzes geschlachtet und für unsre Sünde geopfert, da Er doch für Seine Person solchen schmerzlichen und schmählichen Tod nicht verdient hatte. Darum sollt ihr vielmehr jährlich um diese Zeit und sonderlich auf den heutigen Tag zusammenkommen und des unschuldigen Kreuzestodes Christi gedenken, nach der treuen Vermahnung Sirachs: Vergiß nicht der Wohlthat deines Bürgen, denn er hat sich selbst für dich versetzt. Am heutigen Tage, sagt Chrysostomus, hat unser HErr am Kreuz gehangen und wir begehen die Herrlichkeit dieses Tages feierlich. Daher hat Constantin der Große diesen Tag hochfeierlich zu halten geboten, und Origenes hat ihn unter die vornehmsten Festtage gezählt. Die lieben Alten hatten diese Woche über ihre sonderliche Andacht und dabei ihre innerliche Herzensfreude. Am Palmsonntag betrachteten sie JEsum als einen sanftmüthigen König, der seinen Einritt zu Jerusalem auf einer Eselin gehalten. Am Montag war Er ihnen ein freundlicher und Leutseliger Richter, der ein gnädig Urtheil über das Weib gefällt, so im Ehebruch ergriffen war. Am Dienstag sahen sie Ihn als einen allwissenden Propheten, der auf dem Oelberge, als ihm Seine Jünger das schöne Gebäu des Tempels zeigten, vom zukünftigen Untergang der Stadt Jerusalem klar geweissagt. Am Mittwoch nannten sie Ihn einen verkauften Schatz, weil Ihn Judas um dreißig Silberlinge den Hohenpriestern zu verkaufen sich erboten. Am Donnerstag war Er ihnen ein freigebiger Wirth, der uns im Hochwürdigen Abendmahl Seinen theuren Leib und Blut zu essen und zu trinken verordnet hat. Heut am guten Freitag ward Er genannt ein Schlachtlämmlein, weil Er heute sich für die Sünde der Welt hat schlachten und tödten lassen. Morgen ist Er das Weizenkörnlein, welches in die Erde geworfen ist. Auf den Ostertag nannten sie Ihn einen starken Löwen vom Stamm Juda, der überwunden und den Sieg erhalten hat.
Deshalb ists billig, daß auch wir unsre Andacht in der That erweisen. Weil wir aber zuvor von Christi Tod und Begräbniß bei Erklärung der Passionshistorie geredet haben, bleiben wir diesmal bei unserm vorliegenden, Fastentext und erwägen kürzlich aus dem siebenten und letzten Wort:
mit was für Reden unser Heiland Sein Leben am Kreuz beschlossen.
HErr JEsu, ehre Deinen Namen
Durch mich Deinen Diener. Amen.
Zuerst betrachten wir, zu wem CHristus Jesus in Seinem Sterbestündlein Seine Zuflucht habe. Weil nun unser hochgelobter Heiland am Holz des Kreuzes Alles vollbracht hat, was zur Beförderung deiner und meiner Seligkeit gehörte, so ist Nichts mehr übrig, als daß Er Seinem natürlichen Leben durch den zeitlichen Tod ein Ende machte; wendet sich demnach mit Gebet zu Seinem himmlischen Vater, befiehlt Ihm Seine Seele und thut solches mit lauten Worten.
Bei andern Sterbenden verlieren sich allgemach die natürlichen Kräfte, zumal wenn ihnen dieselben durch große und anhaltende Schmerzen geschwächt worden sind. Die Augen brechen, das Gehör vergeht, die Sprache entfällt, der Athem wird schwer, bis endlich gar die Seele darüber ausgeht. Aber der HErr JEsus ruft überlaut und gibt also Seinen Geist auf. Warum? Athanasius antwortet: es schreit der HErr, da Er sterben will, laut wie ein Siegesfürst schreit, wenn Er den überwundenen Feinden nachsetzt. Er brüllt gleichsam wie der Löwe aus dem Stamm Juda, da Er den Raub aus der Hölle nehmen will. Ja mit solchem lauten Geschrei will Er anzeigen, daß Er Sein Leben freiwillig und ungezwungen lasse, wie Er zuvor selber gesagt: Niemand nimmt mein Leben von mir, sondern ich lasse es von mir selber. Ich habe es Macht zu lassen und habe es Macht wieder zu nehmen. CHristus verliert nicht, wie Theophylact sagt, Seine Stimme, da der Tod herannaht, sondern wie ein Bezähmer des Todes schreit Er mit lauter Stimme den Tod an, der sich nicht hervorwagt, deshalb weil er weiß, daß er nicht als Sieger, sondern als Besiegter aus diesem Kampfe hervorgehen werde.
