Gossner, Johannes Evangelista - Schatzkästchen - Oktober.
1. Oktober
Gott rüstet mich mit Kraft, und machet meine Wege ohne Wandel.. Er machet meine Füße gleich den Hirschen, und stellet mich auf meine Höhe. Ps. 18,33.34.
Jene verlassen sich auf Wagen und Rosse, wir aber denken an den Namen des Herrn, unsers Gottes. Ps. 20,8.
Er wendet sich zum Gebete der Verlassenen und verschmähet ihr Gebet nicht. Ps. 102,18.
Denn er kennet, was für ein Gemächte wir sind; er denket daran, daß wir Staub sind. Ps. 103,14.
Der natürliche Mensch traut sich Alles selbst zu, und kann nichts recht machen. Alles ist verkehrt, was seine Hand anfaßt, was er thut, weil sein Herz und Sinn verkehrt ist. Der Begnadigte, Erleuchtete, erkennt sein gänzliches Unvermögen zu allen Zeiten, und traut daher nicht auf die Streitwagen und Rosse der eignen Kraft, sondern allein auf den Namen des Herrn, betet, ringt und harret zu Gott, durch welchen er Alles vermag. Denn Gott rüstet jeden, der ihn darum anruft, mit Kraft, und bewahret ihn vor Fehltritten. Ja, der Herr kann den Schwächsten, der allein auf ihn vertraut, so stärken und beleben, daß er gleich den Hirschen muthig und brünstig in seinen Wegen wandelt, über alle Höhen und Berge der Trübsal, und Beschwernisse hineilt und zum Ziele dringt. Kein Schwacher, kein Elender, der sich wirklich so fühlt, verzage, er bete nur fleißig und zuversichtlich um Kraft; denn der Herr kennt unser Elend und unsere Schwachheit besser, als wir selbst, weiß besser als wir, daß wir nichts, gar nichts ohne ihn vermögen, und daß wir erliegen und verloren gehen müssen, wenn er uns nicht hilft. Da er nun ernstlich will, daß wir nicht verloren gehen, sondern selig und herrlich werden, so muß er ja helfen, wenn wir auch wollen und um Hülfe bitten. Das glaube fest; denn es ist Wahrheit, und diese Wahrheit macht dich stark, und deine Füße gleich den Hirschen.
2. Oktober
Dort wird der Gerechte stehen mit großer Freudigkeit gegen die, so ihn geängstet haben. - Wenn diese dann solches sehen, werden sie erschrecken vor solcher Seligkeit u.s.w. Buch Weisheit 5,1-6.
Nachdem es recht ist vor Gott, zu vergelten Trübsal denen, die euch Trübsal anlegen. Euch aber, die ihr Trübsal leidet, Ruhe mit uns, wenn nun unser Herr Jesus wird geoffenbaret werden vom Himmel - mit Feuerflammen Rache zu geben über die, so Gott nicht erkennen und nicht gehorsam sind dem Evangelio. 2. Thess. 1,6-10.
Lies, ich bitte, dieses ganze 5. Kapitel des Buchs der Weisheit und betrachte es mit Aufmerksamkeit. Da siehst du, wie herrlich, wie unangefochten, wie verklärt, wie selig Alle dort stehen werden, die sich hier der Heiligung beflissen haben, und deswegen Schmach, Spott und Verfolgung vor der Welt erdulden mußten. Da siehst du auch, welche Reue die dort anwandeln wird, welche hier die Frömmigkeit und den Glauben verspotteten, die Frommen verfolgten. Dort werden sie beichten und redlich bekennen, wer und wie sie hier gewesen sind. Jetzt bilden sie sich ein, weise und aufgeklärt zu sein; und jetzt schelten sie die Frommen, und nennen sie Narren, Schwärmer und überspannte, finstere Köpfe; aber dort werden sie einsehen, daß sie - sie selbst dieses gewesen, daß sie des rechten Weges verfehlt, in der Finsterniß gewandelt und das wahre Licht nicht erkannt haben. Dann werden sie die verspotteten und verachteten Frommen unter den Kindern Gottes sehen, und sich unter den Kindern des Teufels und der Finsterniß; werden sehen, wie leer, unnütz und verkehrt ihr geschäftiges Leben war, womit sie der Welt so wichtige Dienste zu leisten glaubten. Sieh, so weiß der heilige Geist voraus zu sagen, wie es den Frommen und wie es den Gottlosen dort gehen wird: jenen zur Aufmunterung und Stärkung, diesen zur Warnung und Erweckung, daß sie sich bekehren und sich diese ewige Reue und Schande ersparen möchten. - Ihr Lieben, die ihr um der Gerechtigkeit willen Spott und Verfolgung leidet, seid getrost und nehmet wohl zu Herzen, was euch in diesem Kapitel vorgehalten wird. Sehet aber zu, daß ihr auch wirklich der Heiligung nachjaget und wahrhaft um der Gerechtigkeit willen leidet, nicht um eurer eignen Gebrechen willen. Wer um des Guten willen leidet, o der sei unverzagt - seine Freude und Herrlichkeit wird bald groß und ewig sein.
3. Oktober
*Die ihr den Herrn liebet, hasset das Arge; der Herr bewahret die Seelen seiner Heiligen, von der Gottlosen Hand wird er sie erretten. Ps. 97,10.
Aber ich habe etwas Weniges gegen dich rc. Off. 2,14.28.
Habet nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsterniß. Eph. 5,11.
Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsterniß? 2. Cor. 6,14.
Saget schon David: Ein verkehrtes Herz muß von mir weichen, den Bösen leide ich nicht. Ich hasse die Uebertreter, und lasse sie nicht bei mir bleiben. (Ps. 101,3.4.) Wie sollte der Höchste und Heiligste wohnen in einem Herzen, das noch die Sünde liebt, das nicht Allem ganz entsagt, was vor seinen Augen ein Greuel ist. Wer sagt, er liebe den Heiland, und liebt nicht, was er liebt, und haßt nicht, was er haßt, der ist ein Lügner und hat ihn nie erkannt. Man denkt und spricht: Das sind ja nur Kleinigkeiten, was sollte der Herr das übel nehmen, oder uns das nicht gönnen? Er ist nicht so streng, er nimmt es nicht so genau rc. Ei, wie falsch und schlecht ist dieses gedacht: Nimmst es doch du genau mit Andern, wenn sie sich nur mit einem Worte oder mit einem Blick gegen dich vergehen. Dann sieh, wie er (Off. 2,14.20.) auch mit Kleinigkeiten es genau nimmt, und wenn er an einem nur etwas Weniges sieht, es gleich rügt und mit scharfen Drohungen zu bessern sucht. Was eine solche Majestät und Liebe, wie er ist, beleidigt, sollst du nicht klein nennen. Und wenn du es so gering achtest, wenn es so wenig und klein ist in deinen Augen, ist es desto schlimmer, wenn du ihm diese Kleinigkeit nicht opfern kannst. Wie wirst du große Dinge lassen, wenn du den kleinen nicht Meister wirst? Das Auge, das helle sehen und gesund bleiben soll, kann auch kein Stäubchen in sich dulden. Das Feuer will durchaus rein sein; es verzehrt Alles, was ihm nahe kommt. Das Licht leidet keine Flecken, keine Dunkelheit; es muß ganz lauter sein.
4. Oktober
Ich weiß, Herr, des Menschen Thun stehet nicht in seiner Gewalt, und steht in niemandes Macht, wie er wandle oder seinen Gang richte. Jer. 10,23.
Mein Angesicht soll gehen, damit will ich dich leiten. 2. Mos. 33,14.
Sende dein Licht und deine Wahrheit, daß sie mich leiten. Ps. 43,3.
Die Gottlosen denken nicht an Gottes Leitung, sondern glauben, sie thun was sie wollen. Aber der Mensch denkt es, und Gott lenkt es. Der Mensch hat Böses im Sinn bei seinem Thun, Gott aber leitet es denen, die auf ihn vertrauen, zum Besten. Gott legt der Freiheit des Menschen keinen Zwang an, er läßt aber ihn die Absicht und den Zweck seiner bösen Anschläge und Thaten nicht erreichen, wenn sie nicht zum Besten seines Reichs dienen. Der Mensch will wohl freithätig handeln, aber das Vollbringen, das Thun steht nicht in seiner Macht und Freiheit. Gott kann's hindern oder fördern, nach seinem Wohlgefallen. Der Fromme aber soll nie sich selbst leiten und regieren wollen, sondern keinen Schritt thun, ohne sich vom Angesicht des Herrn, wie Moses, leiten zu lassen. (2. Mos. 33,22.) - Ohne wie David zu beten: Sende dein Licht und deine Wahrheit, daß sie mich leiten! Wer nicht das Antlitz des Herrn sucht, wie Moses, bei allen seinen Handlungen, der irrt gewiß in der Wüste dieses Lebens herum, ohne den Weg zum Lande des Friedens zu finden. Wer nicht betet um Licht und Erkenntniß des Willens Gottes bei allen seinen Unternehmungen, dem gelingt sein Anschlag nicht, oder das Gelingen gereicht ihm nicht zum Heile, sondern zum Verderben. Er schreibt sich es selber zu, wird stolz darauf und erhebt sich, so, daß es besser wäre, es wäre ihm nicht gelungen. Der Herr hat verheißen, uns mit seinen Augen zu leiten, uns seinen Willen allzeit kund zu thun: Wenn sie weinend kommen und beten, dann will ich sie leiten. (Jer. 31,9.) Sieh', da hast du sein Wort. Wenn du recht in die Enge und Klemme kommst, wenn du keinen Rath weißt, so weine vor dem Herrn, klage mit Thränen ihm deine Noth, und er muß dich leiten, denn Er hat's gesagt: Ich will dich leiten. Auch Ps. 32,8.
5. Oktober
Israel hat dennoch Gott zum Trost, wer nur reines Herzens ist. Ich aber hätte schier gestrauchelt mit meinen Füßen - denn es verdroß mich auf die Ruhmräthigen, daß es den Gottlosen so wohl ging. Denn sie sind in keiner Gefahr, stehen fest wie ein Palast – aber – aber wie werden sie so plötzlich zu nichte. Ps. 73.
Das ist der allgemeine Stein des Anstoßes bei vielen - auch guten Gemüthern, an dem einige schier straucheln, andere wirklich fallen, weil sie nicht Geduld genug haben, das Ende abzuwarten. Man lese den ganzen Psalm aufmerksam und betrachte, wie wahr alle Worte sind. Gott läßt es den Gottlosen, Ungläubigen und Ungerechten wirklich wohl gehen und gelingen, als wenn er ihr Freund und Patron wäre; und die Frommen müssen leiden und unterdrückt werden, als wenn Gott ihr Feind und Widersacher wäre. Sieh, das ist eine alte Geschichte. Davon wußte Assaph und alle alten Frommen schon zu sagen; das war vor Jahrtausenden so, ist noch so und wird so sein, so lange diese Welt in diesem jetzigen Zustande sich befindet. Wenn du deswegen die Frömmigkeit, den Glauben an Gott und Christus verwirfst oder gering schätzest und dich etwa gar davor fürchtest, weil es den Gläubigen nicht wie den Uebelthätern, wohl geht, so verwirfst und verdammst du alle Heiligen und Gerechten aller Zeiten, die Gott auserwählet und geliebet hat. Alle, alle wurden durch viele Trübsal geprüft, aber ihr Ende - war herrlich, und dort - dort leuchten sie wie die Sonne, und der Höchste ist ihr Lohn. Und das Ende der Gottlosen, die hier glücklich sind, ist schrecklich - und ihr Loos wird ewig schrecklich sein. (Weish. 5,15.16.) Willst du also nicht lieber mit den Gerechten eine kurze Zeit leiden und dann ewig herrlich sein, als mit Frevlern hier Gott vergessen, schwelgen, prassen und dann in die Hölle begraben werden? - Nein, sagst du mit Assaph: Dennoch bleib' ich stets an dir - wenn ich nur dich habe rc.
6. Oktober
Fürchte dich nicht, und zage nicht. Josua 8,1. vgl. Josua 1,9.
Er wird den Erdboden recht richten, und die Leute regieren rechtschaffen. Ps. 9,9.
Unser Herr ist groß und von großer Kraft, und ist unbegreiflich, wie er regiert. Ps. 147,4.
Die Töchter Juda sind fröhlich, Herr, über deinem Regimente. Ps. 97,8.
Wer zagt, hat vergessen, daß Gott mit ihm ist, und daß Gott Alles regiert, daß nicht ein Haar von seinem Haupte fallen kann, ohne den Vater. Zaghaftigkeit entspringt aus Unwissenheit oder Vergessenheit Gottes, des Heilandes, der uns versprochen hat, bei uns zu sein alle Tage bis ans Ende der Welt. Wer ihn, seine göttlichen Eigenschaften, seine Weisheit, Allmacht, Liebe, Geduld und Allgegenwart kennt, und lebendig glaubt; wer es weiß und nie vergißt, daß er einen allmächtigen, weisen, gütigen und freundlichen Heiland und Gott beständig, alle Tage, bei sich habe, der ihn hört, ehe er ruft, und der versichert hat, selbst in uns zu wohnen; wer dieses lebendig glaubt, darf nicht, kann nicht zagen, es mag gehen, wie es will; es mag auch scheinen, als ob kein Gott wäre, kein Gott der Weisheit und Liebe in der Welt regiere; er regiert dennoch, aber seine Gedanken und Wege sind nicht unsere Gedanken und Wege, sondern so viel der Himmel höher ist denn die Erde, so sind seine Gedanken und Wege höher als die unsrigen. (Jes. 55,9.) Der Glaube, der die ihm stets gegenwärtige Allmacht und Liebe faßt und hält, steht unverzagt und ohne Grauen, ist voll Dank und Anbetung, ist fröhlich über das Regiment der weisesten Liebe Gottes; ist es ihm gleich unbegreiflich, wie er regiert, wie es dem David und allen, auch den erleuchtetsten Freunden Gottes immer unbegreiflich, aber doch anbetungswürdig erschien, so ruht er doch voll Zuversicht in den Armen der Alles recht und wunderbar regierenden Liebe des Vaters.
7. Oktober
Aber die Heiligen des Höchsten werden das Reich einnehmen, und werden's immer und ewiglich besitzen. Dan. 7,18
Der Höchste sorgt für sie, darum werden sie empfangen ein herrliches Reich, und eine schöne Krone von der Hand des Herrn. Weish. 5,16.17. Vergl. Offenb. 2,10.)
Die Heiligen, die sich dem Herrn ganz widmen und heiligen, die angezogen haben Jesum Christum, das Heil und die Gerechtigkeit Gottes, die in ihm hier wandeln und unsträflich bewahrt bleiben bis zu seinem Tage, die werden sein Reich einnehmen und ewiglich besitzen. Die mit Paulus (2. Tim. 4,7.) den edlen Kampf kämpfen, die Laufbahn vollenden, den Glauben bewahren, die werden empfangen ein herrliches Reich und eine schöne Krone, die Krone der Gerechtigkeit, die ihnen darreichen wird die Hand des Herrn, des gerechten Richters. O du schöne Krone! du herrliches Reich! wer dich nie aus den Augen verlöre, dem würde kein Leiden dieser Zeit zu schwer, daß er nicht gern trüge; dem würde keine Lust, keine Ehre, kein Gut der Welt zu reizend sein, daß er nicht gern verleugnete! Dem würde der Weg zu dir nicht zu steil, nicht zu rauh, nicht zu beschwerlich sein. Auf Flügeln der Liebe und Sehnsucht würde er sich über Alles wegschwingen und sein Herz schon dort haben, wo du, schöne Krone, du herrliches Reich, bist! Vergessen würde er, was hier unten ist, und nur im Sinne haben, was von dort ihm herüber winkt. Ihr Lieben! lasset uns nicht vergessen, was unser wartet beim Herrn. Es ist groß, es ist schön, es ist herrlich. Nichts, nicht des Nennens werth ist Alles, was wir leiden und thun. Laßt uns noch mehr thun, noch mehr leiden, es ist doch Alles nichts gegen jene Krone.
8. Oktober
Herr, ich breite meine Hände aus zu dir; meine Seele dürstet nach dir, wie ein dürres Land. Ps. 143,6.
Erfreue die Seele deines Knechtes; denn nach dir, Herr, verlanget mich. Ps. 86,4.
So steht es in den Herzen der Frommen geschrieben. So ruft jede Seele, die den Herrn liebt, tausendmal, so schreit ihr ganzes Wesen unablässig, ohne Worte, ohne Laut von Außen, zu dem unsichtbaren nahen, aber verborgenen Gott. Wer geschmecket hat, wie freundlich er ist, kann ohne ihn nicht mehr leben. Es ist ein ewiges Verlangen, Sehnen, Hungern und Dursten nach ihm im Innersten der Seele, das zu Zeiten laut wird und ausbricht in solche Psalmen, wie David, Assaph und andere Freunde des lebendigen Gottes sangen. Es hat nichts Reiz für sie, was sie immer finden in der Welt, was man ihnen immer vorlegt; es schmeckt ihnen nichts so, als Er. Sie haben, wie einer sagte, eine Passion, und die ist er, nur er. Bald giebt sich nun der Herr ihnen zu genießen, und da trinken sie aus den Strömen des ewigen Lebens, die vom Paradiese Gottes herüber fließen; dann verbirgt er sich ihnen, o dann sind sie wie vom Himmel in die Hölle geworfen, und fühlen diese Prüfung als das strengste und beißendste Läuterungsfeuer, welches noch heißeren Durst nach ihm erweckt, daß die Seele viel brünstiger nach ihm verlangt und mit glühendem Sehnen sein Antlitz wieder sucht. Sie halten ihn im Glauben und lassen ihn nicht, wie er es immer mit ihnen macht. Nichts kann sie von ihm scheiden. Seele, wie hast du es mit ihm? Bist du so mit ihm verbunden? Hängst du also an ihm? Verdient er es etwa nicht? Weißt du andere Dinge, die du ihm mit Recht vorziehen könntest? Kann eine Liebe zu groß für ihn sein? zu viel für ihn thun? Ist bei dir Gefahr zu besorgen, daß du zu sehr an ihm hängst, zu brünstig nach ihm verlangst? - Ich zweifle. Verzeihe mit meinen Unglauben.
9. Oktober
Ich danke dir, daß du mich gedemüthiget hast und hilfst mir. Ps. 118,21.
Wenn du mich demüthigst, machst du mich groß. 2. Sam. 22,36. Ps. 18,36.
und tröstest mich wieder. Ps. 71,21.
Wenn Leiden, Versuchungen, Dunkelheiten, Unglück, oder was immer für Prüfungen und Heimsuchungen Gottes da sind, um uns zu demüthigen, ist es freilich schwer für das arme Menschenherz, es weiß sich nicht mehr zu helfen; doch wenn es aufblickt zu dem, der Alles ordnet, und ohne den uns nichts geschehen und begegnen kann; wenn es zurückdenket, wie oft er schon aus der Noth geholfen, die bange Seele getröstet, Freuden auf Leiden gesendet und allezeit einen großen Segen auf große Leiden folgen ließ, so kann es nicht verzagen, und wird, wenn es aushält, am Ende danken für den großen Gewinn, den die Seele dadurch erhalten hat. Leiden demüthigen, machen die Seele klein, gebeugt, führen zur Erkenntniß und zum Bekenntniß der Sünde - und den Demüthigen giebt Gott Gnade; den Hoffärtigen widersteht er. Darum muß er zuerst unsre Hoffart, unsern Uebermuth niederschlagen, damit er den Gedemüthigten Gnade erzeigen und sie aufrichten kann. Er sucht und bahnet sich also durch Leiden und Kreuz einen Weg zu unsern Herzen, wenn er sie vor unsrer Hoffart nicht finden kann. Er hat also nur Gnade, Friede und Verherrlichung im Sinn, wenn er dich gleich niedergeworfen, geschlagen oder gedemüthiget hat. Er will dich groß und herrlich machen, darum hat er dich klein und niedrig gemacht. Willst du ihm das nicht erlauben? willst du ihm wehren? So kann er nichts aus dir machen, und du bleibst ein stolzer - Narr, indem du den Weg zu deiner wahren Erhöhung fliehst.
10. Oktober
Sorget nicht! Matth. 6,25.
Alle eure Sorge werfet auf ihn, denn er sorgt für euch. 1. Petr. 5,7.
Kümmert euch nichts; sondern in allen Dingen lasset euer Anliegen in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden. Phil. 4,6.
Wenn ein Kind Gottes sich von Sorgen einnehmen und martern läßt, so hat es aufgehört an Gott, als seinen Vater, und an Jesum, als seinen Heiland und Hirten, zu glauben; verleugnet eben durch das ungläubige Sorgen den Glauben an Gott und Jesum, und ist ärger als ein Heide, weil ein Heide von Gott und seinem Worte nichts weiß, und also nicht glauben kann. Du arme Seele! wach' auf! Hast du vergessen, daß Gott dein lieber Vater ist und für dich sorgt, wie der allerliebevollste und zärtlichste Vater auf Erden unmöglich sorgen kann? Hast du vergessen, daß Jesus dein Bruder, Hirt und Heiland ist, der dir ewiges Leben verheißen und hier schon ein Vorgefühl davon gegeben hat? Sollte er dir, was du hier bedarfst, nicht geben? Hast du aufgehört, zu glauben, daß er dich mit Blut erkauft hat? sollte er dich nun wegen geringer Dinge verlassen? seine für dich durchbohrten Hände von dir abwenden? Sieh' doch einmal wieder in seine Hände hinein, ob dein Name nicht drinnen steht? Schau ihm doch einmal wieder unter die Augen, oder in sein Herz, und du wirst sehen, daß dich dein Hoherpriester noch nicht weggeworfen, die Henne ihre Küchlein noch nicht zertreten, der Hirte sein Schäflein nicht von sich gejagt hat - Du wirst sehen, daß er dich noch mütterlich im Schooße trägt - Aber schaue auf zu ihm, sonst kannst du das nicht sehen. Sieh' nicht nur in die Erde und in das Irdische, nicht nur in dich hinein und um dich her, auf das Aeußere, auf deine Umgebungen - Auf! auf! zu ihm, mit Herz und Sinn! Er sorgt für dich und muß; er kann nicht anders; du bist sein, und er kann dich nicht lassen.
11. Oktober
Ich nenne euch nun nicht mehr Knechte, denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr thut; sondern Freunde nenne ich euch, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört, euch kund gethan habe. Joh. 15,15.
Ich will einen ewigen Bund mit ihnen machen, daß ich nicht will ablassen, ihnen Gutes zu thun; und es soll meine Lust sein, ihnen Gutes zu thun. Jer. 32,40.41.
Ich bin bei ihnen in der Noth. Ps. 91,15.
Alle die Eigenschaften, die Sirach und die jeder Freund von seinem Freunde fordert, findet man an keinem Wesen im Himmel und auf Erden so vereinigt und in dem Grade, als an Jesu, unserm Herzens- und Seelenfreunde. Ein treuer Freund ist ein starker Schutz, mit keinem Geld oder Gut zu bezahlen, ein Trost des Lebens - er wird aber in der Noth erkannt (Sir. 6,7.8. und 12,7.8.14-18.) Von welchem Menschen können wir all dieses mehr erwarten, als von Jesu, der gerade in der Noth am liebsten bei uns ist und uns herausreißen will? Und in aller Noth, in der Sünden- und Todesnoth, wo uns alle Freunde nichts helfen. Wenn es (Sprüch. 18,24.) heißt: Ein treuer Freund liebt mehr und steht fester bei, als ein Bruder; so ist dies gewiß auch von keinem so wahr, als von unserm Freunde zur Rechten Gottes. Er hat uns ewige Freundschaft und Liebe geschworen, hat sich verbunden, nicht abzulassen, uns Gutes zu thun. Es ist seine Lust, nicht nur uns Gutes zu erweisen, sondern bei uns zu sein und zu bleiben. (Sprüch. 8,31.) Er vertrauet uns die Geheimnisse seines Vaters, hält von allem dem, was er bei seinem Vater gehört hat, nichts zurück, sondern schüttet es in den Schooß seiner Freunde aus. O Freund! sei ein Freund Jesu! und halte dies für das größte Glück, ein Freund Jesu werden zu können; die Bedingniß steht Joh. 15,14. Und Vers 13. liesest du den höchsten Beweis seiner Freundschaft gegen dich, so daß Zweifel, ob er dein Freund sei und werden wolle, sobald du willst, die schändlichste Sünde wäre. Denn wer einmal für mich stirbt, der kann doch mein Feind nicht sein; kann mir doch seine Hand nicht entziehen, wenn ich sie anfassen will. Steh' zu seinem Kreuze hin, und sieh' deinem Freunde ins Herz; was liesest du?
12. Oktober
Solches rede ich zu euch, auf daß meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen sei. Joh. 15,11.16.24.
Sei nun wieder zufrieden, meine Seele, denn der Herr thut dir Gutes. Ps. 116,7.
Die Jünger aber wurden voll Freude und heiligen Geistes. Apostg. 13,52.
Die wahre Freude und der unzerstörbare ewige Friede kommt erst in das Herz des Menschen, wenn der heilige Geist einkehrt, wenn der Herr selbst zum Herzen spricht und ihm Gutes thut. Die Gottlosen und Ungläubigen, die Unbekehrten oder lauen Christen haben keinen Frieden und keine reine bleibende Freude. Unfriede und Unruhe ist in allen Herzen, in welchen der Gott des Friedens, in welchen Christus nicht wohnet durch den Glauben. Auch der Gläubige hat den Frieden verloren, sobald er vom Glauben abweicht, oder lau und träge wird, so daß er nicht in Jesu bleibt, und Jesum aus dem Auge und Herzen verliert. Darum kommet Alle, ihr Herzen, die ihr Friede und Freude suchet, kommet zu Jesu, dem Friedefürsten, nehmet ihn durch den Glauben in Liebe auf in eure Herzen; er will da seine Friedenshütte aufschlagen, will bei euch einkehren und euch lauter Freude bringen. Mit ihm kehrt der Himmel in eure Seele ein. Aber so lange wir hier leben, ist es ein gefährlich Ding, Wir tragen den Schatz in zerbrechlichem Gefäße, und müssen sehr wachsam und treu sein, um ihn nicht zu verlieren. Wird er uns, mit oder ohne unsere Schuld, aus weiser Absicht des Herrn, auf eine Zeit entzogen, so sollen wir deswegen nicht verzagen, sondern nur desto mehr in unser Herz einkehren, desto eifriger vor seiner Thüre warten, bis er sich unser wieder erbarmet.
13. Oktober
Wer bist du? Joh. 1,19.
Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den Niedrigen. Haltet euch nicht selbst für klug. Röm. 12,16.17.
Wer sich dünken läßt, er sei etwas, da er doch nichts ist, der betrügt sich selbst. Gal. 6,3.
Wer bist du? fragten die Priester und Pharisäer den Johannes, und sie hätten besser gethan, wenn jeder diese Frage an sich selbst gestellt haben würde. Denn diese Frage soll jeder Mensch des Tages siebenmal sich selbst zum Lösen aufgeben; so würde weniger Dünkel, mehr Demuth und Liebe unter den Christen sein. Wer bist du? Bist du Etwas in deinen Augen? so bist du nicht nur Nichts wie wir Alle sind, sondern du bist dabei auch ein aufgeblasener Thor und Selbstbetrüger, oder ein Betrogener. Betrachte dich nach dem Beispiele Christi und seiner lieben Nachfolger, der Apostel, Märtyrer und anderer ausgezeichneten Frommen, so wirst du finden, daß du noch weit zurück bist. Betrachte dich nur nach deinen Christen-, Standes- und Berufspflichten, so wirst du dich gewiß als einen großen Schuldner und Uebertreter erkennen. Am allerwenigsten kennen sich Menschen und besonders Fromme, die nach hohen Dingen, hohen Erkenntnissen, tiefen Einsichten, und nach besondern Sachen trachten, die Andere nicht wissen und nicht kennen; denn diese versteigen sich so sehr, daß sie den Weg zu sich selbst zurück nicht mehr finden. Hüte dich - schau nicht nach Höhen hin; Gott weiß, was dort ist, und wenn du es sehen und wissen sollst, wird er dir in einem Augenblick mehr zeigen, als du in hundert Jahren nicht erforschen kannst - schau nicht nach Höhen hin, schau in dich hinein, steig herab zu den Demüthigen, Niedrigen, und bleib unten im Thale der Selbsterkenntniß und Selbsterniedrigung: so wird dich Gott erhöhen und dir Dinge offenbaren, die du auf schwindelnden Höhen nie finden kannst, wenn er sie dir nicht zeigt auf dem Wege des demüthigen Glaubens.
14. Oktober
Wie ein Knecht sich sehnet nach Schatten, und ein Tagelöhner, daß seine Arbeit aus sei; also habe ich wohl ganzer Monden vergeblich gearbeitet. Elender Nächte sind mir viele worden. Hiob 7,2.3.
Du machest Finsterniß, daß es Nacht wird. Ps. 104,20.
Wir müßten die Führungen aller Glaubens- und Geduld-Helden verwerfen, wenn wir nicht in ihre Fußstapfen treten, wenn wir nicht gelten lassen wollten, daß auch der erleuchtete, gläubige Christ in tiefe Nächte, Dunkelheiten hinein gerathen müsse, um erst recht erleuchtet und erfahren zu werden. War Hiob nicht ein Mann, der Gott gefiel und den der Herr führte? Höre ihn, was er dir zu erzählen weiß; wie ihm oft Mondenlang gewesen ist. Kein Tagelöhner sehnet sich so nach Ruhe, kein Arbeiter in der Sonnenhitze so nach Schatten, als die in dunkeln Wegen wandelnde Seele nach Licht und Trost vom Herrn. Merke dir doch das eine Wort von Hiob: Es sind mir der elenden Nächte viel geworden. Das waren wohl nicht Nächte, wie sie der Leidenschaftliche, der Geizige, der um das Irdische Bekümmerte hat, den überflüssige Sorgen des Geizes oder Unglaubens, den Neigungen, den Rache rc. plagen und schlaflos machen. Nein, das Elend dieser Nächte bestand in innern Kämpfen mit Finsterniß des Geistes, da sich der Herr mit seinem Lichte verbirgt und die Seele ihr allein überläßt, bis sie sich herausseufzet, mit Gebet und Flehen durchdringt und ihr das hellleuchtende Antlitz des Herrn wieder scheint. David sagt: der Herr macht diese Finsterniß, daß es Nacht wird. Er giebt und entzieht das Licht aus weisen Ursachen. Er macht dunkel und helle in der Seele, daß sie wisse, wohin sie sich um Licht zu wenden habe. Herr, laß leuchten dein Antlitz über uns, so genesen wir.
15. Oktober
Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Off. 2,10.
Sieh, ich komme bald; halte, was du hast, daß niemand deine Krone raube. Off. 3,11.
Treu sein ist eine Sache, die nur uns selbst nützt, wodurch Gott nichts gewinnt; und doch verspricht er uns eine Krone dafür. Und doch achten wenige diese Krone., Auch ist uns Treue nicht möglich ohne seine Gnade, wenn er sie nicht in uns wirkt, und doch krönt er sie als ein Werk, das wir gethan hätten. So treu und gütig ist der Herr! Verdient er nicht Treue? Er war für uns selbst getreu bis zum Tod am Kreuze; nun ist doch nichts billiger, als daß er von uns auch eine solche Treue fordere, die doch nur uns die Krone aufsetzt. Aber du untreues Herz, das täglich Bund und Treue bricht! Wo willst du Treue bis in den Tod hernehmen? - Wo ich alle Gnade und Tugend hernehme; von dem treuen Gott, der mir Alles versprochen hat, und da er treu und wahrhaftig ist, auch täglich, und wenn ich's täglich tausendmal nöthig habe, täglich, tausendmal giebt, ohne vorzurücken; der alle seine treuen Knechte und Mägde, die je gewesen sind, treu gemacht und treu erhalten hat bis ans Ende. Der treu bleibt, wenn wir auch untreu werden; der uns viel weniger vergessen und verlassen kann, als eine Mutter ihr Kind; als eine Henne ihre Küchlein. Wohnt dies Vertrauen in deiner Brust und der Eifer, den Herrn zu bitten, so oft du Mangel leidest, so wirst du halten, was du hast, und deine Krone keinem Andern lassen; denn der Herr hat für Andere schon noch andere Kronen. Behaupte du die deine; die, die dir dein Heiland sauer erworben hat, und die du nicht deiner Treue, sondern doch nur seiner Gnade zuschreiben mußt. So wird er sie dir auch geben. O Krone, in der Hand unsers Mittlers! Strahle uns recht oft ins Auge, daß wir nach dir greifen, dich halten und nicht lassen! Herr, stärke die Schwachen!
16. Oktober
Folge mir nach! Und er stand auf und folgte ihm. Matth. 9,9.
Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir. Joh. 10,27.
Ich bitte euch: Seid meine Nachfolger, gleichwie ich Christi Nachfolger bin. 1. Cor. 4,16. und 11.1.
Wer von Christo Gnade, lebendigmachende Gnade erlangt hat; wer wirklich aufgeweckt ist vom Sündenschlafe, wie könnte der liegen bleiben, ohne sich aufzuraffen, und dem, der ihn weckte, der ihm beständig ruft: Folge mir! mir nach! mir nach! wie könnte ein wahrer Erweckter von Christo ihm nicht nachfolgen? Wäre er denn ein Schäflein Christi zu nennen, wenn er nicht auf Christum sähe, seine Stimme nicht hörte, ihm nicht nachfolgte? Jesus ruft dem Leve, dem Matthäus und andern Jüngern; sie standen auf und folgten ihm, nicht nur auf dem Fuße nach, sondern auch im Geiste, in seinem Sinn und Wandel; sie sahen darauf, wie er dachte, redete und handelte, und bildeten sich nach ihm. Wem willst denn du nachfolgen, wem ähnlich werden, wenn nicht Christo? Willst du dem Paulus folgen? Gut, sieh, er folgte Christo nach. Wenn der Heiland sichtbar um dich wäre, würdest du dein Auge nicht auf alle seine Mienen und Geberden richten? Nicht Alle ihm nachzumachen suchen? Schau nun im Geiste so auf ihn, schau in sein Buch, in sein Leben hinein, und er wird dir Alles zeigen, wie du denken, reden und handeln sollst, um ihm ganz ähnlich zu sein. Folgest du Christo nicht nach, so hast du nie eine Gnade von ihm empfangen, oder du hast Gnade und Christum wieder weggeworfen; bist kein Schäflein Christi, sondern ein Kind der Welt und außer der Bürgerschaft Israels.
17. Oktober
Wohl dir, Israel! Wer ist dir gleich? O Volk, das du durch den Herrn selig wirst, der deiner Hülfe Schild, und das Schwerdt deines Sieges ist! 5. Mos. 33,29.
Wohl dem Volke, deß der Herr ein Gott ist. Ps. 33,12.
Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten. Wohl dem, der sich auf dich verläßt. Ps. 84,6.13.
Pries Moses das Volk Israel schon selig, daß sich der Herr ihrer in ihren Kriegen mit andern Völkern annahm und alle ihre äußern Feinde besiegte; wie viel mehr sollen wir uns und alle die selig preisen, die mit uns an Jesum glauben, ihn von ganzem Herzen lieben, seine beseligende Gnade und Liebe im Herzen tragen, von ihm Vergebung der Sünden, und Geist und Leben empfangen haben, ihm zu dienen in lebendiger Hoffnung des ewigen Lebens?! Ja, wohl dir, du Volk! das durch den Herrn selig wird, deß Herr und Gott Jesus Christus ist: wohl dir, daß du ihn für deine Stärke hältst, daß du dich allein auf ihn verläßt, nur auf sein Verdienst und auf seine Gnade bauest. Er wird deiner Hülfe Schild und das Schwerdt deines Sieges sein; du wirst, wenn du von ganzem Herzen an ihm hängst, ihn mit ganzer Seele liebst, du wirst durch den Schild des lebendigen Glaubens an ihn alle feurigen Pfeile des Satans auslöschen; du wirst mit dem zweischneidigen Schwerdte seines lebendigen Wortes alle deine Feinde der Seele schlagen, in allen Kriegen des Geistes siegen und die Krone des Lebens davon tragen. O wohl dir, Israel Gottes! wer ist dir gleich?! Wo ist ein Volk, das einen solchen König, ein solches Haupt, solche Rechte, solche Schätze und Reichthümer, solche Hoffnungen und Aussichten in die Ewigkeit hat?! Dein König ist bei dir, in dir, ist dein, und mit ihm Alles!
18. Oktober
Zion spricht: Der Herr hat mich verlassen; der Herr hat meiner vergessen. Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie desselbigen vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor mir. Jes. 49,14 rc.
Der Herr denket an uns, und segnet uns. Ps. 115,12.
Er gedachte an uns, da wir unterdrückt waren. Ps. 136,23.
Wer hat uns je so seiner Liebe und Treue versichert? Wer uns je so unsers Mißtrauens wegen bestraft? Wo ist eine Liebe, seines Gleichen? Alle Mutterliebe ist nur ein Schatten gegen der seinigen. Seine Wunden an Händen und Füßen, sein durchbohrtes Herz, worin wir, worin unsere Namen geschrieben stehen, sind uns Beweise davon, die nicht überzeugender und einnehmender sein könnten. Würden wir nur mehr darauf sehen, worauf er uns doch selbst hinweiset, wir würden unmöglich auch nur einen Augenblick, selbst im größten Herzeleid, an seiner Liebe zweifeln können. Aber das Kopfhängen, das unverwandte Hinblicken auf das Sichtbare, auf die Schaale der Dinge, auf den äußern Schein, verbirgt dir seine Wunden, verdeckt dir die Flammenschrift seiner Liebe. Auf! auf! in die Höhe mit deinem Blick! - auf Golgatha hin! Dort siehst du, wo du angeschrieben, wie tief du eingeschrieben bist in das Herz dessen, der des Sperlings auf dem Dache, und der jungen Raben in ihrem Neste nicht vergißt. Wie sollte er dein vergessen, du Kleingläubiger! Gott schickt dir die Trübsal nicht, um dich niederzuschlagen, sondern dich aufzurichten; nicht, daß du den Kopf hängen, sondern aufblicken sollst zu dem, von dem sie kommt. Fällt irgend etwas von Oben, vom Dache, dir auf den Kopf, so siehst du schnell in die Höhe, woher es komme, wer es dir auf den Kopf werfe. Warum nicht auch, wenn dir der Herr ein Kreuz vom Himmel herabschickt? Wie verkehrt siehst du die Heimsuchung Gottes, das Leiden an, indem du glaubst, jetzt habe der Herr dein vergessen! Gerade umgekehrt: sie soll dir beweisen, daß Gott dein gedenket, daß er dich heimgesucht, bei dir eingekehrt hat, daß er dich lieb habe, und dich auserwählt machen wolle im Ofen des Elends, daß du zu ihm aufblicken sollst.
19. Oktober
Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus. Phil. 4,13.
Die Waffen unserer Ritterschaft sind göttlich mächtig, zu zerstören die Festungen (des Teufels.) 2. Kor. 10,4.
Mit meinem Gott kann ich über die Mauern springen. 2. Sam. 22,30.
So sprachen und handelten die Gott vertrauenden Streiter und Helden Christi, die ihre Schwachheit besser kannten, als Alle, die sich mit der menschlichen Schwachheit entschuldigen und sie zum Deckmantel ihrer Trägheit und Feigheit im Kampfe machen. Weißt du, daß du schwach bist, und daß der Feind mächtig und stark ist, daß du von ihm bedroht bist: so suche dir Hülfe, Kraft und Stärke, daß du ihn überwinden kannst, sonst bleibst du sein Sklave. Der Satan, die Sünde und die Welt, dieser dreifaltige Feind, hört deswegen nicht auf, dich anzufechten, weil du schwach bist und dich mit Schwachheits-Entschuldigungen bedeckest und verschanzest, sondern eben darum - wagt er sich an dich, weil er des Sieges gewiß ist, wenn er dich allein findet. Bist du aber in Christo, und Christus in dir, so laß tausend Höllenheere, laß alle Reize des Fleisches, alle Lockungen und Drohungen von Millionen Welten auf dich losstürmen, laß sie Festungen von den verfänglichsten Ueberredungskünsten gegen dich aufthürmen, du wirst sie doch besiegen, sie werden nichts gegen dich vermögen. Unsere Ritterschaft ist göttlich mächtig, wenn wir in Gott sind, und Gott in uns ist. - Außer ihm sind wir entsetzlich schwach und gewiß gleich verloren. Darum trachte in Jesu, deinem Gott und Heiland zu sein und zu bleiben; und wage dich auch nicht einen Schritt ohne ihn zu thun.
20. Oktober
Was du willst, das muß geschehen. Judith 9, 3 u. 16,16.
Ich bin der Herr; was ich rede, das soll geschehen, und nicht länger verzogen werden. Ezech. 12,25.
Vertraust du dem Herrn, so darfst du ganz ruhig sein über alle künftige Dinge und ohne alle Sorge, wie es dir gehen werde. Was der Herr für dich ausersehen und beschlossen hat, das wird und muß zu seiner Zeit geschehen und dir werden, ohne daß es jemand hindern kann; du nicht und kein Mensch nicht. Sei du treu in deiner Sache und überlaß alles Uebrige, was nicht von dir abhängt, ganz dem, der Alles wohl machen wird. Oder, wo ist dein Glaube an sein Wort? Hat er dir nicht geredet und versprochen, daß er dein Vater und Versorger sein, und dich tragen wolle bis ins Alter, bis du grau werdest? Hater dir nicht geredet und versprochen, daß dir ohne ihn kein Haar gekrümmt werden könne? Daß alle deine Haare auf deinem Haupte von ihm gezählt seien? Daß er sich um das Geringste, was dich betrifft, väterlich annehmen, und dir, wenn du ihn nur lieb hast, Alles zum Besten leiten werde? Wo ist dein Glaube an Gottes Wort? Was plagst du dich mit unnöthigen Gedanken, mit denen du kein Haar schwarz und keines weiß machen kannst? Liebe du ihn, und zweifle nicht, daß er dich auch liebe. Dein Zagen und Sorgen beschuldigt ihn der Lügen, als hätte er dir versprochen in seinem Worte, was er nicht halten wolle oder nicht könne? Wie! willst du zu einem solchen Sünder werden, daß du in deinen Gedanken Gott immer einen Lügner schiltst? Sage und rühme vielmehr wie Judith: Was du gesagt, das muß geschehen! Amen.
21. Oktober
David schwur dem Herrn: Ich will nicht in die Hütte meines Hauses gehen - ich will meine Augen nicht schlafen lassen bis ich eine Stätte finde für den Herrn, zur Wohnung dem Mächtigen Jakobs. Ps. 132,2-5.
Du, lieber David, wie eifrig warst du, um dem Herrn eine äußere Wohnung zu finden, und wir können so ruhig schlafen und schlummern, ehe wir dem Heiland unsrer Seelen eine Wohnung in uns gefunden und erbauet haben. Will doch der Herr jetzt nicht mehr wohnen in Tempeln von Menschen-Händen gemacht (Apost. 7,48). Will er sich doch jetzt unsere Herzen zu seinem Tempel erwählen, wie geschrieben stehet (2. Cor. 6,16.): Ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes; wie Gott selbst spricht: In ihnen will ich wohnen, in ihnen will ich wandeln. Wer bist du, wenn du diese Verheißung glaubst und Gott nicht für einen Lügner hältst? Wer bist du, wenn du noch eine Nacht, von heute an, ruhig schlafen kannst, ehe du dem Höchsten eine Wohnung in deinem Herzen gesucht und gefunden hast, daß er noch heute zu dir kommen und Wohnung bei dir nehmen kann? Er, der schon vor der Thüre steht, um eingelassen zu werden und Abendmahl mit dir zu halten. (Joh. 14,23. Off. 3,20.) Wie kannst du glauben: Gott will zu mir kommen, will heute noch in mir wohnen; und doch kalt und gleichgültig bleiben? und doch nichts thun, um ihn aufzunehmen, um ihm dein Herz einzuräumen? um ihn zu bitten: Komm herein, du Gesegneter des Herrn! warum willst du draußen stehen? Wahrhaftig, es sollte kein Schlaf mehr in deine Augen kommen, bis diese köstliche Verheißung an dir erfüllt ist. Oder sage nicht mehr, daß du Glauben habest, daß dir etwas an Gott und deiner Seligkeit gelegen sei.
22. Oktober
Der Herr ist mein Gut und mein Theil. Du erhältst mein Erbtheil. Das Loos ist mir gefallen aufs Lieblichste; mir ist ein schönes Erbtheil worden. Ps. 16,5.6.
Es ist noch um ein Kleines, so ist der Gottlose nimmer - aber die Elenden werden das Land erben und Lust haben in großem Frieden. Ps. 37,10.11.
Reich, glücklich und herrlich ist, wer Jesum gefunden hat. Ein schöneres Loos kann keiner Seele hier werden, ein reicheres Erbe kann dir nicht zufallen. Alles, was die Welt für groß, schön und reich hält, verschwindet wie Schatten dagegen und vergeht wie Rauch in der Luft; aber der Herr bleibt ein ewiges Erbe den Gläubigen, und wer ihn hat, der hat keinen Mangel an irgend einem Guten, der ist in allen Stücken reich geworden (1. Cor. 1,5.6.) Schnell fährt dahin das Glück der Gottlosen; aber die, welche sie für elend halten, weil sie ihre Hoffnung nicht auf das Sichtbare setzen, sondern auf das Unsichtbare, die Elenden, die sich in ihnen selbst arm und sündig fühlen, und deswegen sich ganz allein an den Reichthum der Gnade Christi halten, die werden das gelobte Land, die Ruhe des Friedens erben. Ihr Erbtheil kann ihnen durch den Tod nicht genommen werden. Selig, wer sich nicht blenden läßt von den Schein-Gütern, Schein-Freuden und von der eingebildeten Ehre dieser Welt, sondern von Allem wegsieht und sein Glaubens-Auge nur auf den Herrn richtet, in ihm Alles sieht und findet, daß er in Wahrheit sagen kann: Der Herr ist mein Gut und mein Theil! Er allein ist mir genug!
23. Oktober
Sind wir Kinder, so sind wir auch Erben, und zwar Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir anders mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm verherrlichet werden. Denn ich halte dafür, daß die Leiden dieser Zeit nicht werth sind der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. Röm. 8,17.18.
Wenn nur das Erste seine Richtigkeit hat, dann wird es an allem Uebrigen ganz und gar nicht fehlen. Bist du ein wahres Kind Gottes, aus Gott geboren, mit seinem Geiste beseelt und versiegelt, von seinem Geiste getrieben, von seiner Liebe voll, kindlich gehorsam deinem Vater, so daß man dir die Eigenschaften eines Kindes Gottes nicht streitig machen kann, daß dir der Geist Gottes selbst Zeugniß davon giebt: so bist du auch Erbe Gottes und Miterbe Christi, und eine Herrlichkeit wartet auf dich, mit der alle Leiden dieser Welt nicht zu vergleichen sind; der man, wenn man alle Schmerzen der Märtyrer und alle Pein der Verdammten litte, doch nicht werth wäre, die man durch keine Leiden verdienen, um keinen Preis kaufen kann; die Gott nur seinen Kindern schenkt, denen, die an den Namen seines Sohnes von ganzem Herzen glauben, und durch Glauben und Liebe seinem Ebenbilde ähnlich werden. Damit tröste dich, wenn du hier als Kind Gottes verfolgt und geplagt wirst, wenn die Welt dich haßt, weil du nicht ihr Kind bist. Hinaus mit deinem Blicke in jene Welt, wenn dir diese Welt zu enge wird! Jene ist dein, diese nicht. Verlange, erwarte daher hier nichts von der Welt, als den freien Durchzug in dein Vaterland. Und wenn dir auch dieser erschwert wird, wie es denn zu geschehen pflegt, so tröste dich damit, daß selbst all dies, was du auf dieser Welt in deinem Durchzuge erfahren muß, deine Herrlichkeit dort erhöhen wird.
24. Oktober
Unser Leben währet siebenzig Jahre, und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre, und wenn's köstlich gewesen ist, so ist's Mühe und Arbeit gewesen; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon. - Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden. Ps. 90,10.12.
Der Heimgang ist erwünschter und besser als die Pilgerschaft. Das versteht sich. Wer geht nicht lieber heim, als daß er wandere im fremden, unbekannten und unsichern Lande? Das ist aber doch nicht allen Leuten so. Denn es giebt deren genug, die die Heimath nicht lieben, die lieber im Walde irren und in der Wüste im Sande waten, als nach Hause gehen. Warum doch so unsinnig? Weil sie die Finsterniß mehr lieben als das Licht, die Wollust mehr lieben als Gott; weil sie wohl wissen, daß sie zu Hause nichts Gutes zu erwarten haben Sie könnten doch Alle alles Gute dort haben? Ja, sie wollen's aber nicht. Nun, so ist ihnen nicht zu helfen. Wer zu Gott kommen will, muß glauben, daß er ist, und daß er denen, die ihn suchen, ein Vergelter ist. (Hebr. 11.) Sie bringen ihre Jahre zu wie ein Geschwätz; sie blühen wie das Gras, das bald welk wird und verdorret. Ach, möchten sie bedenken, daß sie verdorren müssen! und dann weggeworfen werden. Ihr Kinder des Reichs! ihr seid doch klug geworden und habt es längst bedacht, daß ihr davon - nicht müsset - sondern, dürfet; daß es euch erlaubt wird, bald auszuwandern aus dem Leibe und daheim zu sein bei dem Herrn. Deß seid ihr fröhlich; weil ihr eure Heimath lieb habet, weil euer Herz schon bei dem ist, der euch dort winket: Kommt herüber! Ihr habt nichts Gutes hier, als die Gnade des Herrn. Das Leben ist euch eine Plage, die unerträglich wäre, wenn die Liebe zum Herrn sie nicht erleichterte. Wer legt aber die Last nicht gern ab? Wer macht nicht gern Feierabend?
25. Oktober
Wenn ihr den Herrn verlasset, und einem fremden Gott dienet so wird er sich von euch wenden und euch plagen. Jes. 24,20.
Wirst du ihn verlassen, so wird er dich verwerfen ewiglich. 1. Chron. 29,9.
Wenn aber seine Kinder mein Gesetz verlassen, so will ich ihre Sünde mit der Ruthe heimsuchen. Ps. 89,31.
Mich, die lebendige Quelle, verlassen sie, und machen ihnen hier und da ausgehauene Brunnen, die löchericht sind und kein Wasser geben. Jer. 2,13.17.
Wer dem Herrn anhängt, der ist Ein Geist mit ihm - und hat also Alles, was sein Herr hat, zu genießen. Wie sollte er anderswo mehr finden, als bei ihm; wenn es ihm doch nur um das Haben und Genießen zu thun ist, und wenn ihm nicht der Herr selbst mehr ist als Alles, was er giebt und hat, und tausendmal mehr, als alle Himmel und Welten geben können. Der Herr aber wird den, der ihn einmal kennt und wieder verläßt, sich von der lebendigen Quelle zu löcherichten, trocknen Brunnen wendet nicht ungestraft lassen, sondern zuerst mit der Ruthe der heilsamen Zucht heimsuchen; und wenn er durch diese nicht in sich geht und zu seinem Heiland zurückkehrt, sondern in seiner Verkehrtheit verharret, wird der Herr sich auch von ihm wenden und ihn plagen, am Ende aber ewiglich verwerfen. Wer also je geschmeckt hat, wie freundlich der Herr ist, und dennoch von ihm weicht, anderswo, bei Götzen, sein Heil sucht, der hat nichts Gutes zu erwarten; bei dem werden die letzten Dinge ärger als die ersten. Gott wird ihn schärfer züchtigen und endlich härter strafen als die blinde Welt, die Gott nie erkannte. Darum bleibet bei dem Herrn, der euch erlöset und zu seinem himmlischen Reiche berufen hat. Warum wolltet ihr ihn verlassen? Was habt ihr über ihn zu klagen? Was hat er euch nicht recht gemacht? Wo findet ihr einen bessern Herrn? Welt, Fleisch und Teufel sind dreie Tyrannen, denen ihr, wenn ihr von Jesu weichet, in die Hände fallet, die euch erst viel Schönes vorlügen, kein Versprechen halten, und mit Schmerz, Krankheit, Schande und Elend, Noth und Tod, Gericht und Hölle lohnen.
26. Oktober
Danke allezeit Gott, und bete, daß er dich regiere, und du in deinem Vornehmen seinem Worte folgest. Tob. 4,20.
Der Friede Gottes regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid. Col. 3,15.
Laß mich frühe hören deine Gnade, denn ich hoffe auf dich. Thue mir kund den Weg, darauf ich gehen soll, und leite mich auf richtiger Bahn, um meiner Feinde willen, denn mich verlangt nach dir. Ps. 27,11. und 143.8.10
Einem christlichen, zarten Gemüthe, das seinen Heiland innig liebt, ist Alles daran gelegen, daß es in Allem, bei jedem Schritte, den Willen und die Wege des Herrn treffe; es will auch nicht einen Tritt wider Gottes Wohlgefallen thun. Der Beifall des Herrn ist ihm Alles, das einzige Triebrad aller seiner Gesinnungen und Handlungen. Weil wir den Willen und das Wohlgefallen Gottes nicht allemal gewiß wissen können, so betet ein solches liebhabendes Herz ohne Unterlaß, daß ihm der Herr seine Wege kund thue, und ihn auf der ebenen Bahn seines Wohlgefallens leite; daß es von ihm und seinem Geiste regiert werde. Denn anders können wir den Frieden Gottes, der uns seines Wohlgefallens versichert und ein Pfand und Siegel seiner Liebe ist, nicht in uns bewahren. Dieser Friede weicht oder nimmt ab, sobald wir aus dem Wege treten, den uns sein ewiger, heiliger Wille vorschreibt und gehen heißt. Wer eigne Wege wandelt, seinem eignen Willen folgt, kann unmöglich den wahren Frieden haben. Er betrügt sich, wenn er glaubt, Gottes Frieden zu genießen; es ist gewiß ein falscher Friede, der nicht aus Gott ist. Darum betet, betet ohne Unterlaß, daß Gottes Friede, der allen Verstand übersteigt, eure Herzen regiere und euch in Jesu Christo bewahre. Ist der Friede verloren gegangen, so bekennet eure Sünde und suchet ihn wieder durch Buße und gläubiges Gebet.
27. Oktober
Ich habe gegen dich, daß du die erste Liebe verlassen. Offenb. 2,4.
Wir sind Christi theilhaftig geworden, wenn wir anders den Anfang seines Wesens bis ans Ende festhalten. Hebr. 3,14. Matth. 24,13.
Wer überwindet, dem will ich von dem Baume des Lebens zu essen geben. Off. 2,7.
Nichts ist schöner und lieblicher als ein neugebornes Kind Gottes, das in der ersten Liebe steht. Allein, wer beharret bis ans Ende, der wird selig. Wem Christus sich mittheilt, der ist wohl recht brünstig in der Liebe; wenn er aber den Anfang, die erste Liebe, die das Wesen, die Natur Christi ist, nicht bewahret, sondern erlöschen läßt durch Sicherheit oder Selbsterhebung, so ist auch nichts Traurigeres, als ein solch zweimal erstorbener Baum, ein solch verwüsteter Garten Gottes. Ach, wer die erste Liebe hat, der sollte sie sich um alle Welt nicht nehmen lassen; der sollte lieber Alles leiden, Alles wagen, um nur dieses Kleinod zu bewahren. Wer da merkt, daß sie abnehmen, daß sie erlöschen will, der flehe, ringe und suche sie wieder zu beleben und zu erwerben; er krieche zum Kreuze Christi; das Kreuzholz ist die beste Nahrung und das geeignete Mittel, dieses Feuer, wenn es schon erlöschen will, wiederum zu beleben und in helle Flammen zu setzen. Darum verzage nicht, liebe Seele, wenn du die erste Liebe verloren hast, sieh, der Heiland wirft dich deswegen noch nicht weg; er hält es dir aber vor und sagt dir (Offenb. 2,5.): Bedenke, woraus du gefallen bist, thue Buße, und thue die ersten Werke. Fange wieder von vorne an; mach' es wieder wie im Anfange, wo du zur ersten Liebe gekommen bist; auf demselben Wege wird sie dir wieder begegnen. Laß dir's angelegen sein; wo nicht, so wird dein Leuchter weggerücket, dein Licht ganz ausgelöscht, und du ein Kind der Finsterniß werden. Wenn du dir aber von dem Heiland Muth einsprechen läßt, wenn du ein Ohr hast zu hören, und deine Trägheit und Sicherheit überwindest, so wird er dir vom Baum des Lebens zu essen geben. Er wird dir hier zu Hülfe kommen mit stärkender Speise, und dort wirst du volle Sättigung finden.
28. Oktober
So sollt ihr gesinnet sein, wie Jesus Christus gesinnet war. Phil. 2,5.
Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig. Matth. 11,28.
Könnten wir uns denn seine Schüler und Jünger, ihn unsern Meister und Herrn nennen, wenn wir nicht von ihm lernen, ihm nicht gleich gesinnt werden wollten? - Auch fordert er nicht, daß wir von ihm lernen sollen eine Welt erschaffen, auf dem Meere wandeln, Todte auferwecken, Sturm und Wind gebieten, sondern demüthig und sanftmüthig sein. Forderte er von uns Nachahmung seiner Allmachts-Werke, so würden wir etwa eine Entschuldigung haben, obwohl er auch sagte: Dem, der da glaubt, sind alle Dinge möglich - ein Senfkorn-Glauben kann Berge versetzen - und die an mich glauben, werden größere Werke thun, denn ich. - Doch wenn wir dieses nicht lernen, so will er es uns gern erlassen; aber Demuth und Sanftmuth ist unerläßlich. Ja, sagst du: gerade dieses ist unserm stolzen, ungeduldigen Sinn schwerer, als Berge versetzen, und die Stürme des Meeres stillen, oder Todte erwecken. Wenn du die Kraft dazu in dir suchst, allerdings, so kannst du Eins so wenig als das Andre. Wenn du sie aber von ihm erbittest, wird es dir an keinem Guten fehlen. Der dir das Gebot giebt, giebt dir auch die Kraft. Der sanftmüthige und demüthige Jesus will selbst zu dir kommen und in deinem Herzen wohnen; und wenn er in dir wohnt, was soll dir unmöglich sein? Wir können seinen Sinn nicht haben, wenn wir Ihn nicht haben. Wer aber ihn hat, der hat auch seinen Sinn. Wer seinen Sohn nicht hat, der hat ihn nie gesehen, noch erkannt.
29. Oktober
Dennoch bleibe ich stets an dir. Ps. 73,23.
Das sei ferne von uns, daß wir den Herrn verlassen, und andern Göttern dienen. Jos. 24,16.
O wehe der schändlichen Kinder, die den Herrn verlassen! Jes. 1,4.
Da Josua das Volk Israel ins verheißene Land geführet hatte und den letzten Landtag hielt, so sagte er unter anderm zum Volke: So fürchtet den Herrn und dienet ihm treulich. Gefällt es euch aber nicht, daß ihr dem Herrn dienet, so erwählet euch heute, wem ihr dienen wollet, dem Gott eurer Väter, oder den Göttern der Amoriter. Ich aber und mein Haus wollen dem Herrn dienen. Wir bleiben bei ihm. Da antwortete das Volk: Es sei ferne von uns, daß wir den Herrn verlassen rc. Josua setzte ihnen noch mehr zu: Ihr könnet dem Herrn nicht dienen, denn er ist ein heiliger Gott rc. Da nun das Volk es dennoch bejahte, so sprach er: Ihr seid Zeugen über euch, daß ihr den Herrn erwählet habt. - So thut nun von euch die fremden Götter und neiget euer Herz zu dem Herrn. Hier, Lieber, halt inne, und betrachte diese ganze Geschichte (Jos. 21.) aufmerksam, und frage dein Herz, ob es sich zum Herrn neige, ob es nicht andern Göttern neben dem Herrn anhange. Denn dieses arme Volk hat nachher doch den Herrn fast immer verlassen. Ein Gelübde ist bald gemacht; man muß sich aber selbst prüfen, ob man Kraft habe, es zu halten, und nicht versprechen, was man nicht kann, sondern zum Herrn in Demuth und anhaltendem Eifer flehen, daß er unser Herz zu ihm ziehe, fest bei ihm erhalte, und uns Treue und Beharrlichkeit bis ans Ende schenke. Schön und groß ist die Erklärung Josua's, daß er unangesehen, was die ganze Nation thun würde, frei und laut, sich mit seinem ganzen Hause zum Herrn bekennet. So fest muß dein Herz am Herrn hangen, es mag Einer oder Keiner neben dir deine Gesinnung theilen und mit dir halten; hange du mit deinem Hause dem Herrn an, und wenn alle Welt fremden Göttern dient.
30. Oktober
Geduld ist euch noth, auf daß ihr den Willen Gottes thut, und die Verheißung erlanget. Hebr. 10,36.
Durch Geduld werdet ihr eure Seelen erhalten. Luk. 21,18.
Lasset uns laufen durch Geduld in den Kampf, der uns verordnet ist. Hebr. 12,1.
Die Geduld hat der Heiland so sehr empfohlen und zur unerläßlichen Bedingniß gemacht, daß wir unsere Seele und Seligkeit nicht anders bewahren und davon bringen werden, als durch Geduld. Eben so dringend empfiehlt Paulus die Nothwendigkeit der Geduld, indem er behauptet, daß wir ohne Geduld die Verheißungen Gottes nicht erlangen, den Willen Gottes nicht erfüllen können. Er zählt sie unter die Früchte des Geistes. (Gal. 5,12.). Er empfiehlt sie als ein Kleidungs-Stück des neuen Menschen, des schönsten Gewandes, das die Auserwählten, Heiligen und Geliebten anziehen sollen. (Col. 3,12.) Er hält sie dem Timotheus vor, als das Ziel, dem er nachjagen soll. (1. Tim. 6,11.) Er ermahnt den Titus, den Alten zu sagen, daß sie eben so gesund in der Geduld als im Glauben sein sollen. (Tit. 2,2.) Denn wer an der Geduld kränkelt, dessen Glaube ist gewiß nicht gesund. Er sagt den Corinthern, daß sich unser Heil darin offenbare, wenn wir leiden in Geduld, und empfiehlt ihnen, in allen Dingen sich als Diener Gottes zu beweisen, in großer Geduld (2. Cor. 1,6. und 6,4.) Besonders aber ist die Geduld nothwendig, wenn die Verfolgung und die Stunde der Versuchung über die Gläubigen kommen wird. (Off. 13,10.) Dort wird keine Gewalt, dort wird nichts helfen, als Geduld und Glaube der Heiligen. (Off. 13,10.) Ach, diese vor allen andern nöthige, seltne, schwere, starke und edle Tugend, wo finden wir sie?? Da, wo wir Alles finden, beim Kreuze Jesu. Wer beim größten, heiligsten Dulder verweilen gelernt hat und unverwandt in sein duldendes, liebendes Herz schaut, der lernt und erhält von dem Lamme Lammes Art.
31. Oktober
Hoffe auf den Herrn und thue Gutes - er wird deine Gerechtigkeit hervorbringen wie das Licht, und dein Recht wie den Mittag. Harre auf den Herrn, und halte seine Wege, so wird er dich erhöhen. Bleibe fromm und halte dich recht; denn solchen wird es zuletzt wohl gehen. Der Herr hilft den Gerechten und wird ihnen beistehen, und wird sie erretten. (Ps. 37.)
Wer auf Gott, auf Jesum hofft, wird nicht zu Schanden. In dieses Lied haben alle Frommen aller Zeiten eingestimmt, und es ist noch nie als falsch erfunden worden. Du wirst der Erste nicht sein; den Gott verläßt und an dem sein Wort zur Lüge wird. Bleibe du nur an ihm hängen, so stehst du, so lang er steht, und wirst nur dann fallen, wenn er fällt. Das wirst du nicht erwarten; aber die Hülfe, den Trost, die Rettung wirst du gewiß erwarten. Was Gott verheißen hat, kommt endlich doch gewiß und kann nicht immer ausbleiben. Alles nimmt ein Ende - auch deine Noth, dein Jammer, deine Klage. Nur Gott und seine Hülfe, sein Trost, der nimmt kein Ende, der bleibt ewig. Die Liebe hört niemals auf. Ich habe alles Dinges ein Ende gesehen, aber dein Gebot währet; sagt David. (Ps. 119, 96) Ich harrete des Herrn, und er neigete sich zu mir und hörete mein Schreien. (Ps. 40,1.) Das wirst auch du von dem Herrn bekennen, wenn du beharrest bis ans Ende. Es bleibet nichts unter der Sonne, wie es ist, Alles verändert sich. Himmel und Erde werden veralten wie ein Gewand; aber der Herr, dein Gott, bleibt unveränderlich, ewig derselbe (Hebr. 1.). Ist dein Himmel noch so trübe, er wird doch wieder heiter werden, wenn das Wetter vorüber ist. Harre des Herrn, sei getrost und unverzagt und harre des Herrn; denn solchen wird es endlich wohl gehen. (Ps. 27,14.)