Hauser, Markus - Blicke in die Ewigkeit - 17
In allen seinen Mühsalen und Leiden hat der geliebte Bruder Paulus sich immer wieder der Auferstehung und der Herrlichkeit getröstet. Er schreibt: „Darum lassen wir uns nicht entmutigen; sondern wenn auch unser äußerer Mensch zugrunde geht, so wird doch der innere Tag für Tag erneuert. Denn unsere Bedrängnis, die schnell vorübergehend und leicht ist, verschafft uns eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, da wir nicht auf das Sichtbare sehen, sondern auf das Unsichtbare; denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig“ (2. Kor. 4, 16-18). Dann fährt er im fünften Kapitel fort: „Denn wir wissen, dass, wenn unser irdisches Haus, die Hütte, abgebrochen sein wird, wir ein Gebäude von Gott haben, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, ein ewiges in den Himmeln.“ In der Gemeinschaft Christi wird der innere Mensch von Tag zu Tag erneuert; wird dann der äußere Leib, die zerbrechliche Hütte abgelegt, so ist der innere Mensch vom Geist, von der Kraft und vom Licht des Herrn so erfüllt, dass er beim Eintritt in die Ewigkeit nun auch seiner äußeren Erscheinung nach licht und hell dasteht. Durch den Umgang mit dem Herrn ist bei Mose schon hier die innere Klarheit so durchgebrochen, dass die Haut seines Angesichts glänzte, wie man denn auch die Ruhe, den Frieden und die Lichtherrlichkeit der mit Gott verbundenen Seele bei geheiligten Christen deutlich durchscheinen sieht. Wie vollständig und stark, die ganze Person verklärend, wird nach Ablegung der Hülle die Geistesherrlichkeit hervorbrechen! Die Hindernisse, die grobmateriellen Stoffe sind abgelegt; ungehemmt kann nun die Geistesflamme auch nach außen dringen, kann der äußeren Erscheinung, der ganzen Gestalt das Bild der Seele aufdrücken. Sehr wahrscheinlich nehmen alle Menschen die feinen inneren Stoffe des Körpers mit hinüber in die Ewigkeit, so dass die Seele im Jenseits mit einer dünnen Leiblichkeit umgeben ist. Diese zarten Leibesteile gehören zum inneren Menschen und bilden die stoffliche Grundlage für den neuen Leib. Samuel erschien dem Saul in eben der Gestalt, die er auf Erden hatte. Wir fehlen nicht, wenn wir uns die Hinübergegangenen gerade so denken, wie wir sie hier zu sehen gewohnt waren. Die Seele durchwohnt und belebt den ganzen Leib, und wie sie demselben ihr Bild aufdrückt, so trägt die dessen Gestalt. Aber ohne stoffliche Hülle können wir uns die Seele gar nicht denken. In vollkommener Menschengestalt zu erscheinen, wäre von vornherein unmöglich. Diese ätherischen Stoffe sind aber so zart, dünn und fein, dass der innewohnende Geist sie völlig durchdringt und sein Wesen, seine Art und Natur der äußeren Hülle aufprägt. Das Resultat unserer Gesinnung und unseres Wandels auf Erden kann durchaus nicht verheimlicht werden, es wird offen dargelegt schon durch unsere äußere Erscheinung. Lichtskinder leuchten, ihre geheiligte Seele übergießt die feinen leiblichen Stoffe, durchströmt ihre Gestalt mit der ihr eigenen, aus Jesu Fülle gewonnenen Lichtsnatur. Im Herrn entschlafene dürfen wir uns gerade so denken; wie wir sie hier zu sehen gewohnt waren; aber wir müssen dazunehmen, dass sie nun leuchten und eine ähnliche Klarheit von sich ausstrahlen wie Jesus auf dem Berg der Verklärung. Eben dieser Auferstehungskeim befähigt sie auch, Seligkeit zu genießen und im Himmel zu sein, obwohl sie ja den Lichtleib noch nicht haben. In diesem Leben hat sich Christus in ihnen verherrlichen können, darum ist ihr Auferstehungs-keim vom Licht durchflossen, und sie haben darin eine sichtbare, wundervolle, sie ganz befriedigende Grundlage ihrer zukünftigen Leiblichkeit.
Bei ungeheiligten Menschen, die hier die Wahrheit mehr wie einen Schatten, statt als eine Realität innehatten, kann jenseits des Grabes kein Geisteslicht hervorbrechen; ihre Gestalt erscheint deshalb nicht heller als im Erdenleben. Je dunkler es in einer Seele aussieht, desto dunkler ist auch ihre Hülle; das Innerste des Menschen, sein Wesen, seine wahre Gesinnung prägt sich nun weit stärker als im Erdenleben in seiner äußeren Erscheinung, in seiner zarten, leibartigen Hülle aus. Die Hütte entspricht da völlig dem Behütteten, denn sie ist ein Teil desselben, und er hat sein Wesen in ihr ausgestaltet.
Feinde Christi wandeln in der Finsternis, und die Finsternis ist in ihnen; darum wird dort die Finsternis aus ihnen hervorbrechen, und sie werden als Finsterlinge in finsterer Nachtgestalt dastehen. Die Leidenschaften und Begierden, die zahllosen Sünden alle, geben dem Menschen eine hässliche, schwarze Gestalt. Wer die Finsternis liebt und den Heiligen Geist hasst, der hüllt sich ein in grauenvolle Nacht. Die Seele drückt dem inneren Leib ihr Bild ganz getreu auf. Diese schwarzen Gestalten mit ihrem finsteren Auferstehungskeim haben eine schreckliche Aussicht auf den Tag, da Gottes starke Posaune alle Leiber zur Auferstehung ruft.
Hiermit wollte ich dir, mein Lieber, meine Gedanken aussprechen über den Zustand der Abgeschiedenen vor ihrer Auferstehung. Was im Menschen ist, das kann und wird sich dort völlig ausprägen in seiner äußeren Gestalt. Mit unserer Gesinnung und mit unserem Wandel legen wir den Grund zu unserer zukünftigen Lichtheit oder Finsternis, und damit ist denn auch der Grund zur zukünftigen Freude oder Pein, Seligkeit oder Unseligkeit gelegt. Die feine, ätherische Hülle, welche alle Menschen mit hinübernehmen, ist ein Extrakt und Auszug des Leibes; dieser Auszug ist seelisch-leiblich und so durchgeistet, dass er von unserem Ich unzertrennbar ist. Hinübergegangene können wir uns ohne ihn gar nicht vorstellen, und sie wären überhaupt gar nicht erkennbar. Unser Leib ist Erde und kehrt wieder zum Staub zurück, aber es bleibt ihm ein Auferstehungskeim; diesen nimmt die Seele mit hinüber und bleibt eben durch dieses Band mit dem Leib bis zu seiner Auferstehung in gewisser Verbindung. Die Erde selbst, weil durch der Menschen Sünde verderbt, fällt, wie der Leib, ebenfalls der Zerstörung anheim; aber auch ihr selbst bleibt ein Auferstehungskeim, aus dem Gott die neue Erde bilden wird. Dann werden alle zur Seligkeit und Verklärung fähigen Körper gereinigt, geläutert, himmlisch, und somit wieder hergestellt, zur ursprünglichen Bestimmung zurückgeführt sein. Dass Jesus einen irdisch-menschlichen und hernach ins Himmlische verklärten Leib hat, und dass Er uns eine Heimat geoffenbart hat, die von denselben Grundstoffen gemacht ist, zeigt uns, wie wir über diese Dinge zu denken haben.
