Gossner, Johannes Evangelista - Andachten über den 2. Brief an Timotheus
2. Timotheus 1,8-10.
Schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn - der uns erlöset und berufen hat mit seinem heiligen Ruf - nach der Gnade - die nun offenbaret ist durch die Erscheinung unsers Heilandes Jesu Christi, der den Tod vernichtet - unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.
Alle Welt schämt sich Christi und seines Evangeliums von unserer Erlösung. Willst du Christ sein, so schäme du dich ja nicht und niemals dieses allerheiligsten und herrlichsten Werkes. Der Teufel hat es dahin gebracht, dass man sich nicht nur Christi, sondern selbst Gottes und alles Göttlichen schämt. Man will ganz profan, weltlich und irdisch, sinnlich und fleischlich sein. So tief ist die Welt gesunken; so weit entfernt von Gott! - Wer will sie retten? Der barmherzige Gott lässt doch nicht nach, ihr sein seligmachendes Evangelium, so sehr sie es verachtet, immer noch anzubieten und zu verkündigen. Die Stimme der Zeugen von Gottes Heil in Christo ist noch nicht verhallt, sie ertönt noch allenthalben. Die Gnade wird gepriesen, die durch die Menschwerdung, das Leben und Leiden Jesu offenbaret ist. Es erschallt noch hie und da laut: Christus hat durch den Tod den Tod zernichtet, hat unvergängliches Wesen ans Licht gebracht, hat uns versöhnt, erlöst, hat uns Gott erkauft und ein ewiges, unverwelkliches Erbe im Himmel erworben. Deß schäme dich nicht, deß freue sich dein Herz, wenn es dieser Gnade teilhaftig geworden; preise deinen Erlöser und rühme, und bekenne ihn und sein Werk der Erlösung vor aller Welt; denn es ist's wert und es kann dem armen Menschen einmal nicht anders geholfen werden, als durch den, der im Stalle geboren, am Kreuze starb und nun zur Rechten Gottes sitzt. Bekenne und rühme aber das Christentum nicht nur mit dem Munde, sondern auch mit deinem ganzen Wesen und Wandel, so wirst du bald mehr Mitgenossen derselben Gnade und Freude zählen.
2. Timotheus 4,8.18.
Nun wartet meiner die Krone der Gerechtigkeit, die mir der Herr, der gerechte Richter, geben wird an jenem Tage; nicht aber allein mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben. - So wird mich der Herr von allem Übel erlösen und nur aushelfen zu seinem himmlischen Reiche.
Schöne Aussicht! So trübe es oft unter den Wolken ist, so helle und schön ist es über den Wolken. Wer auf einem hohen Gebirge ist, der hat das Wetter, die Wolken unter seinem Fuße und schaut geradezu in den unbewölkten Himmel auf. Wer sich im Glauben erhebt über die Betrübnisse und Leiden dieser Zeit; wer sich an Gottes Wort und Verheißung hält, der sieht den klaren Himmel vor sich, sieht mit unbewölktem Auge die Krone und Herrlichkeit, die ihm sein Heiland in seinem Worte vorhält und dort in seinem Reiche aufbewahrt. Er denkt: Sie ist in einer sichern Hand, es wird sie ihm niemand aus seiner Hand reißen. Wer diese lebendige Hoffnung hat, der kann nicht anders, er muss sich darnach sehnen, muss sich damit trösten. Er kann sein Herz nicht halten, es entflieht ihm oft und weilt dort, wo seine ewige Heimat und zukünftige Herrlichkeit ist. Denn das stärkt den alten müden Pilger, das hebt die Füße und ist der beste Labetrunk, die kräftigste Fußsalbe für den Wanderer. Erfreulich ist, was Paulus so bestimmt sagt: Der Herr wird mir die Krone der Gerechtigkeit geben, aber nicht nur mir, sondern allen, die seine Erscheinung lieb haben. Wer Seiner harret von einer Morgenwache zur andern, wer es kaum erwarten kann, bis er kommt, wer ihn lieber heute als erst morgen sehen möchte, wer so in heißer Sehnsucht nach ihm lebt: der wird die Krone und Herrlichkeit aus seiner Hand so gewiss als Paulus erhalten.