Harms, Claus - Das Vater Unser in 11 Predigten - Die vierte Predigt.
Zu uns komme dein Reich.
Gesang 185. Die Erd' ist, Jesu Christi, dein.
Fügen wir zu dem Gesang ein Gebet hinzu, die Bitte, welche sich im Gesang 598, in dem Tedeum, findet: „Nun hilf uns, Herr, den Dienern dein, die mit deinem teu‘rn Blut erlöset sein. Lass uns im Himmel haben Teil mit den Heil'gen im ewigen Heil! Hilf deinem Volk, Herr Jesu Christ, und segne, was dein Erbteil ist. Wart' und pfleg' ihr'r zu aller Zeit und heb' sie hoch in Ewigkeit!“
Nach so genommenem Anfang wollen wir jetzt denn zu unserm Werk gehen, das es eigentlich sein soll während dieser Stunde, an dieser Stelle in unserm Gottesdienste. Wir sind in eine Reihe Predigten eingetreten über das teure Vaterunser und sollen fortgehen darin. In eine Reihe von Predigten, das will sagen, nicht bloß Predigten nach einander, den einen Sonntag gehalten hierüber, den andern darüber, sondern zwischen welchen sich eine Verbindung findet und wenn es auch nur eine Verbindung wäre, wie wenn Perlen oder dergleichen auf einem Faden aneinander gereiht sind. Freilich das Vaterunser, über welches mehrere Sonntage gepredigt wird, ist mehr als ein bloßer Faden, denn sie selbst, die einzelnen Teile, mit Inbegriff der Anred' und des Schlusses, hängen mit sich selber auch zusammen. Mangel an Zusammenhang ist indessen ein Tadel, der vielfältig über das Vaterunser ausgesprochen worden. Ach, Lieben, seien wir selbst nur recht im Zusammenhang, so oft wir das teure Gebet sprechen, ich meine, seien wir nur mit unsern Gedanken zusammen recht bei den Worten, wie sie uns in den Mund gelegt sind, dann möchte es mit dem behaupteten Mangel an Zusammenhang doch nicht weither sein. Drei und drei fließen offenbar in einander. Wo der Name Gottes geheiligt wird, da entsteht sein Reich, und in seinem Reiche, geschieht sein Wille. Werden wir die Sündenschuld los durch die Vergebung, so haben wir zu bitten Ursach', dass wir nicht von Versuchungen zu neuen Sünden geführt werden, dabei geht der Blick in die Zeit und in das Land der völligen Enthabenheit: Erlöse uns von dem Übel. Bloß die vierte Bitte, die um das tägliche Brot, wohl manches Betenden ganzes Vaterunser, wieweit er es mit Andacht betet, die scheint allerdings nicht an ihrer Stelle zu stehen und überhaupt nicht unter die sechs andern Bitten zu gehören. Wir sagen dazu: Wie man sie nimmt. Wäre das geistliche Brot zu verstehen, wie man es isst im Reiche Gottes, Luc. 14, wie die Seel' es braucht, um den Willen Gottes zu tun und sich vor Sünden zu hüten, so, achte ich, würde niemand nach einem vermissten Zusammenhang fragen. Allein es heiße auch, zu seiner Zeit mehr davon, - richtig das leibliche Brot, nun, Brüder, wär's denn nicht wert, im Vaterunser zu stehen? Es ist die Weihung des Irdischen, die Heiligung des Alltäglichen, es ist die Beseitigung so vieler Hindernisse des göttlichen Willens, es ist das Wegbeten so vieler Anlässe zu Versündigungen, namentlich woher Feindschaften entstehen und die Vergebungen so erschwert werden. Haben unsre Gedanken dieses Wort hier nicht gesucht, so sucht das gegebene Wort hier unsre Gedanken daran und führt unsre Gedanken von der dritten Bitte in die fünfte. Soviel von dem Zusammenhang, der sich im Vaterunser wirklich findet, welcher denn ein Zusammenhang wird auch der Predigten, die darüber gehalten werden. Die erste Bitte ist die Pforte zu der zweiten. Selbstsucht und Menschenvergötterung wird durch jene abgestreift, unser inneres Leben spiegelt in ihr sich ab, selbst unser äußeres Tun wird beleuchtet, wir beten uns mit derselben weiter ins Christentum hinein - in die Gemeinschaft der Gläubigen, ins Vaterunser selbst weiter hinein - zunächst in die zweite Bitte.
Vater unser rc.
Wir tun gewiss wohl daran, meine Lieben, wenn wir unsre heutige Predigt von dem Wort der Bitte sich tragen lassen. Sie gibt der Predigt drei Stücke. Es wird gebetet: I. um ein Reich, II. um Gottes Reich, III. dass dieses komme.
Um ein Reich, das also einen bestimmten Herrn hat, zu welchem ein bestimmtes Volk gehört, welches seine bestimmten Gesetze und Einrichtungen hat.
Um Gottes Reich, darunter nicht die Schöpfung zu verstehen ist, oder das Gebiet des Menschenlebens, was sich darauf zuträgt, und das sündige Menschenleben gar nicht, sondern das Leben, welches mit Christo verborgen in Gott ist, wie es der heilige Apostel nennt.
Dieses Reich möge doch kommen, im Worte liegt, dass es ein schon gekommenes sei, doch auch ein noch kommendes sei, und einmal ein völlig gekommenes sein werde.
Geht nun mit mir in diese Sachen hinein. Jesus, du Gebetgeber, nimm deinen Teil auch als Predigtgeber! ich rufe dich darum an.
I.
Sein Reich soll kommen, damit sagen wir zugleich, ein Reich soll kommen. Nicht soll es sein, wie sich's von selbst macht, nicht bleiben, wie es von selbst geworden ist, und nicht jedes für sich stehen, wo eben es sich hinstellt nach seiner Neigung oder nach Zufall. Das nicht, sondern als ein geordnetes größeres aus Teilen bestehendes Ganze soll es erscheinen zu oben darüber ein Haupt, das die Herrschaft hat. Wer da weiß, was er sagt, wenn er ein Reich sagt, der weiß auch, dass er das sagt. Strenges Regiment gibt es und mildes, ein mehr und minder gefühltes, aber wer es weiß, was er sagt, wenn er ein Reich sagt, der weiß auch, dass er das sagt, und nimmt damit das Vorhandensein einer Herrschaft an. Sprecher des Worts, Beter dieser Bitte, hierauf tretet heran und sagt von euch, ob ihr ein Reich kennt, in welchem ihr betet, wenn ihr von keinem Herrn wisst, unter welchem, so seid ihr in gar keinem Reich, also auch nicht in Gottes Reich. Nennen müsst ihr können, wer euer Herr, müsst hinzeigen können dahin oder dort, auf den, oder in Fällen auf die, welche es sind, bestimmt der oder diese, wenn ihrer etwa Mehrere, zwischen welchen die Herrschaft geteilt werde, aber doch die zu nennen sind, die zu zeigen sind, dass ihr unter denen steht. Eine bestimmte Herrschaft noch einmal, ein wirkliches persönliches Vorhandensein, nicht aber, was man vielfältig in unsern Jahren auch so hat nennen wollen, Gedankendinge, gedruckte Zeilen, Ideen, Gesetze, Konstitutionen und solches, denen ihr Wert oder Verdienst hiermit nicht abgesprochen sein soll, nach welchen zwar, aber von welchen nimmermehr ein Reich regieret wird, wofern nicht eines Jemandes Wort und Hand, beide, darüber schweben. Habt ihr einen solchen bestimmten Herrn? Zum Andern sollte ein Reich das heißen, da sich ein bestimmtes Volk. findet. Große Reiche gibt es und kleine, aber auch das kleinste, das noch den Namen führt, besteht nicht etwa aus zwei oder drei Personen, sondern aus einer größeren, viel größeren Zahl. Unterschiede mögen sein, Stände, Verschiedenheiten, Eigentümlichkeiten, die werden nicht aufgehoben, nein sie werden zum Teil hervorgerufen, werden eingesetzt, wo ein Reich vorhanden ist, allein daneben ein Gemeinsames zugleich, unterscheidend dies Volk von jeglichem anderen, Ähnlichkeiten, äußere und innere, nur nach dem Mehr und Weniger verschieden, vorhanden jedoch, sei's Sprache, sei's Lebensweise, sei's Ansicht, Urteil, Bestrebung und Freude, Urteil über, Bestrebung nach, Freude an Bestimmtem, was es denn ist. Hörer des Worts, Beter der zweiten Bitte, wenn ihr sagt Reich, dann geht euer Gedanke nicht über eine Menge bloß, sondern über eine verbundene Menge, und ist's ein Reich im Entstehen noch, im Werden, im Kommen, dann geht euer Gedanke auf eine größere Zusammengehörigkeit, Einigkeit und Verbundenheit, wie bei dem Volke sich's findet, und wie an immer Mehreren, also auch an jedem Einzelnen, der dazu gehört, diese Verbundenheit, Einigkeit und Zusammengehörigkeit sich finden wird. Gehört ihr zu einem bestimmten Volk, wie vorhin gefragt wurde, unter einem bestimmten Herrn? Einen Herrn haben, ein Volk sein, bestimmte Gesetze und Einrichtungen haben, das gehört zu einem Reich. Wo letzteres fehlt, daselbst ist, ob Herrscher und Volk auch, ein Reich nicht, und bald auch nicht Herrscher und Volk mehr. Denn, was die Strahlen der Sonne sind, das sind die Gesetze des Herrschers. Sie, die Sonne, ein kalter Körper und ein toter, wenn von ihr keine Strahlen ausgehen, der bald nicht mehr angesehen wird, ob er gleich ohne alle Blendung angesehen werden kann, weil er längeren Ansehens nicht wert befunden wird. Er, der Herrscher, ebenso, wenn von ihm keine Gesetze ausgehen. Weiter, die nicht werden zusammengehalten durch Gesetze und als ineinander gebracht durch Einrichtungen, welche Vielen zum Nutzen gereichen, was kommt bald und bleibt nicht aus? Man wird trachten nach dem, was man nicht hat, und sich hinwenden, wo man es zu finden hofft, der dahin, der dorthin. So viele Menschen so viele Wege, so viele Menschen so viele Versuche, ob das mangelnde Lebensglück nicht möge stecken darin oder darin, wie's Jeder versucht auf seine eigne Hand. Da ist kein Reich, sondern da bestimmte Gesetze und Einrichtungen sind, welche man gelten lässt, wie lange? bis an ihre Stelle, woher sie denn kommen, bessere, ich spreche nicht neue, sondern bessere, offenbar bessere treten und werden angenommen mit Willigkeit, derweil aber ist man des Bestehenden froh. Gefragt hierauf, ob wir mit demjenigen Teil unsres Lebens, der in einem weltlichen Reiche seinen Raum nicht hat, seine Bewegung nicht, sein Haben und sein Wissen nicht hat, ob wir mit diesem unseren Lebensteil uns in einem Reich wissen?
II.
War' ich zu lang gewesen in Beschreibung eines Reichs? Wenn, so bin ich's gewesen, auf dass die Hörer alle das Licht des Begriffs erhielten, was ein Reich sei, und es sich sagen könnten, ob sie in einem. Denn das scheint mir muss bei einem jeden Vaterunserbeter in Klarheit stehen, ob er zu einem Reich gehöre oder zu keinem, nach seinem inneren Leben und nach seinem äußeren zum Teil auch, um mittelst dieser Klarheit sich selbst in die zweite Bitte hineinbeten zu können. Kennt man denn nicht eine große Gattung von Menschen, mit welchen man in der Tat nirgendshin weiß? Herrn und Volkslose, die ihres Handelns Gesetz sich alle Morgen neu schreiben, wenn sie aufstehen? Das Vaterunser möge sie irgendwohin bringen, wenn sie das lernen oder verstehen lernen, und geb' es der Geber dieses Gebets, in das rechte Reich hineinbringen. Nun, zweitens, es wird nicht gebetet um irgendwelches Reich, sondern um Gottesreich, dass dieses komme, zu uns komme dein Reich.
Unsre Rede rückt hier näher heran und zwar zu denjenigen hin, die nach ebengemachter Beschreibung in einem Reich allerdings leben, um zu sprechen mit diesen jetzt, ob es auch wirklich das Gottesreich sei, darin sie leben oder in irgendwelch' anderem. Folgt mir und lasst euch bedeuten, dass die Schöpfung hier nicht gemeint sei, die Natur um uns her nicht. Zwar wir schließen sie nicht vom Reich Gottes überhaupt aus; wie sollten wir das! Ps. 19. „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Feste verkündigen seiner Hände Werk.“ Wir sangen ja auch vorigen Sonntag No. 126: „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre, Ihr Schall pflanzt seinen Namen fort; Ihn rühmt der Erdkreis, ihn preisen die Meere, Vernimm, o Mensch, ihr göttliches Wort!“ Im dritten Verse: „Verkündigt Weisheit und Ordnung und Stärke Dir nicht den Herrn, den Herrn der Welt?“ Du hast deine Freude daran, habe sie! stehst mit Bewunderung unter dem Himmel, stehe da, ich will bei dir stehen! bete an den mächtigen Schöpfer, den Halter und Walter, in allen der Walter, bete den gütigen Gott an, der auch unsre Erde schmückt wohl schön! und segnet Äcker und Weiden wohl reichlich! bete ihn an, ich tue das auch, und lass ihn den Gott darüber sein, darin sein, er ist es mir auch, deinen Gott, er ist auch mein Gott. Aber, Freunde, dies Reich ist, ob auch Gottes, doch das in der zweiten Bitte gemeinte nicht. Siehe, das ist ja kein kommendes, wie gebetet wird, sondern seit Ablauf der ersten sechs Tage, die in der Zeit gezählt worden sind, immer vorhanden gewesen, derselbe Himmel über der Erde, dieselbe Erd' unter dem Himmel, und dieselben auf der Erde stehenden zum Himmel sehenden Menschen in ihren Geschlechtern von Adam und Eva her. Und wenn wir nach dem Volke fragen, das zu diesem Reiche gehört, so ist ja kein Volk, welches nicht, ein bestimmtes kann hier nicht genannt werden. Ob sie auch nicht eben singen: Wir glauben all' an einen Gott, stehen sie doch insgesamt unter diesem einen Gott, und dessen Macht über ihn kann niemand entgehen. Weiter die bestimmten Gesetze und Einrichtungen in der Schöpfung, allerdings vorhanden sind sie, aber wie jedes geschaffene Wesen, unbelebt und belebt, unvernünftig und vernünftig, sind sie hineingelegt worden, wissend und unwissend, wollend und nicht wollend befolgt, wie z. B. kein Wesen seine Geburt verfrühen, noch seinen ihm bestimmten Tod um eine Stunde verspäten kann. Darum wer von einem andern Reiche nicht weiß als von der Schöpfung, der steht noch auf dem ABC der Gotteserkenntnis und hat noch viel zu lernen, namentlich die zweite Bitte, dass er die verstehe. Andere haben ihre Religion auf dem engeren Gebiet des Menschenlebens, eine Schicksalsreligion, ein Schicksalsreich. Kein Reich, kein Gottesreich wollen wir dies nicht heißen, nur ist es das im Vaterunser gemeinte Reich nicht und geht auf das in der zweiten Bitte gemeinte Gottesreich nicht. Denn ob hier, ob über der ganzen Menschheit auch der Wille des Einen Herrn schwebet, so sind die Menschen doch nicht nach Völkern verschieden. Freilich hat das eine Volk dieses, das andre das aus desselbigen Herrn Hand, aber die Sonne lässt er über seine Bekenner scheinen und über seine Verleugner, regnen lässt er über die Gerechten und Ungerechten.
Gestalt, Verstand, Rede ist der ganzen Menschheit gegeben, und wahrlich aus dem Mehr oder Weniger in dieser und solcher Art, können Andre das?
Ich weiß hieraus ein bestimmtes Gottesreich nicht zu bilden. Danke deinem Schöpfer für dein Leben, ich danke ihm das meinige auch, und des Lebens Erhaltung, die tägliche Zehrung, der Freuden Mehrung, du gehst mit deinem Danke nicht allein, und wenn du in dem ganzen Lebensverlauf eine gütige Gotteshand wahrnimmst, so bin ich auch nicht blind und singe: Mich hat, o Vater meines Lebens, dein Rat noch immer gut geführt. Aber sieh', wenn du und ich uns recht darüber aussprechen wollen, es ist doch wahr, die geeignetsten, angemessensten, ausdruckvollsten Worte finden wir dazu im Alten Testament. Freunde, was ist das? Im Neuen Testamente steht das Vaterunser doch, und zu allernächst hat es ein Gebet für die Jünger Jesu sein sollen. Jesu Jünger, des Neuen Testaments Inhaber, denen sollte nichts Anderes gegeben worden sein, als was sich schon bei Moses und den Propheten fände und in demselben Verstande wie da? Nimmermehr. Dies Reich, das Gebiet des Menschenlebens, was sich darauf zuträgt, kann das in der zweiten Bitte gemeinte Gottesreich durchaus nicht sein.
Ich habe noch ein Drittes genannt, welches gleichfalls nicht in unsrer zweiten Bitte gemeint wäre. Von diesem aber will ich nicht sowohl zur Belehrung ein Wort sagen, sondern zur Bekehrung, dass alle doch heraustreten. Sonst ein Reich ist es. Da ist ein bestimmter Herr, da ist ein bestimmtes Volk, da sind bestimmte Gesetze und Einrichtungen, ein Lehrstand, ein Wehrstand, ernähren lassen sich dieses Reichs Genossen, die undankbaren Menschen, von dem gütigen gnädigen Gott, hat seine Gesandten und Repräsentanten, seine Diplomaten und Anwälte, und was man nennen mag, das findet sich in diesem Reich. Welches Reich ich meine? Ich weiß, dass Bibelwort besser als meines vertragen wird, so sage ich dann mit Bibel und zwar mit neutestamentlichem Wort, mit Christi, Luca 11: Ist denn der Satanas mit ihm selbst uneins, wie will sein Reich bestehen? und Joh. 14: Es kommt der Fürst dieser Welt, und hat nichts an mir, - und was er zu Petro sagte: Der Satan hat euer begehrt, dass er euch möchte sichten wie den Weizen. Der Apostel Worte, Pauli, Ephes. 2: In Sünden habt ihr weiland gewandelt nach dem Laufe der Welt und nach dem Fürsten, der in der Luft herrschet, nämlich nach dem Geist, der zu dieser Zeit sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens. Johannis Wort, im ersten Briefe Kap. 3: „Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“ Jacobi Wort Kap. 4: „Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch.“ Und Petri Wort im ersten Briefe, ja im ersten Briefe Kap. 5, V. 7, 8: „Seid nüchtern und wachet, denn euer Widersacher der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge, dem widersteht fest im Glauben.“ Ich habe nicht so geredet, nicht so geschrieben, Diener am Worte, der ich nur bin. Oder glaubt Jemand von euch, dass er dürfe mit dem Wort verfahren, wie's ihn bedünkt? Ich rate ab, rate aber, dass er wenigstens zu seiner Sicherheit recht genau möge in sich zusehen, von welchem Geist er getrieben, von welcher Macht er gezogen, von welchen Banden er gehalten werde, und in wessen Botmäßigkeit er stehe, ob er nicht in diesem Reich lebe, sondern in Gottes, um welches wir in der zweiten Bitte beten, dass es komme, zu uns komme.
Wir haben diesem, dem Gottesreich, dem in der zweiten Bitte gemeinten, eine nähere Bezeichnung gegeben, diese nach Koloss. 3: „Es ist euer Leben verborgen mit Christo in Gott.“ Lassen wir unser Wort von diesem tragen. Es ist ein Leben und kein Tod, der Tod ging dem Leben vorher, aber es ist nicht aus dem Tode hervorgegangen, sondern wir wissen, ob auch nicht Tag und Stunde jeder, doch alle die Zeit, da wir die Stimme des Sohnes Gottes hörten und gingen lebend aus unsern Gräbern hervor, wissen von einer Zeit, da wir den Geist bekamen, einen neuen, der uns Jesum lehrte unsern Herrn heißen, da wir, Jünglinge schon, Männer sogar, alternde Männer wieder in einer Weise Kinder wurden und bekamen, was der Kinder ist, wie Jesus sagt, das ihnen gehörende Himmelreich. Also ein Leben mit Christo, Christus und sein Wort, Christus und sein Suchen unsrer Seele, Christus und sein uns gewiesenes Verdienst, das hohe und teure, in seinem vergossenen Blut dargelegte Verdienst, dass er um unsertwillen am Holz gehangen, seit dass unser Glaube dies ergriffen, gleichwie Jesus uns mit dem Glauben ergriffen zuvor, immer mit ihm umgegangen, Freude nehmend mit Würze von ihm, Leiden mit seinen Versüßungen, - ein mit Christo verborgen Leben ist das. Verborgen; wohl kam Manches davon an Tageslicht, des die Menge sich wunderte, davor das Volk verstürzt ward, jedoch das Meiste und Schönste blieb ihren Augen verborgen. Zeugnisse her. Zeugt, Christen, ob ihr nicht manchmal in dieser neuen Welt unbeschreibliche Dinge gesehen, unaussprechliche Worte gehört habt? Ein Leben verborgen mit Christo in Gott; Gott war in Christo, 2 Kor. 5; Christus in uns, Gal. 2; ich in ihnen, spricht Jesus, Joh. 19, du, Vater, in mir, sie in uns eins. Mit Christo verborgen in Gott, noch einmal und näher zu unsrer zweiten Bitte gekehrt, da Gott unser Herr ist in der Person seines Gesalbten, Herr aller derer, welche geworden, was wir sind, zu einer Gemeinde, zu einem Volk gesammelt, Ein Volk nach Herstamm, Sprach' und Sitte, dieselben Gesetze habend, dass, wer auch aus der weitesten Ferne kommt, sich alsofort unter Christenmenschen zurecht findet, und kennt ihre Einrichtungen, Taufe, Abendmahl, Sonntag, Predigt, Gebet, das Vaterunser z. E., somit die Christenheit, und ist, wenn bei Christen nur, als zu Hause und als unter seinem Volk, in Otaheite oder in Grönland.
III.
Das nun ist das Reich, um welches in der zweiten Bitte gebetet wird, dass es komme. Luther sagt: Es kommt auch wohl ohn' unser Gebet, von ihm selbst, aber wir bitten, dass es auch zu uns komme. Mit Wahrheit hat er das Kommen nicht von unserm Bitten um dasselbige abhängig gemacht. Es kommt von selbst. So ist es gekommen zu Anfang. Wir betrachten das Reich Gottes als ein schon gekommenes. Stände ich etwa mit neuen Verkündigungen hier und Anpreisungen? Es ist da, und ihr habt, neutestamentliches Wort davon genug gehört in dieser Predigt. Es ist schon da, ist da gewesen, seit Christus an den Zwölfen die gegebene Verheißung erfüllte, als an demselbigen Tage bei dreitausend Seelen hinzugetan wurden. Da, Lieben, da haben wir unsere Stammväter, unsern Abraham, Isaak und Jacob zu suchen. Denn es hat dem Herrn gefallen, durch Menschen sein Reich zu mehren, zu erhalten und stets zu mehren. Der Same ist das gepredigte Evangelium.
Seit das in der Welt gewesen ist und seit Menschenseelen das in sich haben pflanzen lassen, ist ein Reich Gottes auf der Erde. Ob Gott der Herr sich gleich vorbehalten hat, dann und wann jemanden unvermittelt durch Menschenwerk an ihm in sein Reich zu rufen, so ist seine Regel doch und gewöhnliche Weise, wie die Welt durchs Wort ebenfalls, wie es von einem zum andern geht, Seelen aus der Obrigkeit der Finsternis zu führen und in das Reich seines Sohnes zu versetzen.
Denkt ihr an die Kirche hierbei? Richtig, so lang' es eine Kirche gegeben hat, ist ein Reich Gottes. und Christi in der Welt gewesen, die Kirche selber dies Reich, in ihr Leben heißt im Reiche Gottes leben und, Luc. 14, im Reich Gottes das Brot essen. Große Zahl, die es isst! ich meine, wir eben auch sind um einen Tisch, darauf es liegt, und wir nehmen, nahmen, seit wir das erste andächtige Vaterunser gebetet haben, wie andre, unzählige lang' und länger vor uns getan, Reichsgenossen, Kirchgenossen, die jetzt neuaufgelegtes Brot essen und trinken neu des Weinstockes Gewächs mit Jesu in einem Reich auch, in seines Vaters und seinem Reich. An sein Wort Matth. 26 erinnernd. Wenn aber das Reich Gottes schon da ist, was bitten wir noch, dass es komme? und wollen wir nicht die zweite Bitte ansehen, als bloß den Jüngern gegeben zu ihrer Zeit? Freilich eine Zeit wird kommen, da diese Bitte und mehrere und alle sieben Bitten ihre Stätte nicht mehr behalten, da Anfang und Schluss das ganze Vaterunser ist, jedoch so lange die Welt die Welt bleibt, welches heißt, so lange sie bleibt unvergangen, bleibt die zweite Bitte am Himmel hangen, der Frommen Verlangen: Reich Gottes, wann kommst du herab! Alles gebotene Gebet ist gegebene Zusage, wie in Ps. 50, Vers 15 beisammen steht: Ruse mich an in der Not, so will ich dich erretten. Wenn uns also geboten ist, um das Reich Gottes zu bitten, so ist damit - zugesagt, es solle kommen, und gesagt, es sei ein kommendes. Welches Wegs kommt es? Nach der Katechismuslehre: Wenn der himmlische Vater uns seinen heiligen Geist gibt, dass wir seinem heiligen Wort durch seine Gnade glauben und göttlich leben. Wie führt die alte gute Lehre doch Alles auf Gott zurück, dass der es sei! und überlässt uns selber so wenig, dass wir es zu tun, herbei zu bringen, nachzubringen hätten! Gabe, Gnade auch hier wieder. An das „Wir“ ist allein geknüpft, dass wir glauben, dem heiligen Wort, nach erhaltener Gnadengabe des Heiligen Geistes, glauben und in Folge, in Wirkung dieses Glaubens göttlich leben. Hinausgegangen denn mit unsern Gefäßen! aufgefangen denn, was vom Himmel herabkommt! Dreifältig ist die Mission. Die eine, erste ist der Gläubigen Werk an sich selber, dies: immer mehr Wort Gottes in unsern Glauben aufnehmen, den Glauben immer mehr in unser Herz aufnehmen, das immer glaubensreichere Herz immer mehr in Gestalt eines göttlichen Lebens nach Innen bringen und nach Außen, ja, vor den Leuten auch unser Licht leuchten lassend. Die andre Mission, die zweite, ist die zu Hause: Wort, Glauben, Leben zum Lauf bringen, da es stockt, wieviel auch durch Schul' und Kirche getan wird, Prediger sein und Priester neben denjenigen, welche so heißen, und fördern das aller Orten zu schwach besetzte, leider auch an Orten zu schlecht verwaltete Seelsorgeramt. Die dritte Mission ist die im Ausland. Zu anderer Zeit mehr von dieser, heute nur: Gemeinde, du weißt, seit einer Reih' von Jahren manchmal auch von dieser Stätte belehret und ermahnt, was in dieser Hinsicht zu tun sei, wieviel! und wie du an deinem Teile das Werk mit anfassen kannst. Es ist, scheint es, noch lange, bis die Fülle der Heiden wird eingegangen sein und Israel selig wird, Röm. 15, bis das Evangelium vom Reiche wird in der ganzen Welt gepredigt werden, Matth. 24, alsdann das Ende kommen wird. Wie lang es währet, verkürzen wir die Zeit! und den langsamen Gang, fördern wir den nach dem Maß unseres Könnens! Auf dass Gottesreich sich von Jahr zu Jahr als ein näher kommendes zeigt, als ein kommendes.
Einmal wird das Reich Gottes ein gekommenes sein, ein völlig gekommenes. Völlig, das hieße: kein anderes Reich wird sich wider Gottesreich länger erheben, kein Wort wird neben Gotteswort noch gelten, kein Zweifel wird um den Glauben herumschleichen und keine Sünde mehr der Tugend Tort tun. Oder hieße „völlig,“ dass von dem Genannten, von einem anderen Reich und Wort, von Zweifel und Sünd' auch gar nichts vorhanden mehr sein wird, Alles von Gott Entfernte und aus seinem früheren besseren Zustande Gewiesene herwiedergebracht sein wird? Meine lieben Zuhörer, ich meine nicht in eine Predigt über das Vaterunser Vorstellungen aufnehmen zu müssen, die nicht wohl eine Stelle haben können bei uns, wenn wir das Vaterunser beten, und zu diesen Vorstellungen rechne ich die angeführten beiden, die erste von dem tausendjährigen Reich, davon Off. 20 gelesen wird, die andre von der Wiederbringung aller Dinge, welche - Benennung wenigstens hat Apostelgesch. 3, 21, und eine nähere Bezeichnung hat 1 Kor. 15, Vers 23-28. Sei dieses denn bloß erwähnet. Schauen wir dagegen unaufgehalten aus der Zeit ganz hinaus und suchen das völlig gekommene Gottesreich hinter dem jüngsten Tage und hinter dem alles lichtenden, richtenden, schlichtenden Weltgericht. Wohin alsdann diejenigen gerufen werden und eingeführt, welche von Herzen geglaubt und mit dem Munde bekennet haben und in ihrem Leben, wie sehr sie es konnten, dargestellt Jesum und sein Leben in ihnen, welche keinerlei Tiers Mahlzeichen an sich getragen irgendwo, noch angebetet irgendwelch Geschöpf, sondern haben ihn angebetet allein und sind in seinem Zeichen, womit sie gezeichnet worden einmal in der Stunde der Morgenröte, den Tag ihres Lebens gegangen, bis der Abend kam, - welche ihn gesehen an sich, in sich, ihn gesehen auch in Andern und haben ihm gedient in Andern, und was sonst gelehrt worden als Kennzeichen, als Bedingung, als zu gehender Weg, welche in dieser Stücke keinem es haben gebrechen lassen bei sich, diese nach gehaltenem Endgericht gerufen werden und eingeführt, die Namen für den Ort und für den Zustand sind: das Schauen Gottes, die Gesellschaft der vollkommenen Gerechten, die Ruhe des Volkes Gottes, ein ewiger Sabbat, bei dem Herrn sein, des Lammes Weide, sein großes Abendmahl, Zion, das droben ist, das neue Jerusalem, Gottes Hütte bei den Menschen, und andre Namen mehr, welche Hütte zu fassen, zu tragen diese Erde nicht fest genug ist, und nicht rein genug dieser Himmel, um darüber zu stehen, sondern sie selbst, beide müssen neu werden, sollens auch, wenn das Reich Gottes einmal völlig kommt nach Ziel und Vollendung, in seiner Victoria und Gloria, sehnenswert, betenswert, bis es kommt, dann, da, das ist das Reich Gottes. Dein Reich komme!