Harms, Ludwig - Der Hebräerbrief - Das 3. Capitel.

Harms, Ludwig - Der Hebräerbrief - Das 3. Capitel.

Vers 1-4

Derhalben, ihr heilige Brüder, die ihr mit berufen seid, durch den himmlischen Beruf, nehmet wahr des Apostels und Hohenpriesters, den wir bekennen, Christi Jesu; der da treu ist dem, der Ihn gemacht hat (wie auch Moses) in Seinem ganzen Hause. Dieser aber ist größerer Ehre Werth, denn Moses, nachdem der eine größere Ehre am Hause hat, der es bereitet, denn das Haus. Denn ein jegliches Haus wird von jemand bereitet; der aber alles bereitet, das ist Gott.

Nachdem der heilige Apostel in dem Vorigen gezeigt hat, daß wir in Christo Jesu, unsern HErrn, den wahren Hohenpriester haben, den rechten Mittler zwischen Gott und Menschen, weil Er wahrer Gott und wahrer Mensch ist; der zwar von Ewigkeit her als wahrer Gott im Himmel gewesen und darnach, als die Zeit erfüllet war, auf die Erde gekommen ist, um als der Gottmensch die Menschen mit Gott zu versöhnen, so zeigt er nun, daß Alles darauf ankommt, daß wir diesen Hohenpriester als unsern Hohenpriester annehmen. Denn ist Er der einzige rechte Hohepriester, so können nur die selig werden, die Ihn annehmen, und die Ihn nicht annehmen, müssen verloren gehen. Darum sagt er: Derhalben, ihr heiligen Brüder, die ihr mit berufen seid durch den himmlischen Beruf, nehmet wahr des Apostels und Hohenpriesters, den wir bekennen, Christi Jesu.

Der Apostel nennt die Christen heilige Brüder. Das ist ein hoher Ehrenname, den er den Christen ertheilt, aber auch leider ein Name, der von den wenigsten bedacht wird. Warum nennt er die Christen Brüder? Aus dem Grunde, weil sie allzusammen wiedergeboren sind durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung im heiligen Geist und dadurch Kinder Gottes worden sind. Sind sie aber durch die heilige Taufe Kinder Gottes geworden, so sind sie untereinander Brüder und Schwestern. Wenn ich nun vorhin sagte: Das ist ein schöner Name, aber wie Wenige verdienen ihn, so fragt euch selbst, wenn ihr Brüder und Schwestern untereinander seid, benehmt ihr euch auch als Brüder und Schwestern? Sieht man in's Leben, so findet man, der Eine verachtet den Andern. Der Reiche verachtet den Armen, der Vornehme verachtet den Geringen, der Gelehrte verachtet den Ungelehrten, der Hauswirth verachtet den Häusling, die Herrschaften verachten die Dienstboten. Ist das Recht, sollen sie nicht als Brüder und Schwestern miteinander leben? Und das ist nicht das Einzige, ich finde Zank und Streit, Beißen und Fressen unter euch, ihr beneidet und hasset euch, ihr schimpft und prügelt euch, ihr stehet miteinander vor Gericht; leben so Brüder und Schwestern? O meine Lieben, was wird einst für ein Urtheil gefällt werden, wenn diejenigen vor Gottes Richterstuhl treten, die hier Brüder und Schwestern hießen und doch so schändlich gelebt haben. Dazu werden die Christen nicht bloß Brüder, sondern heilige Brüder genannt; und das ist auch recht, denn alle sind rein gewaschen mit dem Blute Christi und haben Vergebung der Sünden empfangen. Die ihr z. B. eure Sünden in der Beichte bekennt und in der Absolution euch vergeben laßt, seid ihr denn nicht heilig? Wo Sünde ist, da ist Unheiligkeit; wo aber Vergebung der Sünden ist, da ist Heiligkeit. Wenn man nun das Leben derer ansieht, die Vergebung empfangen haben, so kann man es nicht begreifen, wie das Heilige sein können. Den Einen findet man hinter dem Kartentisch, den Zweiten auf dem Tanzboden, den Dritten im Hurenbett rc. Sind das die Heiligen? O, wie wird doch der Name „heilige Brüder“ von den Christen geschändet! Durch einen himmlischen Beruf sind wir berufen zur Heiligkeit. Gott selbst vom Himmel her hat uns berufen. Hat Er nicht gesagt: Wer zu Mir kommt, den will Ich nicht hinausstoßen; Es ist Alles bereit, kommt zur Hochzeit; Kommt her zu Mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken? Durch diesen Beruf sind alle Christen berufen. Aber nicht bloß deßhalb heißt er ein himmlischer Beruf, weil er vom Himmel kommt, sondern auch weil er zum Himmel führt. Gott hat uns vom Himmel aus berufen, daß wir in den Himmel kommen sollen. Darum nehmet nun wahr des Apostels und Hohenpriesters, den wir bekennen, Christi Jesu. Wollen wir also selig werden, so müssen wir Christus wahrnehmen, d. h. unsere Seligkeit auf Christum allein bauen. Wollt ihr selig werden, durch Jesum müßt ihr selig werden; einen andern Weg giebt es nicht. Dieser Jesus wird genannt ein Apostel. Wir sind gewohnt, Petrus, Johannes, Jakobus Apostel zu nennen, hier wird Jesus mit demselben Namen bezeichnet. Daraus sehet, Jesus ist der Apostel Gottes des Vaters, und Petrus, Johannes rc. sind Apostel Jesu Christi. Ein Apostel ist ein Gesandter. Gott der Vater hat Jesum gesandt, darum ist Er ein Apostel Gottes des Vaters; Petrum, Johannem hat Jesus gesandt, also sind sie Apostel Jesu Christi.

Aber der Vater hat Ihn auch gesetzt zum Hohenpriester. Ebensowenig wie Jesus aus Seinem eigenen Ruhm Apostel geworden ist, ebensowenig ist Er Hoherpriester geworden aus Seinem eigenen Ruhm; denn es steht geschrieben: Du bist ein Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks. Und dieses Apostels und Hohenpriesters sollen wir wahrnehmen, wenn wir selig werden wollen. Daran erkennst du die Christen, sie bekennen Jesum, und zwar den Jesum, der wahrer Gott und wahrer Mensch ist in Einer Person. Wo das nicht mehr bekannt wird, da hat das Christenthum aufgehört; wo das aber bekannt wird, da ist das Christenthum noch. Bei diesem Jesu müssen wir bleiben, müssen Ihn festhalten im Leben und im Sterben, denn außer Ihm giebt es Keinen, der selig machen kann. Und Er ist ein treuer Apostel und Hoherpriester, denn Er ist treu dem, der Ihn gemacht hat, wie auch Moses, in Seinem ganzen Hause. Gott der Vater hat Ihn gesandt, Seinem himmlischen Vater ist Er unverbrüchlich treu gewesen in allen Stücken, so treu, daß es an nichts gefehlt hat; und meine Lieben, da treu zu sein, das war keine Kleinigkeit. Wenn man das bedenkt, was Jesus gelitten hat, was Er, als unser Stellvertreter, sich hat gefallen lassen müssen, da steht einem der Verstand still und man fragt: Wie war das möglich? Da steht der Sohn Gottes vor Seinem Vater in Gethsemane, und der Vater fängt an Ihn zu richten und zu verdammen. Der Sohn hat nie eine Sünde gethan, Er ist der Liebling des Vaters und hat nie von Seinem Vater ein anderes Wort gehört als Liebesworte; und nun auf einmal fängt der Vater an zu reden mit dem Sohn, als ob Er ein Löwe und Tiger geworden wäre, spricht einen Fluch nach dem andern über Ihn aus, verflucht Ihn als Götzendiener, Sabbathschänder, Mörder, Ehebrecher, Dieb, Lügner; ist das nicht ganz schrecklich? So verflucht der Vater den Sohn wegen der Sünden der Menschen, es ist als ob Er mit Füßen auf Jesum herumtritt; der Sohn krümmt sich wie ein Wurm im Staube und schreiet die ganze Nacht: Vater, Vater, ist es nicht möglich, daß Du aufhörest! Und doch bleibt Er treu, doch murrt Er nicht. Wiederum hängt der Sohn am Kreuze, Sein Blut ist vergossen, Satan triumphirt und auf einmal schreiet der Sohn: Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen! Die Sonne wird finster, der Vorhang im Tempel zerreißt und die Gräber thun sich auf. Mußte da nicht die schrecklichste Qual der Verdammniß auf Ihm ruhen? Nur die Verdammten sind von Gott verlassen. Und doch wird Er nicht irre, Er bleibt treu in Seinem ganzen Hause. O Christ, bedenke es, das hat Er Alles für dich gethan. Hätte Er das nicht für dich gethan, so säßest du hier nicht in der Kirche, so könntest du hernach nicht die heilige Absolution empfangen, dann gebe es für dich keine Seligkeit. Der Apostel hat vorhin gesagt: Gleichwie auch Moses; und setzt nun hinzu: Wenn wir die Treue Moses mit der des Sohnes Gottes vergleichen, so erzieht sich ein großer Unterschied. Dieser ist größerer Ehre werth denn Moses, nach dem der eine größere Ehre am Hause hat, der es bereitet, denn das Haus; denn ein jegliches Haus wird von Jemand bereitet; der aber Alles bereitet, das ist Gott. Er will sagen, zwischen Jesus und Moses bleibt der Unterschied als zwischen dem, der das Haus bereitet hat und dem Hause. Der das Haus bereitet, das ist der Baumeister, und das Haus, das bereitet ist, ist eben das Werk seiner Hand. Moses ist also ein Geschöpf, Jesus ist der Schöpfer. Wie also ein Unterschied ist zwischen Baumeister und Haus, zwischen Geschöpf und Schöpfer, zwischen Gott und Menschen, solch ein Unterschied ist auch zwischen Jesus und Moses. Wenn der Baumeister treu ist, so ist das ein ander Ding, als wenn das Haus treu ist. Jesus war Niemand etwas schuldig, Er ist freiwillig treu gewesen; Moses war ein Knecht und ist deßhalb seine Treue Gott schuldig. Darum ist Jesus größer als Moses, darum kann Er mit Moses auch eigentlich gar nicht verglichen werden. Sehet das ist euer Gott und Heiland, dessen Gnade ihr theilhaftig werden sollt, der ist es, der euch jetzt absolviren will, durch den seid ihr zur Seligkeit berufen. Darum nehmet wahr des Apostels und Hohenpriesters Jesum, den wir bekennen, daß ihr auch der himmlischen Seligkeit theilhaftig werdet. Amen.

Vers 5-6.

Und Moses zwar war treu in seinem ganzen Hause, als ein Knecht, zum Zeugniß deß, das gesagt sollte werden; Christus aber, als ein Sohn über Sein Haus; welches Haus sind wir, so mir anders das Vertrauen und den Ruhm der Hoffnung bis an das Ende fest behalten.

