Härter, Franz Heinrich - Das Osterfest

Härter, Franz Heinrich - Das Osterfest

1 Joh. 3, 2.
Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder, und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wann es erscheinen wird, dass wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist.

Vorwort.

Dass diese Predigt gedruckt wird, lag nicht in des Verfassers Absicht; er ist dazu genötigt worden auf eine so großmütig-zwingende Weise, dass er, von der Unvollkommenheit seiner Arbeit überzeugt, sich Zeit nehmen musste, die ganze Predigt nochmals streng zu durchsehen, und sogar teilweise umzuschmelzen. Aber auch jetzt ist er nicht zufrieden damit. Ach, wie kann eine irdische Sprache den erhabensten Gegenstand des Evangeliums würdig genug darstellen!

Möchte nur diese sehr mangelhafte Darstellung etwas dazu beitragen, dass einige teure Seelen bewogen werden tiefer einzudringen in das Wort Gottes, sich zu gründen und zu erbauen auf dem ewigen Felsen Christus, und um seinetwillen alles andere für Schaden zu achten, damit sie entgegenkommen zur Auferstehung der Toten. (Phil. 3,11.)

Text: 1 Kor. 15,12-20,

Das Osterfest ist das höchste Freudenfest der Christenheit; ein Wonnegefühl durchschauert jede Seele, die es feiert, nachdem sie das Leiden des Heilandes der Sünder mitempfunden und mitgetrauert hat um seinen Tod. Frei atmet die gepresste Brust auf, und eine tiefe selige Rührung durchströmt den Gläubigen bei dem Gedanken:

Christus ist erstanden
Aus des Todes Banden.
Mich erschreckt der Tod nicht mehr;
Heil mir, Jesu Grab ist leer!

Doch lasst uns, teuerste Mitchristen, nicht den Genuss suchen, sondern die gesegnete Frucht dieses schönen Festtages. Viele sind noch unter uns, die sich nur gleichsam der Spur nach freuen, und mehr ein sinnliches als geistiges Vergnügen empfinden, indem sie in unbestimmten Bewegungen der Einbildungskraft schwelgen, anstatt auf dem ruhigen Standpunkt der Glaubensklarheit von der Freude in dem Herrn erfüllt zu sein. Darum ist es vor allen Dingen nötig mit stillem Nachdenken zu erwägen, was denn eigentlich die Auferstehung bedeute. Haben wir dies recht verstanden, und im Glauben ergriffen, dann können wir erst ganz von Herzen froh das Osterfest begehen zur Ehre Jesu Christi des Todesüberwinders.

Die Auferstehung ist des Menschen höchste und letzte Vollendung; wir müssen auferstehen, damit unser ganzes Wesen nach Geist, Seele und Leib himmlisch werde.1) Vor der Auferstehung können sich die Seelen der Menschen in gar verschiedenartigen Zuständen befinden, sie mögen nun an ihren Erdenkörper gebunden sein, oder denselben in Sterben abgelegt haben. Von der tiefsten Verdammnis bis zum Ort des Friedens gibt es für die Abgeschiedenen vielerlei Stufen, auf die sie beim Sterben gewiesen werden, je nach dem sie gehandelt haben bei Leibes-Leben, es sei gut oder böse. - Der Friedensort, oder das Paradies, ist ein Zustand vor der Auferstehung, wie denn Jesus schon am Todestag zum Schächer sagte: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!“

Auch eine fromme Seele, so lange sie nicht durch die Auferstehung gegangen ist, hat noch nicht die ewige Seligkeit erlanget; sie wartet noch auf die Zukunft des Herren. So warteten auf den Herren, den Verheißenen, alle Gerechte der vorchristlichen Zeit; ihre Seelen waren im Frieden, aber ihre Leiber ruhten gebunden im Tode. Diesen Zustand bezeichnet die Schrift mit dem Worte schlafen; wobei jedoch wohl zu merken, dass nicht die Seele schläft, sondern der Leib. So ist es zu verstehen, wenn Jesus von dem Hintritte seines Freundes Lazarus redet2): „Lazarus, unser Freund, schläft!“

