Gossner, Johannes - Der Tag des Herrn, der König der Tage, geheiligt von den Heiligen, geschändet von den Gottlosen

Gossner, Johannes - Der Tag des Herrn, der König der Tage, geheiligt von den Heiligen, geschändet von den Gottlosen

Der Tag des Herrn der heilige Tag ist ein unheiliger geworden, ein geschändeter, ein Tag der Sünden und aller Gräuel auf Erden. Das Gebot des Allerhöchsten, seine Drohungen Und Verheißungen werden mit Füßen getreten, Gottes Wort wird verachtet, Gottes Dienst und Ehre vernachläßigt. Das Haus Gottes steht verlassen, der Altar des Herrn wird geflohen und umgangen. Tausende von Menschen sieht man an dem Gott geweihten Tage bloß zum Vergnügen, zur Lust sich herumtreiben, Schaaren von Kindern einander zum Müßiggang und zur Fertigkeit in jeder Art von Laster verführen, und bald zum Meister werden; der vornehme und der niedrige Pöbel halt es für Fortschritt in der Aufklärung und Bildung, die Kirche zu fliehen, den Tag des Herrn entweder mit habsüchtigen Arbeiten, oder genußsüchtigen Erholungen, eigentlich Ausschweifungen, zu entweihen und den Segenstag in Fluch und eine Quelle aller Lasier zu verwandeln. Ist es denn ein Wunder, daß bei dieser Vernachläßigung des kirchlichen Unterrichts, der Ermahnung und Belehrung aus Gottes Wort, bei dieser Scheu der öffentlichen Gottesverehrung, die bei Großen und Kleinen, bei Armen und Reichen, bei allen Klassen immer mehr überhand nimmt, wir eine Welt vor Augen haben, die voll ungezogner Kinder, treuloser Lehrjungen, herrschsüchtiger Dienstboten, betrüglicher Arbeiter, empörerischer Unterthanen, die nur darum Verächter der Majestäten und Obrigkeiten sind, weil sie Gott nicht fürchten, und sein Wort verachten, seine Gebote mit Füßen treten, und weil die Obrigkeit alles dieses ungestraft hingehen laßt.

Ja wahrlich, der Sabbath des Herrn unsers Gottes ist nicht mehr, beim großen Haufen der Christenheit ganz und gar nicht mehr, nur bei dem kleinen Häuflein der verachteten und altfränkisch genannten Frommen, ist noch ein kleiner Rest davon übrig geblieben. Sabbathschändung, ungebundene Entweihung, freche Entheiligung, schändlicher Mißbrauch des heiligen Tages ist bei der großen Welt, die dem Baal und nicht mehr dem Herrn dient, zur Tagesordnung geworden.

Frage die Verbrecher, die Verführten, die Trunkenbolde, die Gefallenen aller Art, wann, wie, wo sie verführt worden und gefallen sind, und wenn sie redlich sind, werden sie bekennen, daß der Anfang ihrer Sündenwege und ihres Falles kein anderer war, als die Vernachläßigung der Sonntagsfeier, des Gottesdienstes, der Anhörung des göttlichen Wortes, und die ungebundene Freiheit, der sie am Sonntage sich hingegeben haben. Dieses und so viele andere Erfahrungen sollten uns ja doch zur Ueberzeugung bringen, daß die Heiligung des Sonntags eines der kräftigsten Gnadenmittel zur Bewahrung und Förderung der Tugend und Gottseligkeit ist, so wie die Vernachläßigung, Schändung und Entheiligung des Sonntags die fruchtbarste Quelle aller Laster und Gräuel, die jetzt wie eine Fluth die Erde überschwemmt.

Wie! sollen wir dabei ruhig zusehen? Ist es nicht jedes wahren Christen, und besonders jedes Predigers und Seelsorgers erste Pflicht, dieser schon so lange verheerenden Pest und Sündfluth einen Damm zu setzen, Heiligung des Sonntags kräftig zu fördern, und dem Tage des Herrn wieder seine Ehre und Würde, seine Ruhe und seinen Segen zu verschaffen? Wenn der rohe Haufe, der ohne Gott und ohne Gebot in der Welt ist, den Sabbathtag und das Gebot des Herrn für nichts achtet, so ist es begreiflich. Aber wenn Christen, solche, die frei gemacht sein wollen vom Gesetze der Sünde und des Todes, die errettet zu sein glauben von der Obrigkeit der Finsterniß, von der gegenwärtigen argen Welt, wenn solche sich dennoch am Tage des Herrn der Welt gleichstellen, weil sie die Verbindlichkeit des Sabbath, Gebotes in Zweifel ziehen, oder gar behaupten, es sei kein christliches, evangelisches, sondern nur ein alttestamentisches, mosaisches Gesetz, das Christus aufgehoben habe, das Christen im N. Bunde nichts angehe, das ist unbegreiflich, und nicht genug zu bedauern und zu beklagen. Ich habe nicht selten solche Aeußerungen gehört, und halte es der Mühe werth, sie beim wahren Lichte zu betrachten, denn sie sind in der Finsterniß geredet.

I.

Das Gebot ist so alt als die Welt, und steht fest von Anfang der Welt bis zum Ende derselben, und verbindet alles, was von Gott erschaffen ist, alle Creatur Gottes, die unter dem Himmel lebt.

Das Gebot verbindet zur strengsten Beobachtung und Haltung, nicht als Zwanggesetz, sondern als das unentbehrlichste, allerzweckmäßigste, gesegnetste Gnadenmittel, deß sich die ganze Welt freuen soll.

Das Gebot, einen Tag der Woche Gott und göttlichen Dingen zu widmen oder zu heiligen, ist nicht ein menschliches (mosaisches), nicht ein zeitliches (alttestamentisches), sondern ein göttliches und ewiges, das alle Zeiten umfasset und alle Menschen verbindet.

Es ist Gottes nicht Moses Gebot: denn die Bibel sagt: Und Gott redete alle diese (10) Worte: Ich bin der Herr dein Gott rc. 2 Mos. 20, 1 - 17. Und da das Volk, die Sechsmalhunderttausende, (wie viel Augen und Ohren!) sahen und hörten den Donner und die Stimme des Herrn, fürchteten sie sich und sprachen zu Mose: Rede du mit uns, laß Gott nicht mit uns reden. Aber der Herr sprach: Ihr habt gehört, daß ich vom Himmel herab mit euch geredet habe. (V. 22.) Wie! soll das nicht mehr feststehen auf Erden, was Gott vom Himmel herab geredet hat? Und hat er nicht alle zehn Gebote vom Himmel herab geredet? wenn die andern neun feststehen, warum dieses nicht, welches Er mit demselben furchtbaren Ernst und derselben göttlichen Würde und Feierlichkeit gegeben hat? daß 600,000 Mann zitterten und bebten und die Stimme Gottes nicht vertragen konnten. So hatte doch kein Mensch, kein Moses reden können. Diese unnachahmliche Sprache und Stimme des großen Gottes kann von Menschenworten wohl unterschieden werden.

