Harms, Claus - Am Stillfreitage 1845.

Harms, Claus - Am Stillfreitage 1845.

Ges. 269. Die Sonne stand verfinstert, am Tage ward es Nacht rc.

Woraus innerlich der Gesang hervorgegangen ist, aus einem gläubigen Herzen, eben daraus soll auch die Rede hervorgehn, und, gebrauchen wir dasselbe Wort, eben dahinein soll sie wiederum gehn, nämlich in gläubige Herzen. Setzet noch aus eurer Zahl, welche heute besonders groß ist und aus allerlei Leuten besteht noch mehr als sonst, hinzu: und wem es an einem solchen Herzen fehlt, demselben wolle Gott es geben. Es wird allerdings Glaube erfordert Tag für Tag hier, was auch immer des Tages Verkündigung ist, aber doch ganz vornehmlich an dem heutigen Tage und für dessen Vorträge. Dieser Eine Tag giebt die Erklärung, weshalb wir an allen andern hier sind, was wir von dem Evangelio haben, das zu hören gegeben wird, was Taufe und Beichte und Abendmahl bedeuten, diese heiligen Handlungen, welche hier verrichtet werden, worauf, worin wir, um auch die Handlung am letzten Sonntag zu nennen: die Jugend confirmiren. Ja, für jedes Vater-Unser und für jeden Segen, der hier gesprochen wird, giebt, wie das kein andrer Tag im Jahr, der Stillfreitag die Erklärung. Es ist diese in die fünf Worte gefaßt: Christi Tod ist unser Thun. Wo derselbe fehlt, da wird eine Glocke geschwungen ohne Klöpfel, wird die Nuß geboten ohne Kern, wird die Blume begossen aus einer Kanne ohne Wasser, sieht man auf eine Pflanze, ob sie nicht wachsen werde und nimmt nicht wahr, daß sie kein Herzblatt hat. Das Christenthum ist einer Pflanze zu vergleichen, und der Glaube an Christi Tod, daß der ein Opfer sei, für uns gebracht, ist darin das Herzblatt. Dies soll auch die Predigt sein, wie es der Tag und seine Feier durch die ganze Christenheit erfordert. Stelle die Versammlung jedoch sich vor dem weitern Hören um das Wort -von Christi Tod, wie es der Evangelisten einer, Lucas, giebt.

Luc. 23, 44-48. Und es war um die sechste Stunde, und es ward eine Finsterniß über das ganze Land bis an die neunte Stunde. Und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels zerriß mitten entzwei. Und Jesus rief laut und sprach: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände. Und als er das gesagt, verschied er. Da aber der Hauptmann sahe, was da geschahe, pries er Gott, und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen, und alles Volk, das dabei war und zusahe, da sie sahen, was da geschah, schlugen sie an ihre Brust, und wandten wieder um.

Eine Begebenheit also, ein Geschehenes liegt hier vor uns, kein Gedachtes oder gar Erdachtes. Nein, es liegt auf einem andern Gebiete, als wo die menschlichen Gedanken ihr Spiel und Widerspiel haben. Gott hat diese Begebenheit hingestellt, und hat sie, den Tod Christi, noch umstellt mit andern auch hier berichteten Begebenheiten; die eine geschah am Himmel: die Tonne verlor ihren Schein; die andre im Tempel: der Vorhang zerriß mitten entzwei. Dazu ist Lehre gegeben, die uns sagt, was dieses bedeute, und wozu und wie es angesehen werde vor Gott, wie er es auch wolle von uns angesehn haben. In welchem Worte sich diese mir nahe gelegt hat für die heutige Predigt, mit demselbigen Wort lasset, theure Mitgläubige, auch euch die Lehre bringen, nämlich mit dem Worte im Gesange:

Nun wird kein Opfer wieder in Ewigkeit gebracht. Der, den sein Volk erwürgte, der hat es ganz vollbracht.

Heben wir da heraus, was darin lieget, und sei's genannt so:

  1. Christi Tod ist in Wahrheit ein Opfer;
  2. und ist nichts Anderes, denn das;
  3. läßt auch keins neben sich gelten,
  4. noch auf ein folgendes warten,
  5. oder auf eine Wiederholung desselben.

1.

Es soll kein Opfer wieder gebracht werden; also dieser Tod ist ein Opfer, in Wahrheit eins. Wessen Wort begehren wir darüber zu hören? Daß ich es sage, ich meine sonst nicht als ein Unwahrhaftiger unter euch bekannt zu sein, aber das sagt wenig, denn ich bin ein irrender Mensch. Daß ich euch sage: so lehrt und glaubt die ganze christliche Kirche, es ist ihr Bekenntniß, - ist auch noch kein Beweis; denn die Frage bleibt offen: Worauf gründet sich dieser ihr Glaube? Steht die Kirche doch selbst irgendworauf und will kein Schloß in der Luft sein. Nein, sie und alle ihre Diener am Wort, auch am Charfreitagswort weisen auf Schriftwort, welches ist Gottes, und schieben das den Hörern zu: Dies lasset genug sein und sehet zu, wie ihr euch dagegen wehret. Wer die Schrift nicht gelten läßt, ich weiß nicht, was demselben noch gelten könne. So spricht aber, der das Opfer selbst ist, Jesus Christus: Ich gebe mein Leben zur Bezahlung; und abermals: Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blute, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden. So spricht sein Apostel Petrus: Wisset, daß ihr nicht mit vergänglichem Gold und Silber erlöset seid, sondern mit dem theuren Blut Jesu Christi, als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. So Johannes: Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von- aller Sünde. So Paulus, der zeugnißreiche Apostel: Und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist, welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blute. Und von ihm noch ein Wort! An Christo haben wir die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden. Und aus dem Brief an die Hebräer, welcher dieses Zeugnisses voll ist: Das Blut Christi, der sich selbst ohn' allen Wandel durch den heiligen Geist Gott geopfert hat, reinigt unser Gewissen von den todten Werken. Denselbigen nun sehn wir heute in seinem Werke, wie er opfert, was er opfert; und das Wort, das getönt hat durch die letzten sieben Wochen, hat heute vor allen Gläubigen den lautesten Klang: Christus für uns. Ja, wenn Gottes Wort, das bei uns so heißt, überall Wahrheit ist, so ist Christi Tod in Wahrheit ein Opfer, das er gebracht hat, sagen wir in dieser Feier: das er bringet.

2.

Und dieser Tod ist nichts Anderes, denn das, nichts Anderes, denn ein Opfer. Halten wir die Sprache rein, thun wir nichts Modernes in das Wort Opfer, zu verändern die Bedeutung, welche es gehabt hat von Cains und Abels Opfer an; die sind die ersten gewesen, sämmtlich gebracht um Gottes Willen, seine Huld zu behalten oder seine Gnade zu erwerben, oder eine Schuld damit zu bedecken. So will auch der Tod Christi angesehn sein als ein Opfer, nach eben ausgesprochenen Schrifterklärungen über denselben, daß er das sei. Wo ist aber auch Raum für Anderes, das er ebenfalls noch sei? Welches Andre etwa? Ein natürliches Ereigniß und kein seltnes? Ja, es geht natürlich zu und ist nicht selten, daß Jemand, der kein Uebles gethan, doch um sein Leben gebracht wird; aber Christus ist kein natürlicher Mensch, und daß der ihn verrieth, wie die, so ihn tödteten, es nicht in eignem natürlichem Antriebe thaten, obschon sie es meinten, darüber haben wir auch Nachricht erhalten. Oder zur Bestätigung seiner Lehre sei Christus gestorben? Seine Lehre war ja eben sein Tod, daß er den und wozu er den erleiden wolle. Wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also muß des Menschen Sohn erhöhet werden; also spricht er selbst von sich. Oder um ein Exempel der Geduld, der Standhaftigkeit zu geben? Als wenn es den Menschen daran gefehlt hätte. Das hat es nicht und wir haben sie weit näher als auf Golgatha. Ach, stehe man ab davon, Christum mit solchen Kronen zu schmücket„ die theils ebensowohl auf vieler Anderer Häuptern stehen. Siehe auf seinem Haupte die Dornenkrone, das Königszeichen, nein, den Schmuck des Opfers, unter welchem es blutet.

3.

Nun wird kein Opfer wieder in Ewigkeit gebracht. Also Christi Tod ist ein Opfer, in Wahrheit eine und ist nichts Andres denn das, ferner, es läßt auch kein anderes Opfer mehr neben sich gelten. Sagt' ich aber: Halten wir die Sprache rein, lassen wir Opfer ein Opfer sein! so heiß' es hier: Laßt uns den Glauben rein halten! Ordnen wir Christo keine Mittler bei und stellen wir seinem Opfer keine anderen an die Seite! So wird gethan in derjenigen Kirche, daraus unsre Väter weggegangen sind der dortigen Glaubensverfälschungen halber. Da sind es Werke Andrer, Verdienste Andrer, wie auch eigne Verdienste und Werke, die uns mit Gott versöhnen sollen. Aber nein, das Alles ist vergeblich.

Nein, sagen wir und sprechen heut' unter dem Kreuz dieses entschiedene, evangelische Nein. Gott war in Christo und versöhnte die Welt, das Wort der Weissagung selbst: Der Herr warf Aller Sünde auf ihn, um unsrer Missethat willen ist er verwundet und um unsrer Sünde willen ist er zerschlagen. Wozu sollen uns denn die Heiligen dienen und die Märtyrer nützen? Sie dienen und nützen ja freilich, nur als Opfer neben demjenigen Christi dürfen sie nicht gelten. Darnach ist ja Christus auch derjenige Mann nicht, welcher bei seinem Werke der fremden Hülfe bedürftig wäre. Noch einmal gesagt: halten wir unsern Glauben rein. Wie Jemand gesagt hat zu unsrer Zeit: Mehr als der bittern Feinde Droh'n, Mehr als der Spötter frecher Hohn Hat Tugend ihn in unsern Tagen, Den Herrn, in's Angesicht geschlagen. Als er vor dem Hohenpriester frei ein Wort sprach, gab der Diener einer, die dabei standen, Jesu einen Backenstreich. Wenn jetzt er spricht: ohne mich könnt ihr nichts thun, oder das: Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohnes und trinken sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch, so zeiht man ihn einer unziemlichen Rede und läßt ein solches Zunichtmachen aller eignen Tugend und Gerechtigkeit sich nimmer gefallen; man will, wo nicht allein sich den Himmel aufschließen, doch die eigne Hand mit dabei haben. Wir sagen, Gläubige schauen zum Kreuze hinauf und schweigen nicht, sondern sagen und zeugen vor Jedermann: Da ist das Opfer, das ist eins, das läßt kein andres neben sich gelten und weiß von keinem andern Gutmachen als durch sein Verdienst.

4.

Wer in seiner Religion kein Opfer hat, deß Religion ist keine, und wer in der christlichen Religion nicht das Opfer Christi hat, der nenne, was noch etwa Unterschiedliches übrig bleibt, christlich, ich kann solches nicht; er nenne es so, es ist aber nicht christlich. Wir sagen: Das ist das rechte Opfer, dabei es bleibet, und wie es kein andres neben sich gelten läßt, eben so wenig läßt es ein folgendes erwarten, das gebracht würde. In Ewigkeit nicht. Was sollt' es denn auch für eines sein, das einen bessern, höhern Bringer hätte? Da ist auch ja für den Gedanken daran kein Raum. Es ist der Sohn Gottes, der dieses Opfer bringt. Also, wenn ein Engel vom Himmel käme und opferte sich, würd' es ein geringeres sein. Oder wollte man, daß ein Opfer folgte, welches für eine größere Zahl Seelen gebracht würde? Dies Opfer ist ja für die ganze Welt gebracht. Oder eins, welches die Menschen sich könnten aneignen leichteres Glaubens? Das begehrt man wohl, wer noch überhaupt ein Begehren solcher Art hat. Wir sagen: Lasse man doch Gott machen, wie er es in seiner Weisheit beschlossen hat und nach seiner Güte gegen uns. Was leicht und was schwer, das weiß er auch wohl und kann nimmermehr eine Bedingung des Heils gesetzt haben, die unerfüllbar ist. Zwar ist der Glaube kein Leichtes, ist ein Schweres, was auch die Menschen wohl einsehen und wollen deshalb gern die Liebe bringen, als von welcher der Schöpfer über alle Lebendigen etwas ausgegossen hat. Aber die Liebe, die freilich auch gefordert wird, zündet man nicht bei einer Gabe Korn an oder bei einer rieselnden Duelle, noch bei irgend einem Geschaffenen, nein, bei einem Gethanenen, für uns Gethanenen; je größer das ist, desto schneller und feuriger schlägt die Liebe auf, da geglaubet wird an das Gethanene. Seht, da steht wiederum der Glaube voran, der aufgegangene Augen für das gebrachte Opfer hat; denn darin steht und strahlt die Gottesliebe am herrlichsten und die offnen Augen schafft Gott eben so wie er uns die Augen im Haupte gegeben hat. Er schafft sie aber dem, der still hält und läßt Gott dies an sich thun, läßt sich den Glauben geben, den, von welchem wir heute reden, an das Gott gebrachte Opfer, also daß wir keines nachfolgenden warten. Es wird keins wieder gebracht.

5.

Und eben so wenig ist an eine Wiederholung zu denken, die noch einmal geschähe. Theure Zuhörer, der Prediger geht allenthalben mit euch hin, oder richtiger gesprochen, er geht euch allenthalben nach, um euch zurück zu bringen und eure ganze Zahl um den Altar zu stellen, da das Lamm Gottes das Opfer ist. Auch dieses Opfer wird nicht wiederholt werden.

Israels Hohepriester mußte jährlich für die Sünde des Volks opfern, unser, der Hohepriester der gläubigen Christenheit, hat mit Einem Opfer, Hebr. 10, in Ewigkeit vollendet, die geheiliget werden. Zwar lieget dies gebrachte Opfer in einer ziemlich weit entfernten Zeit zurück; es sind 1800 Jahre und darüber Verflössen. Allein ein solches Blut, es fließt wohl, doch verfließt es nimmermehr. Woran denkt ihr? Ich denke auch daran - es ist gesagt, daß es nicht verfließt -: Christus hat ein Sakrament eingesetzt, das siehet nach einer Wiederholung ans, wird auch irrig in einer andern Kirche so genannt, wir dagegen lehren so davon schriftgemäß: Der Geopferte, einmal Gottgeopferte und darnach in den Himmel Erhöhte, unser Herr Jesus Christus - hört insonderheit ihr vielen heutigen Communicanten das - unser Herr Jesus Christus, der einmal Geopferte, hat eine Vereinigung seiner und aller derer, für welche er gestorben ist, stiften wollen; da setzte er das Abendmahl ein und verband mit dem Brode seinen Leib und mit dem Kelche sein Blut, wie einst gegeben, so noch gegeben und beständig gegeben denen, welche essen und trinken und es gläubig thun, zu einem himmlischen Segen. Es ist keine Wiederholung des Opfers, jetzt etwa unblutig geheißen, sondern so opferte er sich Gott mit seinem Blute einmal; allein den Menschen opfert er sich nicht, denen bringet er des Opfers Frucht, die es getragen hat derzeit und trägt sie fortwährend. Zu haben ist diese Frucht, aber das Opfer selbst ist keine Wiederholung. Darauf warte Keiner.

Wohlan denn Alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser; und die ihr nicht Geld habet, kommt her und esset; kommt her und kaufet beides, Wein und Milch; - spricht der Herr auch zu euch durch den Mund seines Propheten. Wirke Du, o Herr, in uns ein zerbrochenes, zerschlagenes Herz, mache du uns mühselig und beladen: dann setzen wir unsere Zweifel und Bedenken gern hintenan und im Glauben ergreifen wir dich als das vollkommene, einzige, immerwährende Opfer auch für uns und unsere Sünde. Amen.

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