Hochwichtig ist unser gegenwärtiges Leben; es ist eine Saat auf die Zukunft, und die Ernte wird der Saat entsprechen. Die das Wissen und den Glauben haben, die müssen auch nachdenken über das, was sie wissen und was sie glauben. Es kann und muss von ihnen verlangt werden, dass sie ihr Leben und Sterben danach einrichten. Blicke in die Ewigkeit sollen uns veranlassen, mit David zu bitten: „Erforsche mich, o Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich es meine; und sieh, ob ich auf bösem Weg bin, und leite mich auf dem ewigen Weg!“ (Ps. 139, 23.24). Jesus ist unser Herr und Heiland geworden, damit Er alles Zerstörte wieder zurechtbringe. Er hat durch seinen Tod und durch seine Auferstehung den Tod getötet. Er ist das wahre, uns nahegetretene Leben. Er gibt der vergänglichen, durch Sünde zerrütteten Welt das Leben. Das nun ist das Nächste für uns, dass wir mit dem Überwinder des Todes, mit dem Fürsten des Lebens, in Glaubens- und Lebensverbindung treten. Er will und muss unseres Lebens Leben sein. Und lebt Er in uns, so leben wir in Ihm, und wir werden dann, am Ufer der Ewigkeit angekommen, ins Leben eingehen.
Da Christus unsere Hoffnung ist, so dürfen wir die Sünde nicht herrschen lassen in unserem sterblichen Leib. Die Augen, die Ohren, die Zunge, die Hände, die Füße, alle Glieder ohne Ausnahme müssen von dem Sündendienst völlig frei werden. „Heilig dem Herrn,“ soll unser Leib hienieden sein. Die selige Erlösung muss geglaubt, erkannt und realisiert werden. Sie muss Geist, Seele und Leib, sie muss den ganzen Menschen durchdringen und ins göttliche Bild zurückführen. Ein lebendiger Tempel des dreieinigen Gottes zu sein, das ist des Erlösten selige Bestimmung.
Die Erkenntnis der Wahrheit sind ein mächtiger Trost in den Leiden, Nöten, Kämpfen und in den mannigfaltigen Unvollkommenheiten des jetzigen Lebens. Wir blicken hinaus auf das Unsichtbare und Ewige, auf das Wesenhafte und Vollkommene. Und da uns Gott das Unterpfand, den Geist, gegeben hat, so tragen wir ein Verlangen nach dem himmlischen Erbe. Ein Heimweh beseelt uns, Jesus zu sehen, wie Er ist, ein Heimweg, Ihm, unserem Haupte, gleichgestaltet zu sein.
Und dies ist uns ein mächtiger Trieb, aus dem auferstandenen Herrn ohne Unterlass Auferstehungskräfte anzuziehen. Wenn wir mit den Gliedern Christi um seinen Tisch versammelt sind und da die Worte vernehmen: „Das ist mein Leib; das ist mein Blut,“ so wissen und glauben wir´s, dass der Auferstandene sich selbst uns schenkt. „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm; wer dieses Brot isst, der wird leben in Ewigkeit,“ hat Er gesagt (Joh. 6, 56.58). Mit Ihm in beständiger Gemeinschaft zu sein und zu bleiben, das ist die kräftige Wirkung der lebendigen Hoffnung. Und Er, der Allmächtige, wird auch in uns sein Werk vollenden. Gelobt sei Er!