Gott sprach: Gedenke des Sabbathtages rc. warum gedenke? warum nicht wie bei anderen Geboten: du sollst rc. du sollst rc.? darum, weil der Sabbath kein neues Gebot, nicht erst jetzt, auf Sinai, sondern schon bei Grundlegung der Welt eingesetzt und geboten wurde und also viel alter als Moses, so alt als die Welt, so alt als die Menschheit war. Darum heißt es: Gedenke - des alten Herkommens, des alten Gebotes, das der Herr, dein Schöpfer schon festgesetzt hat; nachdem Er in t, Tagen die Welt und alle seine Werke gemacht halte, und am 7ten Tage ruhte; dort schon heiligte und segnete er diesen Tag, und lehrte und gebot durch sein Beispiel und Wort, daß man 6 Tage arbeiten und am 7ten ruhen und den Tag heiligen soll, wie es im Gebote V. 11. deutlich gesagt und darauf Bezug genommen wird. Vielmehr könnten also alle andere 9 Gebote mosaische; alttestamentische genannt werden, weil sie durch Moses, (auch nicht von Moses) gegeben sind Joh. 1, 17. nur gerade dieses Sabbathgebot nicht; denn dieses ist mit in die Schöpfung der Welt und des Menschen hinein gewebt, so daß es unzertrennlich von der Kreatur, und unveränderlich fest bleibt, so lange die Welt stehen bleiben und die Menschheit auf dieser Erde wandeln wird. Das gehört so wesentlich zur Einrichtung der Welt, zur Weltordnung, zur Erhaltung und zum Wohl der Menschheit als das Gebot „im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brod essen, und 6 Tage arbeiten“. So nothwendig dem Menschen die Arbeit ist, so unentbehrlich ist ihm die Sabbathsruhe, so schädlich dem Menschen der Müßiggang ist, so verderblich ist ihm die Entweihung des Sabbaths, so unerläßlich die Heiligung desselben. Warum sollte denn Gott geruht haben am 7ten Tage? Bedarf er der Ruhe? Gewiß nicht. Ich wüßte keinen anderen Grund, als nur den, seinen Kindern und Kreaturen ein Beispiel und Gesetz zu geben, wie sie arbeiten und ruhen, welche Tage und wie viele sie zur Arbeit, welche und wie viele sie zur Heiligung und zunächst zu seinem Dienste verwenden sollten.

Darum ist auch keine Kreatur, weder Mensch noch Vieh davon ausgenommen; darum heißt es: „noch dein Knecht, noch dein Vieh, noch dein Fremdling in deinen Thoren“, er habe eine Religion welche er wolle; den Sabbath muß er halten.

Auch hat Gott beim Manna schon vor der Gesetzgebung auf Sinai daran erinnert und es selbst gehalten. 2. Mos. 11, 29. heißt es: Sehet, der Herr hat euch den Sabbath gegeben (nemlich schon 1 Mos. 2, 2. 3. dessen Gesetz hier und Kap. 20. nur erneuert wird) darum giebt er euch am 6ten Tage zweier Tage Brod… also feierte das Volk des siebenten Tages. Und Gott selbst richtete sich nach seinem Gesetze, indem er am siebenten Tage kein Manna regnen, sondern am 6ten Tage zweifältig sammeln ließ und erhielt es bis am Sabbath, ohne daß es stinkend wurde oder ein Wurm darinnen wuchs, wie sonst an anderen Tagen zu geschehen pflegte, wenn sie mehr sammelten und es über Nacht behalten wollten. 2 Mos. 16, 22 - 26. Sieh, wie der Allmächtige sich an das Gebot halt, schon vor der Gesetzgebung auf Sinai; willst du das gesetzlich, mosaisch, alttestamentisch nennen? oder nicht vielmehr dieses göttliche Vorbild diese Gesetzlichkeit, diese Ordnung, dir Regel, Riegel und Spiegel sein lassen, um dich darnach zu richten am heil. Sabbath des Herrn. Ist dir dieses Beispiel nicht erhaben, nicht evangelisch, nicht geistig, nicht heilig und verbindlich genug?

Was Gott auf dem Sinai mit eignem Finger auf die Gesetzestafeln geschrieben hat: „Gedenke des Sabbathtages rc.“ das hat er auch nachher Kap. 31, 13 - 18. mit heiligem Ernst eingeschärft und mit dem Tode bedroht. „Wer den Sabbath entheiligt, der soll des Todes sterben. Wer eine Arbeit d'rinnen thut, deß Seele soll ausgerottet werden von seinem Volke.“ Das war auch nicht nur eine leere Drohung, es war Ernst; denn als sie einen Mann am Sabbath Holz lesen fanden und den Herren fragten, was man ihm thun sollte, sprach der Herr: der Mann soll des Todes sterben, die ganze Gemeine soll ihn steinigen, außer dem Lager. Da führten sie ihn hinaus, und jede Hand in Israel hob Steine gegen ihn auf und warfen ihn, daß er starb, wie der Herr geboten hatte. 4 Mos. 15, 32 - 36. Warum das? darum weil der Herr Gehorsam, unbedingten Gehorsam will gegen dieses, wie gegen alle andere Gebote. Wir sollen wissen, daß die Sabbathschändung so graulich in Gottes Augen ist, als die Gotteslästerung, als der Ehebruch, als Diebstahl und Straßenraub, als Mord und Meineid. Darum befahl der Herr, daß der Sabbathschänder (dessen Sünde doch blos darin bestand, daß er Holz las am Sabbath - wie Adam blos in den Apfel biß) eben so gesteiniget werden mußte, wie der Gotteslästerer 3 Mos. 20,10. wie der Ehebrecher 3 Mos. 20,10. wie der Dieb Achan Jos. 7, 25. Das mußte allemal vor den Augen von ganz Israel geschehen, damit alle Augen setzen und erkennen möchte, daß der Herr alle seine Gebote gehalten wissen will, daß das Sabbathgebot eben so heilig und verbindlich sei, als jedes andere, damit ein Abscheu an der Sünde, und Ehrfurcht und Gehorsam gegen alle seine Gebote dem ganzen Volke eingeprägt würde.

Wer sich kein Gewissen macht, ein Gebot zu übertreten, z. B. den Sabbath zu brechen und an diesem h. Tage zu thun was er will, der kann und wird bald eben so leicht auch die anderen Gebote gering achten, z. B. den Namen des Herrn mißbrauchen, die Eltern und Vorgesetzten verachten, tobten, Unzucht treiben, stehlen, lügen und was ihn sonst noch gelüstet. Wer es gering achtet, Gott zu rauben, was Gottes ist, den Tag des Herrn, der dem Herrn geheiligt ist, zu entweihen und zu schänden mit Dingen, die Gott verboten und mit dem Tode bedroht hat, wird der sein Gewissen nicht auch noch vollends so erweitern können, daß er auch dem Kaiser verweigert, was des Kaisers ist, dem Nächsten raubt, was des Nächsten ist, seine Ehre, sein Weib, sein Gut und Leben; oder: wenn du kein Gotteslästerer, kein Mörder, kein Dieb und Meineidiger werden willst, warum denn ein Sabbathschänder? Ist das weniger sündlich und gräuelhaft? Ist das nicht auch Uebertretung des göttlichen Gebotes? nicht auch Ungehorsam und Widerstreben? Weißt du nicht, daß Ungehorsam, Zauberei, Sünde und Widerstreben, Abgötterei und Götzendienst ist? 1 Sam. 15, 23. Was der Herr geboten hat, muß gehalten werden, blos darum, weil Er es geboten hat; muß unbedingt gehalten werden, ohne Widerstreben, ohne Vernünfteln, ohne Deuteln und Drehen der Worte. Wer, wie Jakobus sagt Kap. 2, 10. 11. alle Gebote halt und nur Eins übertritt, Eins gering achtet, der ist des ganzen Dekalogs, aller 10 Gebote schuldig. Denn der gesagt hat: du sollst nicht ehebrechen, der hat auch mit demselben Ernst, mit derselben Drohung gesagt: du sollst den Sabbath halten und keine Arbeit thun. So du nun nicht ehebrichst, arbeitest aber und schändest den Sabbath, so bist du doch ein Uebertreter des Gesetzes und ein Verächter Gottes und seines Gebotes.

Ist aber dieses Gebot nicht von Christus im Neuen Bunde aufgehoben, oder erleichtert und entkräftet worden?

Keineswegs. Es ist schon von vorne herein unmöglich, daß der Sohn Gottes die Gebote des Vaters, die Er im Verein der Gottheit mit dem Vater bei Grundlegung der Welt und Weltordnung, so wie auf Sinai mit solcher Feierlichkeit und solchem drohenden Ernst gegeben hat, sollte aufheben können oder wollen; und warum gerade dieses Eine? warum nicht andere? warum nicht alle? das wäre ja erwünscht für Fleisch und Blut. Wo ist im ganzen Neuen Testamente eine Stelle, ein Wort von Christo, wodurch er den Sabbath aufgehoben hätte? Vielmehr haben wir seine bestimmte, deutliche Erklärung: Ihr sollt nicht wähnen (- also war der Wahn schon damals oder er sah ihn voraus -) daß ich gekommen bin, das Gesetz aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern es zu erfüllen. Denn wahrlich sage ich euch: (so hört doch:) bis daß Himmel und Erde vergeht (- also doch wohl im ganzen neuen Bunde, so lange die Welt sieht, so lange Jesus bleibt der Herr -) wird nicht vergehen der kleinste Buchstab, ja kein Strichlein vom Gesetz (- geschweige ein ganzes Gebot, und so ein wichtiges, heiliges!) Wer nun eins von den kleinsten Geboten auflöset, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich. Wie wird man den heißen, der nicht blos ein Iota, ein Strichlein, sondern eins der größten und ältesten Gebote, an dem alle übrige hangen, wegstreicht und wegwirft, oder also lehret, daß es wegbleiben kann? Wo finden wir in der Geschichte Jesu auch nur eine That, wodurch Er den Sabbath gebrochen und ausgehoben hätte? Es ist schon an sich selbst nicht gedenkbar, daß Er, der immer in dem war, was seines Vaters ist, der alle Gerechtigkeit erfüllte, dieses heilige Gebot übertreten, und den Gott geweihten Tag geschändet, die Ruhe und Stille des Sabbaths unterbrochen, die Andacht und Innigkeit gestört hatte. Er, der allen Unfug im Tempel, jede Entweihung des Hauses Gottes mit der Geißel strafte, sollte den Tag, den sein Vater zu heiligen befohlen, entheiligt haben? Hätte Er das je im Geringsten sich erlaubt, wie würden seine Feinde, die alle Sabbath auf ihn lauerten, um etwas gegen ihn zu haben, ihn angeklagt haben? Ja, aber er hat doch Kranke geheilt, und die Geheilten ihr Bett am Sabbath nach Hause tragen heißen? Er hat gesagt: „der Sabbath ist um des Menschen willen, nicht der Mensch um des Sabbaths willen.“

„Wenn ein Ochs oder Esel in den Brunnen fällt, zieht man ihn nicht auch am Sabbath heraus?“ allerdings; soll aber das heißen: der Mensch darf am Sabbath thun, was er will? Soll man deswegen aus jeder Mücke einen Ochsen, aus jedem Spinngewebe, aus jeder Stricknadel einen Esel machen? Wollte er durch diese Worte und Handlungen der Sabbathsfeier Abbruch thun, oder sie aufheben? das ist unmöglich, wenn wir nicht sagen wollen, Er hat sich selbst und seinen, Vater widersprochen, hat das Gesetz aufgelöset. Nein, das wollte und konnte er nicht; aber zeigen wollte er, daß der Mensch kein Sklave des Gebotes, der Sabbath nicht eine Plage und eine Fessel des Menschen sei, sondern ihm zum Wohl und zur Ruhe, zur Erhaltung nicht zum Verderben gegeben sei, daß, wenn am Sabbath ein Mensch oder ein Thier in Noth und Lebensgefahr kommt, es keine Entheiligung, sondern vielmehr Pflicht und Heiligung des Sabbaths sei, daß man helfe und rette. Das ist nicht gegen sondern für den Sabbath und für das Gebot, damit bestätigte Er vielmehr das heilige Gesetz. Sonst aber hat Jesus sich am Sabbath nichts erlaubt, als Wunder zu wirken, und Kranke gesund zu machen, wenn sie ihn am Sabbath darum baten. Und das ist dir auch erlaubt, wenn du alle Sonntage alle Kranke gesund, alle Blinde sehend, alle Lahme gehend machst, so wird dich niemand beschuldigen, daß du den Sabbath gebrochen hast. Jede Zunge wird den Herrn preisen. Haben seine Jünger am Sabbath Aehren abgestreift und David die Schaubrode aus Gottes Haus genommen, und den Hunger damit gestillt, so haben sie nicht mehr gethan, als wenn du am Sonntage dein Brod issest und dein Wasser trinkst, um nicht Hunger zu leiden. Und Jesus konnte sie in Schutz nehmen, ohne es zur Regel zu machen, ohne das Gesetz zu durchlöchern. Er hat damit keineswegs sagen wollen: der Sabbath ist nichts, man darf an demselben thun, was man will. Nein, vielmehr sprach er zu dem Jüngling Matth. 19, 16, der nach dem Wege und der Thür des Himmels fragte: „Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote.“ Und wenn er dabei das dritte Gebot nicht nannte, so kann man doch daraus eben so wenig schließen, daß er weniger Werth darauf legte, als auf das erste, zweite, dritte, neunte und zehnte Gebot, die er auch dabei nicht in Erinnerung brachte.

Nein, nicht aufheben, aber verändern konnte und wollte er diesen heil. Tag, als Herr des Sabbaths Match. 2, 28. Da Er als Erlöser der Welt, am Sabbathtage im Grabe lag, und am ersten Wochentage, nach Vollendung seines großen Werkes, der neuen Schöpfung der Welt, auferstand, als Sieger über Tod, Grab, Teufel und Hölle, den Frieden brachte, und an diesem Tage auch den heil. Geist ausgoß über seine ersten Jünger, und also da der neue Bund, oder die christliche Kirche ihren Geburtstag feierte und die Synagoge begraben ward, so mußte der Sabbath oder siebente Tag, der der Gedenktag oder Geburtstag der Schöpfung war, dem ersten Wochentage weichen, der der Gedenktag der vollendeten Erlösung und herrlichen Auferstehung des Neuschöpfers der Welt und der Geburtstag des neuen Bundes ist, Dieß ist geschehen, wie wir aus den Handlungen und Uebungen der Apostel und der christlichen Kirche sehen, die gewiß nicht ohne Befehl Christi und Eingebung des heil. Geistes den ersten Wochentag als den Tag des Herrn, des Welt-Erlösers feierten und heiligten, indem sie an diesem Tage ihre gottesdienstliche Versammlungen und Collecten hielten. Apostelg. 2, 1. 20, 7. 1 Kor. 12, 2. Diesen Tag nennt auch Johannes Offenb. l, 19, den Tag des Herrn, gewiß aus keiner andern Ursache, als weil er schon von den Aposteln und der ganzen ersten christlichen Kirche statt des Sabbaths angenommen und festgehalten war. Darum hat er auch in der occidentalischen Kirche diesen Namen „Tag des Herrn“ dies Dominica, behalten, und in der orientalischen Kirche heißt er bis heute: der Auferstehungstag. Wir Deutsche nennen ihn Sonntag, weil an diesem Tage, an dem das Licht geschaffen ward 1 Mos 1, 3 - 5. die Sonne der Gerechtigkeit, nach ihrer blutigen Leidensnacht aufgegangen ist, und Friede und Heil unter ihren Flügeln, weil da die Schatten des alten Bundes wichen und das helle Licht des Evangelii zu leuchten, zu wärmen und zu beleben anfing die kalten, blinden, todten Herzen der Menschen.

So steht denn also das Gebot fest, unverbrüchlich, so lange die Welt stehen bleiben wird, daß von den sieben Tagen, die Gott dem Menschen gegeben hat, Einer dem Herrn geheiligt werden muß, wie von Grundlegung der Welt an der siebente, weil der Schöpfer am siebenten Tag ruhete und den Tag segnete und heiligte, so im Neuen Bunde bis ans Ende der Tage, der erste Wochentag, da der Erlöser der Welt sein Werk vollendet und durch seine Auferstehung die Wiedergeburt zum neuen Leben und zur lebendigen Hoffnung begonnen hat. Wer den Tag verachtet, entweiht und schändet, der verachtet und schmähet seinen Schöpfer und seinen Erlöser, und ist nicht weniger strafbar als jeder Uebertreter der übrigen Gebote, als der Gotteslästerer, der Ehebrecher, der Dieb und Mörder, der Lügner, der Vater- und Mutter-Mörder und jeder Ungehorsame und Empörer gegen Obrigkeit und Ordnung. Er raubt Gott was Gottes ist, raubt sich selbst einen unentbehrlichen Tag der Ruhe und der Heiligung, raubt seinem Nächsten die Ruhe und das Beispiel an diesem Tage und versündigt sich also schwer gegen Gott, gegen Christus, gegen sich selbst und gegen seinen Nächsten.

So sieht es denn fest das Gebot, „gedenke des Sabbathtages, daß du ihn heiligest.“ Denn Gott der Schöpfer hat ihn eingesetzt, gesegnet und geheiliget, Gott hat es vom Himmel herab geredet, mit seinem eigenen Finger auf die Tafeln geschrieben, die er aller Welt vor Augen legte, daß sie es halten und darnach thun sollen. Dieses Gebot sieht fest so gut wie die übrigen Gebote: du sollst nicht tobten, nicht ehebrechen, nicht stehlen rc. oder warum sollte denn gerade dieses Gebot nichts mehr gelten? Warum sollte Gott diesen Tag, die Heiligung dieses Tages, die Er bei Todesstrafe geboten hat, die der Schöpfer durch seine eigene Sabbathsruhe und Christus durch sein Auferstehen und die Geistessendung geheiligt und ausgezeichnet hat, nicht mehr ausgesondert haben wollen? Warum sollen wir im Neuen Bunde keine Sabbaths-Stille und Ruhe, keinen Tag zur Sammlung, Einkehr, häuslichen und öffentlichen Andacht, Gottesverehrung, Erbauung und Heiligung mehr haben? Warum gerade jetzt in unserm bewegten und aufgeregten Jahrhundert nicht mehr (- wo er nöthiger ist als je -) da doch seit der Erschaffung der Welt durch alle Jahrhunderte der alt- und neutestamentischen Zeitrechnung hindurch der Sabbath, der Tag des Herrn, der schöne, herrliche Tag gefeiert worden ist; da die christliche Kirche seit der Apostelzeit her, dieses Gebot immer im Dekalog, unter den 10 Geboten mit aufgeführt und streng und heilig gehalten wissen wollte? Wer erfrechet sich nun, die Heiligung dieses Tages aus der Zahl der 10 Gebote auszustreichen? Der greift mit frecher gottesräuberischer Hand in die ursprüngliche Einrichtung des Schöpfers, in die festgesetzte Welt-Ordnung Gottes; der raubt dem Erlöser der Welt seinen Ehrentag; der stiehlt der Kirche Gottes ihren unentbehrlichen Tag des Segens und der h. Gemeinschaft; der entzieht Her Kirche, dem Tempel und Hause des Herrn alle Zierde und Schönheit, stürzt den Altar des Herrn zu Boden; er ärgert die heilige Gemeine des Herrn, die stillen, innigen Seelen, welchen dieser Tag der liebste, heiligste, und die schönste Gottesgabe ist, er arbeitet den Pforten der Hölle in die Hände, zur Ueberwältigung der Kirche Christi, indem er durch Sabbathschänderei, durch Uebertretung und Durchlöcherung Eines Gebotes zur Uebertretung und Verachtung aller übrigen Thür und Thor öffnet.

II.

Wie soll nun der Tag des Herrn gefeiert werden? Was soll man thun, was unterlassen an diesem ausgezeichneten Tage? das sagt uns das Beispiel des Schöpfers, 1 Mos. 2. das sagt uns das Gebot selbst so klar und entschieden, so verständlich wie möglich:

„Gedenke des Sabbathtages, daß du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Dinge beschicken (keine Arbeit auf den Sabbath sparen) denn am siebenten Tage ist der Sabbath des Herrn, deines Gottes. (Der ist dir nicht gegeben zur Arbeit, ist nicht dein Tag, den hat sich der Herr vorbehalten, es ist sein Tag, daß du ihn nur für ihn verlebest). Da sollst du kein Werk thun, noch dein Sohn, noch deine Tochter, noch dein Knecht, noch deine Magd, noch dein Vieh, noch der Fremdling, der in deinen Thoren ist“. Das erste ist also offenbar, der Herr will keine Arbeit, er will Ruhe, der Tag soll sich von den übrigen 6 Wochentagen durch Ruhe von aller Arbeit auszeichnen, und zwar ohne Ausnahme, weder Vater noch Sohn, weder Mensch noch Vieh, weder Herr noch Knecht, weder Einheimischer noch Fremder, er mag eine Religion haben welche er wolle, er mag Heide, Jude oder Türke sein, am Sabbath, wenn er in deinem Hause, in deiner Stadt, in deinem Dorfe ist, soll et ruhen und keine Arbeit thun. Es ist doch gewiß ausfallend, daß Gott den Knecht, die Magd, das Vieh und den Fremdling nicht ausnimmt. „Auf daß dein Knecht und deine Magd ruhe, gleich wie du:“ heißt es 5 Mos. 5, 15. Warum denn sogar das Vieh? möchte man fragen; gewiß, weil es auch der Ruhe bedarf, und weil der Herr diesen Tag, als seinen Tag, vor allen andern, durch Stille und Ruhe ausgezeichnet haben will, und damit der Mensch desto eher sich von allem Geräusch, von aller Störung zurückziehe. Denn wenn das Vieh, das doch kein inneres Leben hat, und also durch äußeres Werk im Innern nicht gestört wird, doch von allem Werk sich enthalten muß; wie darf der Mensch sich damit rechtfertigen wollen, daß er sagt: „Ich kann dieß oder das Werk am Sabbath thun, ohne mich zu stören“. Du sollst einmal kein Werk thun, sagt der Herr dein Gott, es mag dich stören oder nicht.

2. Der Herr will aber nicht nur Ruhe, er will Heiligung dieses Tages. Es heißt nicht: daß du ihn feierst, daß du ruhest an diesem Tage, nein, es heißt: daß du ihn heiligest. Heiligung ist Zweck, nicht blos Ruhe. Denn ohne Heiligung könnte man sich wohl noch manches erlauben zu thun oder nicht zu thun, was nun durchaus nicht geschehn darf, wenn man dem Gebote Genüge leisten will. Es soll nicht blos ein Ruhetag, ein Feiertag sein, es soll ein heiliger und geheiligter Tag, ein Tag des Herrn, dem Herrn geheiliget, ausgesondert, ihm ganz allein und besonders gewidmet sein, daheim und in der Kirche.

Darum irren diejenigen, die an diesem Tage Gott und der Welt zugleich dienen wollen, sehr, wenn sie zwar nicht arbeiten aber sich desto mehr den Belustigungen und Vergnügungen, welche sie Erholungen und unschuldige Freuden des Lebens nennen, wollusttrunken hingeben, die in das Theater oder nach Orten und Gesellschaften fahren oder gehen, wo gespielt, getanzt, gezecht, geplaudert und allerlei getrieben wird, was nicht nur der Heiligung, sondern schon der Ruhe und Stille des Tages ganz zuwider ist, was gewöhnlich ermüdender und anstrengender als Arbeit ist. Diese und ähnliche Lustbarkeiten kann nur der sich und andern erlauben, dessen Augen der Gott dieser Welt, der Vater aller- dieser unschuldig genannten aber mit allen Lastern und Gräueln besteckten Freuden, verblendet hat, daß er den Gräuel der Verwüstung an heil Stätte nicht sieht, daß er Teufelsdienst für Gottesdienst hält, den Belial mit Christus verwechselt. Leider wähnt fast die ganze Christenheit, der Sonntag sei nur dazu da, daß man dem Baal oder dem Bauch diene. Und nicht nur der Sonntag, sogar Bet- und Bußtage werden an den meisten Orten durch solche rauschende und schmutzige Lustbarkeiten geschändet, welche zu aller Unsittlichkeit, Ausgelassenheit und Wildheit den Weg bahnen, Kinder zu Dieben an Eltern machen, und überhaupt die Jugend verführen, so, daß es nicht entsetzlich und betrübend genug geschildert werden kann. Aller Segen, jeder gute Eindruck vom Worte und Hause Gottes, wenn man das auch noch besucht, wird dadurch gewaltsam ausgelöscht und zertreten, größtentheils aber der Kirchenbesuch ganz vernachlässigt und gehindert. Sollten die Tage dem Herrn geheiligt sein: nein, das sind Tage voll Gräuel, vor den Augen des Herrn, Tage der Schande, an denen durch das Betragen der Christen Gott nur gelästert wird, weil sie es fast ärger machen als die Heiden.