Der heilige Apostel Paulus hat im Vorigen angefangen Christus und Moses miteinander zu vergleichen, und hat da zuerst den großen Unterschied zwischen beiden gezeigt, nämlich, daß der erste der Schöpfer und der andere ein Geschöpf sei. Christus ist der Schöpfer, Moses ist das Geschöpf, von Christo erschaffen. Nun wird weiter gesagt in diesem Vergleiche: Und Moses zwar war treu in seinem ganzen Hause als ein Knecht, zum Zeugniß deß, das gesagt sollte werden. Da wird beiden, sowohl Moses als Christus die Treue zugeschrieben; aber die Treue Moses ist die Treue eines Knechtes, und die Treue Jesu ist die Treue des Hausherrn selber. Moses ist treu gewesen als Knecht, das Haus, welches er verwalten sollte, war die jüdische Kirche; aber über diese jüdische Kirche war Moses nicht als Herr, sondern nur als Knecht gesetzt; in diesem Knechtsdienst ist er treu gewesen vom Anfang bis zum Ende. Wenn man die Geschichte Moses im alten Testamente durchliest, und zwar recht andächtig und aufmerksam, so ist es eine unbeschreibliche, nie nachlassende Treue im Großen und im Kleinen, die einem da entgegentritt. Wenn wir bedenken, daß Moses der Geplagteste unter allen Menschen gewesen ist und doch hat es nie bei ihm an der Treue gefehlt, so müssen wir sagen: Es ist unter den Menschenkindern seines Gleichen nicht. Die allergrößesten Wohlthaten verdankte das Volk ihm; es versteht sich von selbst, daß Gott dieselben gab, aber Moses war doch der Vermittler. Hat er das Volk nicht mit unendlicher Treue in den zehn Plagen geschützt? Wie hat Pharao ihn gequält, wie oft hat er sein Wort gebrochen, Moses ist immer treu geblieben. Immer ging er von Neuem zu Pharao, wenn Gott es befahl, nie sagte er zu Gott: Das nützt doch nichts. Und ob Pharao mit den Zähnen knirschte, ob er ihn mit dem Tode bedrohte, ob er sagte: Du sollst mein Angesicht nicht wieder sehen, - dennoch ging Moses wieder zu ihm, wenn Gott es verlangte. Wenn man sieht, wie in unfern Tagen Diener Gottes durch die albernsten Lumpereien sich von ihrem Amte wegtreiben lassen, dann muß man staunen über Moses Treue und der Diener Christi Untreue. Wenn es vor der Vernunft auch noch so wunderlich aussahe, was Gott ihm sagte, gleich war Moses der gehorsame Knecht. Wenn Gott sagte: Schlag an den Fels, das Wasser herauskomme, - ja dann sahen seine Augen wohl den harten Fels, aber sein Glaube sah schon das Wasser, welches herauskommen sollte. Wenn Gott zu ihm sagte: Strecke deine Hand aus über das rothe Meer, daß es sich zertheile und ihr trockenen Fußes hindurchgehen könnt, so sagte wohl seine Vernunft, daß das auf natürliche Weise nicht möglich sei. Aber er zweifelte keinen Augenblick daran, daß Gott könne, was seiner Vernunft unmöglich scheine; er streckte feine Hand aus, und augenblicklich stand das Wasser zu beiden Seiten. Wenn Israel kein Fleisch hatte und Gott sagte: Morgen will ich euch Allen reichlich Fleisch geben, so glaubte es Moses dem HErrn aufs Wort; und morgen ist kaum da, so zeigen sich auch die unübersehbaren Züge der Wachteln. So hatte das Volk viele Wohlthaten durch Moses; er hat es aus Egypten geführt, hat es durchs rothe Meer geleitet, hat ihm das Gesetz gegeben, hat es mit Fleisch gespeist und mit Wasser aus dem Felsen getränkt, - und was ist der Dank? Sie empören sich gegen ihn und sagen: Was willst du über uns herrschen? Wir sind Alle heilig. Kommt denn Gott und sagt: Dies Volk ist ein scheußliches Volk, Ich will es vertilgen und dich zum großen Volk machen, gleich bittet der treue Moses, daß Gott das Volk verschonen möchte und ihn dagegen lieber austilgen sollte aus dem Buch des Lebens. Sitzen die Israeliten in der Trübsal, Moses muß für sie beten; und der treue Moses ist auch gleich dazu bereit. In dieser Treue ist Moses 40 Jahre bei ihnen gewesen, und er hat wahrlich nicht das Seine gesucht, sondern die Ehre Gottes und das Wohl des Volks. Aber er war treu als ein Knecht in dem Amte, das Gott ihm gegeben hatte; diese Treue ist des Moses Ruhm und Ehre, denn ein Knecht hat keinen größeren Ruhm und keine größere Ehre als, daß er treu erfunden werde. Darum sagt Paulus: Nun sucht man nicht mehr an den Haushaltern, denn daß sie treu erfunden werden. Ist der Haushalter treu gewesen, so kann er mit Freuden seine Augen einst zuthun, denn dann wird sein HErr zu ihm sagen: Ei du frommer und getreuer Knecht, du bist über Wenigem getreu gewesen, Ich will dich über Viel setzen, gehe ein zu Deines HErrn Freude. Moses hat nie gute, bequeme und angenehme Tage gesucht; sein ganzes Leben ist Last, Noth und Qual gewesen; und immer war seine erste Sorge die treue Erfüllung seines Amts, Gottes Ehre und des Volkes Wohl. Was hilft auch alles Gerede von der Treue, wenn die That fehlt? Wenn es heißt: Moses war treu zum Zeugniß deß, das gesagt sollte werden, so wird damit angezeigt, daß die Predigt nur dann Frucht bringen kann, wenn sie mit dem Wandel bewiesen wird. Moses hat gepredigt, und wodurch ist diese Predigt kräftig geworden? Durch Moses Wandel. Von ihm heißt es nicht: Thut nach meinen Worten, aber nicht nach meinen Werken. Was er predigte, das bezeugte er mit seinem Wandel. Wie kann man Vertrauen haben zu einem Prediger, der selber nicht thut, was er lehrt? Sehe ich einen Prediger anders wandeln als er predigt, so sage ich: Der Mann lügt, was er sagt. Sehe ich aber, daß ein Prediger Alles, was er sagt, durch den Wandel bethätigt, so sehe ich, daß sein Herz voll ist von dem, was er redet. Moses mußte nun nicht bloß predigen, sondern auch weissagen von Christo, der kommen sollte. War er nicht treu im Wandel, so konnte Niemand seiner Weissagung glauben. Seine Treue in Predigt, Weissagung und Wandel kam aus der Treue gegen Gott; darum mußte Jeder erkennen, daß dieser Mann nicht lügen könne, denn die größte Treue verklärte sein ganzes Leben. Das sollten sich alle christlichen Lehrer und Prediger merken: All ihr Predigen und Lehren ist eitel, wenn ihr Wandel nicht treu ist. Das sollen sich aber auch alle Christen merken, daß sie das Zeugniß ihres Mundes mit dem treuen Wandel beweisen müssen; denn ohne denselben ist alles Sprechen vom Christenthum nur Heuchelei. War Moses treu in seinem ganzen Hause als Knecht, so laßt uns noch sehen den Unterschied zwischen ihm und Christus. Es heißt: Jesus war treu als Sohn in Seinem ganzen Hause, welches Haus sind wir, so wir anders das Vertrauen und den Ruhm der Hoffnung bis ans Ende fest behalten. Das Haus des alten Bundes d. h. die jüdische Kirche, war nicht Moses Eigenthum, er war nur ein Knecht in diesem Hause; dagegen ist die Gemeine des neuen Testaments Christi Eigenthum. Jesus ist nicht ein Diener in der Kirche des neuen Testaments, sondern Er ist ihr HErr, Moses aber war nicht Herr in der jüdischen Kirche, sondern nur ein Diener. Jesus ist treu gewesen als der HErr Seiner Kirche, während Moses treu war als ein Diener der Kirche; das ist wieder ein himmelweiter Unterschied. Da zeigt sich uns Jesu Treue als eine göttliche, und Moses Treue nur als eine menschliche. Jesus hat in Seinem Wandel Moses weit übertroffen. Moses war treu in seinem Wandel, aber ohne Sünde ist es nicht abgegangen. Er ist nicht mit ins gelobte Land gekommen, weil er gesündigt hat, wenn auch nur im geringen Maße. Jesus ist ganz rein, ganz unbefleckt und von den Sündern abgesondert. Moses hat gelehrt; das hat Jesus auch gethan, und noch viel treuer als Moses. Aber das hat Moses nicht gethan, daß er die Kirche des Alten Testaments erlöset hat; Jesus aber hat die Kirche des neuen Testaments erlöset. Moses hat sein Blut nicht vergossen für die Sünden der Welt; wohl hat er Ochsen- und Bocksblut vergossen, aber nie sein eigenes Blut. Aber Jesus hat Sein theures Gottesblut vergossen für die Sünden der Welt, um uns zu erlösen von allen Sünden , vom Tode und von der Gewalt des Teufels. Er ist um unserer Sünde willen dahingegeben, und um unserer Gerechtigkeit willen auferwecket. Er hat eine ewige Erlösung erfunden. Da kommt der liebste Sohn Gottes aus dem Himmel, weil Er Seinem Vater versprochen hat, die Menschen zu erlösen. Und als er dies schwere Werk anfängt, da mögen kommen der Satan und sein Anhang, die Heiden und die Juden, Herodes und Pilatus, Er führt das Werk vollkommen hinaus. Sein Vater mag das Angesicht vor Ihm verstellen in Gethsemane und Golgatha, Er bleibt treu. Da könnt ihr sehen, Jesus ist treu gewesen als Sohn. Was hatte Er davon? Ist Er dadurch seliger geworden? Nein, Er hat uns im Auge gehabt, Er hat Alles für uns gethan, Er hat allein an uns und nicht an sich gedacht. Wer das recht bedenkt, der muß Jesum lieb haben, da entsteht der Wunsch, Jesu immer treuer zu werden im Großen und im Kleinen. Darum sagt der Apostel: Laßt uns das Vertrauen und den Ruhm der Hoffnung fest behalten bis ans Ende. Ich darf nach weiter nichts trachten, als an Jesum zu glauben und in den Himmel zu kommen, dann bin ich ein Christ und als solcher ein Erbe des ewigen Lebens. Bleibst du darin nicht treu, was nützt denn dein Christenthum? Es ist doch nur Lippengeplapper gewesen. Da spricht der Eine von seinem Glauben und er trachtet nach irdischen Schätzen; der Zweite spricht von der Hoffnung des ewigen Lebens und er trachtet nach einem vergnügten Tag; es ist gerade als ob sie sagen wollen : Ich spreche Wohl von dem Himmel, aber die Erde ist mir viel lieber als der Himmel. Nur die wenigen Treuen trachten mit aller Kraft nach dem Himmel und halten Alles für Schaden und Dreck, auf daß sie Christum gewinnen und in Ihm erfunden werden. Der Wandel auf dem schmalen Wege ist das sicherste Zeichen, daß du Glauben und Hoffnung zum ewigen Leben hast. Verleugnest du Satan, Welt und Sünde, so sehe ich, daß es dir ein Ernst ist mit deiner Seligkeit; dann gehörst du zu den Treuen. Amen.