Du wirst mich verstehen, mein Teurer, wenn ich in diesen Briefen immer und immer wieder auf den Zusammenhang des gegenwärtigen und zukünftigen Lebens zu sprechen komme. Die Sache ist ernst und hochwichtig. Wir sind berufen, heilig zu sein, weil Gott heilig ist. Wenn wir an Seligkeit im Jenseits denken, so wissen wir, dass Seligkeit mit Gott unzertrennbar verbunden ist. Wer Hoffnung hat, selig zu werden, der hat Hoffnung, zu Gott zu kommen. Nur wo Gott ist, da ist Seligkeit. Wer Gott nicht liebt, der sieht die Seligkeit; wer Gott liebt, der ist selig, denn er steht mit Gott in Verbindung. Wir müssen nun aber die Gesinnung Gottes haben, wenn wir zu Ihm gehen und seine Seligkeit genießen wollen. Wer die Sünde liebt, der liebt den Tod, den erbärmlichen Zustand, im dem der Mensch nur im Irdischen und im Sinnlichen sich bewegt. Für alles wahrhafte Leben ist er tot. Es haftet nicht in ihm, er erquickt, belebt und erfreut ihn nicht. Die Weltluft bindet den Menschen an die Scholle. Der Genuss der Sünde macht seine Seele finster, und diese Finsternis wird nach und nach zur greifbaren Nacht. Es ist nun nicht nur finster in der Seele, sondern die Seele selbst ist wie eine verkörperte Nacht. Namentlich die Magensünden und die geschlechtlichen Sünden vertieren den Menschen. Der Fürst der Finsternis ist sehr tätig, in diese Pfützen hineinzutreiben; hier kann er die Knechte der Sünde zugrunde richten. Grauenerregend ist ihre innere, wahre Gestalt! Wer mit ihnen im Umgang stehen muss, der erkennt es wohl, dass durch die Sünde der ganze Mensch nach Leib und Seele und Geist verderbt wird. Wie grobstofflich aber erscheinen sie jenseits des Grabes! Da sie der Welt nicht abgestorben sind, da sie äußerst innig mit ihr verknüpft ihre hinfälligen Güter in sich aufgenommen haben, so ist nun die Finsternis, die Schwere und die Kälte der Erde Eigentum ihres Wesens und Art ihrer Seele geworden. Alles Lüste und Begierden wirken zerstörend auf den inneren Menschen. Er verliert seine Lichtheit, er wird Fleisch. Und der Sinn des Fleisches ist Feindschaft wider Gott. Welch eine folgenschwere Feindschaft! Alle edleren Kräfte und Anlagen der Seele werden verdorben, der Auferstehungskeim verliert das Vermögen zur Erquickung eines reinen, lichten Geistleibes. Jeder Leib ist ein Saatkorn des zukünftigen Lebens. Wer nun in der Finsternis lebt und immer mehr verfinstert wird, der legt damit den Grund zu einem völlig finsteren Dasein, er wird auferstehen in Finsternis. Sein Leibeskeim wickelt das aus, was hier in denselben eingewickelt worden ist. Er ist ein Leib der Unehre, der Schmach und der Schande. Solche Menschen haben dann kein Organ mehr, mit dem sie Seligkeit genießen könnten. Die reine, lichtvolle, geistleibliche Gotteswelt bedingt ein Organ, das rein, lichtvoll und geistleiblich, das völlig verklärt ist. Die unreine Seele mit ihrer grobstofflichen Hülle ist die Grundlage des Gräuelleibes. Darum sollen wir die Sünde fliehen als ein verderbenbringendes, unheilvolles Gift.
Wer reines Herzens ist, wer im Lichte wandelt, wer aus Gott geboren ist, der zieht fort und fort Gottes Natur und Wesen in sich hinein. Dadurch erlangt er einen herrlichen Auferstehungskeim. Sein inneres Wesen wird mehr und mehr in den Geist erhöht, und dadurch ist die Grundlage zur Geistleiblichkeit gelegt. Kinder Gottes tun wohl daran, alles das zu hassen, was Gott hasst; was seinem Wesen zuwider ist, das muss uns auch zuwider sein. Wer mit Gott wandelt, der wird Gott ähnlich. Durch die Kraft des Herrn kann sein Auferstehungskeim zu einer wunderbaren Geistleiblichkeit sich entfalten. Der neue Leib der Glieder Christi wird seinem verklärten Leib ähnlich sein. Da nun unsere dereinstige Auferstehung zusammenhängt mit unserer inneren Leiblichkeit, die unzertrennbar mit der Seele verbunden ist, und die wir also mit hinüberbringen, und da diese Seelenhülle zusammenhängt mit unserer Gesinnung, mit dem geistigen Zustand der Seele, so hängt ganz gewiss unser zukünftiges Glück oder Unglück von unserer jetzigen Stellung zu Gott und dem uns von Jesus dargebotenen Heile ab.