III.

So streng und gesetzlich dieses scheint, so ist es doch nicht gesetzlich, sondern scheint nur denen so, welche gesetzlos und gesetzwidrig sind, und die Mitte zwischen gesetzlich und gesetzlos noch nicht gefunden haben und nicht finden können, und deswegen jede gewissenhafte Beobachtung der Gesetze als gesetzlich verachten und tadeln, ohne zu unterscheiden den Sinn, in welchem gehandelt wird. Die innere Gesinnung ist es, die eine Handlung gesetzlich oder evangelisch macht. Wer das Gesetz, es sei das der Sabbathsfeier oder ein anderes Gebot, du sollst Vater und Mutter ehren, nicht tödten, nicht stehlen u. s. w. nur mit pharisäischem Sinn streng beobachtet, um sich Vergebung, Gnade und ewiges Leben zu verdienen, und also sein Selbstheiland und durchs Gesetz selig werden will, der ist gesetzlich, dem kann man mit Paulus sagen: du hast Christum verloren, weil du durch das Gesetz selig werden willst; du bist aus der Gnade gefallen und unter das Gesetz gethan.

Wer aber eben so streng und gewissenhaft, wie die übrigen Gebote des Herrn, auch das des Sabbaths halt, und sich nicht das geringste erlaubt, was gegen die Gebote und den Willen des Herrn ist, und also recht genau in den Wegen und Geboten des Herrn wandelt, aus keiner andern Absicht, als um des Herrn und seines Gebotes willen, aus Liebe und Dankbarkeit, aus heiliger Pflichttreue gegen seinen Schöpfer und Erlöser, der ihn ja durch seinen Tod erlöset hat von der Sünde und aller Ungerechtigkeit, von allem gesetzwidrigen, ungehorsamen Wesen; wer aus Abscheu und Haß der Sünde, aus kindlicher Furcht den Geboten des Herrn zu widerstreben, wer die Gnade und den heil. Geist, den ihm Christus erworben hat, wer in diesem Sinne mit solchem geheiligten Gemüthe das Gesetz hält, den wirst du doch nicht gesetzlich nennen; das wird doch wohl evangelisch, christlich, heilig und gottgefällig sein, oder was sonst? Sollte: am Sonntag arbeiten und sich belustigen und thun, was man will, evangelisch heißen, und: nicht arbeiten, sich von allem Werk und aller Belustigung der Sinne enthalten, und gleichviel aus welcher Absicht, gesetzlich pharisäisch sein, so ist Christus ein Sündendiener, das Evangelium ein Freibrief des Lasters, der Neue Bund, das Christenthum eine Auflösung der Gebote, ein Umsturz der Gesetze Gottes; so muß aus demselben Grunde auch: das nicht tödten, nicht stehlen, nicht ehebrechen, keusch leben u. s.w. gesetzlich sein, und: Gott lästern, Eltern verachten, stehlen, lügen u. s. w. evangelisch heißen. Sollte die evangelische Freiheit Thür und Thor so weit aufmachen, daß man das Gesetz übertreten, am Sonntag thun kann was man will, ohne sich nach dem Gebote Gottes umzusehen und sich darnach zu richten, so müßte man sie vielmehr Fleisches-Freiheit, Ungebundenheit, Zügellosigkeit nennen, die weder alt- noch neutestamentisch, weder mosaisch noch christlich, sondern heidnisch und gottlos ist, eine Freiheit, die die Schlange in die Welt eingeführt, aber nicht die, welche uns Christus erworben hat, der uns durch den Geist des Lebens frei gemacht hat vom Gesetz, der Gewalt und Herrschaft der Sünde und des Todes, aber nicht von Beobachtung der Gebote und gewissenhafter Erfüllung seines heil. Willens. Das ist eben der Vorzug des Neuen Bundes, das ist die Herrlichkeit der Gnade Christi, daß sie in uns mehr wirkt, als das Gesetz Mosis, ja daß sie das, was dem Gesetz unmöglich war, zu Stande bringt und uns tüchtig macht, die Gerechtigkeit vom Gesetz erfordert, mit Lust und Freude, nicht aus Furcht und Zwang zu erfüllen. Rom. 8, 3. 4. Darum heißt es Jer. 31, 33. Ich will mein Gesetz in ihr Herz schreiben und in ihren Sinn legen, und Hesek. 36, 27. solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln; also nicht gesetzlos und nach Gutdünken die Gebote übertreten, den Sabbath schänden, sondern vielmehr, was der gesetzliche Jude aus Zwang, Furcht, Lohn- oder Verdienstsucht gethan hat, mit herzlicher Liebe und Lust, mit kindlicher Freude thun. Das ist die Evangelische Freiheit, die Freiheit von Furcht, von Zwang, von innerlicher Lust zum Bösen und zur Uebertretung, von äußerlichem Zwangsgehorsam und knechtischer Unterwürfigkeit. Christus, das Evangelium macht den Weg, auch am Sabbath nicht breiter als Moses, nein, der Weg, das Gebot bleibt dasselbe, die Verbindlichkeit dieselbe, aber Christus giebt uns zum Wandeln des Weges, zum Halten des Gebotes, was Moses, das Gesetz nicht geben konnte, Lust und Freudigkeit, inneren Trieb und Geisteskraft, daß man, statt wie der Gesetzliche, zu fragen: muß ich den Sabbath halten? sagen kann: darf ich? ist es mir erlaubt? wird mir die Gnade, die kindliche Freude zu Theil, dem Herrn diesen Tag heiligen zu dürfen, heute nur Ihm, und Ihm ganz zu leben! Den gesetzlichen Menschen wird der Sabbath fast schwerer als die Werktage. Den Evangelischgesinnten aber ist es am Sabbathe, wie es den Kindern ist, die die ganze Woche vom väterlichen Hause entfernt in Arbeit stehen, aber am Sonntage feiern, nach Hause zurückkehren und in dem Schooße ihrer Eltern den Tag zubringen dürfen. Mit solch kindlicher Freude entzieht sich der evangelische Christ aller Arbeit, jedem andern Vergnügen, und giebt sich ganz der Lust und Freude hin, mit seinem Gott und Heiland umzugehen, zu Ihm sich zu erheben und in Ihm sich zu starken und recht selig zu sein- Er ist himmelweit entfernt, deßwegen weil er Kind Gottes, und nicht mehr Knecht im Hause ist, sich die Freiheit herauszunehmen, des Vaters Willen und Gebot zu übertreten, und nach eigenem Gutdünken zu handeln, vielmehr ist es ihm Lust und Freude, Sonntags Freude, ganz nach des Vaters Willen und Gebot zu thun, und auch nicht das Geringste dagegen sich zu erlauben. Wer darf daher den Sabbath schänden, oder sich etwas an demselben erlauben, was Gott ausdrücklich verboten hat, und sagen, er sei ein Kind Gottes, ein evangelischer Christ; das erlaube ihm die Evangelische Freiheit? Was, Freiheit! Frechheit ist es, sinnliche Knechtschaft und Sklavensinn, nicht Kindersinn; Eigenliebe, Fleischesliebe, nicht Gottesliebe; Entheiligung und Schändung, nicht Heiligung und Verherrlichung des Tages des Herrn ist es.

Das wird alles noch klarer werden, wenn wir erst betrachten, worin die Heiligung des Sabbaths besieht und wie man sie anzusehen und zu schätzen habe.

