Goßner, Johannes Evangelista - Am Tage Maria Magdalena, (d. 27. Juli.)

Goßner, Johannes Evangelista - Am Tage Maria Magdalena, (d. 27. Juli.)

Evang. Luc. 7, 36 - 50.

Nicht um der Magdalena, oder des Weibes willen, welches in diesem Evangelio erscheint, sondern um dieses Evangeliums, um der Gnade willen, die in diesem Evangelio diesem Weibe, dieser Sünderin widerfährt, um Jesu willen, der sich hierin so schön als Sünderheiland offenbart, wollen wir dieses Evangelium betrachten, obwohl wir auch diese begnadigte Sünderin in gesegnetem Andenken haben und mit ihr gern ihr liebliches Loos theilen - aber dabei alle Ehre dem Herrn geben, dem sie allein gebührt.

Bei einem Pharisäer sitzt der Heiland zu Tische, und verschmäht nicht dessen Mittagbrot, aber gewiß nicht um des Brodes willen, sondern um der Sünder willen, die Er bei dieser Gelegenheit zu retten suchte, denn das ist Seine Speise, Sünder selig zu machen nach Seines Vaters Willen und Auftrag. Er wußte wohl, wer sich da einfinden und bei Ihm Gnade suchen würde, zugleich hatte Er aber gewiß auch den Pharisäer im Auge, ihn zu belehren, und ihm zu zeigen, worauf es ankomme, und wie man eigentlich Gott gefällig werde.

Denn siehe, ein Weib war in der Stadt (in welcher Stadt? das weiß man nicht - gilt uns auch gleich - merke du nur auf das, was da geschieht!), die war eine Sünderin - deren wird es wohl mehr in der Stadt gegeben haben. Denn welche Stadt ist leer von Sünder n und Sünderinnen, deren alle Welt voll ist? Aber dies war eine besondere, eine große, berüchtigte, öffentliche, nun aber zerknirschte heilsbegierige Sünderin. Da die vernahm, daß Er zu Tische saß in des Pharisäers Haus, brachte sie eine Flasche mit Salbe, und trat hinten zu Seinen Füßen und weinte, und fing an Seine Füße zu netzen mit Thränen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen und küssete Seine Füße und salbete sie mit der Salbe.

Diese Sünderin wagt, was ihr jetzt kaum ein Heiliger nachmachen würde. Oder, wo seyd ihr Heilige, die, wenn Jesus bei einem solchen widrig gesinnten Pharisäer und Rationalisten oder Weltlinge zu Tische säße, sich hineinwagten vor allen pharisäischen und feindseligen Geistern, und in ihrem Angesicht sich so zu den Füßen Jesu setzten, so weinten, so Seine Füße küßten, so viel Salbe anwendeten, ohne die Kosten zu scheuen? Wer ist so brünstig, daß er so ungescheut und rücksichtslos seine Liebe zu Jesu offenbart und Ihn also bekennt? Würden nicht tausend Bedenklichkeiten und Entschuldigungen euch zurückhalten? Sie hatte nur Einen Gedanken: zu Ihm muß ich, Ihn muß ich haben, Er sey wo Er wolle. Was frag ich nach allen Menschen, nach allen Pharisäern und Schriftgelehrten, wenn ich nur Ihn habe, es koste, was es wolle. Wem es nicht so ist im Herzen, hat der den Heiland eigentlich lieb? Will der ernstlich selig werden? Wer sich noch schämt und fürchtet Ihn in allen Umständen und vor allen Menschen und in jeder Lage zu bekennen und seine Liebe zu Ihm zu offenbaren, ist der ein Jünger Jesu? Kann der erwarten, daß der Heiland einst sich seiner nicht auch schämen und ihn bekennen werde vor dem Vater und Seinen Engeln?

Das war doch einmal eine liebe Sünderin! Solche will der Heiland haben, die nimmt Er an, sie können so ungelegen kommen, wie möglich, bei Tische, in Gesellschaft, oder allein, wie dort beim einsamen Jakobs-Brunnen, wo Er müde und hungrig auf's Mittagsbrod wartete. Joh. 4. Wenn Er solche Sünder sieht, da hat Er schon gegessen, da schmeckt Ihm keine andre Speise mehr; solche stillen alle Seine Begierde, und - daß ich's sage - machen Ihn ganz glücklich. Wenn die Städte und Dörfer, ja die Welt voll solcher Sünder und Sünderinnen wäre, wer wäre glücklicher und reicher als unser Heiland? Wie würde Er alle so selig machen!