Zu wem wendet sich denn nun der Heiland, da Sein Ende vorhanden ist? Ei zu Seinem Vater. Den ruft Er an und setzt in Seinen letzten Zügen noch immer Sein Vertrauen auf Ihn, sprechend aus dem Psalm: Vater. in Deine Hände befehle ich meinen Geist. Das geistliche Consistorium zu Jerusalem hatte ihn deswegen zum Tode verdammt, daß Er Sich GOttes Sohn genannt. So ließen sich auch Seine Feinde kurz zuvor verlauten und sprachen: Ist Er GOttes Sohn, so steige Er vom Kreuz welche Lästerworte Ihn zwar sehr schmerzten; aber noch läßt Er Sich ihre höhnischen Stachelreden nicht irren, sondern ist dessen gewiß in Seinem Herzen, es werde wohl bleiben bei den Worten, die Sein himmlischer Vater vom Himmel herab geredet: Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Will demnach CHristus sagen: O mein Vater, ob ich gleich bisher sehr große Noth erfahren, unsägliche Schmerzen erlitten und jetzt nach vollbrachten Leiben am Fluchholz des schmählichen Kreuzestodes sterben muß; jedoch will ich mein kindlich Vertrauen nicht wegwerfen, sondern schließe mich vielmehr ein in Deine ewigwährende Vaterliebe und ergebe mich Dir ganz und gar, in der gewissen Hoffnung, Du könntest und werdest mich Deinen eingebornen, herzallerliebsten Sohn nimmermehr verlassen. Darauf will ich auch fröhlich meinen Geist aufgeben und sterben.
Diesem schönen Exempel folge du auch nach, liebes Christenherz, beides im Leben und Sterben. daß dich ja keine Trübsal und Anfechtung so weit bringen und dringen, daß du an GOttes väterlicher Liebe, Huld und Treue zweifeln und von Ihm in der Noth ablassen wollest.
Er ist ja auch dein Vater, weil er sich mit Seiner allmächtigen Hand im Mutterleibe erschaffen und von dannen wunderlich ans Tageslicht gebracht hat. Muß nicht ein Jeder mit Hiob frei heraus bekennen und sagen: HErr, Deine Hände haben mich gearbeitet, und gemacht Alles, was ich um und um bin. Und mit König David: Du HErr hast mich aus meiner Mutter Leibe gezogen. Gott ist dein Vater, denn Er hat dich erlöst durch den schmerzlichen Tod Seines eingebornen Sohnes und zu Seinem Eigenthum erkauft. Ja um Christi willen hat sich der himmlische Vater zu Seinem Kinde aufgenommen, wie geschrieben steht: Wie viele CHristum aufnahmen, denen gab Er Macht, GOttes Kinder zu werden, die an Seinen Namen glauben. - Ihr seid allzumal GOttes Kinder durch den Glauben an CHristum Jesum. Jetzt könnt ihr in allem Elend rufen: Abba, lieber Vater! Gott ist dein Vater, weil er sich deiner väterlich annimmt und dich mit Hülle und Fülle versorgt. Wir sind aus Nichts, wie Gregor sagt, und werden auch bald wieder zu Nichts, wenn uns Gott nicht durch Seine regierende Hand erhielte. Euer Vater im Himmel weiß, daß ihr deß Alles bedürfet, spricht dein HErr und Heiland. Wohlan, ist nun GOtt dein Vater, ei warum wolltest du ihn denn nicht in all deinem Kreuz und sonderlich in deiner letzten Noth mit Gebet und Seufzen anflehen? Aus herzlicher und inbrünstiger, väterlicher Liebe kann und will Er dich nicht hassen und lassen.
Weißt du nicht, was sonst leibliche Eltern für ein Herz gegen ihre Kinder tragen? Wie lieb hatte Jakob den frommen Joseph, und David den Absalom, der doch eine ungerathene, grundböse Blatter war, und Jairus sein Töchterlein? Zu Thessalonich erhub sich ein großer Aufruhr, darin auch ein vornehmer Hofdiener umkam, den der Kaiser Theodosius sehr lieb hatte. Darüber ward er heftig ergrimmt und ließ an die siebentausend Personen dort umbringen. Unter denen waren auch zween Brüder mit ergriffen. Der alte Vater that über alle Maßen kläglich und bat mit aufgehobenen Händen, man wolle ihm doch seine Söhne am Leben lassen, weil er des Ortes fremd und an dem Aufruhr ganz unschuldig wäre, und erbot sich für seine beiden Söhne zu sterben. Die Soldaten sprachen: es könne nicht geschehen; die Zahl müsse voll sein. Doch wollten sie ihm diese Gnade erzeigen: Einen wollten sie ihm leben lassen; da möchte er sich nun selbst wählen, welchen er haben wollte. Ach GOtt, das war ihm eine schwere Wahl. Er wandte seine Augen jetzt auf diesen, jetzt auf jenen und wußte nicht, welchen er auslesen sollte. Beide waren ihm herzlich lieb; er bedachte sich so lange, bis sie ihm vor den Augen erstochen wurden.
Ebenso lieb, meine Seele, ja noch viel tausendmal lieber hat dich dein himmlischer Vater, wie CHristus klar bezeugt: Er der Vater hat euch lieb. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmet, so erbarmet sich der HErr über die so Ihn fürchten. Dessen tröste dich auf deinem Siech- und Krankenbette. Wollte sich doch David zu Tode grämen, da sein Söhnlein todtkrank war, welches er mit der Bathseba gezeugt hatte. Ei sollte denn dich das treue Vaterherz GOttes in deiner Schwachheit wie einen Hund liegen lassen? Das ist ja unmöglich. Rufe getrost zu Ihm; denn wer ist unter euch, so ihn sein Sohn um Brot bittet, der ihm einen Stein biete? Und so er um einen Fisch bittet, der ihm eine Schlange gebe? Oder so er um ein Ei bittet, der ihm einen Scorpion biete? Wohlan, schließt Christus, so ihr die ihr arg seid, könnt euren Kindern gute Gaben geben, wie viel mehr wird der himmlische Vater den heiligen Geist geben, und Alles warum ihr ihn bittet. - Darum, mein Kind, achte nicht geringe die Züchtigung des HErrn und verzage nicht, wenn du von Ihm gestraft wirst; denn wen der HErr lieb hat, den züchtigt Er. Er stäupt aber einen jeglichen Sohn, den Er aufnimmt. - So ihr die Züchtigung erduldet, so erbietet sich GOtt euch als Kindern; denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt? Seid ihr aber ohne Züchtigung, welcher sie alle theilhaftig worden sind, so seid ihr Bastarde und nicht Kinder.
Bist du traurig und angefochten deiner Sünden halber? Erinnere und tröste dich, daß GOtt dein Vater ist. Der verlorne Sohn hatte sich von seinem Vater abgewandt, sein Erbtheil vergeudet und durch die Gurgel gejagt. Doch verzweifelt er nicht, sondern denkt, es werde ja noch irgend ein Fünklein Liebe in seinem Vaterherzen gegen ihn übrig sein; spricht deswegen: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen. Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater, fiel vor ihm nieder und sprach: Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor Dir und bin fort nicht werth, daß ich Dein Sohn heiße, mache mich als einen Deiner Tagelöhner. Der fromme Vater, sobald Er ihn ersah, jammerte ihn sein, lief und fiel ihm um den Hals und küssete ihn. Also thu du auch, betrübte Seele. Schrecken dich deine Sünden, so falle dem himmlischen Vater zu Fuß und suche Gnade, so wird Er dir mit Seiner Güte entgegen gehen und dich mit Liebe küssen und sagen: Bist du nicht mein theurer Sohn und mein vertrautes Kind? Ich denke noch wohl daran, was ich dir geredet habe. Darum bricht mir mein Herz gegen dich, daß ich mich dein erbarmen muß.
Ist dein Lebenszeigerlein ausgelaufen und du sollst von dannen scheiden: entsetze dich nicht vor dem Tode, sondern denke: wohlan, ich bin nun eine geraume Zeit in der Fremde, und in der Weltherberge nur ein Pilgrim gewesen, hab' manche Noth und Gefahr ausstehen müssen. Jetzt schickt mir mein GOtt den Wagen wie Elia und läßt mich aus der Fremde heim in Sein Haus holen. Nun will ich auffahren zu meinem Vater und bei Ihm sein allezeit. Muß gleich mein Leib in die Erde verscharret werden, so weiß ich doch, daß auch nicht ein Beinlein oder Stäublein von demselben verloren werden wird, denn die Engel bewachen ihn.
Traun, Vater und Mutter könnens nicht lassen, sie geben Achtung darauf und wissen genau, wo man ihr Kind auf den Abend hinlegt, auf daß sie es des Morgens wieder aufheben und bei sich haben können. Viel mehr weiß mein himmlischer Vater, wo man meinen Leib bei meinem Absterben hinlegen wird; denn der Tod Seiner Heiligen ist werth gehalten vor dem HErrn. Am Morgen des jüngsten Tages wird Er mich aus meinem Grabkämmerlein wieder aufwecken und sagen: komm wieder, liebes Kind! und wird mich alsdann in den vollen Besitz der himmlischen Güter einführen. Ja meine eigenen Feinde werden sich wundern und sagen: das ist der, welchen wir einst für einen Spott hielten? Wie ist er nun gezählet unter die Kinder GOttes! Siehe nur zu, liebes Christenherz, daß du dein Leben wie CHristus mit dem lieben GOtt endest. Denn wie Justin der Märtyrer sagt, so setzt der Teufel den Menschen zu keiner Zeit heftiger zu, als eben in ihrer letzten Noth. Und Origenes spricht: Eines Heiligen Gebet dringt in den Himmel, wie sollte es denn nicht auch den Feind auf Erden überwinden!
Zum Andern laßt uns betrachten den werthen Schatz, den CHristus an Seinem letzten Ende dem himmlischen Vater befiehlt und vertraut, Seinen Geist oder Seine Seele. Es hat Apollinaris, Bischof von Laodicea in Syrien, gelehrt: CHristus hätte keine Seele gehabt, sondern an Stelle derselben Seine Gottheit gesetzt. Wenn nun dem also wäre, o weh uns armen Menschen! Denn was er nicht angenommen hat, das hat er auch nicht geheilt, sagt Gregor von Nazianz; daher die gefallenen Engel keine Hoffnung der Seligkeit haben, weil der Sohn GOttes nirgend der Engel Natur, sondern den Samen Abrahams an sich genommen. Aber nicht allein im Oelgarten redet CHristus von Seiner Seelen Betrübniß, sondern auch hier übergibt Er dieselbe Seinem Vater zu verwahren, und will sagen: Die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden, der Tod kommt daher und durchdringt mir all meine Glieder. Jetzt wird der Leib bald erbleichen und hernach in die Erde gelegt werden. Aber dessen bin ich auch versichert und weiß es gewiß, daß der Tod meine Seele nicht kann würgen noch vertilgen. Darum will ich sie nun vor meinem Abschied wohl versorgen, sie meinem himmlischen Vater zu treuen Händen befehlen und bei Ihm auf kurze Zeit wie einen edlen Schatz beilegen. In meiner Auferstehung wird er sie mir unversehrt wieder zustellen.
Ambrosius spricht: Sein Geist ist wohl überantwortet, weil derselbe erhalten ward; denn was man einem vertraut, das wird ja nicht verloren; ist deshalb der Geist ein gutes Pfand und eine gute Beilage. Und Theophylact schreibt: CHristus will hiemit zu verstehen geben, Daß Er Seinen Geist wieder fordern wolle; denn ein anvertrautes Gut pflegt man wieder zu sich zu nehmen.
Hier, mein Herz, erweiset der HErr CHristus mit Seinem Exempel, daß die Seelen unsterblich sind. Der Leib ist, wie Moses schreibt, aus einem Erdenkloß formiert und muß auch wieder zur Erde werden, davon er genommen ist. Die Seele aber, den lebendigen Odem, hat ihm GOtt besonders eingeblasen; und weil sie ein geistlich Wesen ist, so bleibt sie auch unsterblich. Davon zeugt der Prediger Salomo, wenn er spricht: Der Staub muß wieder zur Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu GOtt, der ihn gegeben hat. Democrit und Epikur, die heidnischen Weltweisen, haben geschwärmt, wenn der Mensch stürbe, so ginge zugleich Leib und Seele in Staub. Da sei Alles aus und Nichts mehr zu hoffen; daher auch gedachter Epikur sich und Andre zu allerlei Wollust auffrischt:
Friß, sauf und spiel, leb' stets in Saus!
Nach diesem Leben wird Nichts d'raus.
Vor Zeiten war ein ansehnlicher Philosoph. Als derselbe sah, daß er diese Welt gesegnen sollte, ward er sehr betrübt und traurig über seinen Abschied, denn er wußte nicht, was seine Seele nach dem Tode für einen Zustand haben würde. Als er sich nun nicht darin finden konnte, ließ er zween andre gelehrte Männer zu sich fordern und bat, sie sollten doch mit einander vom Zustand der Seele nach ihrem Abscheiden vom Leibe reden und disputieren. Denn, sprach er, ich muß jetzt aus der Welt; deshalb sagt mir doch, was aus mir werden, und ob auch meine Seele leben wird? Wenn ihr mich dessen nicht vergewissert, mit was für Lust und Muth soll ich das Leben lassen? Da fingen die Philosophen an hievon mit einander heftig zu streiten. Einer hielt dafür, die Seele wäre sterblich, der Andre: sie wäre unsterblich. Als sie sich aber nicht vergleichen konnten, sprach der Kranke ganz traurig und betrübt: wohlan, ich muß es erfahren, wer von euch Recht gehabt und starb.
Die Stoiker sagten, daß die Seele, weil sie feuriger Natur sei, noch eine Zeitlang, bisweilen wohl etliche hundert Jahr, wenn sie vom Leibe abgeschieden, übrig bleibe und in der Luft umherschweife, bis sie endlich wie ein Rauch und Lüftlein zergehe und verschwinde. Gleichstimmige Meinung führten die Sadducäer zu Christi Zeiten, die den schönen, hochtröstlichen und wohlgegründeten Glaubensartikel von der Auferstehung der Todten für lauter Fabelwerk hielten und ohne Scheu vorgaben, der Mensch ginge in seinem Absterben mit Leib und Seele unter, welchen Irrthum CHristus widerlegte. Zu St. Pauli Zeiten fanden sich gleichfalls solche epikurische Säue, die da sprachen: laßt uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt. Zur Zeit des römischen Kaisers Philippus soll es in Arabien Leute gegeben haben, die da gelehrt, daß die Seele in dieser Welt zugleich mit dem Leibe sterbe und verwese; aber in der zukünftigen, allgemeinen Auferstehung der Todten solle sie auch mit dem Leibe wieder lebendig werden, welcher Meinung auch Papst Johann der 22. gewesen ist. Ja Aristoxenus ist so weit in die Irre gerathen, daß er dafür hält, es gäbe ganz und gar keine Seele.
Aber daß dieser Leute Meinung falsch sei, beweist nicht allein unser Text, sondern auch sonst die heilige Schrift klar mit Sprüchen und Exempeln. Moses sagt: GOtt habe dem Menschen eingeblasen eine lebendige Seele, wo denn das Leben für ein immerwährendes Leben zu verstehen ist. Der Gerechten Seelen sind in GOttes Hand und keine Qual rühret sie an. Vor den Unverständigen werden sie angesehen, als stürben sie, und ihr Abschied wird für eine Pein gerechnet und ihre Hinfahrt für ein Verderben. Aber sie sind im Frieden. Ob sie wohl vor den Menschen viel Leiden haben, so sind sie doch gewisser Hoffnung, daß sie nimmermehr sterben. Und abermal spricht das Buch der Weisheit: Ein Mensch, so er Jemand tödtet durch seine Bosheit, kann den ausgefahrenen Geist nicht wieder bringen, noch die abgeschiedene Seele wieder holen. Wie sprach der alte Tobias zu seinem Sohn? Wenn GOtt meine Seele von mir nehmen wird, so begrabe meinen Leib. - Du HErr hast meine Seele aus dem Tode gerissen, sagt David. Ja CHristus spricht: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib tödten und die Seele nicht mögen tödten. Was könnte deutlicher hievon gesagt werden?
Schauet an die Exempel! Sagt nicht die Schrift klar von Abraham, Isaac, Jacob und andern Patriarchen, daß sie durch den zeitlichen Tod zu ihren Vätern versammelt sind? anzuzeigen, daß obwohl ihre Leiber ins Ruhebettlein gelegt worden, dennoch ihre Seelen nicht in der Luft zerstoben, sondern zur Gemeinschaft der Auserwählten versammelt sind. Von Rahel der Hausfrau des Patriarchen Jacob, schreibt Moses: es sei ihr die Seele ausgegangen. Ei so muß ja dieselbe nicht zugleich mit dem Leibe auf dem Leichenbettlein geblieben und Todes verblichen sein. Als der Wittfrauen Sohn zu Sarepta verstorben war und ihn der Prophet Elias wieder lebendig machen wollte, that er sein Gebet zu GOtt und sprach: HErr mein GOtt, laß die Seele dieses Kindes wieder zu ihm kommen; und der HErr erhörte seine Stimme und die Seele des Kindes kam wieder zu ihm und es ward lebendig, wie der Text sagt. Nimm vor dich die wunderschöne Historie von der Verklärung Christi. Da erscheinen auf dem Berge Thabor Moses und Elias und halten ihr Gespräch mit dem HErrn von dem Ausgang, welchen Er sollte erfüllen zu Jerusalem. Nun steht aber fest, daß Moses gestorben und von GOtt selber begraben sei. Und dennoch läßt er sich da auf dem Berge neben Elia sehen und mit deutlicher Stimme im Gespräch hören. Darum muß ja seine Seele unsterblich gewesen sein. Als der HErr JEsus des Capernaitischen Schulrectors Töchterlein von den Todten auferweckte, da kam ihr Geist wieder, sagt der Evangelist. Hörte nicht jener reiche Fuhrwerksmann des Nachts eine Stimme, die zu ihm sprach: Heute wird man deine Seele von dir fordern. Was soll ich sagen von dem bekehrten Schächer? Zu ihm sprach der HErr: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein. St. Johannes schreibt: Ich sahe unter dem Altar die Seelen derer, die erwürgt waren um des Wortes GOttes willen und um des Zeugnisses willen, das sie hatten. Und sie schrieen mit großer Stimme und sprachen: HErr, Du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest Du und rächest nicht unser Blut an denen, die auf Erden wohnen? Dessen tröste dich, du christlich Herz. Würgt gleich der Tod deinen Leib, so muß er dir doch das edelste und beste Theil, nämlich die Seele, unangetastet lassen. Die lebt ewiglich.
Zum Dritten und Letzten laßt uns betrachten das sichre Behältniß oder den Ort, dahin Christi Seele nach Seinem Absterben kommen ist, nämlich in die Hand GOttes; da Er spricht: Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist, als wollte Er sagen: o mein herzallerliebster Vater, weil jetzt meine Seele von meinem Leibe abscheiden wird, so weiß ich sie mir nirgends sichrer und besser zu bewahren als eben in Deiner allmächtigen Hand. Bei Dir wird sie mir unverloren sein. Hier möchte ein einfältig Herz denken: Ist denn Gott nicht ein Geist, der weder Fleisch noch Bein, weder Augen noch Ohren, weder Hände noch Füße hat? Wie kann denn CHristus Seine Seele in die Hand GOttes befehlen? Ja freilich ist GOtt ein Geist, der solche Gliedmaßen nicht hat, wie wir; sie werden Ihm aber geistlich zugeschrieben nach menschlicher Art; und wird durch die Hand GOttes verstanden Seine göttliche Kraft und Allmacht, Sein starker Schutz und Schirm, den die Seelen der Auserwählten von Ihm haben, darin sie so fest und wohl verwahrt sind, daß sie auch kein Teufel daraus reißen oder ihnen da die geringste Qual und Gefahr beibringen kann.
Wohlauf denn, gläubige Seele, hier hast du einen solchen Trost, der mit keinem Golde und mit keinen Weltschätzen zu bezahlen ist. Zwar hast du in allen Worten Christi dein traurig Herz erquicken können; denn tröstlich ists, daß CHristus für Seine ärgsten Feinde am Kreuz gebeten; daß Er für Seine liebe Mutter so treulich gesorgt; daß Er dem großen Sünder, dem Schächer, Paradies versprochen; daß Er deinet- und meinetwegen ein kleines von GOtt verlassen gewesen, auf daß wir in keiner Noth dürfen verlassen stehen. Tröstlich ists, daß Ihn nach deiner Seligkeit gebürstet, daß Er auch Alles vollbracht, was zu deinem ewigen Heil dienet. Aber wer will den Trost ausreden, daß dir hier der HErr den Ort namhaft macht, dahin deine Seele nach dem Tode kommen soll und da du sie am jüngsten Tage in der fröhlichen Auferstehung wieder antreffen wirst?
Wie viele wunderseltsame Meinungen hat man hievon vor Zeiten erdacht und auf die Bahn gebracht! Pythagoras hat samt seinem Anhang vorgegeben, die Seele fahre aus einem Leibe in den andern, auch in die unvernünftigen Thiere; daher sie sich des Fleischessens ganz enthalten, aus Besorgniß, sie möchten Etwas von ihren Großeltern essen; wie er denn selbst in dem Wahn gestanden, seine Seele sei zuvor im Körper des Pyrrhus gewesen. - Solche Meinung hat auch der König Herodes geführt, der dafür gehalten, Elia des Thisbiten Seele sei in den Leib Johannis des Täufers und Johannis Seele in Christi Leib gefahren. Desgleichen ließ sich der abtrünnige Mameluck Julian träumen, die Seele des macedonischen Königs Alexander des Großen wäre in seinen Leib gefahren. So haben auch etliche Heiden phantasiert, die Seele des Ajax sei in einen Löwen, Agamemnons in einen Adler, des Julius Cäsar in einen Kometen, des Thersites in einen Affen gewandert.
Die Platoniker gaben vor, daß hoher, vortrefflicher und gelehrter Leute Seelen über sich in die Höhe führen; welche aber geringen Standes und Verstandes wären, derer Seelen blieben hienieden auf Erden und ließen sich um die Todtengräber sehen. Etliche jüdische Rabbinen schreiben, es solle die Seele Nabots, den Ahab seines Weinbergs halber tödten ließ, der Geist gewesen sein, der sich erboten, den König durch seine Propheten zu betrügen und sich also an ihm zu rächen. Die Heiden haben auch viel gedichtet von den elysäischen Feldern, wie daselbst als auf einer lustigen, grünen Aue die Seelen tapferer Leute in allerlei Freud' und Wonne lebten; daher auch Socrates den Giftbecher ganz beherzt aus der Hand des Henkers getrunken und sich gefreut hat, daß er durch dies Mittel aus dem betrübten Leben befördert würde zu dem Haufen glückseliger, gerechter und weiser Männer, als des Musaeus, Hesiod, Homer, Palamedes und Anderer, die da wegen ihrer Kunst und Tugend ein unsterbliches Lob erlangt und nachgelassen haben. Welch Verlangen hatte hienach der tapfre Redner, der Römer Cicero! O des herrlichen Tages, sprach er, an dem ich zu der Schar und Gesellschaft der Seelen reisen und aus dieser Trübsal und Unruhe wandern werde! Einige haben gemeint, daß die Seelen derer, welche sich selbst ums Leben gebracht, so lange in der Irre umhergehen müssen, als sie sonst zu Leben gehabt hätten, wenn sie nicht Hand an sich gelegt. - Die Domitianer hielten dafür, daß die Seelen nach ihrem Abschied aus dem Leibe in einen tiefen Schlaf sänken und darin liegen blieben bis an den jüngsten Tag. Die Päpstler haben lange Zeit und Jahr die Welt betrogen mit ihrer Vorburg der Hölle, und gelehrt: wenn die Seele vom Leibe abscheide, so komme sie zuvor ins Fegefeuer. Da müsse sie ihre Sünde vollkömmlich büßen, und bezahlen was sie hier versäumt. Und wer kann alle irrigen Meinungen erzählen?
Wo kommt denn aber die Seele hin, wenn sie vom Leibe scheidet? Das lehrt dich hier CHristus, wenn Er spricht: In deine Hände, o Vater, befehl ich meinen Geist. O wie wohl und reichlich ist da deine Seele versorgt! o wie fest ist sie verwahrt! - Mein heimlicher oder öffentlicher Feind, kein Ketzer noch Tyrann, ja kein Teufel kann und darf sie beschädigen; kein Unglück kann sie treffen und kein Tod anfallen. Wie schön sagt der HErr Christus: Niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen. Der Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer denn alles, und Niemand kann sie aus meines Vaters Hand reißen. Ich und der Vater sind Eins. - Ach was betrübst du dich, da du in einen so freudenreichen, sichern und herrlichen Ort kommen wirst, in die Hand GOttes? Du wirst verfaßt in das Bündlein der Lebendigen bei dem HErrn. Du wirst getragen in Abrahams Schoß und versetzt ins Paradies. Dort hast du Freude die Fülle und liebliches Wesen zur Rechten GOttes immer und ewiglich. Sprich demnach an deinem letzten Ende mit David: In Deine Hände befehl ich meinen Geist. Du hast mich erlöset, HErr Du treuer GOtt. Seufze mit Stephanus: HErr JEsu, nimm meinen Geist auf! und mit der christlichen Kirche:
HErr meinen Geist befehl ich Dir,
Mein Gott, mein GOtt, weich nicht von mir,
Nimm ihn in Deine Hände.
O treuer GOtt, In aller Noth
Hilf mir am letzten Ende.
Scheiden die lieben Deinigen von dannen und werden dir durch den zeitlichen Tod entzogen, so tröste dich; sie sind nicht verloren. Ihre Seele ist in GOttes Hand, in ewiger Freud' und Wonne.
Sagte doch der gelehrte Heide Plato: der Abschied aus diesem Leben ist eine Veränderung des Bösen in Gutes. Vielmehr kannst du getrost sein, sintemal du nicht aus der Philosophie, sondern aus GOttes unfehlbarem Wort gewiß bist des seligen Lebens, das die Deinen durch einen seligen Tod erlangt haben. Ihre Traurigkeit ist in Freude verkehret und zwar in solche Freude, die Niemand von ihnen nehmen wird. Ihre Gottesfurcht wird ihnen belohnt, ihres Leides werden sie ergötzt. Sie sitzen in den Hütten des Friedens. Von den gottlosen Seelen aber heißts: Sie fielen zu Grunde wie Steine. Sie liegen in der Hölle wie Schafe und der Tod naget sie. - Ihr Wurm stirbt nicht und ihr Feuer verlöscht nicht. Darum laßt uns seufzen mit dem frommen Bischof Dionysius:
HErr JEsu CHrist, Dein letztes Wort,
So Du gered't am Schädelort,
Das sei das letzt' an meinem End',
Wenn sich mein' Seel vom Leib abwend't.
Und wenn ich nicht mehr reden kann,
So nimm mein letztes Seufzen an.
Amen.