Der wahre liebhabende Christ kann das Sabbathgebot nicht als eine Last, als ein Joch und hartes Gesetz, als schweren Frohndienst ansehen, sondern es ist ihm lauter Lust und Freude, Gnade und Gnadenmittel, ein großer Segen, für welchen er Gott nicht genug danken kann

Das Streben des wahren Christen ist, ein innerer Mensch und nach dem inneren Menschen durch Gottes Geist mit aller Kraft gestärkt zu werden, daß Christus durch den Glauben in seinem Herzen wohnt/ und er mit aller Fülle Gottes erfüllt wird. Eph. 3. Daß Christus in ihm eine Gestalt gewinnt; wie kann aber das geschehen, wenn er nicht sich täglich erneuert im Geiste seines Gemüths, den alten Menschen aus und Christum den neuen anzuziehen, sein Herz von allem Vergänglichen, Sündlichen und Eiteln los zu reißen mit ungetheiltem Gemüthe dem Herrn allein anzuhangen, und Ein Geist mit Ihm zu werden sucht. Da wir aber noch in der Welt leben, und in der Welt dieses Ziel zu erreichen streben sollen, so müssen wir lernen, was Paulus sagt: 1 Cor. 7, 30. 3l. Daß wir uns freuen als freuten wir uns nicht, kaufen als besaßen wir nichts und uns der Welt brauchen, daß wir derselbigen nicht mißbrauchen. Das ist aber unmöglich zu erreichen, wenn wir nicht von Zeit zu Zeit aus der Welt ausgehen, uns ihrem Geräusche und den Zerstreuungen entziehen, um ungestört in stiller Andacht unseres inneren Menschen zu Gott zu erheben und uns Kräfte aus der unsichtbaren Welt zu holen. Dazu gehören nicht nur die geregelten Stunden des täglichen geheimen Gebets, und des gewöhnlichen Morgen- und Abendsegens; dazu wird unerläßlich ein Tag in der Woche erfordert, den man dem allerwichtigsten Geschäfte, von welchem unser ewiges Heil abhängt, ganz allein widmet. Wer die Religion nicht als Handwerk treibt, sondern mit Christo in Gott verborgen leben, Col. 3, 3. sich von allen Befleckungen des Fleisches und des Geistes reinigen und mit der Heiligung in der Furcht Gottes fortfahren will, 2 Cor. 7, 1. der weiß aus Erfahrung, wie sehr weltliche Geschäfte, die mancherlei Umgebungen und sinnliche Gegenstände in dem äußern Berufsleben das innere Leben stören, in der Sammlung des Gemüths, in der Erhebung des Geistes, in der Bewachung des Herzens, im Umgange mit dem unsichtbaren Gott, so als sähe man ihn, im Genuß des über alles erhabenen Friedens, durch welchen uns der heilige Geist der Kindschaft Zeugniß giebt, ohne welches wir doch unter der Last des Erdenlebens, unter dem Druck der Leiden, und im Kampfe mit Sünde, Welt und Satan nicht aushalten könnten, sondern ermatten und erliegen müßten.

Ist es daher nicht eine wahre Gnade, daß uns Gott mit dem Sabbathgebot zu Hilfe kommt, und uns, ich möchte lieber sagen, erlaubt, vergünstigt und gebietet einen Tag aus sieben, Ihm heiligen, nur an göttliche Dinge denken, nur mit Ihm allein umgehen zu dürfen, um zu seiner seligen Gemeinschaft zu gelangen und uns darin zu stärken und zu gründen. Ja wahrlich, das ist große unverdiente Gnade und das kräftigste, wirksamste Gnadenmittel, das wir wie einen Schatz bewahren und gebrauchen sollen. Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brod essen, sprach Gott zum Menschen, und verbannte ihn auf den verfluchten Acker zur Arbeit; milderte aber die Strafe aus väterlicher Güte dahin: Nur 6 Tage sollst du arbeiten, am siebenten aber sollst du ruhen, und diesen Tag zu mir kommen, in meiner Nähe zubringen und ihn mir heiligen. Wahrlich ein väterlich Gebot, das den Gefallenen wieder Kinderrecht einräumt und also durchaus nicht als Gesetz, sondern als Gnade und Gnadenmittel anzusehen und zu schätzen ist.

Wer da wähnt, ein solches Heraustreten aus dem Geräusche der Welt, ein solches Sammeln des Geistes in der Sabbathsstille, ein solches Zurückziehen in sein Kämmerlein zum Umgange mit dem Unsichtbaren, eine solche Gemeinschaft der Heiligen in den Versammlungen der Gläubigen, im Hause Gottes, wäre unnöthig und überflüssig; wer in dieser falschen Ueberredung spricht: Ich kann mich während meiner Berufsgeschäfte am besten sammeln, und unter der Arbeit an Gott denken; der Christ muß alle Tage Sabbath halten u. dergl. Wer so denkt und spricht, der weiß nicht, was es heißt, sich sammeln und mit Gott umgehen; er hat es noch nie versucht, oder lügt gegen die Wahrheit geflissentlich zu seinem ewigen Verderben. Es ist unmöglich, ja unmöglich ist es bei der menschlichen Schwachheit, daß man, ohne sich in die äußere Stille und Ruhe von Zeit zu Zeit zurückzuziehen und allem Weltlichen Abschied zu geben, d. h. ohne Einkehr und Sammlung des Gemüths, ohne äußeren Sabbath, zur inneren Herzens-Stille und Innigkeit, zum Sabbath des Herzens, zum Genuß der Nähe des lebendigen Gottes gelange. Denn Gott offenbart sich nicht mit äußern Geberden, sondern allein inwendig im Geiste. Joh. ä, 24. Luc. 47, 21.

Wer nun am Sonntage zwar keine Arbeit thut, aber die Ruhe des Tages mit lauter weltlichen Vergnügungen und sinnlichen Erholungen ausfüllt, der hat die Wollust und sinnliches Vergnügen mehr lieb als Gott und' bedenkt nicht, daß es nicht ein Ruhe- und Erholungstag sein soll, sondern ein Tag der Heiligung, ein Tag des Herrn, ein Gottestag, an dem man aus allem Weltlichen gänzlich ausgehen, jede Zerstreuung und alles, was die Sammlung des Gemüths stört, fliehen und dagegen nur solche Geistesübungen vornehmen muß, die nur das innige Hinzunahen zu Gott und Eingehen in seine Gemeinschaft erleichtern und das Wachsthum des inneren Menschen in der Heiligung fördern.

Am Sonntage, am Tage des Herrn gilt es: Israel begegne deinem Gott, der dir durch dieses Gebot, Ihm diesen Tag zu heiligen, so freundlich entgegen kommt, und dir nicht nur erlaubt sondern befiehlt zu Ihm dich zu erheben, sein Antlitz zu suchen, ihn in seinem (väterlichen) Hause oder in seiner Nähe zuzubringen. Welch ein Segen! welch ein Genuß! Was wir unter der Last und Hitze der sechs Arbeitstage mit Mühe suchen, können wir da an einem Tage in ungestörter süßer Ruhe finden. Ists nicht Sünde und Schande, wenn wir an diesem Gottestage auch nur einen Schritt ohne Noth hinaus in die Welt thun? Verkümmern wir uns nicht selbst den uns von Gott zugedachten Segen, wenn wir uns durch irgend ein äußeres Geschäft in der stillen Sabbaths-Ruhe mit Gott stören oder stören lassen. Nein, ich halte es mit dem Psalmisten 84. Wie lieblich sind deine Wohnungen Herr Zebaoth - Meine Seele verlanget und sehnet sich nach den Vorhöfen des Herrn - Ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser denn sonst Tausend u. s. w. Ist das Sabbathgebot nicht ein Ruf und eine Einladung Gottes, in seine Vorhöfe, in sein Haus zu kommen, die Nahe, das Angesicht des lebendigen Gottes zu suchen und zu genießen? Könnte uns eine größere Gnade, ein gesegneteres, kräftigeres Gnadenmittel, eine schönere köstlichere Himmelsgabe werden?

Was soll man also denken von Christen, die da sagen: „Ich kann dieß und das wohl thun am Sonntag, es stört mich nicht, es ist auch etwas Gutes; man kann ja doch nicht immer beten, und müßig kann ich nicht sein, das gefällt Gott nicht. Dann sind wir ja keine Juden, und dürfens so genau nicht nehmen (mit Gottes Geboten? -) u. dergl.“ Wer so denkt, der kennt Gott nicht, hat das Gebot nicht in seiner Tiefe erfaßt, das Gesetz der Freiheit nicht durchschaut, hat nie geschmeckt, wie freundlich der Herr ist, auch in seinen Geboten und besonders am Sabbathtage und beim Sabbathhalten, der weiß nicht, was der liebe Jünger wußte, daß seine Gebote nicht schwer sind, denen die Ihn lieben, und daß gerade das, dem Herrn einen Tag zu heiligen, das allersüßeste Gebot und gleichsam die aufgeschlossene Thür zum verlorenen Paradiese ist. Ein solcher hat noch keinen Sinn für Gottes Nahe und Gottesgemeinschaft, er hängt noch, ohne es zu wissen, am weltlichen Treiben und sinnlichen Vergnügungen; darum weiß er nicht, was er am Tage des Herrn anfangen soll, es wird ihm der langweiligste Tag, er will lieber außer dem Paradiese arbeiten, als in demselben mit Gott umgehen; weil ihm der Weg dazu zu schmal und unzugänglich und die Thür zu eng oder die Luft darinnen zu rein ist.

Schon im alten Testament konnte der fromme Israelit, der ein Gefühl von Gott, eine Liebe zum Herrn hatte, das Gebot nicht als ein schweres Gesetz ansehen, sondern mußte sich freuen, wenn 2 Mos. 3l, 13. 14. Jehovah sprach: „Haltet meinen Sabbath, denn er ist ein Zeichen zwischen mir und euch (ein Zeichen meiner Verbindung mit euch/ und eurer Gemeinschaft mit mir; welche väterliche Güte!) auf eure Nachkommen (also für alle wahren Israeliten aller Zeiten) daß ihr wisset, daß ich der Herr bin, der euch heiliget (aussondert, auszeichnet, von allen anderen Völkern erwählt und zu sich gezogen und besonders begnadiget hat und begnadigen will. Welch ein schöner Gedenk- und Offenbarungstag der Liebe Gottes gegen sein Volk ist also der Sabbath.“) darum haltet den Sabbathtag, denn er soll euch heilig sein (ja ein erwünschter Tag, auf den man sich die ganze Woche freuet und sich sehnt, wie das Kind nach dem Christtag) „wer ihn entheiligt, der soll des Todes sterben, wer eine Arbeit thut, soll ausgerottet werden von seinem Volke“ diese furchtbare Drohung geht die Kinder nicht an, und erschreckt sie nicht, weil sie ohnehin aus Liebe unterlassen, was der Ernst Gottes verbietet; das ist den Sabbathschändern gesagt, daß sie aus diesem Ernste sehen sollen, wie sehr es Gott beleidigt, daß sie sich so weit von Ihm entfernen, und wie gerne Er sie nahe bei sich hätte, wie gerne Er sie segnen möchte. Wer den Sabbath nicht hält, das Angesicht des Herrn da nicht sucht, ist gewiß auch schon geistlich todt, und wie ausgerottet aus dem Volke Gottes, außer Verbindung mit Gott, und außer der Gemeinschaft der Heiligen. Denn die Sabbathschändung führt ihre Strafe mit sich, so wie die Heilighaltung ihren Segen.

Daß auch nicht alle Juden den Sabbath bloß gesetzlich und pharisäisch hielten oder gesetzlos schändeten, sondern ihn als einen Segenstag mit Freude und Lust dem Herrn heiligen konnten und sollten, sehen wir aus Jes. 58, 13. 14., wo der Herr spricht: „So du deinen Fuß von dem Sabbath kehrst (ihn nicht mit weltlichen Dingen verunheiligest, wie ein Heiligthum, das kein Unreiner betreten darf), daß du nicht thust, was dir gefällt an meinem heiligen Tage (merke wohl - nicht, was dir gefällt!): so du den Sabbath eine Wonne (eine Lust) nennen wirst und das Heilige des Herrn herrlich (also nicht als eine Last und ein unerträglich Joch ansiehst) und so du ihn in Ehren halten wirst (wodurch?) daß du nicht thust deine Wege, noch vornehmest was dir gefallt, oder leer Geschwätz führst (man merke doch aufs Wort): - alsdann wirst du Lust Haben am Herrn (und an seinem Sabbathgebot), und ich will dich über die Höhen der Erde schweben lassen.“ Ja, so betrachtet, erhebt auch der Sabbath das Herz über alles hoch in den Himmel hinein, und wenn je, so kann am Sabbath der Christ sagen: Unser Wandel ist im Himmel.

Mit Lust und Freude, nicht aus Zwang und gesetzlich spricht der fromme Christ, wie der erleuchtete Israelit am Sabbathtage: Jes. 2b, 6 - 8. Herr, ich halle mich zu deinem Altar, da man hört die Stimme des Dankes, da man prediget alle deine Wunder. Herr, ich habe lieb die Statte deines Hauses und den Ort, wo deine Ehre wohnt, (die Bundeslade, die Gegenwart des Herrn). Es zieht den Gläubigen, der weiß, was er Gott und seinem Heiland schuldig ist, es zieht ihn die Liebe und Dankbarkeit hin zum Hause Gottes, so oft der gemeinschaftliche Gottesdienst gehalten, Gottes Wort verkündiget und des Herrn Lob gesungen wird. Er kann sich nicht ausschließen von der Gemeinschaft und Versammlung der Heiligen, von der gemeinsamen Erbauung, von welcher der Herr sagt: da bin ich in der Mitte, da bin ich allemal dabei. Wie kannst du zu Hause bleiben, wenn die Glieder Christi, die Gemeine, mit dem Herrn, ihrem Haupte im Hause Gottes versammelt ist? Wie kannst du es dagegen aushalten, am heiligen Tage des Herrn, an einem Ort, in einer Gesellschaft, wo nicht des Herrn Wort, nicht des Herrn Ehre wohnt, wo nicht die Stimme des Dankes und die Wunder der Gnade gehört werden? wo nicht alles auf Erbauung und Heiligung eingerichtet ist?

Am Sonntage erfüllt den Christen nur der Gedanke: Es ist heut der Tag des Herrn, den ich Ihm, Ihm allein ganz schuldig bin zu heiligen und das mit Herzenslust. Darum lebt er auch die Zeit des Tages, die er nicht im Hause des Herrn mit der gläubigen Gemeine zubringt, nicht sich, nicht seiner Lust, noch seinem Nutzen, sondern auch nur dem Herrn; redet er, so redet er Gottes Worte, was Noth thut, daß es nützlich sei zur Besserung, holdselig zu hören, mit Salz gewürzet. Außerdem ist er am liebsten still dem Herrn, um zu hören, was der Herr in ihm redet. Er singt und spielt dem Herrn in seinem Herzen. Eph. 5, 19.

Der Segen des Sabbathtages, wenn er also im Geiste und in der Wahrheit gefeiert wird/ ist unbeschreiblich, erstreckt sich nicht nur auf den Tag selbst, sondern verbreitet sich auf die ganze Woche, über das ganze Leben und Wesen des Menschen. Dieser Tag, dem Herrn geheiligt, ist nicht nur für sich der seligste und genußreichste Tag, ein wahrer Festtag, ein Tag wie im väterlichen Hause, in der Gemeinschaft Gottes und seiner Kinder verlebt, sondern ist auch ein Erndtetag, wo man reichlich einsammeln, mit geistlichen Segnungen in himmlischen Gütern erfüllt werden kann, so daß man auch die übrigen Tage von diesem Reichthum und Ueberfluß zu zehren und zuzusetzen hat. Man kann da Manna für die ganze Woche sammeln, und sich tägliche Nahrung und Startung verschaffen. Wer am Sonntag recht sabbathisiren gelernt hat, wird es auch so viel als möglich in der Woche fortsetzen, und wenigstens einige Stündchen dazu anwenden. Es wird ihn hungern und ihm Bedürfniß werden, vom Sonntagsbrod auch unter der Woche etwas zu genießen.

Wenn man nun dieses alles recht gefaßt, und auch geübt und erfahren hat, wie leer, wie abgeschmackt und unverständig erscheinen dann die Entschuldigungen und Rechtfertigungen der grobem und feinern Sabbathschänder, womit sie sich von der gewissenhaften und innigen kindlichen Feier und Heiligung des Sonntags lossprechen. Z. B. „Auf das Aeußere kommt es nicht an. Gott sieht das Herz an, wenn ich nur im Herzen den Sabbath halte“ u. dergl. Aus deinem Munde wird dich Gott richten. Sieht Er das Herz an, so sieht er, daß dein Herz sein Gebot und Wort verachtet, denn würdest du innerlich Gott fürchten, lieben, ehren und Ihm Sabbath halten, so würdest du es auch äußerlich thun. Das Aeußere ist der Schild des Innern- „Reiniget die Becher und Schüsseln inwendig, sagt Christus, so wird das Aeußere auch rein sein.“ Wer wollte aus Schüsseln und Bechern essen und trinken, die nur innerlich rein, aber auswendig voll Unflath sind? Sollte es am Sabbath auf das Aeußere nicht ankommen? hat doch Gott gerade das äußere Ruhen von aller Arbeit uns deutlich befohlen, und das ohne Ausnahme allen Menschen, ja sogar den Thieren. Hat Er doch den Mann, der Holz las, um dieses äußern Werks willen steinigen lassen. Wie kann Gott ihn tobten lassen, wenn nichts daran gelegen ist? Freilich am Werke selbst ist wenig gelegen, aber am Gehorsam und der Verleugnung des eignen Willens ist alles gelegen. Allerdings kommt es auch nicht auf das äußere Ruhen am Sabbath allein an, ja das Aeußere allein wäre ganz zweckwidrig und schädlich; sondern das Innere, die Heiligung ist die Hauptsache, die Seele und der Geist. Aber der Geist muß einen Körper haben, das Innere muß ein Aeußeres haben, das ihm entspricht. Der Herr will Beides, den ganzen Menschen, den innern und äußern, alles soll Ihm geheiligt werden. Wer Ihm eines entzieht, hat Ihm nichts gegeben. Wer äußerlich den Sabbath bricht und entweiht, hält ihn innerlich auch nicht. Wer im Aeußern nicht treu ist, ist es im Innern auch nicht. Denn das äußere Treiben störet die innere Sabbathlichkeit. Wer dem Herrn in seinem Innern recht sabbathisiren will, der wird ohne zu Redensarten seine Zuflucht zu nehmen, auch die äußere Sabbathsstille nach dem strengsten Buchstaben halten, ohne sich vom Buchstaben tödten zu lassen, welches nur dann geschieht, wenn man den Sabbath blos äußerlich hält, ohne innere Heiligung, wenn man auch den Ochsen, der am Sabbath in den Brunnen fallt, nicht herauszieht.

Einige Herrschaften und Meister meinen, der Sonntag sei nur für sie, nicht für Dienstboten und Gesellen. Aber wie zu jedem Herren und Meister gesagt ist: „deine Dienstboten und Gesellen sind an diesem Tage nicht dein, sondern des Herrn, du kannst von ihnen keine Arbeit fordern, denn sie müssen heute dem Herrn dienen,“ so ist den Dienstboten und Gesellen gesagt: „Der Tag ist nicht euer, sondern des Herrn, ihr dürfet heute nicht müßig gehen und thun, was ihr wollt, sondern sollt diesen Tag von aller Arbeit und Sünde ruhen und ihn dem Herrn heiligen.“

Andere sprechen: Mir ist ein Tag wie der andere, und berufen sich auf Röm. 11. „Einer hält einen Tag vor dem andern, der andere hält alle Tage gleich. Ein jeglicher sei nur seiner Meinung gewiß.“ Allein damit kann Paulus unmöglich den Sabbath, den Tag des Herrn, gemeint haben, sonst halte er das Gebot Gottes aufgelöset, was selbst Christus nicht wollte und nicht konnte. Paulus meinte hier blos die freiwilligen Feiertage, Neumonde, Sabbathe, die von den Pharisäern beobachtet wurden, wie unsere zweiten Feiertage oder andere feierliche Festtage außer den Sonntagen, die von Gott nicht geboten waren, die Paulus Gal. 4, !0. und Col. 2, Ib. dürftige Anfangsgründe, Schatten des Zukünftigen nennt, die der Herr Hos. 2, 11. schon bedrohte. Diese pharisäische Unterscheidung der Tage und Jahreszeiten ist des Neuen Bundes nicht würdig; aber der Tag des Herrn muß bleiben, muß ausgezeichnet und unterschieden werden von allen anderen Tagen durch äußere und innere Heiligung, so lange die Welt steht, bis der große Tag und Sabbath des Herrn anbricht und kein Tag und keine Nacht mehr sein wird, wo wir im Lichte wandeln werden, wie Er im Lichte ist.

Wenn wir nun die Verheißungen und den Segen, den der Herr auf die Heiligung dieses Tages gesetzt hat, und zugleich den Fluch und die Strafe, die Gott den Sabbathschändern gedroht hat, 2 Mos. 31, 19. Hesek. 20, 13. rc. betrachten, so kann man nicht begreifen, wie es dahin gekommen ist, daß fast die ganze europäische Christenheit aller Confessionen, (England und Nordamerika machen eine schöne nachahmungswürdige Ausnahme) das Gebot Gottes gering achtet, den Sabbath schändet, und der große Haufe ihn sogar zu aller Gottlosigkeit und zu allen heidnischen Gräueln mißbraucht, als wenn der Baal und nicht der Herr ihr Gott wäre. Sollte nicht der größte Theil der schrecklichen Gerichte und Strafen, mit welchen Gott schon einige Jahre die europäische Christenheit heimsucht, in dieser graulichen Entheiligung des Sonntags Grund und Ursache haben? Jer. 2, 19. 23. 24. Selbst gläubige, verehrte Christen haben daran nicht wenig Schuld, weil selbst diese gewöhnlich sich nicht genau und gewissenhaft an das Wort des Herrn hatten, sondern aus falsch verstandener evangelischer Freiheit dem Fleische am Tag des Herrn zu viel einräumen, zum Nachtheil des Geistes, und wähnen, an der äußeren Heiligung des Sonntags sei im Neuen Bunde wenig gelegen, da sie doch eben darum gewiß auch innerlich nicht so sabbathlich sein können und sind. Dadurch bestärken sie die Welt noch mehr in ihrem verkehrten Sinn. Denn wenn der Fromme und Gerechte sich Ausnahmen vom Gesetze, und offenbare Uebertretungen der Gebote erlaubt, was wird der Gottlose thun? Wenn die Heiligen den Tag des Herrn entheiligen, wie sollte es der Unheilige sich nicht erlauben? Eine strengere Beobachtung des Sabbaths von Seiten der frommen Christen, wie in England und Nordamerika, würde gewiß wie ein Helles Licht unter dem finsteren ungeschlachten Geschlechte dieser Welt leuchten und viel Segen verbreiten. Wie eitel ist doch die Furcht, man möchte es mit den Geboten des Herrn zu streng und genau nehmen, zu gesetzlich werden! Lasset uns vielmehr uns immer treuer, gewissenhafter und strenger an das Wort und Gebot des Herrn halten, je mehr es die Welt verachtet; lasset uns nur bitten, daß uns Gott die Gnade verleihe, solches im Geist und in der Wahrheit, evangelisch nicht gesetzlich, christlich nicht pharisäisch, um des Herrn willen, nicht um des Gesetzes willen, mit Lust und Freude, aus Dankbarkeit, und Nicht aus Furcht, Zwang und Gewinnsucht zu thun; denn die Wege des Herrn, alle seine Gebote, sind eitel Güte und Wahrheit denen, die seinen Bund und seine Zeugnisse halten und gedenken an seine Gebote, daß sie darnach thun. Ps. 25,1.103,18.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/g/gossner/gossner_sonntagsheiligung.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain