Harms, Claus - Das Vater Unser in 11 Predigten - Die fünfte Predigt.
Dein Wille geschehe.
Gesang 698, 1-4. Gott, der du unser Vater bist.
Das Vaterunser ist unendlich auszulegen,
Darum ists ein Gebet von ungemess'nem Segen.
Das Vaterunser ist unendlich auszudeuten,
Darum ist's im Gebrauch bei so verschiednen Leuten.
Darum kann denn auch über dieses teure Gebet gepredigt werden überall, ausdeutender, auslegender Weise, in nicht Einer Predigt nur, sondern in mehreren, vielen, wie das geschieht in den bereits gehaltenen vier und in sechs oder sieben noch zu haltenden. Es bleibe Christus, des Gebets Geber auf unserm Wege bei uns! Und wenn es noch mehrere wären, oder wenn wir ein andermal wieder darangingen, oder wir hörten eines andern Mannes Predigten darüber, ausgelegt dermaßen, dass nichts darin bliebe als noch unausgelegt, nein, teure Christen, in dem Verstande ausgelegt würde das Vaterunser nimmermehr. Von jeder einzelnen Bitte, sowie von dem Anfange, von dem Schlusse sogar dieses Gebets ließe sich sagen, was wir eben von dem ganzen Gebet sagten, einen so reichen Inhalt hat jedes einzelne Stück desselben. Wie wenig können daher diejenigen uns irre machen bei unserm häufigen Gebrauche des Vaterunsers, welche behaupten, es biete nicht genug dar, um es also häufig zu brauchen, die Andacht vertrage es nicht, so oft auf eben dasselbige gewiesen zu werden, immer denselbigen Weg zu gehen, sie fordere Abwechslung. Abwechslung? So Jak. 1, 14: „Bei dem Vater des Lichts ist keine Veränderung noch Wechsel.“ Die Gemeinde will ferner auch ein Gemeinsames haben, das alle Herzen bewegt und alle Zungen erregt, des haben wir aus dem Alten Testament den Segen, gottgelehrt 4 B. Mos. 6, dass, welcher sich segnen wird auf Erden, Jes. 65, sich mit dem rechten Gott segne, und haben ein anderes gemeinsames Wort, von Christo gelehrt, Matth. 6, in dem Vaterunser, gebetet auf Erden, soweit Christen wohnen, und nebst Taufe und Abendmahl die dreifältige Schnur, mit dem apostolischen Glaubensbekenntnisse die vierfältige Schnur, die alle Gemeinden zusammenhält und jedes einzelne Glied wiederum mit der Gemeinde. Dieserwegen, teure Zuhörer, da es mit dem Vaterunser solche Bewandtnis hat, könnt' es kürzer sein, als es ist, könnt' es von minder reichem Inhalte sein, als es ist, so würden wir doch die Behauptung abweisen, dass es zu oft gebetet würde, nun aber, da es von Inhalt so reich ist, da halten wir diesen seinen Inhalt vor und sagen: Betende Seelen, nehmt es! verschiedene Leute, braucht es! Wieviel Betgedanken eine einzelne Bitte zuführt, das sollt ihr heute an der dritten Bitte sehen.
Lasst uns mittelst des Ganzen uns in diesen Teil zuvor hineinbeten.
Vater unser rc.
Ob nicht manchem Zuhörer es eben so ist, wie es mir ist, wenn wir nun vor einer Bitte stehen? Mir ist's jedes Mal bisher gewesen, als wäre diese Bitte so inhaltsreich und auslegungsvoll wie in gleichem Maß keine andre. Es hat in früherer Zeit jemand den verschiedenen Bitten verschiedene Eigenschaften zugesprochen, ihr lasst sie euch gerne nennen. Die erste hat er die heilige geheißen die zweite die selige, die vierte die leichte, die fünfte die gefährliche, die sechste die sichere, sicher stellende, die siebente die nötigste. Ich hätte die dritte, unsre heutige, ausgelassen? Die wollt' ich besonders hervorheben. Er heißt sie die schwere, und erklärt sich so darüber: denn es gehet schwer ein, wenn nicht unser Wille sondern Gottes Wille soll erfüllt werden. Ist aber das Tun nach dieser Bitte schwer, mag es auch nicht leicht heißen, in einer Predigt die Hörer zu dem Tun danach zu bewegen, sie in diesem Tun zu stärken. Helfe die Bitte selbst dabei, wenn die Predigt über sie den mehrfältigen Dienst zeigt, den die dritte Bitte den betenden Seelen tut.