Als nun Jesus Christus am Kreuz gestorben war, schlief auch sein Leib, und seine Seele stieg hinab bis in die tiefsten Zustände des Totenreiches, wie uns der Apostel Petrus ganz deutlich berichtet3): „Christus hat Einmal für unsere Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, und ist getötet nach dem Fleisch aber lebendig gemacht nach dem Geist. In demselbigen ist er auch hingegangen, und hat gepredigt den Geistern im Gefängnis, die etwa nicht glaubten, da Gott einstmals harrte, und Geduld hatte zur Zeit Noä.“ Doch blieb die Seele des Heiligen nicht in der Hölle, sondern kehrte mit dem Eintritt des Sabbats im Paradies ein, wohin auch die Seele des begnadigten und gerechtfertigten Schachers beschieden war.

Durch das Hinuntersteigen Jesu in die Zustände des Totenreiches entstand darin eine mächtige Umwälzung; der Lebensfürst war dort eingekehrt, und geheimnisvoll regte sich nun das Leben, wo seit Jahrtausenden nur der Tod geherrscht hatte. Die Grüfte öffneten sich; die Leiber der Heiligen, die da schliefen, wurden lebendig, und mit ihren Leibern angetan folgten Ihm diese zur Auferstehung Gereiften in Seiner Auferstehung nach4), und zwar so, dass Er, der Durchbrecher der Todespforten, ihnen voranging als Erstling5); und die Andern, als ein Gefolge von Verklärten, zogen dem Sieger nach in seinem Triumph. Dadurch ward das Wort des Propheten erfüllet6) „ Es wird ein Durchbrecher vor ihnen herauffahren, und sie werden durchbrechen, und zum Tor aus- und einziehen, und ihr König wird vor ihnen hergehen, und der Herr vorne an!“

Mit Jesus Christus begann also die erste Auferstehung, oder die Auferstehung der Heiligen;7) und diese geht nun beständig fort, für alle auserwählten Seelen, die des Lebens Fülle durch die Liebe zu ihrem Heiland in sich aufgenommen haben, und unter der Last des Kreuzes zur Auferstehung reif geworden sind. Der Herr kommt seine Nachfolger abzuholen mit dem Auferweckungsrufe, und schenkt einem jeden von ihnen seinen Leib wieder, nachdem er denselben belebt und verklärt hat zur Kraft und Herrlichkeit eines himmlischen Ehrenkleides.

Die Auferstehung eines jeden Geheiligten ist sein jüngster Tag8), das heißt, sein letzter Tag in der Zeit und sein Übergang in die selige Ewigkeit. Die jüngsten Tage dieser Hochbegnadigten, die aufgenommen werden zu der Gemeine der Erstgebornen9), müssen nicht verwechselt werden mit jenem jüngsten Tag, wo am Ende der Zeit die ganze übrige Menschheit zum Weltgericht hervorgerufen wird. Die völlig Geheiligten dürfen nicht bis zur letzten Entscheidung warten, sondern sie werden schon vorher durch die Auferstehung zum Anschauen des Herren geführt; darum fordert uns die heilige Schrift so nachdrücklich auf, nachzujagen der Heiligung, ohne welche niemand wird den Herren sehen10).

Alle Seelen, die entweder gar nicht oder nur unvollkommen geheiligt werden, bleiben gehalten, bis zu jener allgemeinen Auferstehung, welche vor dem jüngsten Gerichte hergeht. Aber auch dann noch werden die, welche durch ihren Glauben bis zum Paradies gekommen sind, nicht gerichtet, weil sie die Rechtfertigung durch den Glauben erlangt haben11). Dies deutet der Geist Gottes ganz kurz an in den Worten: „Die Toten in Christo werden auferstehen zuerst12). Die aber ohne Christus im Tod Gebliebenen, kommen in's Gericht, und erhalten ihr Urteil nach den Werken13).

Aus diesen kurzen Andeutungen über das, was uns die heilige Schrift von der Auferstehung der Toten lehret, geht deutlich hervor, dass die Hoffnung unserer eigenen Auferstehung unzertrennlich ist von der Auferstehung Jesu Christi. Darum ist auch das Zeugnis von der Auferstehung des Weltheilandes und was damit zusammenhängt der zweite Hauptteil des Evangeliums. Die Apostel predigten überall nur Christum den Gekreuzigten und Auferstandenen; schon am ersten Pfingstfeste sagt der Apostel Petrus: „Diesen Jesum hat Gott auferweckt, des sind wir alle Zeugen!“14) und der Apostel Paulus kämpft in seinem ersten Schreiber an die Korinthische Gemeinde mit strafendem Ernst gegen die Irrlehrer, welche die Auferstehung der Toten leugneten, die doch eine notwendige Folge der Auferstehung Christi ist. Seine Worte bilden den Inhalt unseres Textes:

„So Christus gepredigt wird, dass er sei von den Toten auferstanden, wie sagen denn etliche unter euch die Auferstehung der Toten sei nichts? Ist aber die Auferstehung der Toten nichts, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Wir würden auch erfunden als falsche Zeugen, dass wir wider Gott gezeugt hätten, er hätte Christum auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, sintemal die Toten nicht auferstehen. Denn so die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden.“

Diese scharfbeweisende bündige Stelle überhebt uns der schmerzlichen Mühe irgend etwas zur Widerlegung der heidnischen Unsterblichkeitslehre zu sagen, welche in neuerer Zeit aus Mangel an Schriftkenntnis anstatt der wahrhaftigen Auferstehungslehre aufgestellt wird. Wir wiederholen es nur: Das höchste Ziel der Christenhoffnung ist die Auferstehung zum ewigen Leben; diese Hoffnung beruht aber auf dem Glauben an die Auferstehung Jesu Christi, als auf einen von Gott selbst gelegten Felsengrund. Darum sagt der Apostel ferner so zuversichtlich:

„Ist Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube eitel; so seid ihr noch in euern Sünden; so sind auch die, so in Christo entschlafen sind, verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christum, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus, auferstanden, und der Erstling geworden, unter denen, die da schlafen.“

Und eben so zuversichtlich sagen wir: Ja, Christus ist auferstanden! deswegen ist auch der Ostertag dem Christen das höchste Freudenfest. Inniger muss unsere Liebe, beseligender unser Dank gegen unsern Heiland werden, wenn wir mit dieser Zuversicht im Herzen

Die Bedeutung des Osterfestes

erwägen, denn es erinnert uns dieses Fest:

  1. Dass unser ganzer Christenglaube unerschütterlich begründet ist.
  2. Dass die Schuld unserer Sünden getilgt ist.
  3. Dass alle in Christo Entschlafenen nicht verloren sind.
  4. Dass die wahren Christen die glückseligsten sind unter allen Menschen.

1. Unser ganzer Christenglaube ist durch die Auferstehung Jesu Christi unerschütterlich begründet.

„Ist Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube eitel.“ Eitel ist alles, was nur dieser Welt der Vergänglichkeit angehört, was den Hoffenden täuscht und nicht die Probe hält. So wäre unser Glaube eitel, wenn die Auferstehung Jesu Christi etwa eine Auferstehung aus einem Scheintod, oder eine Wiederbelebung nur für dies Erdendasein gewesen wäre; denn unser ganzer Christenglaube beruht auf der Gewissheit: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“

Dem Christen braucht man nicht erst zu beweisen, dass er einen Erlöser nötig habe; davon ist er durch sein eigenes Herz genugsam überwiesen, welches unter dem Gefühl seiner Schuld gebeugt einen Helfer sucht. Allein, dass Jesus Christus dieser Erlöser ist, bedurfte einer göttlichen Beglaubigung, damit jeder Mühselige und Beladene volle Zuversicht hätte zu Ihm als dem Retter zu kommen und Leben und volle Genüge15) zu suchen bei dem großen Hirten der Schafe, den Gott ausgeführt hat von den Toten, durch das Blut des ewigen Testamentes16).

Die Auferstehung Jesu Christi ist seine göttliche Beglaubigung als Welterlöser. Diese Auferstehung ist zwar eine geschichtliche Tatsache, darf aber durchaus nicht in gleiche Reihe gestellt werden mit den wunderbaren Auferweckungen, wovon wir sonst im alten und neuen Testament mehrere Beispiele finden17); solches waren irdische Auferweckungen, zur Rückkehr in das zeitliche Leben. An dem auferstandenen Gottessohne hingegen hat sich das ewige Leben geoffenbart; Er hat durch seinen Tod dem Tod die Macht genommen, und durch seine Auferstehung für uns Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht18); Er bleibt nun ewiglich, und hat ein unvergängliches Priestertum, daher er auch selig machen kann immerdar, die durch ihn zu Gott kommen, und lebet immerdar, und bittet für die Seinen19).

Die Auferstehung Jesu Christi ist ein in seiner Art einziges Ereignis; sie ist der hochwichtige Wendepunkt, wo für die Menschheit der Sieg des Lebens sich entschied. Denn wie der Vater das Leben hat in ihm selber, also hat er auch dem Sohn gegeben das Leben zu haben in ihm selber20). Mit dieser Gottesfülle des ewigen Lebens senkte sich der Erlöser in den Tod der Menschenwelt, und brachte so in unsern Tod sein Leben. Dadurch ist uns Armen das ewige Leben als eine Gnadengabe Gottes zugänglich geworden21). Das ganze Evangelium besteht nun darin, dass uns Allen dieses Leben in Christo Jesu verkündigt und angeboten wird. Wer Jesum Christum zum Erlöser annimmt, der hat schon das ewige Leben im Glauben ergriffen22). Wo dieses Glaubensleben anfängt, bearbeitet es den ganzen Menschen, gestaltet nach und nach sein Wesen um und bringt ihn, wenn er in den Kämpfen des Glaubens treu bleibt, durch die Schmerzen der Wiedergeburt zu der höchsten Lebensentwicklung in der Auferstehung von den Toten.

Damit wir nun unter diesen Kämpfen und Schmerzen nicht irre noch mutlos werden, ist uns in der Auferstehung unseres Herren ein Unterpfand für unsern Glauben gegeben. Wir sind, was den Glauben betrifft, in gleichem Fall mit den Aposteln und ersten Jüngern des Herren; die Auferstehung nimmt für uns wie für sie das Ärgernis des Kreuzes hinweg, und versiegelt und wie ihnen die Wahrheit des Wortes vom Kreuz; und wenn die Apostel vor uns den Vorteil hatten den auferstandenen Heiland mit leiblichen Augen zu schauen, so haben wir dagegen den Vorteil, dass wir die Wirkung ihres Zeugnisses von Christo dem Auferstandenen durch lange Jahrhunderte verfolgen können und überall finden wir es bestätigt, dass der Glaube an Jesum Christum der Sieg ist, der die Welt überwunden hat23).

Wahrlich dieser Glaube ist nicht eitel, sondern er steht unerschütterlich fest; und darum haben wir in demselbigen auch die Zuversicht:

2. Dass die Schuld unserer Sünden getilgt ist.

„Ist Christus nicht auferstanden, so seid ihr noch in euern Sünden.“

In seinen Sünden sein heißt ohne Vergebung der Sünden dahin gehen unter dem Fluch des Gesetzes. In ihren Sünden sind alle, die keinen Erlöser haben. Alle Nachkommen des ersten Adams werden als Knechte der Sünde geboren; keiner kann sich selbst befreien, keiner kann einen andern frei machen; denn es kostet zuviel, auch nur Eine Seele zu erlösen, dass er es muss lassen anstehen ewiglich24). Sollte der Menschheit geholfen werden, so musste ein zweiter Adam erscheinen, der selber sündenrein und auch reich genug wäre die Sündenschuld der ganzen Welt zu bezahlen. Dieser zweite Adam oder Urmensch war Jesus Christus, der Herr vom Himmel25), der Hocherhabene, welcher durch seine Menschwerdung und seinen Tod für uns Alle der strafenden Gerechtigkeit genug getan hat26).

Er vergoss freiwillig sein Blut zum Lösegeld27). Durch dieses Lösegeld hat er eine vollgültige Genugtuung für aller Welt Sünden geleistet28); denn seine Aufgabe war Erlöser für Alle zu werden, damit jeder, der an ihn glauben will, nicht verloren werde, sondern das ewige Leben finde. Wäre eine einzige Sündenschuld ungetilgt geblieben, so hätte der Tod Ihn durch das Gesetz gehalten, und Er hatte nicht auferstehen können.

In der Auferstehung Jesu Christi ist uns also eine sichere Bürgschaft unserer vollkommenen Rechtfertigung vor Gott geschenkt. Dies ist ein sehr tiefer Gedanke voll himmlischen Trostes für den, der hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit im Gefühl der Angst über seine Sünden. Einem solchen demutvollen Sünder ist die innigste Befriedigung bereitet, wenn er an Christum den Auferstandenen glaubt. Die ganze Rechtfertigung des Sünders vor Gott ist uns nämlich in den zwei Worten dargelegt: „Unser Herr Jesus ist um unserer Sünde willen dahin gegeben, und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt29).“

Glückselig, wer diese Wahrheit sich aneignen kann als ein geistig Armer; ihm tut sich das Himmelreich mit seinen Gnadenschätzen auf, und eine stille Zuversicht gibt ihm den Frieden Gottes mitten in der Angst der Welt. Was vermag der Fürst dieser Welt mit allen Mächten der Finsternis gegen eine Seele, die in der Gnade steht? So lange es dem Feind nicht gelingt uns unsre Erlösung zweifelhaft zu machen, so lange kann er uns nicht aus unserer Festung treiben, so lange kann er uns auch nicht ängstigen mit seinen Drohungen des zukünftigen Gerichtes. Wenn uns bange werden will unter den Anfechtungen dieses Prüfungslebens und unter dem niederdrückenden Gefühl unserer Sündhaftigkeit, so schauen wir empor zu dem Herren, der unsre Gerechtigkeit ist, zu Jesu Christo dem Auferstandenen, und horchen auf den Siegesruf, der durch den Himmel erschallt: „Es ist das Heil, und die Kraft, und das Reich, und die Macht unseres Gottes seines Christus geworden, weil der Verkläger unserer Brüder verworfen ist, der sie verklagt Tag und Nacht vor Gott. Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut, und durch das Wort ihres Zeugnisses, und haben ihr Leben nicht geliebt, bis an den Tod30).“ Derselbe Siegesruf wiederhallet dann in der kämpfenden Seele, und erfüllt sie mit Lebensmut und Sterbensfreudigkeit.

Für jeden Gläubigen, welcher der Vergebung seiner Sünden in Christo Jesu gewiss ist, verschwinden alle bangen Besorgnisse und Schrecken der Zukunft, die das Erdendasein umdüstern und die Sterbestunde trostlos machen. Des Christen Zuversicht erstreckt sich aber auch über das Grab hinaus, denn die Auferstehung Jesu Christi gibt ihm überdies die Versicherung:

3. Dass alle in Christo Entschlafenen nicht verloren sind.

„Ist Christus nicht auferstanden, so sind auch die, so in Christo entschlafen sind, verloren.“ Verloren ist, seit Adams Fall, die ganze Menschheit von Natur; verloren waren auch die in Christo Entschlafenen, d. i. die Gläubigen, die beim Sterben auf Ihn ihre Hoffnung gründeten, wenn Er nicht auferstanden wäre. Denn wäre Christus nicht auferstanden, so wäre auch Er ein verlorener gewesen, er wäre in einem untergeordneten Zustand vom Tod gehalten ferne geblieben von der Herrlichkeit des Vaters, und hätte folglich diejenigen, welche mit Ihm, dem Haupt, als lebendige Glieder verbunden waren, nicht nach sich ziehen können in die Herrlichkeit. Dies ist ganz klar, und deshalb ist die Auferstehung Jesu Christi auch so wichtig für unsere Aussichten und Hoffnungen jenseits des Grabes.

Jeder Ungläubige, der in eigener Gerechtigkeit, oder was damit gleichbedeutend ist, in seinen Sünden vor den Richter tritt, bleibt unter der Zahl der Verlorenen, die mit Zagen dem allgemeinen Weltgericht entgegen sehen. Daher brütet in der Seele des Ungläubiger eine so trostlose Ungewissheit, die oft erst nach der Sterbestunde zum vollen schrecklichen Bewusstsein kommt. Wer ohne Christum entschläft, lässt den Seinigen nur ein dunkles, banges Gefühl zurück, das höchstens sich in ein wehmütiges Vielleicht auflöst: Vielleicht sehen wir uns wieder! Doch wo? Darüber liegt des Todes Schweigen, ein dichter Trauerflor31).

Aber hell und freundlich leuchtet der Klang der Auferstehung Jesu um die Sterbestunde seiner treuen Nachfolger. Der in Christo Entschlafende ist schon gerettet, und kann darum nicht mehr verloren gehen; an ihm geht das Wort des guten Hirten in Erfüllung: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen32).“ Sanft legt sich der sterbende Christ in seines Heilands Hände, wie das entschlummernde Kind in den Arm der Mutter; gewiss wieder aufzuwachen, sobald der Morgen kommt. Und er bleibt nicht lange aus, dieser ersehnte Ostermorgen des himmlischen Tages, der nicht mehr in Nacht vergeht; denn hat der Entschlafene geruht eine kleine Zeit von seiner Arbeit im Ort des Friedens, so kommt der Herr, der ihm unterdessen eine Stätte bereitet hat im Vaterhaus, und nimmt ihn zu seiner Freude auf33).

Die Ruhe der in Christo Entschlafenen ist jener Zustand der Vorseligkeit, in welchem die Seele Jesu weilte den Sabbat entlang, während sein Leichnam im Grab lag, und in welchem Abraham und alle Gerechten des alten Bundes warteten auf den verheißenen Messias34); ein Garten Gottes, worin das Holz des Lebens wächst35). Doch ist dies nicht das höchste Ziel der Vollendung; denn alle im Herren Entschlafene erwartet erst noch das erhabenste Glück, die Auferstehung selbst, durch welche sie, angetan mit ihrem verklärten Leibe als mit dem strahlenden Hochzeitsgewand, eingehen in das himmlische Jerusalem, wo der Herr jetzt schon seine siegreiche Kirche sammelt um seinen Gnadenthron36).

Dort nur ist das wahre Ziel aller derer, die den Herren Jesum lieb haben, und ihn anrufen von reinem Herzen; dorthin weisen sie, wenn vom Wiedersehen in der Scheidestunde die Rede ist; und darum bleibt auch ihre Seele so getrost in dieser ernstesten der Stunden. Sie wissen, dass sie in jener Welt als Kinder der Auferstehung37) alle diejenigen wiederfinden, mit denen sie sich hier in dem Herren verbunden haben, denn dies beglaubigt ihnen der Heiland selber, der gemeinschaftliche Gegenstand ihrer Liebe, in seinem hohepriesterlichen Gebet: „Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, dass sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast38).“

O meine Teuren, welche Geheimnisse himmlischer Seligkeit sind uns in unserm Christenglauben aufgeschlossen! Wie verklärt sich in solcher Aussicht das Leiden dieser Erdennacht! Darum ist auch der wohlbegründete Jünger Jesu in allerlei schweren Lagen und Schicksalen so getrost, ja freut sich sogar, und wir behaupten gewiss nicht zu viel, wenn wir sagen:

4. Dass die wahren Christen die glückseligsten sind unter allen Menschen.

„Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christum, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.“ Das Erdenleben des Christen ist freilich ein Kreuzleben, ein harter Stand voll Entsagung und Ertötung. Es gibt kein bequemes Christentum, das sich mit den Götzen dieser Welt verträgt; und das, was man dafür zu halten pflegt, ist nur ein verkapptes Heidentum hinter christlichen Namen. Uns selbst zu verleugnen und unser Kreuz auf uns zu nehmen, dies ist die Aufgabe, welche wir von dem Herren lernen sollen39); denn wir müssen als reine Jünger durch viele äußere und innere Trübsal in das Reich Gottes gehen40).

Und wenn die äußere Trübsal schon schwer scheint, die Verfolgungen, der Spott der Welt, die zahlreichen Hindernisse, welche sich besonders anfänglich auf jedem Schritt vor dem Gläubigen anhäufen, um ihn irre zu machen und abzuschrecken, so ist die innere Trübsal noch viel schmerzlicher, denn im verborgenen Kämmerlein da müssen erst Kämpfe durchgerungen und Proben bestanden werden, welche, obgleich nach außen wenig bemerkbar, doch alle Schilderung übersteigen. Das ist nämlich die Gemeinschaft der Leiden Jesu, wovon die Welt keinen Begriff hat, sonst würde sie noch mehr spotten über den, der durch solche Drangsale hindurch seinen Glauben zu retten sucht, indem alles Kreuz nur um des Glaubens willen über den Christen kommt. Allein, wenn wir den guten Kampf kämpfen und Glauben halten41), so hat das Kreuzleben keine Not, weil gerade darin unser Vorrecht auf Erden besteht, dass wir dem Anfänger und Vollender unseres Glaubens in seiner Erniedrigung gleich sein dürfen42); ein Vorrecht freilich, welches die Welt mit Hohn und Widerwillen von sich abweist, welches wir aber mit demutvollem Dank annehmen, eingedenk der Verheißung, die daran geknüpft ist43).

Uns genügt zu wissen: „Christus ist auferstanden von den Toten, und der Erstling geworden unter denen die da schlafen.“ Er war die Erstlingsgarbe, mit welcher die große Freudenernte der Tränensaat eröffnet wurde44). So wir nun samt ihm gepflanzt werden zu gleichem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein45).

Die Auferstehung ist etwas so überschwänglich Herrliches, dass alle Leiden dieser Zeit ihrer nicht wert sind46); darum hat auch der Apostel alles was ihm Gewinn war für Schaden geachtet, damit er entgegenkomme der Auferstehung von den Toten47). Den wahrhaftigen Christen ist kein Opfer zu groß, weil ihr Auge mit lebender Sehnsucht auf ihren erhöhten Heiland gerichtet ist; nämlich auf den zweimal erhöhten, an das Kreuz und zur Rechten der Majestät, wohin er die Seinigen alle zu sich zieht48). Hat einmal der echte Kreuzessinn in dem Gläubigen feste Wurzel gefasst, dann ist er für Zeit und Ewigkeit geborgen, und es bestätigt sich an ihm, was wir vorhin aussprachen: dass die wahren Christen die glückseligsten unter allen Menschen sind; denn sie tragen das unzerstörbare Glück in ihrer Seele, durch die Liebe Gottes in Christo Jesu ihrem Herren, von welcher sie weder Tod noch leben scheiden mag49).

Erklären kann dies Glück kein menschlicher Mund; aber viel tausend Jünger und Jüngerinnen Jesu haben es erkannt und bestätigt, dass eine Christenseele, worein die Liebe Gottes ausgegossen ist, schon auf Erden von Himmelsseligkeit durchströmt wird; die Vergangenheit verklagt sie nicht mehr, da ihre Sünden getilgt sind; die Gegenwart kann ihr mit allen Kämpfen und Schmerzen nur heilsam sein, da die Gnade Gottes für sie Alles in Segen verwandelt; und die Zukunft zeigt ihr eine trostvolle und hoffnungsreiche Aussicht nach oben, wo Gott abwischet alle Tränen von ihren Augen, und kein Tod mehr ist, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerzen mehr, und wo es heißt: Das Erste ist vergangen50).

O seliger Stand einer Seele, die auf dem Lebensweg diese Höhe erreicht hat, dass sie mit stillem Gottesfrieden auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sieht! Zwar vorerst nur in Hoffnung selig, wartet sie noch in Geduld auf ihres Leibes Erlösung51). Aber Christus ist schon ihr Leben, darum ist Sterben ihr Gewinn52). Jeder Stundenschlag, der sie erinnert, wie die Prüfungszeit zerrinnt, verkündigt das Kommen ihres Geliebten; der Zug zu Ihm wird immer mächtiger, und immer deutlicher und freudiger vernimmt sie Seine Stimme: „Ja, ich komme bald!“ bis endlich ihr ganzes Denken und Empfinden sich auflöst in den einzigen, seligen Wunsch: Ja, komm, Herr Jesu!53)“ Amen.

1)
1. Thess. 5,23
2)
Joh. 11,11
3)
1 Petr. 3,18-20.
4)
Matth. 27,52-53.
5)
1 Kor. 15,23.
6)
Micha 2,13
7)
Offenbarung 20,6
8)
Joh. 6,40 und 54
9)
Ebr. 12,23
10)
Hebr. 12,14
11)
Joh. 3,18
12)
1. Thess. 4,16
13)
Mat. 25,31-46
14)
Apg. 2,32
15)
Joh. 10,11.
16)
Ebr. 13,20.
17)
1 Kön. 17,22, 2 Kön. 4,32 bis 36.13,21. Matth. 9,25. Luk 7,14-15. Joh. 11,43 - 44.
18)
2 Tim. 1,10.
19)
Ebr. 7, 24-25.
20)
Joh. 5,26
21)
Röm. 6,23
22)
Joh. 6,47
23)
1 Joh. 5,4-5 1. Korinth. 15,57.
24)
Ps. 49,8-9.
25)
1 Kor. 15, 45 u. 47.
26)
Ebr. 2,14-15
27)
1 Petri 1,18-19.
28)
1. Joh. 2,2.
29)
Röm. 4,25
30)
Offenb. 12,10-11
31)
1. Thess. 4,13-14
32)
Joh. 10,27-28.
33)
Joh. 14,2-3 Matth. 25,21.
34)
Jesaj. 57,1-2. Luk 16,22.
35)
Offenb. 2,7
36)
Offenb. 7,9-17.
37)
Luk. 20,35-36.
38)
Joh. 14,24. vergl. Ebr. 7,26,
39)
Luk 9,23-24.
40)
Apostelgesch. 14,22.
41)
2. Tim. 4,7
42)
Ebr. 12,1-6. 2 Tim. 2,11 - 13
43)
1 Joh. 2,24-25.
44)
Ps. 126,5-6.
45)
Röm. 6, 5.
46)
Röm. 8, 18.
47)
Phil. 3, 7-11
48)
Joh. 13,32
49)
Röm. 8,35-39
50)
Offenb. 21,4
51)
Röm. 8,23-25.
52)
Phil. 1,21
53)
Offenb. 22,20
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/haerter/haerter-das_osterfest.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain