Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am Feste der Erscheinung Christi. (Epiphanias).

Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am Feste der Erscheinung Christi. (Epiphanias).

Evang. Matth. 2, 1 - 12.

Die Weisen aus dem Morgenlande.

Die Zeit war da, der längst Verheißene und Erwartete mußte kommen, mußte schon da seyn; und Jerusalem die Hauptstadt lag im tiefsten Schlaf, wie zu Mitternacht, kein Mensch dachte an Ihn. Er war auch schon geboren, geboren zu Bethlehem, aber Niemand wußte es, weil Niemand nach Ihm fragte. So war alles Verlangen nach Ihm erloschen in Israel. Siehe, da kommen Weise vom Morgenland (Arabien oder Persien) gen Jerusalem und fragen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben Seinen Stern gesehen im Morgenlande und sind gekommen Ihn anzubeten. Fremdlinge, Heiden aus weiter Ferne wissen es, und kommen, und die Einheimischen, die Kinder Abrahams, das Volk Gottes weiß es nicht, daß Gottes und Abrahams Sohn geboren ist in ihrer Mitte. Die fernen Heiden sehen und erkennen Seine Geburt an einem Stern, und die gläubigen Israeliten finden ihren Messias nicht in ihrer Bibel und nehmen die Zeit und den Ort Seiner Geburt nicht wahr, was doch so deutlich im heiligen Buche verzeichnet war. Sonderbar! wo die helle Sonne leuchtet, sieht man nicht, und wo Finsterniß das Land bedeckte und nur ein mattes Sternlein schimmerte, da sehen sie das Licht und kommen zum Lichte. Wer rechte Lust hat zu gehen, findet den Weg bei dunkler Nacht, wer aber nicht Lust hat, sieht ihn am hellen Tage nicht.

Der Eifer und die Treue der Weisen muß uns beschämen. Sie sahen nichts als Seinen Stern, d. i. ein ungewöhnliches Licht am Himmel, wahrscheinlich über Judäa schweben, und durch göttliche Erleuchtung erkennen sie, daß dieses Licht der Stern des Messias der Juden und das Zeichen Seiner Geburt ist. So wie sie dieses erkennen, so machen sie sich auf, verlassen Alles, fragen Niemand, gehen ohne daß Jemand sie begleitet, sehen nicht auf andre Leute, sondern treu ihrem Lichte und ihrer Erkenntniß folgen sie und reisen dem Lande zu, wo der Ster n hindeutete. O daß wir jedem Sterne, jedem Lichte, das aufgeht, so treu wären, und folgten jedem Winke des Herrn. Wie schön und herrlich solche Treue belohnt wird, sehen wir an diesen frommen Weisen. Wir wohnen mitten in dem Lande und Volke dem Christus erschienen ist, wo Christus in jedem Herzen geboren seyn soll: haben wir schon so ernstlich gefragt: wo ist Er geboren? - auch in mir? Haben wir Ihn in uns gesucht, gefunden und angebetet?

Da das der König Herodes hörte, erschrak er, und mit ihm das ganze Jerusalem. Wer erschrickt, wenn er den Namen Jesus Christus hört, und an Seine Nähe oder Zukunft erinnert wird, hat ein Herodes-Herz oder einen verstockten Juden-Sinn. Warum erschrickt Herodes? warum das ganze Jerusalem? Herodes, weil er allein König seyn und keinen neben, noch weniger über sich dulden wollte; weil er fürchtete, der neugeborene König der Juden möchte ihn vom Throne stoßen, dessen Reich doch nicht von dieser Welt war, und der hier nicht suchte und nicht hatte so viel, wo Er Sein Haupt hinlegen konnte, der dem Herodes und aller Welt nichts nehmen, sondern ein größeres, ja das größte Königreich geben wollte. O wie blind sind doch alle Menschen die vor Jesus erschrecken! O, wenn sie es doch wüßten, wie viel Heil man bei Ihm finden, und wie gut man es bei Ihm haben kann. Jerusalem erschrak, weil es nicht gefaßt, nicht bereitet war auf die Ankunft ihres Messias, weil sie das Gottes-Reich das Er brachte, nicht wollten, sondern am Weltteiche zu sehr hingen. Sie fürchteten in ihrem sinnlichen Treiben und Streben, in ihren weltlichen Sorgen und Reichthümern, in ihren fleischlichen Lüsten gestört zu werden. Wer erschrickt, wenn er das Evangelium hört, wenn er aufgefordert wird, sich zu bekehren und das Himmelreich zu suchen, ist jenen verhärteten Juden und verweltlichten Bürgern zu Jerusalem gleich, die wie Herodes vor der Ankunft Jesu erschraken. O wie schrecklich sieht es in den Herzen aus, die erschrecken, wenn ihnen die heilsame Gnade Gottes, die in Christo allen Menschen erschienen ist, verkündigt wird, wenn die Menschenfreundlichkeit und Leutseligkeit Gottes in Christi Geburt und Kreuz ihnen vor die Seele tritt und ihnen Gnade anbietet! Wenn sie jetzt erschrecken, da Er so freundlich kommt und Sünde abnehmen, versöhnen und vergeben und selig machen will, wie werden sie einst erschrecken, wenn Er kommen wird zu richten, wenn sie Ihn sehen werden auf den Wolken des Himmels, um Rache zu geben mit Feuerflammen über Alle, die dem Evangelio nicht gehorsam waren? Wenn sie vor dein Kindlein in den Windeln erschrecken) was wird es seyn, wenn sie Den sehen werden in großer Kraft und Herrlichkeit, in den sie gestochen haben?

Und Herodes ließ versammeln alle Hohepriester und Schriftgelehrten unter dem Volk, und erfragte von ihnen, wo Christus sollte geboren werden. Und sie sagten ihm: Zu Bethlehem in Judäa. Denn also steht geschrieben durch den Propheten: Und du Bethlehem im Lande Juda bist mit nichten die kleinste unter den Fürsten (Städten) Juda, denn aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk Israel ein Herr sey. Der König hatte sich selbst nie um die Religion und Bibel bekümmert, nie darnach gefragt, wo Christus sollte geboren werden. Er dachte, darum müssen sich die Priester und Gelehrten sorgen, die müssen es wissen, was geht das mich an? So herodianisch denkt die Welt heute: ach das ist Sache der Geistlichen, der Theologen! Nun wird in der. Bibel gesucht, da Fremdlinge kommen und nach der Sache fragen, bloß um dieser willen, um nicht unwissend zu scheinen. Sie finden es auch in der Bibel, sie zeigen die Stelle im Propheten Micha, nennen das Städtchen wo Er geboren werden sollte, und damit sind sie zufrieden, das zu wissen und gehen nicht hin. Sie forschten bloß den Geburtsort des Messias aus, gingen aber keinen Schritt, um den Geborenen zu finden und anzubeten, zeigten Andern den Weg zu Christus, gingen ihn aber selber nicht. Es hilft nicht, die Bibel lesen, die Predigt hören, und wissen wo und wie Christus geboren und gestorben ist, wenn man sich nicht aufmacht und Ihn selbst nicht sucht, zu Ihm selbst nicht kommt und Ihn aus Erfahrung kennen lernt.

Da berief Herodes die Weisen heimlich, und erlernte mit Fleiß von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und wies sie gen Bethlehem und sprach: Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr es findet, so saget mir's wieder, daß ich auch komme und es anbete. Hätte sich Herodes nur halb so viel Mühe gegeben, Christum zu finden und durch Ihn selig zu werden, als er sich eifrig bestrebt hat ihn aufzufinden um ihn umzubringen, so wäre er gewiß ein ausgezeichneter Jünger des Herrn geworden. So giebt es noch Leute genug, die sich viel mehr Mühe geben das wahre Christenthum in Andern zu stören, zu ersticken und auszurotten, als sich Tausende der Frommen bemühen, ein rechtschaffnes Wesen in Christo zu haben und ganz in Ihm erfunden zu werden. Wunderbar war es aber doch, daß gerade der Todfeind des neugeborenen Königs der Juden die nach diesem fragenden Morgenländer zu Ihm weisen und ihnen den Weg nach Bethlehem zeigen muß. Er hat ein Interesse dabei, und muntert sie dazu auf, fleißig nachzuforschen, daß sie das Kindlein ja finden möchten. So muß oft der größte Christus-Feind den redlich Fragenden nach Christus zu Ihm weisen und ihm den Weg zeigen, den er selbst nicht geht. Die List und Bosheit, die Heuchelei und der Mordanschlag des Herodes schadete den Weisen nicht und half ihm nicht, führte ihn nicht zum Zwecke sondern zum Verderben. Wer den Heiland aufrichtig sucht, wird ihn finden und sollte ein Herodes oder selbst der ärgste Feind, der Satan ihm den Weg dazu zeigen müssen. Es hatte vielleicht in ganz Jerusalem keine Seele den Weisen geglaubt, sie gehört und sich die Mühe gegeben ihnen die Bibel aufzuschlagen und den Geburtsort des Messias zu forschen; sie waren alle zu gleichgültig, wenn nicht Herodes Ehrgeiz, Herrschsucht und Neid ihm die Frage interessant gemacht hätte, daß er dachte: Was? ein neuer König geboren! Da könnte was daran seyn; geh sicher - da sey auf deiner Hut - das mußt du ausforschen, um Ihn in der Geburt zu ersticken. Und dadurch erfuhren die Weisen, was sie wissen wollten. Wie schön klingt es und wie fromm: Ziehet hin, forschet fleißig nach dem Kindlein - daß auch ich komme und es anbete. Wer sollte nicht glauben, der Mann der so spricht wäre der größte Heilige, er freute sich wie Abraham auf den Tag des Menschensohnes. Und siehe, er ist der ärgste Feind und größte Heuchler, seine Andacht ist voll Hochverrath, seine vorgebliche Anbetung ein Mordanschlag und Blutdurst. O schreckliches Gemüth! die Religion, die Frömmigkeit zum Deckmantel der Bosheit und des Christushasses brauchen, indem man vorgiebt, den anbeten zu wollen, dessen Namen man von der Erde vertilgen möchte!

Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenlande gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis daß er kam und stand oben über, da das Kindlein war. Wie froh werden die frommen Weisen gewesen seyn, aus der Stadt Jerusalem wieder herausgekommen zu seyn, da sie doch wohl die Verlegenheit aller Menschen über ihre Frage nach der Geburt des Messias gefühlt haben müssen, und wenn auch Herodes durch seine falsche Frömmigkeit sie getäuscht hat, so kann ihnen doch nicht wohl in seiner Nähe gewesen seyn. Jerusalem, die durch die Geburt des Messias erschreckte Stadt, zog sie nicht an, darum zogen sie, wohin sie Glaube und Liebe zog und trieb, nach Bethlehem, und wie freuten sie sich außer der finstern Stadt den Stern, den sie im Morgenlande gesehen, wieder zu erblicken, und ihn zum Wegweiser zu haben, denn er zog vor ihnen her, als führte er sie bei der Hand bis zum Kindlein hin. O du treuer Gott! wie selig, süß und schön führest Du die Deinen! Die Versuchung in Jerusalem war groß, da Niemand etwas wissen wollte, Niemand Freude und Glauben zeigte; wie leicht hätten sie irre werden und denken können: betrügen wir uns auch wohl, wir Fremdlinge, da man im Lande, in der Hauptstadt nichts weiß und wissen will? Darum kommt ihnen der Herr zu Hülfe und stärkt ihren Glauben, den sie doch gerettet und mit aus der Stadt gebracht hatten. Dem Gerechten muß das Licht immer wieder aufgehen und Freude den frommen Herzen. Das geschah buchstäblich hier den Weisen, da ihnen der liebe Stern wieder leuchtete: denn da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut. Wer glaubt ihnen das nicht? Wenn nach dunkler Nacht, wie sie sie in Jerusalem fanden, solch ein heller Ster n wieder aufgeht und den geraden Weg zum Ziele zeigt? Wer freut sich nicht, wenn nach schweren Kämpfen mit Zweifeln oder Widersprüchen, Anfechtungen und Hindernissen dem Herzen die Gewißheit und Klarheit der erkannten Wahrheit wieder geschenkt wird? Sie haben in Jerusalem aus Gottes Wort, aus der Bibel die Ueberzeugung gewonnen, daß Er und wo Er geboren seyn muß, und nun sehen sie wieder den glänzenden Zeugen am Himmel. Da lebte ihr Herz auf, als hätten sie schon gefunden den längst Ersehnten, den eifrig Gesuchten. Je näher man Ihm kommt, desto mehr freut sich das Herz. O möchten doch Alle so eifrig suchen! Gott würde es an Sternen nicht fehlen lassen, sondern Jedem ein helles Licht aus Seinem Worte und im Herzen oder am Himmel aufgehen lassen, um ihn zum Sohne zu ziehen und zu führen. Wer dir Jesum zeiget, dich zu Jesu weiset und führet, ist dir ein Stern von Gott gesandt, es sey ein Mensch, ein Buch oder was für ein Werkzeug Gottes. O Stern des Herrn, des Heils und der Gnade, gehe auf Allen denen, die noch im Dunkeln und im Schatten des Todes sitzen, erscheine Allen, die da suchen Jesum den Heiland und Ihn nicht finden können!

Und die Weisen gingen in das Haus, und fanden das Kindlein mit Maria, Seiner Mutter, und fielen nieder, und beteten es an, und thaten ihre Schätze auf und schenkten Ihm Gold, Weihrauch und Myrrhen. Welch ein Finden! welch ein Anblick! der Sohn des Allerhöchsten von einer armen Jungfrau geboren, in Menschengeberden! Der lang gesuchte König Israels! Da liegt Er auf einer Mutter Schooß! nicht mehr im Stalle, in einem Hause finden sie Ihn, der Alles gemacht hat, und ohne Den nichts gemacht ist, was da ist im Himmel und auf Erden. Wie wird den treuen unverdrossnen Suchern gewesen seyn! Wie werden ihre Augen geglänzt haben, wie wird ihr Herz mit Friede Gottes überströmt worden seyn, da sie das erste Mal nach so langem mühsamen Suchen Den erblickten, den ihre Seele ungesehn liebte und mit Aufopferung alles Andern gesucht hat! Wer möchte nicht die Freude, den Frieden, die hohe Seligkeit mit ihnen theilen?! Laßt uns auch so eifrig suchen, so treu und unverdrossen beharren im Suchen. Laßt uns so von Allem uns abwenden, und zu Jesu in's Herz einkehren, so werden wir nicht weniger finden, als die Weisen, wir können Ihn Alle haben und genießen. Dieses Kind ist nicht für die Hirten von Bethlehem und für die Weisen aus Morgenland allein gekommen: es ist uns Allen gegeben, der Sohn ist uns Allen geschenket, wir sollen Ihn Alle haben, diese Freude soll, wie schon die Engel sagten, allem Wolke widerfahren. Allen, Allen ist der Heiland geboren, Christus der Herr. Wer mich liebt, sagt Er selbst, wird von meinem Vater geliebet werden, und Ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren, ja, mit dem Vater kommen und Wohnung bei ihm machen. Joh. 14, 21.23.

Daß die Weisen gleich beim ersten Anblick niederfielen und Ihn anbeteten, darüber wundert sich Niemand, der Ihn kennt und Ihn auch an seinem Herzen erfahren hat. Wie gern liegt man vor Ihm auf seinen Knieen, wenn man Ihn so nah hat! Wie billig ist es, Ihn anzubeten! - Nach orientalisches Brauch brachten sie Ihm Geschenke mit: Gold, dem Könige; Weihrauch, der Gottheit in Ihm; Myrrhen, dem zum Leiden und bittern Tode bestimmten Versöhner. Was bringen wir Ihm zum Geschenke? Gold, Weihrauch und Myrrhen haben wir nicht, und das will Er auch nicht von uns: aber ein goldtreues, ergebenes Herz dem Könige; Anbetung, volles Vertrauen und Zuversicht dem göttlichen Heiland; und Zerknirschung, Demuth, Glaube dem Versöhner und gekreuzigten Lamm.

Wie werden die Weisen gestaunt haben, sich gefreut und gedankt haben, wenn sie nun bei kurzem oder längern Aufenthalt Alles gehört haben, was mit diesem Kinde von Seiner Empfängniß an bis dahin geschehen ist, was Maria, was Joseph, was die Hirten von den Engeln des Himmels gehört haben, was in den Propheten und heiligen Büchern überhaupt von Ihm geschrieben steht, welches den Weisen bis dahin wohl größten Theils unbekannt war. Und obwohl sie von dem Allen nichts wußten, so haben sie Ihn doch gefunden, und Tausende, die die Bibel auswendig wußten, täglich darin lasen, kamen nicht dazu, fanden Ihn nicht, kannten Ihn nicht, beteten Ihn nicht an. Viel wissen hilft nicht viel, hindert oft nur, aber dem kleinen Sternlein und Licht, das einem im Finstern aufgeht, folgen, das führt zur Wahrheit, zum Leben, zu Christus, zur Seligkeit. Wie stolz werden die gelehrten Theologen in Jerusalem gewesen seyn, daß sie die Bibel erklären und den Ort angeben konnten, wo Christus geboren werden sollte: aber sie gingen nicht hin, Ihn zu suchen und anzubeten, darum kamen sie nicht zu Christus, nicht zur seligmachenden Erkenntniß Christi. Die Weisen aber hörten den einzigen Spruch aus den Propheten: „Und du Bethlehem rc.“, glaubten, gingen, suchten und fanden Friede, Freude, Christum den Sohn des Höchsten und in Ihm ewige Seligkeit. Diesem folgte dann gewiß die ausgebreitetste Erkenntniß und Erfahrung. Nun wird sie der weite, beschwerliche und gefährliche Weg vom Morgenlande bis Jerusalem und Bethlehem nicht gereuet haben. Nun haben sie gedankt und angebetet, daß sie der Herr so weit geführt und ihnen Gnade geschenkt hat auszuharren und bis zum Ziele durchzudringen.

Und sie empfingen göttlichen Befehl im Traum, daß sie nicht sollten wieder zu Herodes lenken. Und zogen durch einen andern Weg wieder in ihr Land. Wer Christum lebendig gefunden hat, bekommt gewiß auch die göttliche Weisung, nicht mehr zu Herodes, zur Welt, zu den Feinden und Mördern des Kindleins oder des Glaubens an Ihn zurückzukehren, sondern einen ganz andern neuen Weg zu gehen, den schmalen und richtigen einzuschlagen, den Wenige finden und wandeln, der aber zum Leben führt. Hätten die Weisen dem göttlichen Befehle nicht gefolgt, waren sie, etwa um ihr Wort zu halten, zu Herodes zurückgekehrt, so würde zwar der Vater im Himmel nicht in Verlegenheit gekommen seyn, sondern hätte Sein Kind doch wohl retten können, aber gewiß waren sie in Verlegenheit gekommen, und waren vielleicht von Herodes umgebracht oder mißhandelt worden, damit sie nicht einen Aufruhr oder eine Verschwörung gegen ihn, den Herodes, für den König Israels anrichteten, wie der arglistige, mißtrauische und argwöhnische Tyrann gewiß geglaubt hätte. Da sie aber Gottes Winke folgten, so zogen sie sicher und wohlbehalten, voll Friede und Freude, voll vom Kindlein ohne Gleichen, voll Christus, voll Himmel nach Hause. Und wie werden sie es ausgebreitet, und die nachfolgende Predigt des Evangeliums durch die Apostel vorbereitet haben! Welch eine glückliche Reise wird das gewesen seyn! Sie haben ihre besten Schätze mitgebracht, aber ungleich schönere, köstlichere Schätze der Erkenntniß und Liebe, der Gnade und des Friedens, der höher ist als alle Vernunft, haben sie mit zurückgebracht, an denen sie sich auf der Reise und zu Hause ihr Lebenlang gelabt haben werden. Und noch leben sie im Himmel ewig davon. So reich wird man in Bethlehem, so glücklich und selig macht das arme Kindlein Jeden der es findet.

Wir wissen nichts was nachher aus ihnen geworden, aber genug, sie haben Jesum kennen gelernt, und haben in Ihm alle Schätze der Weisheit und Erkenntniß gefunden, und Der, welcher sie durch einen Stern aus der Ferne so nahe zu Seinem Sohne zog und führte, wird nachher wohl auch dafür gesorgt haben, daß sie das Gefundene nicht verloren haben, sondern weiter geführt wurden auf dem Wege des Lichts und des Lebens.

Diese Erscheinung Jesu ist unter andern auch deßwegen so merkwürdig, weil sie die erste ist, wodurch Christus, der Sohn des Höchsten, in Menschengestalt den Heiden offenbar wurde. Es ist so früh, gleich nach Seiner Geburt geschehen; nachdem Er kaum den Juden in den Hirten zu Bethlehem kund geworden war, da erschien und offenbarte Er sich auch alsbald den Heiden, um anzuzeigen, daß Er nicht nur der Juden Gott und Messias, sondern auch das Licht, der Heiland aller Menschen, der ganzen Welt sey. Darum hat die Kirche Christi aus den Heiden diesen Tag der Erscheinung Jesu, der Epiphania, von Anfang an als einen hohen Festtag gefeiert und sich gefreut, daß Gott gleich bei der Erscheinung und Geburt Jesu auf Erden auch an sie, an die Heiden gedacht, und sie nicht zurückgesetzt hat. Also hat Gott die Welt, alle Völker und Nationen geliebt, daß Er ihnen Allen Seinen Eingebornen gab, damit Alle aus allen Völkern und Nationen, die an Ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben sollen.

Darüber freuen auch wir uns jetzt und danken Gott besonders, nicht nur, weil wir auch von Heiden abstammen, und also der Stern und das Kindlein in den heidnischen Weisen aus Morgenland auch uns den Abendländern erschienen ist, sondern vorzüglich, weil jetzt wieder die Erkenntniß Jesu durch die Predigt Seines Evangeliums unter allen heidnischen Völkern in allen Welttheilen und Inseln offenbart und verbreitet wird. Darum ist es wohl recht Schade und Schande, daß nicht überall in der Christenheit dieser alte Feiertag gefeiert, an diesem Tage nicht gepredigt und Gottesdienst gehalten wird, als wenn es nicht Alle anginge, daß Jesus den Weisen aus Morgenland erschienen und sich das erste Mal den Heiden geoffenbaret hat. Darum wollen wir diesen Tag aber desto mehr im Stillen, innerlich im Herzen feiern, Gott danken und preisen, daß Christus auch ein Licht der Heiden, der Heiland aller Welt ist; wollen Gottes Wort wohl bettachten, und innig und brünstig beten, daß Er fortfahre sich den Heiden zu offenbaren, recht viele Zeugen und Arbeiter erwecken und ausrüsten wolle, die in Seine Heiden-Erndte gehen, die so groß ist und so wenig Arbeiter hat.

Du Licht der Heiden (die heil'ge Schrift sagt's klar),
Du bist Erretter der ganzen Menschenschaar,
Und folglich haben auch die Heiden
Antheil an Deinem Verdienst und Leiden.

Ihr lieben Heiden! kommt doch zum Lamme her,
Laßt euch mit Freuden taufen im Gnadenmeer:
Der Heiden-Heiland hat's erworben,
Da Er Mensch geboren und gestorben.

O ewig schöner, verwund'ter Schmerzensmann!
Theurer Versöhner, befreie sie vom Bann,
Und mache diese wilden Leute
Zu Deiner seligen Kreuzesbeute.

Gieb Deinen Knechten des Geistes Heldenmuth,
Damit sie möchten ihr Leben, Leib und Blut
Im Kämpfen gegen's Reich der Sünden
Gerne verlieren, das heißet finden! Amen.

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