Was diese Sünderin that, ist der Ausdruck der demüthigsten und zuversichtlichsten, der Alles tragenden, Alles opfernden, rücksichtslosesten Liebe, die nur Eins, nur Ihn, den Sünderheiland sucht und im Auge hat.

Wie sieht der kalte, steife Pharisäer - wie Christus dieses Weib an? Der Pharisäer, da er dieses sah, sprach bei sich selbst und sagte: Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüßte Er, wer und welch ein Weib das ist, die Ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin. Simon! das weiß Er, und weiß noch mehr und sieht noch tiefer, als du und alle Propheten, also ist Er ein Prophet, und wohl noch mehr als ein Prophet, das wird Er dir gleich zeigen. Der Mensch sieht in's Gesicht, Christus in's Herz. Der Pharisäer wußte, was sie gewesen ist, Christus sieht, was sie jetzt ist. Der Pharisäer denkt Arges von der Sünderin und dem Sünderfreund, weil er nur von den Sünden der Sünderin gehört hat, und verurtheilt deßwegen sie und den Freund der Sünder. Er hätte vielmehr denken sollen: diese Sünderin muß nun wohl sich geändert haben, und Reue fühlen, sich bekehren wollen, weil sie diesem Mann sich nähert, und sich so gegen Ihn bezeigt, so weint, so Seine Füße küßt und salbt. Er muß das wohl wissen und in ihr Herz sehn. Wer bin ich? Habe ich auch je so Buße gethan? Aber so zu denken, erlaubte ihm der pharisäische Stolz und die Feindschaft gegen Jesum nicht. Es ist eine erbärmliche Hoffart einer gewissen Gattung von Heiligen und Selbstgerechten, die jeden Sünder verachten, und es für unmöglich halten, daß tief gefallene Personen sich bessern und noch gottgefälliger werden können, als sie selbst es sind und wohl auch nicht werden. Christus sah noch mehr und weiter, nicht nur, wer sie gewesen und wer sie jetzt war, sondern auch, was sie werden würde, daß sie die eifrigste Jüngerin, die Erste bei Seiner Auferstehung, beim Grabe seyn würde rc. Ein eifriger Jünger des Herrn pflegte beim Anblick eines großen Sünders ganz anders als der Pharisäer zu denken, er sagte: O hätt ich ihn nur beim Blut der Wunde, er wäre mehr als ich in einer Stunde. Das ist nicht pharisäisch, das ist ächt christlich gedacht. Nun was sagte denn Christus?

Jesus antwortete: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Er aber sprach: Meister, sage an. Er dachte, entweder wird Er mir recht geben, oder sich noch mehr verrathen, daß Er ein Sünderfreund und Zöllnergesell ist. Der Meister fuhr fort:

Es hatte ein Wucherer zween Schuldner, einer war fünf hundert Groschen schuldig, der andere fünfzig. Da sie aber nicht hatten zu bezahlen, schenkte er's beiden. Sage an - richte selbst über dich und dieses Weib - welcher unter ihnen wird ihn mehr lieben? Simon antwortete: Ich achte, dem Er am meisten geschenkt hat. Nun hat er schon das Urtheil über sich selbst gesprochen, ohne es zu wissen. Nun wird er aus seinem eignen Munde gerichtet. Es kommt nicht auf die größere Schuld an, sondern auf die größere Liebe, womit man für die Schulderlassung dankt, und womit der Begnadigte gleichsam die Schuld oder Schulderlassunq bezahlt - bezahlt mit der Gnade und Liebe, die ihm gegeben ist, also ohne sein Verdienst, denn wem viel vergeben ist, der liebt viel - das bringt die Gnade von selbst mit sich und wird sich Keiner etwas darauf einbilden, sondern nur dafür danken und den Heiland preisen. Gerade darin ist aber der Pharisäer viel schuldig geblieben, weil er gar keine Liebe hatte, und doch wird es ihm an Sünden auch nicht gefehlt haben. An Liebe war die Sünderin reich, das hat sie bewiesen bei den Füßen Jesu. Darum sprach der Heiland: Du hast recht gerichtet. Du hast es getroffen. Nun wandte sich der Heiland zu dem Weibe, um die Sache auf sie und ihn anzuwenden, und es ihm recht klar zu machen, daß er noch ein stolzer, steifer, liebearmer Pharisäer und Sünder, dieses Weib aber eine bußfertige, liebevolle, dankbare und brünstige Sünderin sey, die darum so viel Liebe Ihm beweise, weil sie von vielen Sünden sich bekehrt und Gnade gefunden habe oder sie doch hoffe. Und Er sprach zu Simon: Siehst du dieses Weib! - sieh sie wohl an, nicht mit pharisäischen Augen, sondern mit meinen Augen, die ich dir leihen will. Ich bin in dein Haus gekommen, du hast mir nicht Wasser gegeben zu meinen Füßen (wie im Morgenlande sonst den Gästen geschah, und nöthig war, wenn sie von der Reise kamen), diese aber hat meine Füße mit Thränen genetzet, und mit den Haaren ihres Hauptes getrocknet. Du hast mir keinen Kuß gegeben (womit man sonst liebe Freunde empfängt), diese aber, nachdem sie hereingekommen ist, hat sie nicht abgelassen meine Füße zu küssen. Du hast mein Haupt nicht mit Oele gesalbt (womit man damals liebt Tischgäste zu ehren und zu erquicken pflegte), sie aber hat meine Füße mit Salben gesalbet. Derohalben sage ich dir: Ihr sind viel Sünden vergeben, denn sie hat viel geliebet; welchem aber wenig vergeben wird (wie du von dir meinst, in deiner eignen Gerechtigkeit), der liebt wenig. Also: die Sünden werden nicht vergeben, weil man liebt und es mit Liebe verdient, sondern man liebt, weil die Sünden vergeben sind; denn vor der Vergebung ist mehr Furcht da als Liebe, aber die Vergebung erweckt Liebe, bringt Liebe, gießt sie im Herzen aus, und die völlige Liebe treibt die Furcht aus. Furcht hat Pein, sobald aber Vergebung da ist, weicht die Furcht und macht der Liebe Platz.

Dadurch hat der Heiland es recht klar gezeigt, was für ein Unterschied ist zwischen einem begnadigten Sünder und einem stolzen Heiligen und eingebildeten, selbstgerechten Pharisäer, der auf seine Tugenden und guten Werke vertraut, und glaubt dadurch bei Gott in Gnaden zu stehen und selig zu werden. Ein solcher hat keine Liebe zu Jesu, und beweist Ihm auch keine. Dagegen ein begnadigter Sünder kann nicht genug lieben und Liebe beweisen gegen seinen Heiland. Weil er Alles als Gnade achtet und nichts von Verdienst weiß; weil er sich als den verdammungswürdigsten unnützesten Sünder ansieht, und darum es für die die größte Liebe und Barmherzigkeit hält, daß ihn der Heiland angenommen, und nicht, wie er es verdient hätte, verdammte und von sich stieß. Wie wird die Sünderin bei Seinen Füßen gehorcht und sich gefreut haben, daß der Heiland sie so gut verstand, und ihre Liebesbezeugungen so gut aufnahm, und die Kälte und Steifheit des Pharisäers tadelte. Wie wird ihr gewesen seyn, da sie es aus Seinem Mund hörte, wie freundlich Er urtheilte und ihre Thränen, ihre Salbungen, ihr Fußküssen, ihr Trocknen der bethränten Füße mit ihren Haaren so gerne sah, so gut aufnahm, und als dankbare Liebe erkannte und als einen Beweis erklärte, daß ihr viele Sünden vergeben seyen. Wie wird das Wort: Ihr sind viele Sünden vergeben! auf das sie schon lange wartete, ihr Herz erfreut und in Jauchzen versetzt haben! O wenn das ein reumüthiger Sünder erst vernimmt in seinem Herzen, daß de: Heiland seine Thränen ansieht, sein Gebet erhört und ihn Seine Freundlichkeit schmecken läßt, wie wird ihm da das Herz so weit, der Geist erquickt, das Gewissen gestillt, dem Satan mit allen seinen Anklagen der Mund gestopft, wie fangt da die Liebe zum Heiland an aufzulodern und zu brennen. Aller Kampf, Zweifel, Furcht hat ein Ende und Friede und Freude kehret ein, man ist wie im Himmel und die Seele frohlocket in Gott ihrem Heiland.

Wie kalt sieht es dagegen aus in dem Herzen eines steifen Pharisäers und Selbstheiligen, der auf sich vertraut und den Himmel auf das Bollwerk seiner eigenen Werke und Tugend baut, ein solcher liebt nicht nur wenig, sondern gar nicht; ja er liebt, aber nur sich selbst, den Heiland kann er nicht lieben, er weiß nicht warum, denn er glaubt der Vergebung, der Gnade, nicht zu bedürfen, weil er selbst gerecht zu seyn scheint.

Man sieht auch, wie der Heiland auf Alles sieht und merkt, was ein armer Sünder aus Liebe und Dankbarkeit gegen Ihn thut, und was ein Selbstgerechter Ihm nicht thut. Er hält dem Pharisäer Alles vor, was er unterlassen hat, Ihm zu thun, die gewöhnlichen Liebes- und Freundschafts-Bezeugungen, das Fußbad, den Kuß, das Salben, das ging ihm ab, bei Seinem Empfange und Eintritt in das kalte Haus. Dagegen bemerkt und rühmt Er dieses alles, was die Sünderin Ihm erwies, und bezeugt ihr Seine Freude und Sein Wohlgefallen darüber. O Sünderherz, was du dem Heiland thust, es sey noch so geringe und gewöhnlich, wenn du's aus dankbarer Liebe zu Ihm thust, so hast du Sein Herz genommen und gewonnen. Er schreibt's dir an, und übersieht und vergißt es nicht. Man sollte meinen, ein so großer, geistreicher Mann giebt auf solche Kleinigkeiten und äußern Dinge, die oft nur aus Gewohnheit geschehen, nicht Acht, Er sey darüber erhaben - aber Er sieht die Liebe im Herzen, die es thut; Er achtet des Sünders Begierde und Verlangen, angenommen, begnadigt, erlöst zu werden, oder die Dankbarkeit, wenn er bereits Gnade und Vergebung spürt oder zuversichtlich hofft. Er weiß und fühlt, das arme Herz sucht Ihn damit, hofft auf ein Trostwort, auf eine Gnadenbezeugung, und die kann Er nicht lange vorenthalten; Er erquickt die müde Seele, Er trocknet ihre Thränen oder vermehrt und verwandelt sie in Freuden- und Dankes-Thränen durch Seine Gnaden-Erklärung und Anerkennung des Glaubens. Er wendet sich endlich geradezu zur Sünderin und spricht zu ihr: Dir sind deine Sünden vergeben.

Dies aus Jesu Mund selbst gehört zu haben, so laut, so öffentlich vor einer ganzen Tischgesellschaft gehört zu haben, vor Pharisäern, die sie verkannten und verachteten, das muß das Herz in den Himmel erhoben haben. Der Freude und Seligkeit kommt nichts gleich, keine Freude, keine Seligkeit, die genannt werden mag im Himmel und auf Erden. Darum sang ein heiliger Sänger: „Ach einem solchen Glücke auf ein Paar Augenblicke, dem wollt ich zu Gefallen, wohl tausend Meilen wallen; mich unaufhörlich sehnen, und einen Bach voll Thränen aus meinen Augen schütten, wenn Er sich ließ erbitten.“ Nun darf man nicht so weit wallen, man darf nur einkehren in's Herz, nur im Geiste sich zu Seinen Füßen, zu Seinem Kreuze und zu Seinen Wunden setzen, und recht innig um Gnade seufzen, so bricht Ihm das Herz, Er läßt in deinem Herzen heute noch ertönen, daß auch dein sey Sein Versöhnen. Er spricht eben so kräftig und heil- und friedebringend das Wort: Dir sind deine Sünden vergeben, in dein Herz hinein, daß du so gewiß bist, daß du Gnade und Vergebung hast, als es die Sünderin war, die es äußerlich aus Seinem Munde hörte.

Das ist das Wort, nach dem alle Sünder schmachten, die den Fluch der Sünde fühlen und gern selig wären: das Wort, welches auch gewiß Alle in ihrem Herzen vernehmen, die sich also wie diese Sünderin zu Ihm im Geiste nahen. Er sucht sie ja, Er schmachtete ja selbst nach ihnen, mehr als sie nach Ihm. Wenn doch Niemand zweifelte an Seiner Liebe und Seinem Verlangen, Sünder selig zu machen. Die leidigen Zweifel sind vom leidigen Teufel. Seht doch hier, wie Er war, wie Er mit Sündern umging, wie gern Er sie annahm, tröstete, vertheidigte, in Schutz nahm gegen die Pharisäer, wie Er sie absolvierte und selig sprach.

Sünderfreund voll Gnade, Bürge, Gott und Lamm!
Ich, Dein arme Made, bete vor Dir an,
Wenn ich Deiner Nähe Heil und Trost erfahr ,
Und daneben sehe, wer ich bin und war.

Gnade und die Schmerzen um die Sündigkeit
Stehen sich im Herzen nahe allezeit;
- Ich hab Zorn verdienet,„ heißt es meinerseits;
- Ich hab dich versühnet!“ ruft das Lamm vom Kreuz.

Da fingen an, die mit zu Tische saßen, und sprachen bei sich selbst: Wer ist dieser, daß er auch Sünden vergibt? Gott ist Er, der Sünderheiland ist Er, der in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, der ist Er, den die Väter erwarteten, der uns verheißen war. Das wäre der nächste und richtigste Schluß gewesen. Aber so kehren sie es um, und schließen daraus, ein Gotteslästerer muß Er seyn, der sich anmaßt, was nur Gott gebührt. Hätten sie nicht bitten sollen: Herr, da Du so leicht Sünde vergeben und selig machen kannst, so vergib auch uns die Sünden! aber statt dessen, tadeln und richten sie und vermehren ihrer Sünden Zahl und machen ihr Maaß voll. Jesus aber kehrte sich nicht an sie, sondern sprach zu dem Weibe: Dein Glaube hat dir geholfen, geh hin mit Frieden.

Also ist es der Glaube, der allein hilft, der allein Sündenvergebung und Gnade nimmt, umsonst, und die Liebe folgt und der Friede krönt. Man könnte meinen, sie hat es mit ihrem Weinen, Küssen und Salben verdient. Nein, sagt der Heiland, der Glaube ist's, ihr Glaube hat ihr geholfen, ihre Thränen, ihre Küsse und Salbung sind nur Beweise und Offenbarung, Früchte ihres Glaubens gewesen. Sie hat geglaubt, daß ich ihr helfe, darum hat sie so geweint, so geküßt und gesalbt. Der Pharisäer hat nicht geglaubt, darum hat er nichts dergleichen gethan. Daß der Pharisäer und seine Tischgesellen nicht glaubten, haben sie auch genug bewiesen durch ihre ungläubigen Bemerkungen. Aber des Weibes Glaube konnte man sehen, wie den des Gichtbrüchigen und seiner Träger. Matth. 9. Denn hätte sie nicht geglaubt: Er vergibt mir! so hätte sie das alles so wenig gethan, als der Pharisäer, sondern hätte auch gedacht: wer kann Sünde vergeben, als Gott, was soll ich also bei diesem Mann thun? er kann mir doch nicht helfen. Aber der Glaube: der kann mir helfen! treibt sie in des Pharisäers Haus, zu Jesu Füßen hin - ohne Scheu und Furcht getadelt zu werden, Aufsehn zu machen und in's Geschrei zu kommen; der Glaube wirkte Alles und trieb sie zu Allem, was sie that an Ihm. Darum laß deinen Glauben auch sehen, armer Sünder! wage dich hin - der Glaube ist ein Waghals - nahe dich Jesu und furchte dich nicht, scheue keinen Menschen, kein Gerede, keinen Tadel, keine Schmach, die Leute mögen sagen, was sie wollen; bekehre dich und zeige dein Bekehrung, offenbare dein Vertrauen zu Jesu, und schäme dich nicht zu Seinen Füßen zu liegen und um Gnade zu weinen. Sieh keinen Menschen an, achte die ganze Welt für nichts, zu Jesu hin öffentlich und heimlich, wie und wo du Ihn finden kannst, und höre nicht auf, Ihn zu bekennen, Ihm vorzuweinen, Seine Füße zu küssen, zu umfassen und mit Thränen zu baden und zu salben, bis du auch das Wort aus Seinem Munde hast: Dir sind deine Sünden vergeben! Der Friede, der sich in dein Herz ergießt, wird dir bezeugen, daß es Jesus ist, der dir vergeben und dich begnadigt hat, und daß du wahrhaftig deiner Sünden los und von Ihm angenommen bist.

Seelen, kommt zum Lamm gegangen, Das den Sündern freundlich ist,
Lernt beim Elend anzufangen,
Da noch keins was eingebüßt.

D der seligen Minute, Da man seine Noth nicht fühlt, Und in Jesu Christi Blute Seines Herzens Wunsch erzielt!

Wenn sich nun auch wo die Sünde, Oder sonsten eine Noth Die mir schaden konnte, fünde, Such' ich Trost in Jesu Tod,

Fliehe hin zu Jesu Wunden, Die Ihm aufgerissen sind, Da, da find' ich alle Stunden Platz für so ein armes Kind.

Wenn doch alle unsre Herzen, Die wir jetzt hier vor Ihm stehn, Fühlten Seinen Tod und Schmerzen, Und Sein Blut uns könnt' durchgehn!

O so schlaget doch ihr Flammen
Auf des Lammes Seitenhöhl'
Helle über uns zusammen, Dringt durch Geist und Leib und Seel'.

Daß wir alle Tag und Stunden, Die wir noch hinieden seyn, Kräfte spür'n aus Jesu Wunden Als bedürft'ge Würmelein.

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