Was sie denn tue?
1) sie bricht den Stab des eigenen Willens;
2) sie legt dem ungestümen Begehren einen Baum an;
3) sie drückt in das Gewissen einen Stachel;
4) wider den Mutwillen der Gottlosen steht sie als eine Mauer da;
5) den leidenden Frommen führt sie in kühlen Schatten;
6) die Bande der Todesfurcht löst sie auf;
7) lässt die Erde sich in dem Himmel spiegeln.
Es ist ein vielfältiger, ein siebenfältiger Dienst. Die Predigt hat kein Maß für mehr, tut ihr hinzu, meine Lieben, insonderheit legt euch selber das aus, wie sich die dritte Bitte als Anschluss an die beiden ersten zeige und wie sie selber uns in die Berechtigung zur folgenden vierten Bitte hineinversetze.
I.
Nun denn, ihr lieben verschiedenen Leute, dass ich diese Benennung noch einmal brauche, kommt heran. In einem und andern Betrachte send ihr verschieden nicht, send es nicht in Betracht des ersten von den sieben angegebenen Diensten, die uns die dritte Bitte leistet: sie bricht den Stab des eigenen Willens. Die zweite Bitte tut das auch an ihrem Teil. Wo Gott sein Reich haben soll, da kann unser Wille ja nicht herrschen, und wo sein Name geheiligt werden soll, da muss unser Name hintenan, untenan stehen mit unserm Wirken und Tun, wenn überall das Unsrige irgendwas gelten darf. Aber hier in der dritten Bitte tritt es bestimmt hervor. Dein, dein Wille geschehe, das bricht unserm Willen den Stab entzwei. Den Stab des Willens, spreche ich, meinend den Stab, auf welchen man sich stützt, und welchen man auch wohl zur Abwehr aufhebet. Da tretet nun näher zu meiner Rede heran. Ob Jemand von euch Allen sei, der nicht in der einen und in der andern Weise, wie gesagt, seinen Willen wider Gott brauche? Ich meine, was dies betrifft, da sind wir einander gleich und findet sich auch kein Unterschied hier. Wahr ist's, unser Schöpfer hat den Willen, den freien, uns anerschaffen und, Christen, unser Erlöser Jesus Christus hat uns so wenig von demselben erlöst, dass er im Gegenteil uns zu ihm, in ihn hinein uns erlöst hat und des freien Willens Wiederhersteller geworden ist. Joh. 8: „Welche der Sohn frei macht, die sind recht frei, wer aber Sünde tut, der ist der Sünde Knecht.“ Was ist das? Christentum ist das, erlernte Sache in Christi Schule ist das, erlernte Sache im Leben mit Christo in Gott ist das. Allein wir bleiben in diesem Stück immer Schüler und bleiben immer Kinder. Das will sagen: derjenige Wille in uns, der mit Gottes Willen nicht übereinstimmt, bei welchem wir den göttlichen Willen nur zum Scheine tun, oder gar mit welchem wir uns dem Willen Gottes widersetzen und uns über den hinweg setzen, von diesem Willen in uns bleibt für und für etwas vorhanden in uns. Meinte Jemand von sich, dass in ihm nicht? Ich sage dem: Alle Sünde ist dein eigener Wille und dein eigener Wille eben ist die Sünde; frage bei jeder Sünde vor, sie wird dir's sagen, oder sich nur eine Sünde darauf an, so wirst du es schon aus ihren Augen lesen. Du wolltest eben nicht wider Gott, selbst aber doch wolltest du, das ist die Sünde der Schwachheit und der Trägheit. Oder du wolltest offenbar und dir selbst geständig etwas wider Gott, das ist die Sünde der Bosheit. Wer ist von der einen und von der andern rein! In wie guter Gesellschaft ich auch hier zu sein glaube, so ist doch kein Heiliger, kein Engel in unserer Zahl. Was lehre ich euch denn tun, dass wir dieses Eigenwillens frei werden? Zu anderer Zeit Anderes auch, heute nach unserm Text: Betet! betet die dritte Bitte! betet mit der dritten Bitte euern harten Willen geschmeidig, betet den Stab euers Eigenwillens entzwei, dass er in seinen gebrochenen Stücken vor euch liegt und ihr anstatt seiner nehmet den Willen Gottes. Euren weg, jenen her, beides geschieht, wenn von den beiden eins, denn Beides ist eins. Und andere Wege mögen auch gegangen werden, dies ist aber der Weg, der zum Ziel am ehesten führt. Betet das Vaterunser oft und ob ihr bald zur vierten Bitte kommt oder vor derselben stehen bleibt, bleibt stehen lange, bleibt stecken in der dritten, die hilft! Denkt, sprecht, ruft, weint: Dein Wille geschehe!
II.
Solcher Ungestüm, wenn es einer ist, der ist in dieser Sache an seinem Ort. Sonst, und hiermit gehen wir zum Zweiten über, sonst, Christen, dürfen wir in unsern Begehrungen von Gott nicht dringend, nicht ungestüm sein vor Gott. Die dritte Bitte legt allem ungestümen Begehren einen Baum an. Hier lassen wir das Schicksalsgebiet sich auftun, wie es jemandem geht, wenn wohl, dass es noch besser gehe, wenn übel, dass es ihm wohl gehe und bald, morgen, heute. Der eine will behalten, was er hat und nichts davon verlieren; der andere will erhalten, was er nicht hat, und meint, in seiner Entbehrung, unter seinem Schmerz es nicht aushalten zu können. Wenn wir die Scharen übersehen könnten, die täglich, stündlich vor dem Throne Gottes liegen, sie sind alle durch einander, gesondert aber von einander würden sie sich darstellen tausend mit einem Begehren, das auf ihren Zustand gehet, derer tausend gegen einen, der in Betreff seiner selbst, seiner Seele, seines Seelenlebens betet. Ob wir denn nicht dürfen wie die tausend? Freilich, und vor dem großen Gott ist nichts klein, zu klein; wir sind auch ja mit dem Vaterunser gelockt, dass wir bitten sollen, wie die lieben Kinder ihren lieben Vater bitten. Kinder bitten um Kleines wie um Großes, bitten um Alles. Ebenso wir. Freund, wie hältst du es? Nun, du bittest. Aber um die Erhaltung auch dessen, was du hast, und wenn keine Gefahr des Verlierens vor Augen ist? Ich glaube, dann hast du selten etwas auf dem Herzen. O lasse dir sagen: Viel geht verloren, das ein behaltenes Gut bliebe, wenn wir dieserwegen öfter ständen vor Gott. Dagegen wenn Gefahr herankommt, wenn Nässe oder Dürre auf dem Felde liegt oder die Hagelwolke über der reifenden Feldfrucht steht, wenn die Flamme dem Wohnhause, der Scheuer, dem Speicher nahe kommt, oder in welcher Gefahr dein Haab und Gut schwebt, - ich nenne teurere Güter, - wenn du Weib, Kind erkranken siehst, kränker werden siehst, Luther betete am Krankenbette eines Töchterleins, nicht wahr, dann stehst du mit deinem Begehren vor Gott und betest? Was? Was betest du? Ich will nicht streng sein, Gott ist es nicht, aber das verlang' ich in Gottes Namen, dass du auch betest, wie Gottes Sohn vorgeschrieben hat, dass wir so beten sollen: Dein Wille geschehe. Die dritte Bitte des Vaterunsers soll deinem ungestümen Begehren den Baum der Bändigung anlegen, und sie tut es. Sprich nur so, sprich in den Sturm hinein so, der in dir ist, sprich wider dich selbst und selbst mit Unwahrheit in deinem Herzen so, dass die Lippen das Herz die Wahrheit lehren und dein Begehren in Ergebung und Überlassung umkehren. Ebenso wenn der Riss geschehen ist, der Verlust da ist, du hattest und hast nicht mehr, aber hingegeben, überlassen hast du noch nichts, kannst es nicht, meinst es nicht zu können, und alle deine Gedanken vor Gott sind ein Wiederzurückfordern von ihm. Was du aber dagegen tun könnest? die Gedanken seien deiner mächtig, zu mächtig. Ich sage: Bete, bete die dritte Bitte: Dein Wille geschehe. Stillgestanden mit dieser Bitte, anhaltend gebetet. Das hat so vielen geholfen, wird dir auch helfen. Erprob' es!
III.
Die Rede geht in einer andern Richtung. Von allen Menschen ohne Unterschied, d. h. die überhaupt. noch beten und die in der Gemeinde mitbeten, wird das Vaterunser, wird die dritte Bitte gebetet. Also kommts auch wohl manchmal über des Gottlosen Lippen. Was aber sagt der damit, wenn er vor Gott sagt: Dein Wille geschehe! Gott ist nicht ein Gott, dem gottloses Wesen gefällt, Psalm 5, wer böse ist, der bleibt nicht vor ihm. Und Ps. 11: Er wird regnen lassen über die gottlosen Menschen Feuer und Schwefel, und wird ihnen ein Wetter zum Lohn geben. Und zwei Sprüche aus dem Neuen Testament: Die Hurer und Ehebrecher wird Gott richten, Hebr. 13 und Röm. 2: Du nach deinem verstockten und unbußfertigen Herzen häufest dir selbst den Zorn auf den Tag des Zorns, da es Trübsal und Angst geben wird über alle Seelen der Menschen, die Böses tun. Sehen wir, das ist Gottes Wille. Sehen wir, das betet ja auf sich herab, sein eigen Urteil, Strafurteil, seine Verdammnis selber, wer böses Sinnes und Herzens im Vaterunser betet: dein Wille geschehe. Soweit betet ein Bösewicht, worin denn sein Bösesein besteht und welchen Namen es bei ihm hat, im Vaterunser vorwärts. Er spricht: Vater. Das Unkind sollte den Namen hinter seinen Zähnen behalten! Geheiligt werde dein Name, spricht er; der Lästerer Gottes sollte ja nicht sein Auge vor Gott aufschlagen! Dein Reich komme; der sich unter die Obrigkeit der Finsternis begeben hat, sollte doch den Spott nicht so weit treiben! Nun aber, wenn er in der dritten Bitte spricht: Dein Wille geschehe, was ists? Können wir's Unverstand nennen, Unbedacht? Seis das gewesen, bis er gehört, was ich hier zu hören gebe, von dem an ists kein Unverstand mehr und kein Unbedacht, sondern Hohn und Verwegenheit. Wie wenn er spräche: Wirf zu, schieß zu, du triffst mich nicht, und schlage zu, du erreichst mich nicht, oder wenn, so geschehe dein Wille, ich aber will mir in die Zunge beißen vor Schmerz, doch um Gnade nicht flehen; vergeblich soll dein Wille an mir geschehen. Das ist zu viel!! Wäre dies Wort über die dritte Bitte von Jemand gehört, der des schrecklichen Falles ist, so gehe er mit dem Stachel in seinem Gewissen heim, und ich weiß, dass ich ihm das Vaterunser gegeben habe, indem ich es von ihm weggenommen habe, dass er es nicht und insonderheit die dritte Bitte nicht beten dürfe.
IV.
Aber der Wille geschieht doch, wenn auch die Welt voll von solchen Gottlosen wäre, die alle wider Gott stritten mit ihrem Fürsten vorauf. Sonst kann ein Mensch wohl vor ihnen bange sein. Wer schützt uns? Die schwache, gute Sitte? Sie werden nicht offenbar mit ihrem Werk. Das Gewissen, das noch in ihnen ist? Sie haben ja kein Gewissen mehr. Die Furcht vor der weltlichen Strafe? Es ist dem Verletzten und Betrübten wenig damit gedient, wenn auch, der an ihm gefrevelt, dieserhalb hinter eisernen Stangen sitzt. Und auf wie viele Missetaten ist gar nicht einmal eine bürgerliche Strafe gesetzt. Ehrenschänder z. B. und Kummermacher gehen ja mehrenteils frei durch. Was in den Häusern vorgeht, Kränkungen da, die am Leben nagen, wer sieht sie, hört sie? Oder, die Augen auf die öffentliche Sicherheit und Wohlfahrt gerichtet, ja auf die kirchlichen Angelegenheiten auch, was Reinerhaltung des göttlichen Worts und das teure Gut des Glaubens an Jesum Christum betrifft, ob solches in Räuber oder in treuer Pfleger-Händen liege, ob zerstreut oder gesammelt, niedergerissen oder gebaut, gehemmt oder gefördert werde, was können die Guten wider die Bösen? wer schützt die Rechtschaffenen vor dem Mutwillen der Schalke und Schurken? In der Bibel steht der Letzteren Name nicht, ob in späterer Zeit erst die Sache sich gewiesen haben mag, die solchen Namen bekommen? Was ist aber unser Trost wider sie? Wir haben mehr als Trost, Trotz vor ihnen ist uns gegeben mit der dritten Bitte, die eine Mauer zwischen ihnen und uns ist und lässt sie nicht weiter kommen, als Gott will. Nicht ihr, nein, Gottes Wille geschieht, bösen Rat und Willen bricht er und hindert, was Verderbliches manchmal beschlossen und auszuführen angefangen wird. O liebe Freunde, wenn wir wüssten, was wir nicht wissen, wovon wir nur wenig wissen, wieviel Böses von uns abgewandt worden durch die gute Hand über uns, wie manchem Verderber, der Land und Leute unglücklich zu machen begann, von dem Arm des Höchsten gewehrt, wie vielen Bösen gesteuert und auf deren eigenen Kopf das einem Andern bereitete Unheil gebracht hat, wie noch viel getroster und trotziger würden wir sein! Aber wir wollen uns recht getrost und trotzig beten mit der dritten Bitte, hinter: dein Wille geschehe, als hinter eine eherne Mauer treten.
V.
Die aber im Leide sind und unter dem Kreuz gehen, woher es denn kommt, aus Zulassung Gottes oder Fügung, Zufügung, und denen es heiß wird in ihrem Drangsal, - das Vaterunser, die dritte Bitte, die ist Kühle in der Schwüle. Ob's nicht genug sei, wenn nur das ungestüme Begehren den Baum anbekommen hat? Es ist schon viel, allein das Herz erfordert noch mehr. Die Unterwerfung unter Gott, die Hingebung an Gott ist eine schöne Sache, doch muss die zu einer noch schöneren führen. Leid muss wie Freud', muss Freud' werden. Heißt jemand das übermenschlich, - überbiblisch ist es doch nicht. Jak. 1: Meine lieben Brüder, achtet es eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtung fallt, und 1 Petri 4: Freut euch, dass ihr mit Christo leidet. Und unter den acht Seligpreisungen Christi ist es die zweite schon, Matth. 5: Selig sind, die da Leid tragen. Ach ja, man kann es, fröhlich sein, selig sein selbst in tiefem Leide, in schwerem Kummer. Ich meine selbst so etwas schon erfahren zu haben, doch bin ich ein weit Übertroffener, wie in vielem auch in diesem Betracht, sage denn nur, soviel ich weiß. Ich weiß, dass in dem Menschen eine Stätte ist, ein Kämmerlein, dahin kein Leid nachkommt, wenn die Seel' in dies Kämmerlein gehet, und der Schmerz muss außenvor bleiben, er klopft an, pocht an, will die Tür aufbrechen, und kommt doch nicht mit herein. Darinnen ists aber wie im kühlen Schatten, und ist nicht anders darin, als wie im Gebet Asariä gelesen wird, da in den letzten Versen: Der Engel des Herrn ist mit uns im Ofen und stößt die Lohe vom Feuer aus, und macht es im Ofen wie einen kühlen Tau. Den Engeldienst tut gern die dritte Bitte, wenn die mit ihren Vorstellungen in die Seel' hereinkommt. Dein Wille geschehe, mein Vater, es ist dein Wille, dein Wille an mir, deinem Kinde, Gedanken des Friedens hast du mit mir, und Gedanken des Zorns sind es gewiss nicht. Du bist auf einem guten Wege mit mir, selbst in einem guten Werk an mir, ich will nicht hindern, nicht stören. O wie schön wird der Hervorgang sein, wie werd' ich dir danken, wenn nun dein Werk an mir gelungen ist. Vater, fortan, bis du „Genug!“ gesagt! dein Wille geschehe.
VI.
In wem, mit wem es also steht, nicht wahr? dem ist auch vor der Dinge keinem bange, die noch kommen können, und wenn er auch kommt, den Bildad den König des Schreckens nennt, Hiob 18, wenn der Tod kommt. Man sollte es nicht denken, dass er einem Christen so erscheinen werde, erscheinen könne, allein gerüstet wider ihn müssen wir doch sein, und wenn der Tod sollte mit Schrecken über uns kommen, so müssen wir doch solche Bande zu lösen wissen. Womit? Wie wird es getan? Auch hier bietet sich die dritte Bitte dar: dein Wille geschehe. Niemand sagt im Voraus, wie ihm werde sein, wenn es zum Sterben geht. Gerhard war doch wohl ein frommer gläubiger Christ? wie hat er seine Gesänge so recht aus Glauben und Gottvertrauen und Halten an Christo herausgeholt! Doch sagt er im Gesang 257: „O Haupt voll Blut und Wunden“ im vorletzten Vers: „Wenn mir am allerbängsten wird um mein Herze sein.“ So muss er ja an die Seelennot gedacht haben, welche wohl eintreten könnte bei dem Sterben. Ja, Lieben, wer schon davon soll und ist noch kaum darin, wer vom Tisch aufstehen soll und hat erst eben angefangen zu essen, wer ein teures Werk aufgeben soll, das er glücklich erst begonnen hat, oder da liegt ein Vater auf Sterben, eine Mutter auf Scheiden, der Blick vom Bett geht auf die größeren Kinder: Wer wird eurer wahr nehmen? auf die kleineren Kinder: Ihr Würmlein noch, vor wem werdet ihr euch krümmen, ach um wen, um wessen Gunst und Barmherzigkeit noch kriechen, wenn ich von euch genommen bin! Was hat ein Mensch zu sagen in solcher Furcht, das besser ist, das sanfter die Bande der Furcht löset, als dass er sage betend: dein Wille geschehe? Von einer andern Seite den Tod angesehen, er führt uns vor Gottes Gericht. Wie wenn dieses Gericht, so mancher hat es erfahren, schon in den letzten Tagen, ehe er noch hintritt, sich auf die Seele wirft, dem Sterbensollenden auch nicht anders ist, als stritten sich Engel und Teufel um ihn, wes er sein solle, wie ist zu raten auf diesen Fall? was soll reden, der darin ist? Beten soll er, beten lassen, seinen Glauben stärken und wieviel er kann, seine Zuversicht beleben, auf Gottes Gnad' und Christi Blut wegsterben und sprechen: Herr, dein Wille geschehe! das ist aber dein Wille ja, dass keiner verloren gehe, du wirst einen gnädigen Spruch für mich haben! Das ist dein Wille ja, dass wer den Sohn sieht und glaubet an ihn, habe das ewige Leben. Drum werd' ich es haben, muss ich es haben, ich glaube nach deinem Willen, ich sterbe in deinem Willen und auf ihn. Furcht, weich'! Angst, schweig! verdammendes Herz, verstumme! Hier ist, der größer als du bist und der seinen Willen auch an mir vollzieht und mich selig macht. Sein Wille geschieht. Hier glaub' ich's, dort seh' ich's.
VII.
Die dritte Bitte führt aber mit ihrem eigenen Ausdruck in die andre Welt schon hinein, in die hohe, ferne Welt, in den Himmel hinein, dass wir sehen hier, wie es dort ist. Wie im Himmel, also auch auf Erden. Das heißen wir: Sie lässt sich die Erde in dem Himmel spiegeln. Wie es denn dorten sei? Mit kurzem Wort den ganzen Himmel beschrieben: Sein Wille geschieht. Von wem er geschehe? Ich bin für die beliebte Auslegung nicht, dass Sonne, Mond und Sterne verstanden werden. Sie mögen mitverstanden werden meinethalben, wie sie denn ja nach Gottes Willen dort stehen und gehen und tun ihre Dienste unausgesetzt, in friedlichem Ausweichen auch, dass ihnen das Haus nicht zu eng wird, doch sind's tote Körper und größer zwar mehrenteils als die Erde, doch nicht besser, und was die Ordnung anbetrifft, den Gehorsam, so tut die Erde ebenso wohl Gottes Willen als die Sonne. Heißt es aber auch, was Anmerkens wert ist, in der Grundsprache hier nicht, wie zu Anfang des Vaterunsers und gewöhnlich: in den Himmeln, sondern hier steht, bei Matthäus und bei Lukas, in der Einheit, als an Einem Ort, wie im Himmel. Also, Freunde, keine daran, keine darum, sondern die darin sind, lebende Wesen, vernünftige Geister, Gott gleich Geschaffene und die sich auf dieser Stufe gehalten haben seit ihrer Schöpfung, oder die, auf Erden erneuert durch Christum, - eine andre Verneuerung kenn' ich nicht, himmlisch gesinnt und der Erd' entfremdet, derer die Erd' auch nicht mehr wert, in den Himmel aufgenommen worden, diese, meine ich, sind zu verstehen als die Gottes Willen tun im Himmel, jene Zahl, die ein Seher sah, Offenb. 14, von der Erd' Erkaufte, hundert und vier und vierzig tausend, - es sind wohl künftige Selige nicht gewesen, o wie muss diese Zahl vermehrt sein von dem an! Denn selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von dem an V. 13.
Dass sie den Willen Gottes taten, ward ihre Seligkeit, dass sie ihn tun, ist ihre Seligkeit. Spiegele, Erde, dich in dem Himmel! und ihr alle, die ihr auf Erden wohnt, spiegelt euch in den Himmelsbewohnern! Warum sind sie selig und worin? Darum und darin, dass sie Gottes Willen tun. Was ist da im Wege, dass wir nicht die Erde zu einem Himmel machen, an unserm Teile? Gott wird's nicht hindern, so wenig, dass er selbst dazu helfen wird, o mit wie williger Hand! Sprich nicht: Er hat die Erde ja verflucht. Das hat er, doch wie gemeint, wie auf die Länge nicht gemeint, das hat er gewiesen so und so und besonders damit, dass er durch die Menschwerdung seines Eingebornen sich sogar einmal eine Hütte bei uns aufgeschlagen hat, davon der Bericht Joh. 1: und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit. Was würde die Erde sein und in Kurzem, wenn sein Wille geschähe! Zwischen Erd' und Himmel auch kein Unterschied mehr, wie du Einzelner es wohl verspürest, wenn du dich findest und fühlst als jetzt recht mitten in Gottes Willen mit Glauben, Tun und Leiden und bist wie verkläret davon in der Himmlischen Bild, siehst dein eignes himmlisches Bild. Wir kennen ein zwiefaches Zittern, das der Furcht und das der Freude, dies aber ist das Zittern der Freude, dass wir auf eine solche Höhe können gehoben werden, hier schon, unter die Heiligen und Seligen dort, und ist nicht anders, als wären wir im Himmel, dahin gehoben über drei Stufen, über die drei ersten Bitten im Vaterunser. Warum Jesus nicht das teure Gebet mit dieser Bitte beschlossen hat! Können wir uns denn noch höher beten? Wir können uns nur wieder herabbeten. Aber er wusste es wohl, was uns heilsam sei und was wir noch durchzumachen hätten auf dieser Erde, darum setzte er noch vier Bitten hinzu. Nun, die wollen wir auch gerne beten, doch dass wir heute bei der dritten stehen bleiben und den ganzen Tag unsre Seele beschäftigen mit den Worten: Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden. Amen.