Harms, Claus - Vorwort
Der ich bishero nur auf dem ascetischen Felde gearbeitet habe, fast nu, und jetzt auf das wissenschaftliche trete, ich thue diesen Schritt nicht ganz ohne Schüchternheit. Womit ich diese Schüchternheit unten zu halten suche, das ist die Vorstellung, wie doch die gegenwärtige Schrift noch immer so viel Ascetisches enthalte und mit Geflissenheit so viel enthalten solle, daher ich mit erscheine als noch kaum auf das wissenschaftliche Feld hinübergegangen. Zudem sind die hier behandelten Gegenstände auch ja solche, die eben der Prediger tagtäglich, so zu sagen, unter Händen hat, Grund dessen man also über dieselben doch einen Prediger auch wird sprechen lassen. Freylich einen andern Titel hätte ich dem Buch geben können, Anleitung z.B., oder Amtserfahrungen, Beyträge zur - , Briefe, oder: Andre Glockentöne, u. dergl. Allein, was doch einmal nach dem Sprachgebrauche Pastoraltheologie heißet, das wird meine, die ich dafür gebe, auch seyn, und beynahe eben so geschickt, wie mancher Pastoraltheolog den Magistermantel trägt, glaube ich ihn doch auch zu tragen.
Sonst ist Vieles von dem, was in der Vorrede gesagt zu werden pflegt, von mir in dem Buche selbst hin und wieder, besonders zu Anfang von mir gesagt worden. Hier denn nur Eines, wie es Recensenten so sehr lieben und was mir auch bey deren Beurtheilung, hoffentlich, wohl zu Statten kommen wird, das ist dieses: Die Reden hier sind keine gehaltenen Reden; ich bin kein Professor und auch kein Winkel-Professor, sondern so verhält sich die Sache: Seit ungefähr zehn Jahren versammeln sich Montagsabends einige Studirende bey mir, am regelmäßigsten im Winter, mit welchen ich literarisches und vornämlich pastoraltheologisches Gespräch führe. Dieß Gespräch hat sich von Jahr zu Jahr pastoraltheologischer gemacht und auch immer begehrter. Da mußte ich denn wol, als der Wirth dieser Gäste, mich jedesmal auf etwas halten, das ich ihnen vorsetzte, und mußte als Tafelkönig zugleich auf Anordnung und Ordnung bedacht seyn. So entstand, was Professoren ein Heft nennen, so entstand ein Leitfaden für diese Unterredungen, und daraus habe ich jetzt diese Reden formirt, welche ihre Entstehung man ihnen auch schon ansehen wird, nun ich es sage. Zwar, ich habe zuweilen eine viertel-, ein halbe Stunde ununterbrochen gesprochen, allein, wie das nicht vom Papier kam, so ist das auch nicht zu Papier gebracht und jetzt in den Druck gegeben worden; möchte aber, das ist mein Wunsch, was ich hier gebe, den Lesern wirklich nicht anders erscheinen, als so vor Zuhörern in der That gesprochen!
Es sind von denen, die an den Montagsabenden Theil genommen, schon Viele ins Amt getreten und Einige von diesen haben mir gesagt, sie hätten Nutzen von unsern Zusammenkünften gehabt; diese Einige haben Andern davon erzählt und bey diesen den Wunsch erregt, mehr davon zu wissen. Daraus ist die verschiedentlich an mich ergangne Aufforderung erwachsen, daß ich das allgemeiner machte, was bisher in der kleinen Zahl geblieben sey, die auf mein Zimmer gekommen. Hier ist es. Was ich indessen nicht habe geben können, sonst gerne mit gegeben hätte, das ist das Lebendige des Gesprächs, - bey welchem ich zuweilen bloß den Zuhörer, den ergötzten, machte unter den lebhaften jungen Freunden. Jetzt spreche ich alleine und spreche aus dem Munde des Buchs, während mit den Augen gehöret wird; das muß der Natur der Sache nach sehr flau dagegen ausfallen. Die Leser aber und insonderheit Sie, Candidaten jetzt und zum Theil schon Amtsbrüder, die Sie das Colloquium einst Selber mit constituirt haben, seyen Sie billig und fordern Sie keine vollkommne Reproduction!
Zwey Noten unter dem Text. Daß ich so wenig den Stand der Dinge in andern Ländern berücksichtiget und mich beynah ausschließlich nur auf die Herzogthümer Schleswig und Holstein beschränkt habe, das hat seinen Grund in meiner geringen Kunde des Auslandes, der auch in pastoraltheologischer Hinsicht wenig gedient wird durch die Journale Ausland und Kirchen-Zeitung. Der ausländische Leser hat aber den Vortheil davon: er lernt dafür die Schleswig-Holsteinische Kirche besser kennen. Die andere Note: Das liturigsche oder das Priesterbuch wird, so Gott will, übers Jahr erscheinen, und auf dasselbige wird das dritte, die specielle Seelsorge, die Schulaufsicht, die Armenpflege, die persönlichen Verhältnisse, den Lebenswandel, die Candidatenjahre, das Viele, was keinen gemeinschaftlichen Rahmen hat, befassende Buch in gleicher Frist folgen.
Kiel, im März 1830
Quelle: Harms, Claus - Der Prediger, wie ihn die Pastoraltheologie thun lehret