Harms, Claus - Von der Heiligung - Die erste Predigt.

Harms, Claus - Von der Heiligung - Die erste Predigt.

Geist der Weisheit, gib uns Allen Durch dein Licht Unterricht, Wie wir Gott gefallen. Lehr uns froh zum Vater treten. Sei uns nah, und sprich: Ja, Wenn wir gläubig beten! Hilf uns nach dem Besten streben! Schenk uns Kraft, Tugendhaft Und gerecht zu leben! Gib, dass wir nie stille stehen; Treib uns an Froh die Bahn Deines Worts zu gehen!

(Gesang 343.)

Um dieses Wort, meine Geliebten, sind wir ja versammelt an dieser Stätte, und unsre Absicht hier ist keine andre als die, dass, wer sich verirrt hätte von dem rechten Wege, sich wieder zurecht fände bei dieses Wortes Licht, und dass wir alle, die wir so sehr gefährdet und schwach sind, - wer ist nicht schwach! - Warnung, Aufmunterung, Trost erhalten aus diesem Wort. Die Predigt aber ist die Schaffnerin, welche nimmt aus dem, was Gott gegeben hat, und trägt es aus und setzt es vor und fordert zum Hinnehmen auf, um nicht mehr von der Predigt zu sagen, wenn sich gleich mehr von ihr sagen ließe, dass sie auch das noch tue, dass sie auch dieses noch sei, bei dem geistlichen Mahl im Gotteshause nicht eine bloße Schaffnerin. Sie fängt aber so an.

Nachdem wir jetzt Pfingsten gefeiert und noch am vorigen Sonntage eine Nachfeier angestellt haben mittelst teurer Erinnerungen daran, was Pfingsten geschehen sei, mittelst näherer Betrachtungen über das Woher und Wozu, aus welchen Erinnerungen und Betrachtungen wir die Vorsätze entspringen sahen: den heiligen Geist nicht zu betrüben, und den andern: unsre Versammlungen nicht zu verlassen, hierauf, ihr heute Wiedergekommenen, müssen wir uns nicht dünken, als läge nun das Land offen vor uns, gleichwie es Lot gewiesen wurde von Abraham: „das ganze Land steht dir offen?“. Wollen wir denn zur Rechten oder zur Linken gehen? Wir wollen den rechten Weg gehen, der uns zum Leben, zum ewigen Leben führt, und sintemal wir wissen, dass so viel Irrgang in dieser Welt ist, so werfen wir uns in unsrer Besorgtheit auf Gottes Wort, dies sei unsres Fußes Leuchte, Ps. 119, und ein Licht auf unserm Wege, und daselbst: Wann wird ein Jüngling seinen Weg unsträflich gehen? Wenn er sich hält nach Gottes Wort, und abermals, im Prophetenbuch Micha: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der Herr, dein Gott, von dir fordert. Im Alten Testament ist uns das gesagt, es ist uns deutlicher noch gesagt, Christen, im neuen Testament, und hier zugleich unter Verleihung einer besonderen Kraft, die uns über die Brücke von der Erkenntnis zum Tun hinüberhilft, die uns den Berg vom Wollen bis zum Vollbringen hinaufhilft. Treten wir vor das neutestamentliche Gotteswort. Von einer andern Seite der Sache angesehen. Wir achten uns seit Pfingsten als die mit dem heiligen Geist begabt sind, der lebt in uns, oder richtiger und biblischer ausgedrückt, in ihm leben wir, da sollen wir denn auch in ihm wandeln, sollen die Werke des Fleisches töten durch ihn und seine Frucht in allerlei Tugend an uns wahrnehmen lassen. Wiederum ist es das Wort, das vorhandene, geschriebene Wort Gottes, das darin uns leitet, dazu uns stärkt, dabei uns behütet, und aus dem wir eine Reihe von Sonntagen wollen schöpfen, während einiger Sonntage stets auf dieselbe Weise und auf derselben Stelle des heiligen Buchs, da in dem weiten Lebenswassergrund ganz besonders stark, mein' ich, der Quell aufspringt. Tretet heran und seht.

Galater 5, 16-25. Wandelt im Geiste, — im Geiste wandeln.

Als Predigttext, werdet ihr sagen, zu viel. Ja das wäre es auch; es soll aber mit dieser Verlesung nur eurer Andacht der ganze Platz gewiesen sein, woselbst wir uns wollen in mehreren einzelnen Predigten bewegen (unter deinem Beistande, Gott Heiliger Geist, wie du es auch wohl weißt, dass ich alles mal auf deinen Beistand rechne, wenn gleich die Bitte zu Zeiten unausgesprochen bleibt), an den einzelnen Versen uns erbauen nacheinander je nach Verschiedenheit ihres Inhalts. Eine vorläufige Bekanntschaft mit dem Ganzen wollen wir uns heute bereiten, heute das Beet betrachten, später die einzelnen Blumen, später die einzelnen Bäume, heute den Wald, ihn ansehen, durch ihn gehen, ihn durchgehen.

Der heilige Apostel schreibt, was er schreibt, nicht zur Bekehrung der noch Ungläubigen, er sagt, was er sagt, nicht zu Menschen, die den Geist noch erst empfangen sollten, sondern die ihn schon empfangen hatten, und die er jetzt nur weiter belehren, fördern und wie vor dem Abfall so auch vor dem Stillstand bewahren will. Sind, die jetzt mit seinen Worten umgehen, gleiches Falles mit ihm? Liebe Versammlung, kann der Prediger, der jetzt mit Pauli Wort vor dir steht, dich ansehen als eine Versammlung, die den Geist empfangen hat, und die er auffordern kann: Wandelt im Geist? Liebe Versammlung, sei Eine Person und fühle an dein Herz, ob darin der Geist lebt, so dass in dem Worte Verstand ist, wenn es heißt: Wandle im Geist? Der Prediger kann das nicht wissen, du aber weißt es von dir, ein Jeder weiß es von sich selbst, ob er den Geist empfangen habe. Das aber weiß ich, wie der Geist nicht eben empfangen werde bei der Pfingstfeier, oder in der Nicolaikirche, darum auch die an unsrer Feier nicht haben Teil genommen, die können allerdings ihres Orts und vor längerer Zeit diese Gabe empfangen haben. Welche Gabe? Wer fragt das? O ich will dich nicht kennen, Freund, Fremdling, hier Fremdling und in der ganzen Christenheit, und will mich nicht von dir aufhalten lassen. Du verstehst unsre Rede nicht und musst vorher andre Predigten hören, doch bleiben magst du unter uns: es möchte dir gleichwohl bei der durchaus ungebundenen Mitteilung des Geistes, unsre Pfingstpredigt Licht und Verständnis aufgehen. Wir treten ein in unsern Wald, und hören den Apostel sagen: Wandelt im Geiste, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen. Vers 16. Nämlich, meine lieben Christen, seit ihr den Geist empfangen habt, und wenn es nicht länger her wäre als seit der Feier und Nachfeier des diesjährigen Pfingstfestes, so habt ihr nicht allein seitdem das Fleisch erst kennen lernen, was das Fleisch im biblischen Verstande des Wortes, der Gegensatz zwischen Geist und Fleisch ist euch seitdem erst recht klar geworden, gleichwie nicht die Finsternis das Licht offenbaren kann, sondern das Licht offenbaret die Finsternis das nicht allein ist geschehen, sondern das Fleisch ist erst recht lebendig in euch geworden in seinen Lüsten, hat es wahrgenommen, dass ihr wolltet und würdet von dem an die vorigen Wege nicht mehr gehen, nein, andre, entgegengesetzte, da die früher herrschenden lieben Lüste nicht allein keine Beachtung und Befriedigung weiter fänden, sondern da es, wie sie wohl merkten, auf ihre Abschwächung oder sogar auf ihre Tötung abgesehen war. Dient auch ein solcher Zustand, ein solcher Zwiespalt, eine wahre Zwiespältigkeit im Menschen zugleich zu einem Kennzeichen, dass etwas vorgegangen sei, wirklich etwas und was nicht in bloßer Einbildung besteht. So jemand vermeint, er habe den Geist empfangen und es rührt sich nichts in ihm, es erhebt sich nichts in ihm, das eine wider das andre, dann ist nichts geschehen, dann hat er den Geist nicht empfangen, was es dann sei, das er dafür gehalten hat. Wollt euch, lieben, noch gern einmal darauf ansehen, in euch nachsehen, euch besinnen, ist es so etwas oder nicht? und wenn es etwas ist, so gebt euch es selbst an, welches, bestimmt, das, das wollte ich noch wieder tun, wollte darin nach meinem Pfingsten wieder fortfahren, eben wie vorher, und siehe, ich konnte nicht, vor dem Geiste nicht, der jetzt in mir war, und Jenes, das wollte ich tun, dazu entschloss ich mich, zu dem Werk, zu der Liebe, zu der Verleugnung, und es wollte nicht gehen, wollte noch nicht gehen vor dem Fleisch nicht, welches Nein sagte, als das Andre in mir, das empfangene Neue in mir Ja sagte. So geht es in einer Christenseele zu, so siehts aus in ihr, besonders zu Anfang, und das ist es, was der Apostel im ferneren Worte sagt:

Das Fleisch gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch, dieselbigen sind wider einander, dass ihr nicht tut, was ihr wollet. Vers 17.

Ihr, welche ihr? die nach dem Geist Wollenden, oder die nach dem Fleisch Wollenden? O, die nach dem Geist Wollenden, denn die nach dem Fleisch Wollenden haben kein Wir, daher bei dem Apostel kein Ihr, die tun nicht nach ihrem Willen, sondern nach einem fremden, wie es Ephes. 2, heißt, die tun den Willen des Fleisches und der Vernunft. Es freue sich über seinen Seelenzustand, bei wem es recht lebhaft zugeht, auf der einen Seite das Fleisch und die Vernunft, auf der andern Seite der Geist, bei wem an keinen Waffenstillstand gedacht wird, sondern da nicht still gestanden wird, bis der Geist das Fleisch ganz unter die Füße gebracht, nicht geruht wird, wenn er auch den leiblichen Tod erst als seinen Bundesgenossen muss abwarten, der es völlig tut und auf immer.

Mit dem Geist und aus dem Geist und in Kraft des Geistes muss es gelingen, ob auch der gänzliche Sieg nicht mag errungen werden, so doch wird das Fleisch auch nimmer einen Sieg über das Fleisch davon tragen, wofern wir nur den Geist nicht betrüben, dass er von uns weicht. Eine Erinnerung an neulich: Betrübt nicht den heiligen Geist.

Weiter fortgefahren im Text: Regiert euch aber der Geist, so seid ihr nicht unter dem Gesetz. Vers 18. Das ist recht neutestamentlich, das ist recht evangelisch gesprochen. Nach dem Alten Testament, d. h. nach dem Gesetz soll das Fleisch bekämpft werden mit dem Gesetz und unterdrückt, zahm, willig zum Guten, heilig gemacht werden mit dem Gesetz. Das sollst du, das sollst du, das aber sollst du nicht, das auch nicht und das nicht. Sprechen wir indes nicht ungebührlich, nicht verächtlich von dem Gesetz, es ist eine göttliche Heilsordnung gewesen, welche gegolten hat ihre Zeit, und die in gewissem Verstande zu einem mehrfältigen Gebrauch noch immer und selbst unter den gefördertsten Christen gilt. „Auch wird dein Knecht durch sie erinnert“ heißt es, Ps. 19, von den Rechten und Geboten Gottes. Daran wir denn besser merken, wie oft wir fehlen, und mittelst welcher Erinnerung mancher Fehler ans Licht kommt, der sonst unter den verborgenen geblieben wäre. Nur unser Ort gegen das Gesetz ist durch die neue Heilsordnung des Christentums verändert worden mittelst des Geistes, der allen Gläubigen gegeben wird. Nämlich wo der regiert, da ist man über und nicht unter dem Gesetz. Mein Christ, wo ist dein Stand, dein Ort gegen das Gesetz? Bist du auch noch unter ihm? Das ist allerdings immer besser, als wenn du außer ihm, ohne Gesetz wärest, jedoch viel besser ist es, darüber zu stehen. Wer darüber steht, wen der Geist regiert, einmal der weiß alles, was das Gesetz vorschreibt und hat nicht nötig, überall die zwo steinernen Tafeln bei sich zu führen; ferner, dem ist eine solche Luft und Willigkeit eingeflößt, dem Gesetze gemäß zu handeln, dass er Gott bitten möchte, ihn doch so handeln zu lassen, es zu erlauben, dass er tue, was das Gesetz befiehlt; ferner, wie das auch zu erwarten ist, wo solche Lust sich findet, wo der Geist regiert. Da ist auch die rechte Kraft dahinter, zu Zeiten eine Berge-versetzende Kraft, die das Gesetz nicht gibt; und endlich, wer den Geist hat, der wird von dem verletzten Gesetz nicht sogleich tot geschlagen, sondern den führt der Geist zu dem Heilande hin, der für ihn tot geschlagen ist, der aber auch wieder auferstanden ist, gleicherweise steht, der, welcher den Geist hat, und doch einmal in das Grab der Sünde gekommen wäre, wieder auf, bald wieder auf. Das heißt: nicht unter dem Gesetz Gesetz sein, sondern vom Geiste regiert werden.

Ein solches Sündengrab wird uns in den folgenden drei Versen gezeigt. Offenbar sind die Werke des Fleisches, nun folgen siebzehn Fleischeswerke mit einem „Und dergleichen“. Vers 19 bis 21. Soll ich's heißen siebzehn Gräber und noch mehrere nebeneinander? Oder soll ich's heißen Ein Grab siebzehn Fuß tief und noch darüber? In beiderlei Verstand eine schreckliche Augeneröffnung. Ja, dahin kann es kommen, wenn jemand sich durch sein Fleisch und nicht durch den Geist regieren lässt, wenn jemand allein den Stab des Gesetzes trägt und den treueren Stab des Evangeliums verschmäht, wer nur Mensch sein will und kein Christ. Zu diesen siebzehn allen? fragt Jemand. Wo bist du besser bekannt, Frager, in Gellerts Fabeln oder im Neuen Testament. Hore sie und höre dies. Gellert sagt: Freund, wer Ein Laster liebt, der liebt die Laster alle; wer Ein Gebot der Tugend übertritt, der übertritt in gleichem Falle auch ungescheut die andern mit, und im Neuen Testament sagt der Apostel Jakobus, 2, 10: Go jemand das ganze Gesetz hält und sündigt an Einem, der ist es ganz schuldig. Wir haben für diesmal die Zeit nicht, dich weiter darüber zu belehren, aber halte dich hierher, es wird nach wenigen Sonntagen geschehen. Doch wollen wir unsre Augen nicht sogleich davon kehren, Merkt auf den Anfang der langen Reihe, sie fängt mit dem Ehebruch an, und wenn weiterhin die Frucht des Geistes aufgezählt wird, die schließt mit der Keuschheit. Wir werden eine besondere Bedeutung in diesem Anfang und Beschluss suchen dürfen. Merkt ferner noch das: Sie heißen des Fleisches Werke, aber sind das wohl lauter Werke, an welchen nur der äußere fleischliche Leib Teil hat und nicht gleichfalls die Seele oder der Geist des Menschen? Darum kann es ja nimmermehr von dem vernünftigen Geist des Menschen geredet sein, wenn der Apostel von dem Regiment des Geistes, vom Wandel im Geist redet. Und dann noch der starke Hinzusatz, o es höre doch, wer sich des einen und andern schuldigen muss von dem, was aufgezählt wird und erschrecke davor. Paulus spricht's, was gilt, o Sünder dagegen, was du sprichst, er: Von welchen ich euch zuvor gesagt habe und sage noch zuvor, dass, die solches tun, werden das Reich Gottes nicht ererben.

Hat der Apostel so bald sich davon wegwenden können, so wollen wir es auch tun und nun ansehen, was uns Vers 22, 23 Lieblicheres vor die Augen kommt. Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit. Jawohl, das hört sich angenehmer an. Freilich erscheint der Geist in seiner Frucht nicht so zahlreich wie das Fleisch, es wird nur eine neunfache Frucht genannt. Aber dazu möchte man sagen: das Schlechte liebt es in vielen Gestalten hervorzutreten und hat Ursache, sich in vielen Farben zu zeigen: magst du mich so nicht, vielleicht magst du mich so? Dagegen: das Gute ist einfach und liebt das Herz vortreten nicht, mag selber kein groß gemaltes Bild von sich sehen. Heißt es hier auch Frucht, nicht: Früchte, so wie bei dem Fleisch: Werke! Diese Werke als Früchte betrachtet, wachsen die eine auf diesem, die andre auf einem andern Baum, sind Erzeugnisse bald der Wollust, bald der Ehrsucht, bald der Habsucht, und haben weiter keine Gemeinschaft als die, dass sie allesamt schlecht sind, und können auch nicht einmal nebeneinander sich vertragen. Die Früchte des Geistes aber haben denselben Ursprung, sind von derselben Beschaffenheit, haben Eine Form, Eine Farbe, Einen Geschmack, heißen daher nicht Früchte, sondern Frucht. Und Frucht heißt es, was das Geist hervorbringt, sehr bedeutungsreich. Wo Frucht ist, da ist Leben, also kein Tod, kein toter Geist, kein toter Glaube, kein totes Christentum. Besieh dein Christentum. Wo Frucht ist, da ist Wachstum, kein Stillstand, ein Zunehmen, ein Höhersteigen, wenn es auch nur wie an dem alten Baum jährlich neue Schösslinge sind. „Mein Christ, besieh dich, von solcher Fruchtbarkeit sollst du sein. Frucht, nicht Blüte, nicht Blätter, die möchten sich wohl finden, gute Gedanken, fromme Vorsätze, heilige Empfindungen. Ja, sie müssen sich finden, und die irren sehr, die sich sogleich auf Tat und Tugend hinstürzen, handeln, wirken, immer wirken wollen, das ist ebenso naturwidrig im Gnadenreich wie im Naturreich. O lasst dem Baume doch die Zeit, dass er zuvor Blüten treibe und danach die Blätter, um die zarte Blüte zu schützen! lasst doch den Blüten ihre Zeit, dass sie befruchtet werden, in dem verborgenen Gotteswerk und unter dem Wehen des Heiligen Geistes! Danach wird es schon kommen, seid nicht ungestüm, die Frucht wird nicht ausbleiben. Das Gesetz hat diesen Ungestüm, aber das Evangelium lässt die Zeit zu rechter Zeitigung der Geistesfrucht, und wenn nur die Frucht kommt, was hat das Gesetz alsdann zu sagen? Was es verlangt, ist ja vorhanden. Wider solche ist das Gesetz nicht. Vers 23.

Liebe, Freude, Friede, Geduld usw. das sind wohl herrliche Sachen, das ist wohl eine köstliche Frucht. Wie kommt man dazu? fragt, wer sie nicht hat und auch wer sie hat, denn auch, wer sie hat, weiß selbst nicht viel davon, mehr als auf seine Tugenden ist sein Auge auf keine ihm immer noch anklebenden Sünden hingekehrt. Der Weg dazu ist im folgenden Wort gewiesen: Welche aber Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden. Vers 24. Der Weg muss gegangen, das Werk getan werden. Aber wer wird das tun? Viel lieber lassen sich die Menschen ja von ihrem Fleisch kreuzigen, was man alle Tage sieht, als dass sie das Fleisch kreuzigen, bezähmen, unterdrücken, beschwichtigen, versagen, entziehen, dem Fleisch, wenn es über die Notdurft und wider Gottes Gebot etwas begehrt, seinen Willen rund und fest abschlagen, wie Wenige tun das! Es bekommt immer seinen Willen, ob auch zuweilen mit dem Hinzusatz: Nur noch dies Mal. Allein dies Mal ist alle Mal. Der gute Geist dagegen, wenn er über einen Menschen gekommen ist, wie muss er dagegen bitten, betteln, Geduld haben und mit unwilliger Willfährung sich begnügen, wie lang er es unter einer solchen Behandlung aushält. Man kann sich nicht so sehr darüber wundern, wenn er einige Menschen so gänzlich verlassen zu haben scheint, dass sie auch gar keine Hoffnung mehr geben und wir müssen sie aufgeben, sie machen es danach und haben es lange so gemacht, man kann sich nicht so sehr darüber wundern, wenn der gute Geist einige Menschen verlässt, als dass er bei andern immer noch verharrt, möchten ihm zurufen: Es hilft dir doch mit diesem Menschen nichts. Aber unter der Frucht, die er an denen, die ihm folgen, hervortreibt, ist ja auch die Geduld, so muss er selbst wohl Geduld haben, selber wohl die Geduld sein. Die hält ihn in so langem Warten.

Nun, sagen wir denn auch gerne: Du guter Geist, so bleibe, und fahre du fort, ob auch nur über ihnen schwebend, bis die schöne Stunde kommt, da sie singen: Komm, heil'ger Geist, Herre Gott, wir nehmen auf dein Gnadengut, und sind der Fleischeswerke nun leid geworden, bist du noch bei uns? Ach, bis sie selbst also beten, wollen wir es tun, beten: O, Gott, verwirf sie nicht und nimm deinen heiligen Geist nicht von ihnen. Wer um sich, in seiner Nähe, in seiner Freundschaft und Bekanntschaft weiß von Widerstrebenden, die sich nicht wollen erleuchten lassen über ihren Seelenzustand, nicht beleuchten lassen einmal, bete der Tags und Nachts für sie, dass jene schöne Stunde bald komme, und nicht ausbleibe, bis es zu spät sein wird, da sie nicht mehr kommen kann, weil alle Gnadenfrist abgelaufen ist für sie in Zeit und Ewigkeit. Indes entfernen wir uns nicht zu weit von unserm Schriftwort. Das ist der schmale Weg, das ist die enge Pforte, das Fleisch kreuzigen samt den Lüsten und Begierden, die Pforte, der Weg, aber freilich das Ziel, die Vollendung ist es mitnichten. Es kann jemand auf sein Fleisch noch so stark losschlagen, stechen, hauen, schneiden, brennen der Apostel sagt anderswo: Und ließe meinen Leib brennen so geht es doch nicht und glückt es doch nicht, denn die rechte Stelle trifft nur, der mit Christi Händen schlägt. 2 Kor. 6. Wisset ihr nicht, dass eure Glieder Christi Glieder sind? Wer die Seele hat, der hat auch den Leib, wer das Herz, der hat auch die Hand. Unser deutscher Text braucht nicht unrichtig das Wort angehören: „welche aber Christo angehören“ im Grundtext heißt es: welche aber Christi sind: das will sagen; Menschen, die Christo zugehören als sein erworbenes Eigentum, erste Stufe, die Christo angehören als zu ihm gehörend, als mit ihm verwandt, als ein Teil von ihm, zweite Stufe, da lässt uns das Grundwort noch weiter gehen auf eine dritte Stufe: Man hat sich selbst aufgegeben und nichts übrig gelassen, alles ist Christo gegeben, der uns neu gemacht hat, zu einer neuen Kreatur, dass wir sein Werk sind, Ephes. 2, in Christo Jesu geschaffen zu guten Werken, und lassen das erste gute Werk sein, dass wir, was an uns noch widerstrebt und christlich nicht werden will, sich christlich nicht machen lässt; mit der in uns wohnenden Kraft Christi kreuzigen, dieses Fleisch samt seinen Lüsten und Begierden. Sind geheime Sachen, liebe Zuhörer, wenn auch öffentlich gepredigt, und bleiben verdeckt, wenn auch um drei Uhr an einem Sommer-Nachmittage ans Licht gestellt, denen verdeckt und geheim, in welchen noch nichts vorgegangen, von denen noch kein Pfingsten erlebt worden ist, vor denen Christus noch nicht als ihr Heiland durch den, der es allein tut, durch den heiligen Geist verklärt worden ist. So werden wir wieder auf den Geist geführt, freue uns aber, dass der Name Christus doch auch angetroffen ist unseres Weges, den wir gegangen sind. Wahrlich es hätte sonst einem christliebenden Gemüt etwas gefehlt am Ende. Gegen das Ende tritt dieser teure Name noch ein und wann wir werden zu seiner Zeit wieder an diese Stätte kommen, soll uns das eine längere Betrachtung geben.

Jetzt stehen wir noch einen Augenblick bei dem Ausgange still, bei dem Verse 25.

So wir im Geiste leben, so lasst uns auch im Geist wandeln. Das lautet wie der Anfang: Wandelt im Geist, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen.

Allein dies Wort am Ende weist uns nicht auf den Anfang des Textes nur zurück, sondern ganz auf den allerersten Anfang im wahren Christentum. Wenn die Lüste des Fleisches nicht vollbracht werden sollen, so müssen wir im Geiste wandeln, sollen wir aber im Geist wandeln, so müssen wir im Geiste leben. Das ist der allererste Anfang. Jedes Wort und Wörtlein ist bedeutungsreich. Im Geiste leben, dass wir im Geiste leben, und nicht, dass der Geist in uns lebe. Ach, liebe Christen, da ist wohl keiner, in welchem der Geist nicht lebte, wird er ja mit der Taufe schon den Neugeborenen gegeben, danach, wenn das Wort kommt, darin der Heilige Geist wohnt, samt dem ganzen christlichen Leben, wie das doch einen jeder Menschen, auch den unchristlichsten Menschen umfängt und er muss es zum Teil in sich aufnehmen, kann sich des nicht wegern. Daher lebt der Geist in allen, allein wir sollen im Geist leben, nicht sowohl er in uns sondern wir in ihm, dass wir umfangen seien von ihm, unsre Nahrung ziehen aus ihm und nie aus dem Kreise treten, welchen er um uns gezogen hat, was uns auch weglocken oder wegdrohen mag, doch bleiben bei ihm, das heißt im Geist leben. Leben, nicht liegen, nicht gebunden liegen in ihm wie der Funke im Kieselstein, nicht wie in der Erde die Pflanze wurzelt sondern selbstständig zugleich aus ihm geboren, frei, fröhlich, und nach der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, wie sich alles zeigt, was Leben hat. Im Geiste leben gleichbedeutend mit Sein, im Geiste sein, denn, wenn ich nicht lebe, so bin ich nicht, wieviel ich nicht lebe, soviel bin ich tot, d. h. bin ich nicht. Das muss voraufgehen, erst das Sein, dann das Tun, erst das Leben im Geist, dann auch das nach Außen gekehrte Wandeln im Geist. Darin es Viele versehen und sich verrechnen, beim verkehrten Ende anfangen, dann müde werden und erklären, es geht nicht. O fangt richtiger an, so wird es gehen, fangt an da. mit, dass ihr im Geiste lebt, so werdet ihr auch einen Wandel im Geist führen können. Davon zu seiner Zeit mehr, so Gott will. Den heutigen Lehrgang aber lasse er sich befohlen sein, dass er auch ihn segne und nach weiterer Erbauung die Seelen begierig mache. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/harms_c/harms-von_der_heiligung_-_predigt_1.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain