Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am 3. Sonntage des Advents.
Matth. 11, 2 - 10.
Da Johannes im Gefängniß die Werke Christi hörte.
Johannes und Christus - die Morgenröthe und die Sonne - erscheinen in diesem Evangelio. Die Morgenröthe, die Verkündigerin des Tages, hat ihr Licht von der kommenden Sonne - Christus beleuchtet und belebt Alles. Er zeugt von sich selbst hier durch Hinweisung auf Seine Werke; Er zeugt von Johannes.
Er zeugt von sich selbst, und beweist durch Seine Thaten, daß Er derjenige sey, der da kommen sollte, der verheißen und erwartet wurde nach dem Worte Gottes - daß wir also mit Recht Seinen Advent, Seine Ankunft feiern, und uns derselben freuen können, und keinen Andern erwarten dürfen, wie die Juden. Also wiederum ein gutgewähltes Advent-Evangelium. Wir haben Ihn. Er ist's und kein Anderer. Er ist's, der der alten Schlange den Kopf zertritt, indem sie Ihm in die Ferse sticht. Er ist's, der den, Abraham verheißen war, der Same, in dem alle Geschlechter gesegnet werden sollen. Er ist's - der Held, der kommen sollte, nachdem das Scepter von Juda genommen seyn würde. Er ist's, von dem Moses weissagte: Einen Propheten wie mich wird euch Gott erwecken, dem sollt ihr gehorchen rc. 5 Mos. 18, 15. Er ist der Davids Sohn, Jer. 23., der Jungfrauen Sohn, das Kind, das Lamm, das Jesaias sah, das aller Welt Sünde trug, und um unserer Missethat willen verwundet wurde, auf das Gott all unsre Sünde und Strafe warf, auf daß wir Friede hätten. Er ist's, von dem alle Propheten zeugen, daß in Seinem Namen Vergebung der Sünden empfangen sollen, die an Ihn glauben.
„Bist du es?“ läßt der gefangne Johannes fragen. Jesus spricht nicht von sich selbst, sondern läßt Seine Thaten reden. „Saget dem Johannes,“ antwortete Er, „was ihr höret und sehet: Die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein und die Tauben hören, die Todten stehen auf, und (was das Beste ist) den Armen wird das Evangelium gepredigt, und selig ist, der sich an mir nicht ärgert.“
Das ist ja doch genug; wir wollen keinen andern - einen solchen Heiland bedürfen wir, der genüget uns. - Und das hat vor Ihm und nach Ihm keiner geleistet. Damit hat auch Johannes sich im Gefängniß begnügt, und gab seinen Kopf dafür.
Und dies hat Er nicht nur gethan,
Da man Ihn sah auf Erden wallen;
Nein, Er ist immer einerlei,
Gerecht und fromm und ewig treu.
Wie Er war unter Schmach und Leiden,
So ist Er auf dem Thron der Freuden:
Den Sündern liebreich zugethan,
Mein Heiland nimmt die Sünder an.
Schon seit achtzehn hundert Jahren wurden, und noch heute werden, wo Sein Name verkündigt wird, die Blinden sehend, die Lahmen gehend, die Aussätzigen rein, und die Tauben hörend, die Todten stehen auf, und Sein Evangelium war immer und ist noch eine Kraft Gottes, selig zu machen Alle, die daran glauben, und sich nicht an Ihm ärgern. Nun, meine Lieben, davon sind wir alle überzeugt, denn ich rede nicht zu Ungläubigen, sondern zu Gläubigen. Aber nun müssen wir die Frage umkehren, und sie an uns stellen: Sind wir diejenigen, die denselben Jesus haben? oder: Ist der Jesus, den wir bekennen, derselbe Jesus, der diese Seine Thaten auch an uns wirket, sich auch an uns bewiesen hat, als den, der da kommen sollte? Ist Er auch zu uns gekommen? Haben wir Ihn so aufgenommen, so an Ihn geglaubt, daß unsre Blindheit und Finsterniß in Licht verwandelt wurde, daß wir aus Lahmen Wandelnde in der Wahrheit wurden? daß wir vom Aussatz der Sünde durch Ihn gereinigt, unsere Ohren für Gottes Wort und Evangelium aufgethan, daß wir vom Tode zum Leben erweckt, und als arme Sünder die Kraft Gottes, des heiligen Evangeliums, durch Vergebung der Sünden, und das Zeugniß des heiligen Geistes in unsern Herzen erfahren haben, so daß uns das Wort vom Kreuz weder Aergerniß noch Thorheit ist, sondern Weisheit Gottes und Kraft Gottes ewig bleiben wird? Ist das an Andern geschehen, aber an uns nicht, so ist Er wohl ihr Jesus, ihr Christus, ist für sie da, sie können sagen: Wir haben den gefunden, von welchem Moses und die Propheten schreiben; oder wie Johannes sagt: Was wir erfahren, gesehen, mit Händen betastet haben, vom Worte des Lebens, das ewig war beim Vater, und das erschienen ist, das zeugen wir und verkündigen euch, auf daß auch ihr mit uns Gemeinschaft habet, und unsre Gemeinschaft sey mit dem Vater und Sohne. 1 Joh. 1. Aber die das nicht erfahren haben, die noch blind und lahm, aussätzig in Sünden, taub und todt und ohne Vergebung und Begnadigung dahinleben, blos den Buchstaben der Geschichte Jesu - historisch - glauben und bekennen, können ja nicht sagen: Derselbe Jesus, der solche Thaten gethan hat und thut an Andern, ist auch mein Jesus, mein Heiland, ist auch für mich gekommen, hat sich auch mir erwiesen, daß Er derjenige ist, der da gekommen ist und mich erlöset hat. Das muß erst werden. Solche müssen erst kommen zu Jesus, wie die Jünger Johannis, und sehen und hören, was Jesus an Sündern, Blinden, Lahmen, Aussätzigen, Tauben und Todten für Wunder der Gnade wirket - müssen, wie die Kranken und Elenden in den Tagen des Menschensohnes, glauben, und im Glauben bitten zu den Füßen Jesu: Herr, wenn du willst, so kannst du mich heilen, sehend, hörend, gehend, rein und lebendig machen; müssen anhalten mit Flehen wie die Kananäerin, bis ihre Seele selig ist; bis ihnen die Sünden vergeben sind; bis sie erleuchtet, begnadigt sind, und das Leben aus Gott, den Geist der Gnade, offne Ohren und Augen und Friede mit Gott erlangt haben. O ihr Lieben! Möchte der, den ihr mit dem Munde bekennt, auch Euer aller Herzens-Gott und Heiland seyn! Möchten Alle nicht nur dem Buchstaben der Schrift, sondern um der Werke willen, die Jesus an ihnen, an ihren eignen Herzen gethan hat, glauben und gewiß wissen, daß Er ihr Herr und Meister, ihr Heiland und Erlöser ist. Wo das Evangelium verkündigt wird, da ist Jesus mit all Seiner Gotteskraft, Blinde, Lahme, Aussätzige, kurz alle Krankheiten der Seele zu heilen und den ganzen Menschen selig zu machen; und zwar jeden, der da glaubt; wie im Hause des Cornelius, während Petrus noch redete, fiel der heilige Geist auf die zuhörenden Heiden herab, und machte sie alle selig, so daß Petrus und nachher alle Juden-Christen erklärten: So hat denn Gott auch den Heiden, die da glauben, gleiche Gaben wie auch uns - und die Buße zum Leben gegeben - und reinigte ihre Herzen durch den Glauben. Apg. 11, 17. 18. und 15, 9. Jesus Christus ist gestern und heute und in Ewigkeit derselbe - und wirkt und thut immer noch dasselbe, was Er einst gethan hat - Er läßt sich an keinem Herzen unbezeugt, das da glaubt. Wo Er hinkommt und einkehrt, da weicht alle Blindheit, alle Sünde, der Aussatz und der Tod; und Leben, Licht und Seligkeit kommt mit Ihm, und sind Zeugen Seiner Ankunft, Seiner Einkehr, Seines Daseyns, Seines Heils und Seiner Erlösung, Beweise, daß Er der ist, der da kommen sollte. Kein Blinder macht sich selber sehend, kein Aussätziger sich selber rein, kein Todter sich selbst lebendig; es kann auch kein Mensch den andern erlösen noch Gott Jemand versöhnen, er muß es anstehen lassen ewiglich. Wer daher Licht, Leben, Gerechtigkeit und Heil, Vergebung, Entsündigung und Friede mit Gott gefunden hat, der hat Christum, das Reich Gottes, der ist ein lebendiger Beweis, daß da gekommen ist, der da kommen sollte, daß Gott seinen Sohn gesandt hat zum Heil der Welt, und Jesus der wahrhaftige Christ und Heiland aller Menschen, besonders aber der Gläubigen ist. Mit geheilten Blinden, Lahmen, Aussätzigen und Tauben, mit erweckten Todten und armen, durch das Evangelium seligen Gläubigen beweist Christus Seine göttliche Sendung, Seine Messiaswürde, das Amt und den Beruf Seiner Erscheinung auf Erden. Lassen wir also den Herrn Jesum Sein Amt an uns verrichten, und wenn Er uns mit Licht und Leben, mit Kraft und Gnade, mit Heil und Friede erfüllt hat, dann können wir sagen: Er ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen sollte. Er hat Alles wohl gemacht. Er hat uns Blinde sehend, uns Lahme gehend, uns Aussätzige rein, uns Taube hörend, uns Todte lebendig gemacht, Er hat uns Armen durch Sein Evangelium Gnade und Vergebung der Sünden und Alles, was zum göttlichen Leben und Wandel nöthig ist, geschenkt. Wie könnten wir uns an Ihm, an Seiner Knechts- und Kreuzgestalt ärgern! Gelobt sey Sein herrlicher Name ewiglich! Wir wollen keine Boten zu Ihm senden, wie der gefangne Johannes; wir wollen selbst zu Ihm uns nahen; täglich Ihn suchen; uns stets von Ihm heilen, segnen, kräftigen und gründen lassen. So haben wir nicht nur an uns selbst den Beweis, sondern sind auch, wie die geheilten Kranken in Seinen Menschensohns - Tagen, für Andre ein lebendiges Zeugniß, daß Er es ist, der gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen. Er ist uns täglich zugänglich, ist alle Tage bei uns, bleibet ewiglich, hat ein unvergängliches Priesterthum, daher Er auch selig machen kann bis ans Ende (vollkommentlich) die durch Ihn zu Gott kommen, als der da lebet immerdar, und bittet für sie. Da die Gesandten des Johannes weggingen, fing Jesus an, zu reden zu dem Volke von Johannes: „Was seyd ihr hinausgegangen in die Wüste? Wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her wehet?“ Johannes ist kein Moosrohr, das sich nach dem Winde richtet, kein Prediger, der den Leuten zu Gefallen redet, sondern ein Felsenmann, der bei der Wahrheit bleibt, und Wahrheit spricht, sie gefalle oder nicht - kein Schmeichler, der jedem sagt, was und wie er es gerne hört, sondern ein unbestechlicher Zeuge, der Priester und Volk, Pharisäer und Sadducäer, Schriftgelehrte und Oberste des Volkes, Vornehme und Geringe, Heilige und Sünder ohne Ansehn der Person straft und zurechtweiset und Allen zuruft: „Bringet rechtschaffne Früchte der Buße.“ „Wer hat euch gewiesen, dem zukünftigen Zorne zu entfliehen?“ „Die Axt ist schon dem Baume an die Wurzel gelegt; welcher Baum nicht gute Früchte bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.“ Er hielt Allen die Wurfschaufel vor, mit welcher der Herr Seine Tenne fegen und den Waizen in Seine Scheune sammeln, aber die Spreu mit unauslöschlichem Feuer verbrennen wird. Matth. 3, 8 ff.
Oder was seyd ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen? Siehe, die weiche Kleider tragen, sind in der Könige Häusern, jetzt überall. Er war kein Hofprediger, der nach der Mode, in Kleidung und Geberden, sich den Hohen und Großen gefällig machen wollte, sondern ein Bußprediger, der in eine Kameelhaut gekleidet, mit einem ledernen Gürtel um die Lenden, Heuschrecken und Waldhonig aß; doch war er auch ein Hofprediger, der aber den Kopf verlor, weil er die Laster des Königs und des Hofes ungescheut strafte, und dem ehebrecherischen Könige, wie der gemeinen Hure und dem Zöllner sagte: Es ist dir nicht erlaubt. Er war so frei von Menschenfurcht, als von Weichlichkeit und Hofsitte oder Höflichkeit, weswegen er auch ins Gefängniß befördert wurde, bis eine schickliche Gelegenheit kam, den lästigen, rauhen Prediger der Wahrheit ganz aus dem Wege zu räumen und zu tödten.
Oder was seyd ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Propheten sehen? Ich sage euch, er ist wohl mehr, als ein Prophet. Denn er ist der Freund des Bräutigams, der nächste Vorläufer, der mit Fingern auf das Lamm weiset, das der Welt Sünde trägt. Die Propheten sahen das Lamm nur von weiter Ferne, er steht vor Ihm und bereitet Ihm zunächst den Weg in die Herzen der Menschen, wie der Heiland selbst zum Beweise hinzusetzt: Denn dieser ist es, Von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Engel vor dir her, der den Weg vor dir bereiten soll. Er war Sein Vetter, der im Mutterleibe Seine Nähe im Fleisch schon spürte und bezeugte. Er taufte Ihn und sah den heiligen Geist wie eine Taube auf Ihn herabkommen, und hörte des Vaters Stimme über Ihm am Jordan: Dieser ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Der Herr Christus will mit diesen drei Fragen an das Volk: Warum seyd ihr zum Johannes hinausgegangen in die Wüste? Wolltet ihr etwa ein Moosrohr, oder einen weichlichen Hof- und Modeprediger, oder einen Propheten sehen? - die Leute zur Selbstprüfung fuhren, und ihnen zu bedeuten geben, aus welcher Absicht sie zu dem Johannes in die Predigt liefen? was sie denn bei ihm suchten? Er wollte nicht eigentlich dem Johannes eine Lobrede, sondern Seinen Zuhörern eine Straf- und Prüfungspredigt halten. Darum soll jeder, der in die Predigt läuft, wenn ein beliebter Prediger Aussehen macht, diese drei Fragen auch an sich stellen; denn da treibt viele Zuhörer mehr die Neugierde, als die Heilsbegierde; und wenn die Neugierde befriedigt ist, dann bleiben sie weg. Man sieht mehr auf den Prediger, auf seinen Vortrag, und auf Nebendinge, als auf die Hauptsache, die Predigt selbst. Man lauert auf die Worte, auf die Eintheilung und Ausführung der Rede; man beobachtet alle Mienen und Geberden, und kommt nur bis zum Prediger und zu seinem Aeußern, nicht zur Wahrheit der Worte, nicht zum eigentlichen Hören und Glauben, nicht zur Bekehrung und Besserung, nicht zum Gepredigten, nicht zu Christus selbst. Viele bleiben ganz bei dem Beurtheilen der Predigt und des Predigers stehen, loben oder tadeln - kommen aber nicht zum Urtheil und Richten über sich selbst, lernen den Prediger kennen, aber sich selbst nicht.
Uebrigens haben wir Prediger und ihr Zuhörer uns ernstlich zu fragen, ob wir nicht Moosrohre sind, die sich von jedem Wind der Lehre hin und her bewegen lassen; ob wir auf dem rechten „Grund und Felsen“ befestigt sind, der ewig unbeweglich steht, wenn Erd' und Himmel untergeht; ob wir stark sind in dem Herrn und in der Macht Seiner Stärke; ob unser Glaube der Sieg ist, der die Welt überwunden und Christum und das ewige Leben ergriffen hat, oder nur ein schwankendes Rohr, das von jedem Stoß des Zweifels, der Anfechtung und der Trübsal erschüttert wird; ob wir bei den heilsamen Worten Jesu Christi, bei dem Einen, das noth thut, und bei der Hauptsumme des Gebotes, der Liebe von reinem Herzen, und gutem Gewissen und ungefärbtem Glauben so fest bleiben, daß uns keine Nebenlehre, Streitfrage über Worte und Buchstaben, über Formen und Sekten irre machen oder das Ziel verrücken kann.
Zweitens soll sich ein Jeder fragen: Bist du kein weichlicher Mode-Christ? Ist es denn mit deinem Christenthum wahrer Ernst? Ist es ein rechtschaffnes Wesen in Christo? Ist dein äußeres und inneres Leben nicht ein bequemes, weichliches, fein oder grob sinnliches, so daß du dich in Kleidung, Geberden, Essen und Trinken, Schlafen und Wachen, in Vergnügungen und Zerstreuungen, in Handel und Wandel mehr oder weniger der Welt gleichstellst, und dich von ihr in allen oder doch einigen dieser Dinge wenig oder gar nicht unterscheidest, und wenn du es nicht sagst, man nicht erkennt aus deinem Wesen, daß du ein Christ bist, ein Jünger oder eine Jüngerin Jesu, der zu den Seinigen sagte: Ihr seyd nicht von der Welt, darum hasset euch die Welt. Wehe euch, wenn euch die Menschen loben.
Drittens dürfen und sollen wir uns selbst fragen: Bin ich nicht mehr als ein Prophet? wie Johannes? Stehe ich Christo nicht näher, als die Propheten des alten Testaments, die Jesum nur von ferne sahen und verkündigten? Darin besteht ja die Herrlichkeit des neuen Testaments, daß wir uns Christum nicht als zukünftig, nicht fern denken und weissagen, sondern als gekommen und nahe glauben und haben. „Die Alten hatten nur den Schatten der zukünftigen Güter, wir haben die Sache selber, und die ist Christus,“ sagt Paulus. „Bleibet in mir,“ sagt Er selbst, „so bleibe ich in euch“ - Er der Weinstock, wir die Reben. „Ich lasse Euch nicht Waisen, ich komme zu euch - mit meinem Vater komme ich zu euch und mache Wohnung in euch. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm.“ Ist das nicht mehr, als alle Propheten und Patriarchen, als Alle vor Christo hatten? Darum dürfen wir nicht nur, wir müssen, wenn wir in das neue Testament gehören wollen, uns fragen: Haben wir das, was der neue Bund, der Glaube an Christum verheißt, daß Er durch den Glauben in unsern Herzen wohnet, und wir in Ihm gewurzelt und gegründet - ja mit aller Fülle Gottes erfüllet sind? Stehen wir nicht mehr im alten Wesen des Buchstabens und Gesetzes, sondern im neuen Wesen des Geistes - des Geistes, der da lebendig macht in Christo Jesu und uns frei gemacht hat vom Gesetze der Sünde und des Todes? Röm. 8, 2. Können wir sagen, was Paulus von der Klarheit des neuen Bundes, im Gegensatz gegen die des alten schrieb 2 Kor. 3, 18.: Nun aber spiegelt sich in uns Allen mit aufgedecktem Angesicht des Herrn Klarheit; und wir werden verwandelt in dasselbe Bild, von einer Klarheit zur andern, als vom Herrn, der der Geist ist?
Nun, meine Lieben, so lasset uns denn den Advent des Gekommenen, nicht des Zukünftigen oder Kommenden feiern! Er muß schon da seyn, bei dir und in dir seyn; du sollst Ihn nicht erst erwarten; du sollst Ihn haben, und es an Seinen Werken an dir und den Wirkungen Seines Geistes in dir erkennen und gewiß wissen, daß Er es ist, und du auch keines andern bedarfst. Dein muß Er seyn, dir nahe, in dir muß Er seyn mit all Seinem Leben, Leiden und Sterben, mit Seinem ganzen Verdienste, mit Seiner Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung - Seine Krippe und Sein Kreuz, Sein Wandel und Sein Tod, Sein Auferstehen und Himmelfahren, Sein Sitzen zur Rechten der Kraft Gottes, Sein Geist und Sinn, göttliche Kraft und alles, was zum Leben und göttlichen Wandel dient, ist dir geschenkt - die theuersten und köstlichsten Verheißungen, daß du selbst Seiner göttlichen Natur theilhaftig werden sollst, wenn du fliehst die vergängliche Lust der Welt. 2 Petri 1, 3. 4. Laßt uns diesen herrlichen Vorzug des neuen Testaments, diesen Reichthum des Advents des Herrn an uns reißen mit aller Gewalt des Glaubens und der Liebe! Laßt uns beten und ringen, unablässig und brünstig, daß wir Christi theilhaftig werden und in Ihm bleiben bis an's Ende, bis wir Ihn sehen werden wie er ist, und Ihm gleich seyen! Amen.
Liebster Jesu, in den Tagen
Deiner Niedrigkeit allhier,
Hörte man zum Volk Dich sagen:
Es geht eine Kraft von mir.
Laß auf mich auch Kraft ausfließen,
Und sich Deinen Geist ergießen,
Da Du in der Herrlichkeit
Nun regierst mit Freundlichkeit.
Ja, Du kannst noch Allen lachen,
Deine Kraft ist nie zu klein,
Es bezeugen's Deine Thaten,
Die uns aufgezeichnet seyn.
Ja, Du bist dazu gekommen,
Nur der Sünder, nicht der Frommen,
Aller Kranken Heil zu seyn,
Und zu retten Groß und Klein.
Hier, mein Arzt, bin auch ich Armer,
Krank am Geiste, blind und bloß;
Rette mich, o mein Erbarmer,
Mache mich von Sünden los;
Von der Eigenliebe Tücken,
Die mein armes Hetz bestricken;
Ach, laß Deinen süßen Mund
Zu mir sprechen: Sey gesund!
Siehe, meine Seele rühret
Deinen Saum im Glauben an,
Wartet, bis sie endlich spüret,
Daß Du ihr auch wohlgethan.
Amen, Du wirst mich erhören
Und zu mir Dein Antlitz kehren,
Sprechen: Ja, ich will, sey mein!
Ich werd' ewig selig seyn.