Vers 7-9.

Darum wie der Heilige Geist spricht: Heute, so ihr hören werdet Seine Stimme, so verstocket eure Herzen nicht, als geschah in der Verbitterung, am Tage der Versuchung in der Wüste; da Mich eure Väter versuchten, sie prüften Mich und sahen Meine Werke vierzig Jahre lang.

Der heilige Apostel hat in dem Vorigen einen Vergleich angestellt zwischen dem HErrn Jesu, dem Stifter des neuen Bundes und Moses, dem Stifter des alten Bundes, und wir haben da gesehen, wie unendlich viel höher der HErr Jesus sei als Moses, gerade so viel höher als der Schöpfer höher ist denn das Geschöpf, als der HErr höher ist denn der Knecht; denn Moses ist ein Geschöpf und Jesus ist der Schöpfer, Moses ist ein Knecht und Jesus ist der HErr. Hat er das so klar und deutlich gezeigt, wie hoch Jesus über Moses erhaben ist, so fährt er nun fort uns zu ermuntern, ja die Stimme Jesu Christi zu hören und nicht die schreckliche Sünde auf uns zu laden, daß wir uns gegen Christi Stimme verstocken. Denn das ist die einzige Sünde, die nicht vergeben werden kann, das ist die Sünde wider den heiligen Geist. Der Apostel sagt: Darum, wie der Heilige Geist spricht: Heute, so ihr hören werdet Seine Stimme, so verstocket eure Herzen nicht. Wo finden wir dies Wort im Alten Testament? Dies Wort steht geschrieben im 95. Psalm, da heißt es wörtlich: Heute, so ihr Seine Stimme höret, so verstocket eure Herzen nicht. Merket euch dabei zuerst diese Worte: Darum, wie der Heilige Geist spricht. Wer hat nun den 95. Psalm gesprochen und geschrieben? Ihr sagt: David; was sagt denn Paulus? Paulus sagt: Nicht David, sondern der Heilige Geist. Denn es heißt in unserm Text: Wie der Heilige Geist spricht, nicht: Wie David spricht. Also obgleich David allerdings seinen Mund hergegeben hat, jene Worte auszusprechen und seine Hand, dieselben aufzuschreiben, so sind es doch nicht Worte Davids, sondern Worte des Heiligen Geistes. Daher merket euch das und vergesset es nie: Was in der heiligen Schrift geschrieben steht, das hat der Heilige Geist geschrieben, was in der heiligen Schrift gesprochen wird, das hat der Heilige Geist gesprochen. Es ist gerade so, wie der Apostel Paulus sagt: Da ihr von uns empfinget das Wort göttlicher Predigt, nahmet ihr es auf, nicht als Menschen Wort, sondern, wie es denn wahrhaftig ist, als Gottes Wort. Darnach prüfet euch, ob ihr glaubt, daß das, was geschrieben steht und wie es geschrieben steht, Gottes Wort ist, das nicht Menschen, sondern der Heilige Geist geredet und geschrieben hat, daß es nicht Worte sind des Matthäus, Paulus, David, Jesaias, sondern Worte des Heiligen Geistes, welche Er durch den Mund jener Männer ausgesprochen und durch ihre Hand hat aufschreiben lassen. Wenn du das nicht glaubst, so magst du dich wohl vom Teufel regieren lassen, aber der Heilige Geist regiert dich nicht. Du darfst nicht sagen, in der heiligen Schrift ist Gottes Wort enthalten, denn das ist falsch und eine Lehre vom Teufel erfunden. Nicht in der Bibel ist Gottes Wort enthalten, sondern die Bibel ist Gottes Wort vom Anfang bis zum Ende. Sagst du, in der Bibel ist Gottes Wort enthalten, so heißt das soviel als, etwas ist Gottes Wort und das andere ist Menschen Wort; und da muß ich erst untersuchen, welches Gottes Wort und welches Menschen Wort ist. Das ist aber die rechte Lehre: Alles, was in der heiligen Schrift steht, ist Gottes Wort vom heiligen Geist geredet, vom ersten Buchstaben des ersten Buches Mose bis zum letzten Buchstaben der Offenbarung Johannes, so daß von der ganzen Bibel gilt, was Offenbarung Johannes 22, 18-19 geschrieben steht: So Jemand dazusetzt, so wird Gott zusetzen auf ihn die Plagen, die in diesem Buche geschrieben stehen; und so Jemand davon thut von den Worten des Buches dieser Weissagung, so wird Gott abthun sein Theil vom Buch des Lebens, und von der heiligen Stadt, und von dem, was in diesem Buch geschrieben steht. Darum ist auch in der ganzen Bibel kein Irrthum, Alles ist vollkommene, irrthumslose Wahrheit, so daß wir darauf leben und sterben können. Wer das glaubt, der hat den rechten Glauben und kann gewisse Tritte thun auf dem Wege zum ewigen Leben. Entweder die ganze Bibel ist Gottes Wort, oder die ganze Bibel ist Menschen Wort, und dann werft sie nur in den Ofen, etwas besseres ist sie dann nicht Werth. Nun der Heilige Geist spricht also: Heute, so ihr hören werdet Seine Stimme, so verstocket eure Herzen nicht. Gottes Wort kann uns nicht anders bekannt werden, als wenn wir es hören und lesen. Darum ist die erste und heiligste Pflicht des Christen, Gottes Wort zu hören und zu lesen. Es gehört dies so sehr zu unserm Leben, daß jeder Tag ein verlorner für uns ist, wenn wir nicht in der Bibel gelesen haben, und daß jeder Predigttag ein verlorner für uns ist, wenn wir die Predigt hören konnten und haben sie doch nicht gehört. Denn soll ich Gottes Wort zu meiner Seligkeit annehmen, so muß ich dasselbe fleißig hören und lesen.

Es sprachen einst zwei Christen miteinander über die Bibel, der eine sagte: Jeden Morgen, ehe ich das Tagewerk beginne, lese ich ein oder zwei Capitel in der Bibel, und jeden Abend, ehe ich zu Bette gehe, lese ich wieder ein oder zwei Capitel in der Bibel, dazu kommt die Morgen- und Abendandacht, die nie ohne Gottes Wort gehalten wird; aber dies Lesen in der Bibel für mich allein lasse ich mir nicht nehmen. Da fragt der andere: Hältst du das für deine Pflicht, oder kann das Bibellesen, was du für dich allein thust, auch ohne Sünde unterbleiben? Nein, ich würde Sünde thun, wenn ich es unterlassen wollte. Warum? Weil geschrieben steht: Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinen Wegen. Ist Gottes Wort meines Fußes Leuchte, so muß es mir täglich scheinen; ist es das Licht auf meinen Wegen, so muß es mir täglich angezündet werden. Aber ich habe noch einen andern Grund. Wenn ich des Morgens zu Hause komme, nachdem ich ein paar Stunden gepflügt habe, so frage ich: Wo ist mein Frühstück? Wollte mir Jemand sagen: Wozu brauchst du Frühstück? so würde ich antworten: Meinst du, dummer Mensch, daß ich nicht hungrig bin? Siehe, so wie mein Leib die irdische Speise nicht entbehren kann, so kann die Seele die geistliche Speise nicht entbehren. Der Christ kann Gottes Wort nicht entbehren, täglich muß er darin lesen, fleißig muß er die Predigt hören; denn Gott redet durch den Mund Seines Dieners, und da heißt es: Wer euch höret, der höret Mich, wer euch verachtet, der verachtet Mich. Das muß ja die größte Wonne und Freude für mich sein, wenn mein Gott zu mir redet. Darum kann ich das Lesen in der Bibel, jeden Morgen und jeden Abend und das Hören ,der Predigt, so oft Gottesdienst ist, nicht unterlassen. Nun heißt es weiter: Verstocket eure Herzen nicht, wenn ihr Gottes Stimme höret. Das Verstocken besteht darin, wenn ich das nicht thue, was Gottes Wort mir sagt. Gottes Wille ist, das ich thun soll, was Er mir in Seinem Worte sagt; bin ich dem gehorsam, so wird mir Gottes Wort Geist und Leben, bin ich dem nicht gehorsam, so wird es mir ein Geruch des Todes zum Tode, daraus entsteht die Sünde wider den heiligen Geist. Habe ich das erkannt, daß in dem Worte Gottes der Heilige Geist zu mir redet, so folgt daraus für mich, daß ich dem gehorsam sein muß, was der Heilige Geist mir sagt. Bin ich aber nicht gehorsam, so bekomme ich Brandmale in mein Gewissen. Darum schreibt euch das Wort des Apostel Jakobus ins Herz: Seid Thäter des Worts und nicht Hörer allein, auf daß ihr euch nicht selbst betrügt. Seid ihr keine Thäter des Worts, das ihr höret, so krieget ihr Brandmale in euer Gewissen und daß ihr dabei keinen Frieden haben könnt, das ist leicht einzusehen. Ihr wisset die Wahrheit und thut sie nicht. Daraus entsteht aber ein halbes Christenthum, das vor Gottes Augen ein Greuel ist. Man begreift es nicht, wie die Menschen sagen können: In der Bibel redet der Heilige Geist; und doch thun sie nicht, was ihnen der Heilige Geist sagt. Aber sie wollen nicht thun, was ihnen Gott in Seinem Worte sagt, weil es ihnen unangenehm ist. Denke dir einmal, da ist ein Mann, der hat allerlei Klunkerkram an seinem Leibe, eine goldene Tuchnadel mit wer weiß wie vielen Edelsteinen, goldene Knöpfe im Rocke, eine Uhr mit goldener Kette, eine goldene Schnupftabacksdose rc., daneben sitzt ein Weib, das hat ein, ich weiß nicht wie viel Ellen weites Sammtkleid an, eine seidene Mantille um und allerlei Blumenkram am Hut. Diese Leute kriegen nun ihre Bibel her und kommen auf 1. Petr. 3, 3-4, wo es heißt: Euer Schmuck soll nicht auswendig sein mit Haarflechten und Goldumhängen, oder Kleideranlegen; sondern der verborgene Mensch des Herzens unverrückt, mit sanftem und stillem Geist, das ist köstlich vor Gott. Das lesen sie und dabei behalten Mann und Weib doch die Klunkereien, können die Leute zum Frieden kommen? Nein, denn sie sind nicht gehorsam dem Worte Gottes, oder wenn Leute in Reichthum und Ueppigkeit leben und sie lesen Luc. 16, 19: Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich mit Purpur und köstlicher Leinwand und lebte alle Tage herrlich und in Freuden; nun vergleichen sie ihr Leben mit diesem Leben, gerade so ist ihr Leben auch, wie das des reichen Mannes; und nachdem sie die Bibel zugemacht haben, fahren sie fort, alle Tage herrlich und in Freuden zu leben, können die Menschen zum Frieden kommen? Nein, denn sie sind dem Worte Gottes nicht gehorsam. So ist es mit den Leuten, die dem Weitwesen dienen, die in die Saufstuben gehen, sie lesen in der Bibel: Seid mäßig und nüchtern zum Gebet, dann saufen sie sich voll wie die Schweine, daß sie vom Branntwein taumeln, dann tanzen sie, wie der Herodias Tochter, die dem Johannes den Hals abgetanzt hat, sie lassen die Sünde nicht; können die selig werden? Nein, denn sie thun nicht, was Gottes Wort sagt. Wenn ich mich von ganzem Herzen bekehren soll, und ich thue es doch nicht, weil es mir unbequem ist, ist denn nicht mein ganzes Bibellesen ein Komödienspiel? Darum: Heute, so ihr hören werdet Seine Stimme, so verstocket eure Herzen nicht. Wer nicht treulich thut, was ihm Gottes Wort sagt, der ladet Brandmal auf sein Gewissen. Sehet doch das schreckliche Beispiel der Israeliten an. Es heißt in unserm Text: Als geschah in der Verbitterung, am Tage der Versuchung, in der Wüste; da Mich eure Väter versuchten, sie prüften Mich und sahen Meine Werke vierzig Jahre lang. Gott sagt: Vierzig Jahre habe Ich Meine Pflicht an euch gethan, ihr habt Mich immer treu erfunden, alle eure Bitten habe Ich erhört, von allen Feinden habe Ich euch erlöset, Ich habe euch gespeist mit Himmelsbrot und getränkt mit Felsenwasser, Ich bin vor euch herze? zogen in der Wolken- und Feuersäule, eure Kleider sind nicht veraltet und eure Schuhe sind nicht zerrissen; wie habt ihr es gemacht? 600,000 Mann zogen aus aus Egypten, wie viele kamen ins gelobte Land? Nur zwei, Josua und Caleb, alle andern sind in der Wüste niedergeschlagen, weil sie sich verstockt haben. Ihr seid alle auf dem Wege zum Himmel. Wie jenen Israeliten das irdische Kanaan verheißen ist, so ist euch das himmlische Kanaan verheißen; aber wie viele von euch werden hineinkommen? Ich will doch nicht hoffen, daß von 600,000 Christen auch nur zwei in den Himmel kommen. Dann würden aus unserer Gemeine nicht viele selig werden, da dieselbe nur ungefähr 3000 Seelen zählt. Darum bitte ich euch, was ich kann: Heute noch thut eure Herzen dem HErrn auf und seid gehorsam dem Worte Gottes. Es sollen nicht nur zwei von 600,000 Christen selig werden, nein, alle können selig werden, es brauchen nicht einmal zwei verloren zu gehn. Steht nicht geschrieben: Gott will, daß allen Menschen geholfen werde, und daß alle zur Erkenntniß der Wahrheit kommen? Hat Jesus nicht gesagt: Kommet doch zu Mir, daß Ich euch das ewige Leben gebe? Darum heute, so ihr Seine Stimme höret, verstocket eure Herzen nicht. Wer weiß, wie lange Gott euch noch ruft, wer weiß, wie lange ihr Seine Stimme noch höret. Darum bekehrt euch, auf daß, wenn es mit euch zum Sterben kommt, ihr fröhlich zu dem Jesu gehen könnt, der euch mit Seinem Blute erkauft hat. Amen.

Vers 10-11.

Darum Ich entrüstet ward über dies Geschlecht und sprach: Immerdar irren sie mit dem Herzen; aber sie wußten Meine Wege nicht; daß Ich auch schwur in Meinem Zorn, sie sollten zu Meiner Ruhe nicht kommen.

Wir haben das letzte Mal gehört, daß der heilige Apostel die Christen mit dem größesten Fleiß ermahnt, sie sollten doch ja ihre Herzen nicht verstocken. Er führte da als Beispiel die unglücklichen Kinder Israel an, die, obgleich ihnen der HErr vierzig Jahre lang in der Wüste mit der unermüdlichsten Treue nachging, doch diese Gnadenerweise zur Verstockung gebrauchten, so daß nur zwei von den 600,000 ins Land Kanaan kamen, und die übrigen alle in der Wüste niedergeschlagen wurden. Wenn man das bedenkt, da ziehen 600,000 Mann aus Egypten, Alle sollen in das Land Kanaan eingehen, Keiner soll davon ausgeschlossen sein, außer wer sich selbst ausschließt; und da schließen sich 599,998 aus und nur zwei nehmen die Verheißung an, so muß man sagen: Das ist doch schrecklich! Nehmen wir das zum Maßstab an für die Christenheit, so drängt sich uns die Frage auf, ob wohl die Tische im Himmel voll werden, oder ob sie entsetzlich leer bleiben? Wodurch haben sich die Israeliten selbst ausgeschlossen von dem Lande Kanaan? Der Apostel sagt, daß sie sich verstockt haben gegen das Wort Gottes. Vierzig Jahre hat Gott ihnen gepredigt, vierzig Jahre hat Er ihnen das verheißene Erbe angeboten, dennoch haben sie es zurückgestoßen. Nun fährt der Apostel fort: Darum ich entrüstet, ward über dies Geschlecht und sprach: Immerdar irren sie mit dem Herzen; aber sie wußten Meine Wege nicht. Er führt hier die Worte an, die Gott selbst 4. Mose 14 gesprochen hat. Gott erklärt selbst, Er sei entrüstet, d. h. Er sei zornig geworden über dies Geschlecht. Wenn ihr das den Christen sagt, meint ihr, daß das die Christen glauben? Nein, sie glauben es nicht, sie sagen, das seien morgenländische Redensarten, Gott könne nicht zürnen, denn Gott sei die Liebe. Wenn es von Gott heiße, Er sei durch und durch lauter Liebe, wie es denn von Ihm heißen könne: Er wurde entrüstet? Wenn Gott zornig werden könne, so sei Er ein Tyrann, ein blutdürstiger Despot. So heißt es nicht bloß bei den Weltkindern, sondern auch bei denen, die sich Christen nennen, die zu den Gläubigen gezählt werden; und das hat einen großen Schein. Wenn Gott die Liebe ist, kann Er denn auch zürnen? Wenn Gott barmherzig ist, kann Er denn auch strafen? Wenn Gott die Menschen selig machen will, kann Er sie denn auch verdammen? Ist das nicht merkwürdig, Gott sagt: Ich entrüstete Mich, und die Weltkinder sagen: Lieber Gott, das lügst Du; Gott sagt: Ich schwur in Meinem Zorn, und die Menschen sagen: Lieber Gott, das ist nicht wahr? So weit sind wir gekommen, daß die Leute, die sich Christen nennen, die schlagen Gott auf den Mund; und nachdem sie das gethan haben, sagen sie: Das thun wir mit Recht, denn wir wissen besser wie Du bist, als Du selbst. Ich bitte euch, nehmt euch in Acht vor solchem Frevel, denn diese Menschen werden ausgeschlossen von dem himmlischen Kanaan, sie werden verdammt, denn Gott schwört auch ihnen, daß sie nicht zu Seiner Ruhe kommen sollen. Fragen wir, ob Gott sich entrüsten kann, ob Er zürnen kann? so ist die Antwort: Er kann es nicht nur, sondern Er muß es auch, so wahr Er Gott ist; derselbe Gott, der die Frommen liebt, muß die Gottlosen hassen, derselbe Gott, der die Frommen belohnt, muß die Gottlosen bestrafen. Es ist Ihm nicht möglich, die Frommen in den Himmel zu nehmen, ohne die Gottlosen in die Hölle zu stürzen. Es giebt keine wahre Liebe, die nicht das Böse haßt. Gott ist die heilige Liebe. Wie Gott die Frommen liebt, so muß Er die Gottlosen hassen; wie Er die Frommen belohnt, so muß Er die Gottlosen bestrafen. Gottlob, daß wir einen solchen Gott und Heiland haben! Wenn es hieße, ich sollte mit den Gottlosen in einen Himmel, so wollte ich zu Gott sagen: Ich bedanke mich für Deinen Himmel, dahinein will ich nicht, denn ich habe das Höllenleben der Gottlosen schon reichlich genug auf Erden kennen gelernt. Hier auf Erden ist es mir dadurch erträglich, daß der Zustand ein Ende nimmt; sollte ich aber da noch bei ihnen sein, wo ewige Gräuel sind, das wäre zu schrecklich. Gebe es keine ewige Verdammniß für die Gottlosen, so gebe es auch keine ewige Seligkeit für die Frommen. Weiß ich aber, daß die Gottlosen in den Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt, kommen, so weiß ich auch, daß sie nie wieder heraus dürfen. Laßt euch durch das ebenso dumme als gottlose Gerede nicht irre machen, daß Gott nicht zürnen könne; denn Gott sagt selbst: Ich ward entrüstet, Ich schwur in Meinem Zorn. Was war es denn eigentlich, worüber Gott entrüstet ward? Er sagt es selbst: Dies Volk irrt immerdar mit seinem Herzen; aber sie kannten Meine Wege nicht. Dadurch entstand Gottes Zorn. Wie alles Gute aus dem Herzen kommt, so auch das Böse. Aus dem irrenden Herzen kommt das Böse, aus dem gottseligen Herzen kommt das Gute. Gott sagt: Ihr Herz irrt immerdar. Worin besteht dies Irren? Der HErr unser Gott hielt dem Volke in der Wüste seine Sünden vor, Er strafte sie mit ernsten, harten Worten. Das half nichts, denn in der Regel waren sie zu stolz und zu hartnäckig, die Strafe anzunehmen; das war der erste Irrthum. Gott strafte sie mit Worten, aber sie hörten nicht darauf; Gott schalt ihre Sünde, aber sie achteten nicht darauf. Warum nicht? O, hieß es, der liebe Gott meint es so schlimm nicht. Denn das ist in der Regel der Fall, daß die Menschen den lieben Gott Lügen strafen. Heißt es: Gott zürnt, so sagen sie: Das ist nicht wahr. Zürnt Gott wirklich, so meinen sie, es sei Spaß und Scherz, und lassen die Sünde doch nicht. Dann nimmt Gott wohl die Peitsche und züchtigt sie tüchtig, und sie fangen an zu heulen, wie die Hunde. Nun merken sie, daß Er zürnt, darum sagen sie zum lieben Gott, Er solle doch aufhören, sie wollten auch andere Menschen werden. Und Gott hört auch auf zu schlagen, verlangt aber, daß sie sich bekehren. Nachdem Er nun aufgehört hat zu züchtigen, so sagen sie: Er meint es so schlimm nicht, als wir gedacht haben; meinte Er es wirklich schlimm, wir hätten noch mehr gekriegt, ein paar Ruthenstreiche kann man wohl aushalten. Nun kommt die Verlockung zur Sünde von Neuem; da heißt es im Herzen: Denkst du nicht mehr an voriges Mal? O das hat noch nicht viel gebracht, ich kann die Sünde dreist noch einmal thun, wenn es auch Schläge giebt, so mache ich den Rücken hart, und die Sünde geschieht wieder. Gott straft sie vielleicht noch härter, als das erste Mal; ist aber die Strafe vorüber, so sündigt man ruhig weiter. Nun hört Gott auf mit Schlagen, und denkt: Was hilft es, der Mensch bekehrt sich doch nicht, an dem ist Hopfen und Malz verloren. Da meint der Mensch immer noch, es ist nicht bedenklich mit der Sünde, Gott straft mich nicht mehr, ich will nur ruhig weiter sündigen; sie erkennen Gottes Wege nicht. Gottes Wege haben das Ziel, daß die Menschen sich bekehren sollen; aber sie wollen sich nicht bekehren. Sie messen ihre Sünden mit den Schlägen, die sie kriegen, und da die immer noch sehr gering ausfallen, so meinen sie, mit der Sünde habe es weiter nichts auf sich. Gott aber spricht: Das thust du und Ich schweige, da meinst du, Ich werde gleich sein wie du. Aber ich will dich strafen, und will dir's unter Augen stellen. So ziehen die Menschen Gottes Güte auf Muthwillen; weil Er nicht gleich straft wie Er müßte, so lassen sie sich durch Seine Langmuth nicht zur Buße leiten, sondern verstocken sich. Darum sagt Paulus: Du aber, nach deinem verstockten und unbußfertigen Herzen häufest dir selbst den Zorn auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes. Das ist der Krebsschade der heutigen Christenheit, sie wollen ihrem Kopf nachgehen und ihres Herzensgelüste thun. Heißt es: Gott will das nicht haben, so antworten sie: Gott kommt nicht gleich mit der Ruthe; so verstocken sie sich immer mehr, bis Gott zuletzt zu ihnen sagt: Ich schwöre in Meinem Zorn, daß sie zu Meiner Ruhe nicht kommen sollen. Gott muß zuletzt sagen: Mich mit ihnen herumzuschlagen, wie mit Hunden, das bin Ich müde; Ich will es so machen, sie sollen zu Meiner Ruhe nicht kommen. Nun bekümmert sich Gott nicht mehr um sie, Er züchtigt sie nicht mehr. Kommen sie einst vor die Himmelsthür, so sagt Gott zu ihnen: Ich habe in Meinem Zorn geschworen, daß ihr zu Meiner Ruhe nicht kommen sollt, marsch mit euch. Dann fangen sie an zu heulen, aber das ist zu spät, weil sie sich verstockt haben. O laßt diese Warnung in euer Herz gehen: Verstocket eure Herzen nicht, wie Israel es that. Gott mußte zuletzt über Israel entrüstet werden, darum Er auch schwur in Seinem Zorn, daß sie zu Seiner Ruhe nicht kommen sollten. Hat Gott das erst gesagt, dann ist jegliche Hoffnung auf Seligkeit abgeschnitten, um solche bekümmert Er sich nicht mehr. Was sollte das auch helfen, sie wollen ja nicht selig werden. Amen.

Vers 12-13.

Sehet zu, liebe Brüder, daß nicht Jemand unter euch ein arges, ungläubiges Herz habe, das da abtrete von dem lebendigen Gott; sondern ermahnet euch selbst alle Tage, so lange es heute heißt, daß nicht Jemand unter euch verstockt werde, durch Betrug der Sünde.

In der letzten Vesperpredigt hat uns der heilige Apostel Paulus gesagt, woher das kam, daß die Kinder Israel beständig die bösen und verkehrten Wege gingen, nämlich, weil sie immerdar mit ihrem Herzen irrten. Und das ist auch Recht, denn das Gehen der bösen und verkehrten Wege hat in dem irrenden Herzen seinen Grund. Man pflegt oft zu sprechen von Verstandesirrthum, aber das ist nicht der schlimmste, Herzensirrthum ist viel schlimmer. In dem heutigen Texte zeigt der Apostel, worin dieser Herzensirrthum besteht. Er sagt: Sehet zu, liebe Brüder, daß nicht Jemand unter euch ein arges ungläubiges Herz habe, das da abtrete von dem lebendigen Gott. Da sehet ihr, was der eigentliche Irrthum des Herzens ist, nämlich der Unglaube. Aus dem argen, ungläubigen Herzen kommt aller Irrthum. Davor nehmt euch in Acht, denn ist das arge, ungläubige Herz erst da, so ist auch der offenbare Abfall von Gott ganz nahe. Gott kann ja nur ergriffen werden durch den Glauben, so wie der Glaube aufhört, so hört alles Verhältniß zu Gott auf. Der Gläubige hat Gott, der Ungläubige tritt von Gott ab. Daher ist die Haupt- und Grundsünde von allen Sünden der Menschen der Unglaube. Sieht man genau zu, weßhalb die Menschen am jüngsten Tage verdammt werden, so ist es um des Unglaubens willen. Für die schwersten Sünden ist Vergebung zu finden, aber nicht für den Unglauben; denn der Ungläubige, wenn er in seinem Unglauben beharrt, kann die Gnade nicht annehmen. König David wurde ein Mörder und Ehebrecher, ist er deßhalb verdammt worden? Nein, denn er hat durch den Glauben Vergebung der Sünden erlangt. Petrus hat den HErrn Jesum verleugnet, ist er deßhalb verdammt worden? Nein, er ist selig geworden, denn er hat durch den Glauben Vergebung der Sünden gefunden. Paulus, als er noch ein Saulus war, war ein blutbefleckter und bluttrunkener Mörder, ist er deßhalb verdammt worden? Nein, er ist selig geworden, denn er glaubte an das theure, werthe Wort, daß Jesus Christus kommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen. Dagegen ist Judas nicht selig geworden, denn er glaubte nicht; Kain ist nicht selig geworden, denn er hatte keinen Glauben, als er sagte: Meine Sünde ist größer, denn daß sie mir vergeben werden könne. Allenthalben wo die Menschen glauben, wenn sie auch große Sünder sind, so werden sie doch selig; wo aber kein Glaube ist, da müssen sie verdammt werden. Ueberhaupt kommen alle Sünden aus dem Unglauben. Wenn ein Mensch sündigt, und er wird gefragt, warum er die Sünde gethan habe, so ist der letzte Grund immer der Unglaube. Stelle dir z. B. vor: Dein böses, gottloses Herz treibt dich zum Stehlen, deine Hand hat schon das Geld angefaßt, das du deinem Nächsten nehmen willst; aber auf einmal wirst du es dir im Glauben bewußt, daß Gott gegenwärtig ist, kannst du da noch das Geld behalten? mußt du es nicht wieder an seinen Platz legen? Wenn du eben im Begriff bist, in ein Hurenbett zu steigen, und du denkst daran, daß Gott gegenwärtig ist, ist es dir da noch möglich, dich in das Hurenbett zu legen? Der Glaube an den gegenwärtigen Gott erlaubt dir weder zu stehlen noch zu huren. Glaube ich an den gegenwärtigen Gott, so glaube ich auch an die ewige Seligkeit und an die ewige Verdammniß, die Er giebt, und dann ist es unmöglich, daß ich vor dessen Angesicht, der selig machen und verdammen kann, sündige. Sehet euch also vor, daß nicht Jemand ein arges, ungläubiges Herz habe. Wenn der Apostel sagt: Sehet euch vor, so muß es doch unsere Schuld sein, wenn wir in Unglauben fallen; und das ist auch der Fall. Obgleich der Glaube Gottes Gabe und Gnade ist, so ist doch der Unglaube unsere eigene Schuld. Wenn du glaubst, so ist das nicht dein Verdienst, sondern Gottes Gnade, wie geschrieben steht: Das ist Gottes Werk, daß ihr glaubt an Mich. Wenn ihr aber ungläubig seid, so ist das eure eigene Schuld; denn Gott hat die ausdrückliche Verheißung gegeben, daß durch den treuen Gebrauch der Gnadenmittel der Heilige Geist den Glauben wirken soll. Gebrauche ich nun treu die Gnadenmittel, erfülle ich die Bedingung, so muß Gott den Glauben wirken. Haben wir den Glauben nicht, so hat ihn der Heilige Geist nicht gewirkt, aber an mir liegt die Schuld. Durch den treuen Gebrauch der Taufe, des Wortes Gottes und des heiligen Abendmahls kommt der Heilige Geist zu dir und wirkt in dir den Glauben. Aber wie kann ich die Taufe jetzt noch gebrauchen? ich darf doch nur einmal getauft werden. Ja, du kannst sie gebrauchen durch die treue Erneuerung deines Taufbundes. Fängst du jeden Tag damit an, mit andächtigem Herzen deinen Taufglauben zu beten und mit aufrichtigem Herzen dem Teufel zu entsagen, so sollst du sehen, welche Kraft das dem neuen Menschen giebt. Gehe du treu zur Kirche, wenn dir Gott Sein Haus öffnet, da höre die Predigt mit Gebet, und es werden durch jede Predigt Gnadenkräfte in dein Herz fließen, du kannst es merken, wie Jesus in dein Herz einzieht. Es geht dir da, wie den Jüngern auf dem Wege nach Emmaus, welche sagten: Brannte nicht unser Herz in uns, da Er mit uns redete, als Er uns die Schrift öffnete? Wenn du in deiner Bibel liesest mit Gebet, so kommen über dich die Ströme des Heiligen Geistes, und erfüllen dich mit Kräften des ewigen Lebens. Soll ich Stunden des Tages nennen, wo ich wirklich glücklich und selig bin, so sind es die Stunden des Morgens und Abends, wo ich einfältig und ungestört in meiner lieben Bibel lese; dann ist es nicht anders, als ob man im Himmel ist, man fühlt ordentlich das Wehen des Heiligen Geistes. Und wenn die Christen zum heiligen Abendmahl gehen, Jesu Leib essen und Jesu Blut trinken, wodurch sie der göttlichen Natur theilhaftig werden, muß da nicht der Heilige Geist einkehren und den Glauben wirken? Unterläßt aber der Christ das Beten des Taufglaubens, das Hören der Predigt, das Lesen in der Bibel und den Gebrauch des Abendmahls, so wird sein Glaube immer schwächer, und es kommt bald dahin, daß er ein arges, ungläubiges Herz bekommt, dann ist aber der Abfall und die Verstockung ganz nahe. So sehet ihr, wie Gott Alles wirkt, aber unsere Arbeit haben wir auch dabei, das ist der treue Gebrauch der Heilsmittel, verbunden mit brünstigem Gebet. So lange ich im Glauben bleibe, bin ich bei Gott und Gott ist bei mir; bleibe ich aber nicht im Glauben, so falle ich von Gott ab. Darum lehrt uns der HErr beten: Ich glaube, lieber HErr, hilf meinem Unglauben und stärke meinen schwachen Glauben. Der Teufel geht umher als ein brüllender Löwe, er schleicht umher als eine giftige Schlange, und warum thut er das? Er will dich zum Unglauben verführen. Das ist es nun, was wir zu thun haben: Wir müssen fest im Glauben bleiben durch treuen Gebrauch der Heilsmittel, verbunden mit brünstigem Gebet. Aber der Apostel giebt uns noch einen andern Rath, indem er sagt: Ermahnet euch selbst alle Tage, so lange es heute heißt, daß nicht Jemand unter euch verstockt werde durch Betrug der Sünde. Da sehet ihr, wie die Christen einen Bruder- und Schwesterbund schließen sollen, daß sie sich ermahnen und in inniger Liebe einander zugethan sein sollen. Sie dürfen es nicht leiden, daß Einer von dem lebendigen Gott abfällt. Zum Glauben ermahnen sie sich so lange es heute heißt, d. h. so lange sie leben. So wie ich es merke, daß Einer von meinen Brüdern oder Schwestern den lebendigen Gott verläßt, so ist es meine Schuldigkeit, daß ich ihn ermahne, das erfordert die Liebe. Der ist ein scheußlicher Mensch, der keine Liebe zu seinem Bruder hat. Was würdest du von dem sagen, der seinen Bruder an einem tiefen Abgrund schlafen sieht, und der ihn doch nicht aufweckt und wegträgt? In dem nächsten Augenblick stürzt er in den Abgrund und bricht den Hais. Wäre er nicht dessen Mörder? Der geistlich Kranke liegt am Abhange der Hölle, wenn ich ihn nicht aufwecke, so stürzt er in den Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel ewiglich brennt. Stürzt er hinab, und du hast ihn nicht aufgeweckt, so wird er dich am jüngsten Tage verklagen und sagen: Verdient habe ich die Verdammniß, aber mein Bruder ist mitschuldig an meiner Verdammniß, er hat mich nicht aufgeweckt vom Sündenschlaf. Und ich glaube, meine Lieben, daß dieser Punkt vielen Christen am jüngsten Tage den Hals brechen wird. Die Lieblosigkeit unter den Christen geht weit. Die Christen können ihren Nächsten Wirthshaus-, Sauf-, Spiel-, Tanz-, Huren- und alle Weltwege gehen sehen und sie machen ihn nicht darauf aufmerksam, sie ermahnen ihn nicht einmal, gerade als ob das Dinge wären, die sie nichts angingen. Und was sie davon abhält, das ist entweder Lieblosigkeit, oder daß sie bange sind vor einer groben Antwort. Ist deine Liebe aber solcher Art, daß sie eine grobe Antwort scheuet, so ist sie nicht weit her. Da müßt ihr euch nun fragen, ob ihr dies Ermahnen fleißig übt. Die Menschen suchen viele Entschuldigungen, sie pflegen wohl zu sagen: Ich bin noch nicht gut genug dazu, oder ich bin noch zu jung; aber darauf kommt es nicht an. Es ist zwar wahr, daß du selbst die Bekehrung groß genug nöthig hast, darum bekehre dich- aber dabei bleibe nicht stehen, sondern hilf, daß Andere sich auch bekehren. Ermahne nur nicht mit einem hochmüthigen Herzen, sondern mit Demuth und Sanftmuth. In deiner Demuth und Sanftmuth erkennst du deine eigenen Sünden, und das giebt dir Macht über deinen Nächsten. Nun frage dich auf der andern Seite, wenn dich dein Nächster ermahnt, kannst du das vertragen? Kannst du es nicht vertragen, so hat dich der Hochmuth gepackt. Ermahnt dich dein Bruder, so hat er entweder Recht oder Unrecht. Hat er Recht, so mußt du ihm die Hand küssen, denn einen größern Liebesdienst kann er dir nicht erweisen. Aber es kann auch sein, daß du unschuldig bist, und dann kannst du es eben so wenig übel nehmen. Denn das darf dich nicht beleidigen, wenn du die Sünde gar nicht gethan hast, die dein Nächster dir in Liebe vorhält. Ich habe oft bemerkt, daß Menschen im Glauben an den HErrn Jesum sich eng zusammengeschlossen haben, und in diesem Glauben rechte herzliche Freunde geworden sind, wie David und Jonathan, oder wie Petrus und Johannes. Diese Leute haben mir oft gesagt: Es stand so lange mit unserer Freundschaft gut, als wir uns ermahnten und die Ermahnung gegenseitig annahmen; aber von dem Augenblick an, als wir faul wurden im Ermahnen und zu stolz zum Annehmen der Ermahnung, da ging der Krebsschaden an, und unsere Freundschaft wäre bald ganz aufgeflogen, hätten wir nicht ernstlich Buße gethan. Darum lasse sich ein Jeglicher gern ermahnen, so lange es noch heute heißt, auf daß ihr durch Gottes Gnade im Glauben gestärkt werdet und das Ende des Glaubens davon bringet, der Seelen Seligkeit. Bittet den HErrn, daß Er euch dazu Kraft gebe durch Seinen heiligen Geist. Es ist wahrlich kein Kinderspiel mit dem Seligwerden. Das Seligwerden ist eine so schwere Sache, daß jener Spruch eines Kirchenvaters volle Wahrheit hat: Wir werden im Himmel einst viele Menschen nicht finden, von denen wir glaubten, sie würden da sein; wir werden aber auch im Himmel viele Menschen finden, von denen wir glaubten, sie würden nicht da sein; und das, worüber wir uns am allermeisten wundern werden, ist, daß wir selbst da sind; und der Mann hat Recht. Hier auf Erden ist die Heuchelei so groß, daß wir Viele für gläubig halten, aber im Himmel werden wir sie nicht finden; hier auf Erden trügt der Schein so sehr, daß wir Viele nicht für gläubig halten, aber wir finden sie einst doch im Himmel. Im Himmel müssen wir uns am meisten darüber wundern, daß solche arme, elende, erbärmliche, sündhafte Menschen, wie wir sind, ewiglich im Himmel wohnen sollen. Amen.

Vers 14-16.

Denn wir sind Christi theilhaftig geworden, so wir anders das angefangene Wesen bis an das Ende fest behalten; so lange gesagt wird: Heute, so ihr Seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht, wie in der Verbitterung geschah. Denn Etliche, da sie hörten, richteten eine Verbitterung an; aber nicht Alle, die von Egypten ausgingen durch Mosen.

Der heilige Apostel Paulus hat im Vorigen die Christen ermahnt, daß sie sich doch ja nicht durch Unglauben von Christo abkehren und also durch Betrug der Sünde verstocken sollten. Durch den Unglauben wendet sich der Mensch weg von Christo, und hat er das erst gethan, so folgt aus dem Unglauben aller Betrug der Sünde, denn jede Sünde geht aus dem Unglauben hervor. In den eben vorgelesenen Worten zeigt nun der heilige Apostel, wodurch wir vor aller Verstockung bewahrt bleiben. Ist es der Unglaube, der in die Verstockung hineinführt, so kann es nichts anders sein als der Glaube, der uns vor der Verstockung bewahrt. Er sagt: Denn wir sind Christi theilhaftig geworden, so wir anders das angefangene Wesen bis ans Ende fest behalten. Wollt ihr also als Christen den Lauf vollenden und selig werden, so müßt ihr in dem Glauben, durch welchen ihr Christi theilhaftig geworden seid, beharren bis ans Ende. Also an Jesum glauben und in diesem Glauben beharren bis ans Ende, das ist es allein, wodurch wir selig werden. Die ganze heilige Schrift kennt keine andere Ursache der Seligkeit als den Glauben. Fragt der Kerkermeister zu Philippe: Was muß ich thun, daß ich selig werde? so ist die Antwort: Glaube an den HErrn Jesum, so wirst du und dein Haus selig. Fragen wir unsern HErrn Jesum, so antwortet der: Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingebornen Sohn gab, auf daß Alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Und noch kürzer spricht Er es aus: Wer an den Sohn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht an den Sohn glaubt, der ist schon gerichtet. Warum ist dieser Glaube nun die einzige Ursache der Seligkeit? Das lernen wir aus unserm Text: Weil wir durch den Glauben Christi theilhaftig werden. Du wirst Christi theilhaftig, d. h. Christus ist dein Christus, Alles, was Er erworben hat, hat Er dir erworben, Alles, was Er gelitten hat, hat Er für dich gelitten, so bald du an Ihn glaubst. Wenn dir Christus tausend Jahre gepredigt wird und du glaubst nicht an Ihn, so hilft dir die tausendjährige Predigt nichts. Wenn du täglich das Vater Unser betest und du glaubst nicht, so hilft dir das Beten nichts. Wenn du getauft wirst und das heilige Abendmahl empfängst, und du glaubst nicht, so helfen dir Taufe und Abendmahl nichts. Allein durch den Glauben wirst du Christi theilhaftig. Das ist es, weßhalb so viele Menschen zur Hölle laufen, sie glauben nicht; sie begnügen sich damit, daß sie die Predigt hören, ja die Predigt für wahr halten, aber dabei bleiben sie stehen. Christus hat darum den Thron der Herrlichkeit verlassen, um die Menschen zu erlösen. Es steht geschrieben: Gott will, daß Keiner verloren gehe, sondern daß Alle selig werden; Gott will, daß allen Menschen geholfen werde und daß sie alle zur Erkenntniß der Wahrheit kommen. Er hat Sein Blut nicht für einige, sondern für alle Menschen vergossen, denn es heißt: Christus ist das Lamm Gottes, welches der Welt Sünden trägt; das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von allen Sünden. Abermals sagt der Apostel Johannes: Derselbe ist die Versöhnung für unsere Sünden; nicht allein aber für die unsern, sondern auch für die ganze Welt. Für alle Sünden aller Sünder hat Christus Sein Blut vergossen, Keiner ist ausgeschlossen, es kann Jeder selig werden; aber es ist nöthig, daß du Jesum als deinen Heiland annimmst, und das geschieht durch den Glauben. Daß Jesus Alle erlöset hat, daß Er Alle selig machen will, ist gewiß; aber du wirst nur selig durch den Glauben, du mußt dir Christum zueignen durch den Glauben, mußt sagen können - Ich glaube, daß Jesus für mich Mensch geworden ist, daß Er für mich Sein Blut vergossen hat, daß Er für mich gestorben, auferstanden und gen Himmel gefahren ist. Wenn du das thust, dann eignest du Ihn dir zu und kannst sagen, ich glaube an Jesum. Ist Jesus dein Jesus geworden durch den Glauben, so ist noch nöthig, daß du in diesem Glauben beharrest bis ans Ende; das ist der gewisse Weg zur Seligkeit. Das kann dir noch nicht helfen, daß du einmal gläubig gewesen bist und hernach abfällst, sondern das ist nöthig, daß du gläubig bist und im Glauben bis ans Ende beharrest. Der Prophet Hesekiel sagt: Wenn ein Gerechter Böses thut, so wird es ihm nicht helfen, daß er fromm gewesen ist; und wenn ein Gottloser fromm wird, so soll es ihm nicht schaden, daß er gottlos gewesen ist. So kann auch der Gerechte nicht leben, wenn er sündigt. Also glauben und durch den Glauben sich Jesum aneignen, und darin beharren bis ans Ende, darauf kommt es an. Wenn du im Sterben liegst, und die heiligen Engel wollen deine Seele heimführen, kannst du dann noch sagen: Jesus ist mein Heiland, dann kannst du selig heimfahren; kannst du sagen: Christus ist mein Leben, so ist Sterben dein Gewinn; kannst du sagen: Ich lebe; aber doch nun nicht ich, Christus lebt in mir, so wirst du in Ewigkeit leben. Mußt du aber sagen: Ich war einmal gläubig, aber jetzt bin ich's nicht mehr, so hilft dein vormaliger Glaube gar nichts. Sehet also, meine Lieben, das Christenthum und der seligmachende Glaube ist ganz und gar ein inneres, göttliches, himmlisches Wesen, und das kann auf keine andere Weise als durch den heiligen Geist unser Theil werden. Denn ich kann nicht durch eigene Vernunft oder Kraft an Jesum Christum, meinen HErrn, glauben oder zu Ihm kommen, sondern der Heilige Geist muß mich durch das Evangelium berufen, mit Seinen Gaben erleuchten, im rechten Glauben heiligen und erhalten; denn der Glaube ist des Heiligen Geistes Werk. Da gilt es täglich zu beten: HErr, stärke uns den Glauben; ich glaube, hilf meinem Unglauben. Wenn ihr an Jesum glaubt und im Glauben beharren wollt, so merket euch, daß da kein Tag sein darf, wo ihr nicht zu Jesu gehet und Ihn um Vergebung der Sünden bittet; denn wir täglich viel sündigen und wohl eitel Strafe verdienen. Suchen wir keine Vergebung der Sünden, so können wir auch die Seligkeit der Gnade nicht erfahren. Darum mußt du im Glauben verharren, daß du immer Vergebung der Sünden habest. Wenn der Christ hie und da fällt und sündigt, so ist er damit noch nicht aus der Gnade gefallen; bittest du aber nicht um Vergebung der Sünden, so mußt du endlich aus der Gnade fallen. Ich bin so lange ein Kind Gottes, als ich Vergebung der Sünden habe, und höre auf ein Kind Gottes zu sein, wenn ich keine Vergebung der Sünden mehr habe. Ihr könnt das sehen an dem Könige David. Wie selig war er in der Verfolgung, als er von einer Kluft zu der andern, aus einer Höhle in die andere gejagt wurde, welche liebliche Psalmen betete er da. Wer kann das Wort: Der HErr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln, beten, ohne bis zu Thränen gerührt zu sein? Aber wie unselig wurde er, als er die Ehe gebrochen und gemordet hatte, und nun ein ganzes Jahr ohne Vergebung der Sünden verlebte. Da war er nicht mehr der alte David. Während dieser Zeit war er der ärgste Bösewicht, Wütherich und Tyrann geworden. Zu derselben Zeit sollte die Stadt der Kinder Ammon, die Rabba hieß, erobert werden; Joab rief David, damit der den Ruhm davon bekäme. Denn David war so weit gekommen, daß er seinen Generälen den Ruhm nicht gönnte, sondern ihn selbst haben wollte. Ich glaube, wenn Joab den König nicht gerufen hätte, es hätte ihn auch den Kopf gekostet. Als nun die Stadt erobert war und die Vornehmsten gefangen genommen waren, wie benahm sich David gegen die Gefangenen? Wie man es nie gehört hat von einem Könige in Israel, denn die waren als barmherzige Könige bekannt. Selbst der gottlose Bube Ahab war barmherziger als er. Was that David? Er ließ Ziegelöfen heizen und ließ die Gefangenen darin verbrennen, er ließ sie mit eisernen Keilen, Hacken und Sägen tödten. Und das that der Mann, der ein Mann nach dem Herzen Gottes genannt wird. Wie kam das? David war aus der Gnade gefallen. So wie David zurückkehrte, nachdem er seine Sünde bekannt hatte und ihm von Nathan das Wort gesagt worden war: So hat der HErr auch deine Sünde weggenommen, du wirst nicht sterben, - da ist er wieder der alte David. Nun kommt die Ermahnung: So lange ihr lebet, gebt diesem Worte Raum, auf daß ihr nicht verstockt werdet, wie in der Verbitterung geschah. Denn Etliche, da sie hörten, richteten eine Verbitterung an; aber nicht Alle, die von Egypten auszogen durch Mose. Aus der Verbitterung gegen Gottes Wort kommt die Verstockung. Wenn Gott deine Sünden straft und du glaubst, daß die Strafe recht sei, wirst du dich je gegen die Strafe verbittern? Nein, du küssest die Hand, die dich schlägt, und sagst: Das ist Recht, ein solcher Sünder bin ich. Glaubst du aber, daß dir Unrecht geschehen ist, so verbitterst du dich, und das ist der Anfang der Verstockung. Frage dich z. B. jetzt einmal vor Gottes Angesicht, ob es eine Sünde giebt, die Gott nicht bei dir strafen müßte? Giebt es eine Sünde, von der du frei bist? Wenn du nun mit allen Sünden behaftet bist und von keiner einzigen dich freisprechen kannst, wie kannst du denn sagen, daß Gott dich mit Unrecht straft? Du hast eben gehört, daß Gott David als einen Mörder gestraft hat. Sagst du nun, David war ein Mörder, mich darf Gott nicht einen Mörder nennen, denn ich habe Keinen todtgeschlagen; so sage ich dir: Weißt du nicht das Wort: Wer seinen Bruder hasset, der ist ein Todtschläger;- hast du noch nie deinen Bruder gehasset? Oder, wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig; hast du noch nie mit deinem Bruder gezürnt? Schilt Gott euch Ehebrecher, und ihr wollt sagen: So darf Er David wohl schelten, denn der hat mit Batseba Ehebruch getrieben, ich aber habe noch nie in einem Hurenbette gelegen. Höre, du weißt die Schrift noch nicht. Erstlich giebt es wenige Menschen, die nicht buchstäblich Hurer und Ehebrecher sind, der Hurengeist herrscht so entsetzlich in der Welt, wie noch nie; aber das weiß ich auch, Einige, obgleich Wenige, giebt es noch, die sagen können: Ich habe mich niemals mit grober Hurerei und Ehebrecherei befleckt, das weiß Gott. Aber auch die können nicht sagen, Gott strafe sie mit Unrecht, wenn Er sie Hurer und Ehebrecher nennt, denn Jesus sagt: Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen; und von diesen sündlichen Gedanken und Blicken ist kein Mensch frei, er sei wer er sei. Ihr sehet, Gott straft keinen Menschen mit Unrecht, denn es giebt keine einzige Sünde, damit wir nicht mit befleckt sind; darum haben wir keine Ursache zur Verbitterung. Will der Mensch diese Strafe nicht annehmen, so ist der Unglaube daran schuld, und aus der Verbitterung folgt dann die Verstockung. Aber was hilft dem Menschen solche Verbitterung und Verstockung? Weiter nichts, als daß er die Gnade immer weiter wegstößt, und so muß er denn zuletzt in seinen Sünden sterben, der elende Mensch. Darum: Heute, so ihr Seine Stimme hören werdet, verstocket eure Herzen nicht. Sage doch ja Keiner, ich habe die Strafe nicht verdient, sondern geht zu Jesu und nehmt den als euren Heiland an. Gehest du zu Jesu, bekennst du dem deine Sünden, nimmst du Ihn im Glauben als deinen Heiland an und du stirbst dann, so kommen die Engel und tragen deine Seele in Abrahams Schooß. Amen.

Vers 17-19.

Ueber welche aber ward Er entrüstet vierzig Jahre lang? Ist es nicht also, daß über die, so da sündigten, deren Leiber in der Wüste verfielen? Welchen schwur Er aber, daß sie nicht zu Seiner Ruhe kommen sollten, denn den Ungläubigen? Und wir sehen, daß sie nicht haben können hinein kommen, um des Unglaubens willen.

Als der heilige Apostel in dem Vorigen sich auf das Beispiel der Kinder Israel in der Wüste berufen hat, um die Christen zu warnen, daß sie sich nicht in Sicherheit und Verstocktheit dem Worte Gottes widersetzen, und ihnen gezeigt, welche Folgen diese Sicherheit für die Kinder Israel gehabt hat, hat er die Worte Gottes selbst angeführt: Ich ward entrüstet über dies Volk und schwur in Meinem Zorn, daß sie zu Meiner Ruhe nicht kommen sollen. Daran knüpft er unsere heutigen Textesworte und zeigt, über wen Gott entrüstet ward. Die Antwort ist: Ist es nicht also, daß über die, so da sündigten, deren Leiber in der Wüste verfielen? Die Entrüstung Gottes war also nicht gleicher Weise über alle Kinder Israel, sondern über diejenigen, welche sündigten. Und dazu hatte Er Ursache genug; denn das Sündigen ist es ja, was Gott dem HErrn ein Greul ist. Um die Menschen von der Sünde zu erlösen, dazu hat Gott Seinen Sohn gesandt und darum hat Er sich geoffenbart in der heiligen Schrift. Der Zweck der Offenbarung Gottes ist 1. daß den Menschen die Sünden vergeben werden, und 2. daß sie aufhören mit Sündigen. Gott will den Menschen die Sünden vergeben und hat dazu Seinen Sohn Jesum gesandt; aber Er verlangt von den Erlöseten, daß sie aufhören mit Sündigen. Hören sie dann aber nicht mit der Sünde auf, so sagt Gott zu ihnen: Ich werde entrüstet über euch und schwöre in Meinem Zorn, daß ihr zu Meiner Ruhe nicht kommen sollt; und so war es mit den Kindern Israel auch. Er hatte sich den Kindern Israel geoffenbart auf dem Berge Sinai, Er hatte ihnen da das heilige Gesetz gegeben, und sie hatten versprochen, gehorsam zu sein. Als aber der Zug weiter ging durch die Wüste, fielen sie von einer Sünde in die andere. Bald murreten sie, bald trieben sie Hurerei und Ehebruch, und dann wieder Götzendienst, dann fehlte es an Brot, Wasser und Fleisch, sollten sie gegen den Feind kämpfen, so wollten sie es nicht und sollten sie nicht gegen den Feind kämpfen, so griffen sie ihn an. Bei allen diesen Sünden entrüstete sich Gott. Murreten sie, Gott schickte den Verderber, waren sie lüstern nach Fleisch, so kamen die Lustgräber, trieben sie Götzendienst, so schickte Gott die Kinder Levi mit dem Schwert, trieben sie Hurerei, so schickte Gott eine große Plage, 4. Mose 25; und also verfielen ihre Leiber in der Wüste. Laßt uns das auf uns Christen anwenden. Das ist den Israeliten widerfahren und die haben lange nicht so viel Gnade empfangen als wir. Die Offenbarung durch Mose ist lange nicht so herrlich, als die Offenbarung durch Christum. Durch Moses Offenbarung ist ihnen wohl die Erkenntniß der Sünde geschenkt, aber nicht die Vergebung der Sünde. Wir haben durch Christum die Vergebung der Sünden und die Kraft, die Sünde zu lassen. Denn der Heilige Geist, der uns an Jesum glauben lehrt, der schenkt uns auch den Glaubensgehorsam. Was willst du nun, o Christ, anführen, wenn du sündigst? Willst du sagen, ich habe keine Kraft, die Sünde zu lassen? so antworte ich dir: Das ist eine Lüge. Ich weiß es wohl, daß du aus dir selbst keine Kraft hast; aber wenn dir die auch fehlt, wer ist denn der Heilige Geist? Ist Er nicht wahrer Gott wie der Vater und der Sohn, gelobt in Ewigkeit? und heißest du nicht als ein Christ des Heiligen Geistes Tempel? Wohnt nun der Heilige Geist in dir, treibt dich der Heilige Geist, hast du da nicht Gottes Kraft in dir und kannst du dennoch von Schwachheit sprechen? Was du mit deiner Kraft nicht kannst, das kannst du durch den heiligen Geist; und den hast du, denn du bist ein Christ. Sagt doch der heilige Apostel: Wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist, welchen ihr habt von Gott, und seid nicht euer selbst? und: Welche der Geist Gottes treibet, die sind Gottes Kinder. So laß doch dies lügenhafte Reden von deiner Schwachheit. Willst du die Kraft, die du hast, gebrauchen, so brauchst du nicht mehr zu sündigen, sündigst du aber doch, so kommt es daher, weil du Gefallen daran hast. Zum zweiten, wenn du nicht aufhörst mit Sündigen nach deiner Bekehrung, so kann ich nicht glauben, daß du den wahren Glauben hast, ich kann es mir nicht anders vorstellen, als daß dein Glaube ein erlogener ist. Wenn ich Jemand recht von Herzen lieb habe, so ist es mir unmöglich ihm Kummer zu machen und ihn zu betrüben; dagegen einem solchen Freude zu machen, davon ist mein Herz voll. Und ich weiß, dadurch wird Jesus betrübt, wenn ich sündige. Habe ich Ihn lieb, so kann ich Ihn nicht betrüben und darum nehme ich mich vor der Sünde in Acht. Und thust du das nicht, so kannst du nicht sagen: Ich glaube an Jesum. Glaubst du wirklich, daß Jesus Seinen letzten Blutstropfen für dich vergossen hat, so ersparst du Ihm allen Kummer und machst Ihm alle Freude; und die besteht darin, daß du Alles thust was Er haben will und Alles lassest was Er verboten bat. Lassest du die Sünde nicht, so hast du keine Liebe zu Jesu und folglich auch keinen Glauben. Darum sind die Christen, welche sündigen, viel schlechter als die Israeliten in der Wüste; denn sie sündigen gegen den Gott, der Sein Blut für sie vergossen hat und gegen den heiligen Geist. Wenn der Juden Leiber in der Wüste verfielen, wie wird es euch denn gehen? Konnten die Juden nicht in das irdische Kanaan kommen, so müßt ihr zehnmal mehr des Todes sterben und könnt nicht in das himmlische Kanaan kommen.

Darum zeigt sich ein jeder wahre Christ eben dadurch als ein Christ, daß er mit dem größten Ernst der Heiligung nachjagt und die Sünde meidet. Und wenn ein solcher wider sein Wissen und Willen sündigt, so hat er von dem Augenblick keine Ruhe mehr, als bis er zu den Füßen seines Jesu gelegen hat und der Vergebung der Sünden theilhaftig geworden ist; und dann führt er den angestrengtesten Kampf, um nicht wieder in die Sünde zu fallen. Bei dem redlichen Christen findet man den ernstesten Kampf gegen die Sünde; die Sünde zu thun, das erlaubt ihm die Liebe zu Jesu und der Glaube an Jesum und der Heilige Geist nicht. - Nun kommt die zweite Frage. Der heilige Apostel fragt! Welchen schwur er aber, daß sie nicht zu Seiner Ruhe kommen sollten? und antwortet: Sind es nicht die Ungläubigen? und wir sehen, daß sie nicht haben können hineinkommen, um des Unglaubens willen. Da wird uns gezeigt die rechte Ursache, aus welcher alle Sünden hervorgehen: Der Unglaube. Der Unglaube war die Ursache, warum Israel nicht zu Gottes Ruhe eingehen konnte. Der Unglaube wird die Mutter aller Sünden genannt. Wenn z. B. ein Dieb einbrechen will in ein Haus und anderer Menschen Gut nehmen, und er glaubt, daß Gott bei ihm steht, wird er jemals einbrechen in des Nächsten Haus? Er kann es nicht. Wenn ein Mensch im Begriff ist, sich in ein Huren- oder Ehebrecherbett zu legen, könnte er das wohl, wenn er glaubte, daß Gott bei ihm stände? Woher kommt es, daß der Dieb stiehlt? Er glaubt nicht an Gott. Woher kommt es, daß der Hurer hurt? Er glaubt nicht an Gott. So ist es mit jeder Sünde, die Menschen haben Gott nicht im Glauben gegenwärtig bei sich. Und darum sind sie nicht eingegangen, sagt er, in die Ruhe Gottes. Laßt uns das auch an einigen Beispielen der Geschichte des alten Bundes sehen. Als die Israeliten in der Wüste sind, da werden sie verdrossen über den langen Weg, und Gott sendet feurige Schlangen, daß durch deren Biß das Volk sterbe. Aber Gott ließ auch durch Mosen eine eherne Schlange aufrichten, und wer die ansah, sollte lebendig bleiben. Sagt mir, kann der Anblick einer kupfernen Schlange den Menschen gesund machen? Ihr sagt Nein und habt auch Recht. Würden wir hier die Probe machen, so würde sich das bald zeigen. Wir haben hier auch giftige Schlangen, die sogenannte Kreuzotter. Beißt die Kreuzotter einen Menschen, so schwillt das gebissene Glied ganz dick an, und es sieht aus, als ob der Mensch sterben sollte. Nun richte einmal vor dem Menschen eine kupferne Schlange auf und sage: Wenn du die ansiehst, so sollst du gesund werden. Und wenn der Mensch die kupferne Schlange zehn Jahre ansähe, das würde nichts helfen. Aber hier ist die Sache anders; Gott hat gesorgt: Richte eine eherne Schlange auf, und wer die ansieht, der soll leben. Also nicht um der Schlange willen, sondern um des Worts Gottes willen sollten die leben, welche sie ansahen; und Gottes Wort hat die Kraft, den Menschen gesund zu machen. Wer nun von den Israeliten an Gottes Wort glaubte, der sah die Schlange an und ward gesund; wer aber nicht an Gottes Wort glaubte, der sah auch die Schlange nicht an und mußte sterben. Und die Gläubigen, wenn sie anders treu blieben, kamen dann in das Land Kanaan. Ein anderes Beispiel. Wie viel sind denn überhaupt hineingekommen in das Land Kanaan? Im Ganzen nur zwei, Josua und Caleb; alle andern sind niedergeschlagen in der Wüste. Gott hatte zwölf Kundschafter ausgesandt, die sollten das Land Kanaan erkunden; und als sie das gethan hatten, da kehrten sie zurück und brachten die Nachricht: Es ist ein schönes Land, darinnen Milch und Honig fließt. Sie hatten auch eine Traube mitgebracht, die von zwei Männern getragen werden mußte, dazu auch Granatäpfel. Aber, setzten sie hinzu, es ist ein starkes Volk, wir haben auch Riesen gesehen und große und feste Städte. Da schrie das ganze Volk, man sollte Mose steinigen, denn ein solches Land könnten sie nicht erobern. Josua und Caleb sprachen: Kinder, es ist zwar ein großes, starkes Volk, aber wir gehen mit Gott und der ist stärker als unsere Feinde. Da wollten sie die auch steinigen. Und sehet, Alle die nicht glaubten, sind nicht hineingekommen in das gelobte Land, und nur diesen zweien, Josua und Caleb, welche glaubten, ist das verheiße Land zu Theil geworden. Also wird es auch euch gehen mit dem himmlischen Kanaan, mit der ewigen Seligkeit. Alle Gläubigen kommen hinein, und die nicht glauben, erlangen die Seligkeit nicht. Warum nicht? Weil sie nicht glauben. Willst du selig werden? Glaube an den HErrn Jesum. Wer nicht glaubt, der wird ebensowenig in das himmlische Kanaan kommen, wie jene nicht in das irdische Kanaan gekommen sind. - Seht, meine Lieben, diese beiden Stücke müßt ihr bei der Beichte recht zu Herzen fassen. Ihr wollt Vergebung der Sünden haben, und sollt sie auch haben, aber nur unter der zwiefachen Bedingung, 1. daß ihr glaubt und 2., daß ihr von der Sünde lasset. Gottes Diener soll euch von der Sünde frei, los und ledig sprechen, aber nur unter der Bedingung, daß ihr glaubt. Habt ihr dann die Vergebung im Glauben angenommen, so müßt ihr auch von der Sünde lassen. Nicht dazu erlangt ihr Vergebung der Sünden, daß ihr von frischem darauf los sündigen könnt, sondern daß ihr der Sünde absterbet und Christo lebet. Dann werdet ihr gewiß in das himmlische Kanaan kommen. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/harms_l/harms-der_hebraerbrief/harms_l_hebraer_3.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain