Gossner, Johannes - Die böhmischen Märtyrer und Auswanderer

Gossner, Johannes - Die böhmischen Märtyrer und Auswanderer

Gründung der Böhmischen Kirche.

Schon im neunten Jahrhundert hat sich der Patriarch von Constantinopel mit allen griechischen Bischöfen und des ganzen Morgenländischen Kirche von der Abendländischen und dem Bischofe zu Rom getrennt, weil dieser sich über alle Bischöfe und zum Haupt der ganzen Christenheit erhoben hat. Zu der griechischen Kirche hielten sich auch die Slavonischen Völker, zu welchen die Mähren und Böhmen gehörten, die auch durch griechische Missionare zum Christenthum bekehrt wurden. Die Veranlassung gab ein Weib, die Schwester Bogaris, des Bulgaren Königs, die in einem Kriege von dem griechische Kaiser gefangen und noch Constantinopel geführt wurde, wo sie die christliche Religion kennen lernte und annahm. Nach dem Kriege kam sie zu ihrem Bruder zurück, gewann auch ihn für Christus, schrieb nach Constantinopel und bat um Lehrer des Christenthums; worauf zwei Bischöfe, Cyrillus und Methodius, gesendet wurden, die den Bogaris und Viele seiner Unterthanen bekehrten und tauften. 860 brachten diese zwei Bischöfe auch den König von Mähren, Swatopluk, zur Annahme des Christenthums; sie sammelten durch ihre Predigten bald christliche Gemeinden und bauten Kirchen. 894 besuchte der böhmische König Borzywoyus den Swatopluk in Mähren, hörte von Christo und sah die schönen Gottesdienste, die solche Eindrücke auf ihn machten, daß er sich mit 30 Woywoden von seiner Begleitung taufen liest, freudig zurückkehrte und seiner Gemahlin Ludomilla alles erzählte, was er in Mähren gesehen und erfahren hatte. Diese, durch seine Erzählungen, so wie durch das gesalbte Zeugniß des Methodius (Strachota genannt), den Borzywoyus mitgebracht hatte, ergriffen, ließ sich auch taufen, und ergab sich Christo von ganzem Herzen. Viele Böhmen warfen nun ihren Götzen, Korsina, weg, ließen sich taufen und bauten Kirchen und Schulen. Cyryllus und Methodius erfanden eine Buchstabenschrift für die Landessprache, übersetzten die Bibel und Liturgie in dieselbe, und hielten auch den Gottesdienst in der Volkssprache nach den Gebräuchen der griechischen Kirche.

Aber es waren noch Heiden im Lande, die sich gegen das Christenthum empörten, den Borziwoyus aus dem Lande jagten, und die Ludomilla, auf Anstiften ihrer eignen Schwiegertochter Drahomira, einer verkappten Heidin, erwürgten, da sie eben in ihrer Kapelle ihr Abend-Gebet verrichtete. Diese grausame Drahomira ließ sogar ihren eignen christlichen Sohn Wenzeslas, da er sich eben, die Gefahr ahnend, in die Kirche begeben hatte, um die Nacht im Gebete zu verharren, durch ihren Sohn, seinen Bruder, ermorden. Der Brudermörder wurde nun Beherrscher von Böhmen, verfolgte die Christen, zerstörte die Kirchen, zerstreuete die Gemeinden, ließ viele Vornehme hinrichten, ja, er und seine Mutter würden das Christenthum wiederum aus Böhmen vertilgt haben, wenn der Kaiser Otto I. ihn und sein Land nicht unterjocht und den christlichen Gottesdienst wieder hergestellt hätte.

Allein bald hatten die Böhmen wieder mit einem andern Feinde zu kämpfen, der ihnen Jahrhunderte zu schaffen machte. Die römischen Bischöfe, besonders Gregor VII., suchten mit aller List und Macht die böhmische Kirche von der griechischen Kirche abzuziehen und sie unter ihr Joch zu schmieden. Mit gebieterischem Tone „aus Gottes und des heil. Petri Macht“ wollte Hildebrand 1079 die böhmische Sprache bei dem Gottesdienste verdrängen, die lateinische einführe, und andere Aenderungen treffen, wodurch innere Unruhen und blutige Kriege entstanden sind, die Jahrhunderte gedauert haben und Böhmen verwüsteten. Als 1197 der Pabst Cölestin einen Cardinal nach Böhmen sandte und den Geistlichen befahl, ehelos zu bleiben, empörten sie sich dagegen und wollten den Cardinal steinigen.

Uebrigens waren lange Zeit christliche Gebräuche mit heidnischen vermischt, die Sitten roh, die Erkenntniß bei Lehrern und Volk armselig. 1039 hat der Bischof von Prag, Severus, den Herzog Brzelislas durch frommen Betrug das Versprechen abgenöthiget, daß künftig die Vielweiberei, willkürliche Ehescheidungen, Hurerei, Abtreibung der Kinder, Mordthaten rc. gestraft, und zur Entdeckung der Unschuld die barbarischen Gottesgerichte als rechtmäßige Beweise aufgestellt werden sollten. Auf den Rath des Bischofs wurden auch alle Wirthshäuser, die Schulen der Mordthaten, der Diebstähle, des Ehebruchs und aller Laster, niedergerissen, der Vorrath ausgeschüttet, die Wirthe aufgehängt oder ausgepeitscht.

Zeugen der Wahrheit in Böhmen.

Da durch wiederholte Kunstgriffe der römischen Bischöfe ihnen fremde Gebräuche aufgedrungen wurden, wollte ihr Eifer für die Reinheit der Lehre und des Gottesdienstes erkalten. Da kamen gerade zur rechten Zeit 1179 eine Menge Waldenser nach Böhmen, die eine Zeitlang ihren Gottesdienst öffentlich hielten, aber später vor ihren Verfolgern sich sorgfältig verbergen mußten und nur in Höhlen und Wäldern oder Privathäusern gottesdienstliche Zusammenkünfte halten durften. Durch diese sind die Böhmen wieder aufgeweckt und angefeuert werden, das, was sie empfangen hatten, treu zu bewahren. 1350 kam es aber so weit, daß die Universität Prag mit Deutschen und Italienischen Lehrern besetzt und durch diese alle in der römischen Kirche herrschenden Irrthümer und Mißbräuche, z.B. die lateinische Sprache und Zeremonien bei dein Gottesdienste ganz eingeführt, den Geistlichen die Ehe verboten und den Laien der Kelch beim Abendmahle entzogen wurde. Da erweckte Gott redliche und eifrige Männer, die in Kirchen und Schulen, ja selbst in der Schloßkirche zu Prag gegen das einreißende Verderben zeugten. Johann Militsch, von 1360 an Prediger an der Schloßkirche, hatte so viel Zulauf, daß er oft dreimal des Tages bald böhmisch, bald deutsch predigen mußte. 300 liederliche Weibsleute wurden durch ihn bekehrt und ihr gemeines Haus in die Magdalenen Kirche umgeschaffen. Er hatte eine Pflanzschule von Jünglingen, die er in der heiligen Schrift unterrichtete, wodurch er, so wie überhaupt durch seine freimüthigen Lehren und Schriften den römischen Irrthümern sehr entgegenarbeitete. Er ging selbst nach Rom und schrieb etlichen Cardinälen an die Thür: der Widerchrist ist schon gekommen, und sitzet in der Kirche. Dafür wurde er in Bann gethan, und nach seiner Zurückkunft gefangen gesetzt, aber aus Furcht vor dem Volke wieder losgelassen; worauf er in Mähren, Schlesien und Polen die bessere Lehre verbreitete. Der Befehl des Pabstes, mit diesem verbannten Ketzer nach den Kirchengesetzen aufs strengste zu verfahren, kam zu spät in Gnesen an, denn der gesegnete Mann war schon in seines Herrn Freuden eingegangen.

Eben so predigten Conrad Stiekna und Matth. Janowsky gegen die herrschenden Laster der Hofleute, der Geistlichen und des Volkes, ohne Schmach und Leiden zu achten; so wie Militsch unterließen auch sie nicht zum Gebrauch des Abendmahles unter beiderlei Gestalten zu ermahnen; sie sind aber kaum durch mächtigen Schutz dem Scheiterhaufen entronnen.

Zu gleicher Zeit erweckte Gott den Joh. Wiklef in England, der dem Verderben der Kirche mächtig entgegenarbeitete. Seine Schriften kamen auch nach Böhmen, und Johann Huß, der nun auftrat und den Fußstapfen der obgenannten drei Zeugen der Wahrheit folgte, war erst mit Vorurtheilen gegen sie, als ketzerischen und in Rom verdammten Büchern eingenommen, fand aber bald, daß sie Wahrheit enthielten, und fing nun an gegen die Macht des Pabstes, gegen seine Anmaßungen zu eifern und auf Kirchenverbesserung zu dringen. Als Prediger in der Bethlehems-Kirche zu Prag und als Professor aus der Universität, schonte er weder auf dem Katheder, noch auf der Kanzel die Geistlichen und Laien, eiferte für wahre Frömmigkeit und Gottseligkeit, empfahl überall die heilige Schrift, die er in die böhmische Sprache übersetzt haben soll, und brachte sie selbst in Vieler Hände.

Huß, so freimüthig er die Laster seiner Zeit am Clerus und Volke strafte, und alle Gebrechen der Kirche aufdeckte, bekam bald viele Anhänger unter dem Adel und Volke. Es war in Böhmen noch nicht vergessen, durch welche Kunstgriffe und Gewaltstreiche die böhmische und mährische Nationalkirche, die ursprünglich der griechischen angehörte, unter das römische und lateinische Joch gebracht worden war, wodurch ihre Kirchenfreiheit, die Landessprache beim Gottesdienst, der Kelch beim Abendmahle und so mancher andere Vorzug ihr entrissen wurde. Das Andenken davon lebte noch im Volke, und wurde durch manche treuen Zeugen, besonders aber durch Huß, erneuert.

Die Hussiten.

Da nun Huß, weil er die Wahrheit nicht verläugnete und widerrief, sondern standhaft bezeugte, von dem Concil zu Constanz den 6. Juli 1415 verbrannt wurde, so machte die Nachricht von seinem Tode bei seinen zahlreichen Anhängern in Böhmen einen empörenden Eindruck, sie beklagten ihn laut, thaten Alles, um das Andenken ihres evangelischen Lehrers, wie sie ihn nannten, öffentlich zu ehren. Loblieder, Predigten, Münzen, Gemälde, die Jahresfeier feines Märtyrertodes am 6. Juli sollten sein Andenken verewigen. Ihre Anzahl wuchs eben so sehr, als ihr Eifer, ihn zu vertheidigen. Die ganze Nation fand sich durch seine Hinrichtung, so wie durch die des Hieronymus von Prag, den das Concilium auch verbrennen ließ, beleidigte. Gegen 100 Magnaten und Edelleute von Mähren und Böhmen beklagten sich bei dem Concilio, erklärten männlich beide Verbrannte für rechtschaffene Männer, ihre Lehre für rein und schriftmäßig, und ihre Verdammung für höchst ungerecht und grausam. Statt einer Antwort kamen Bannstrahlen und der Befehl an die römisch Gesinnten, den Bann über alle Hussiten von den Kanzeln zu verkünden und sie als Ketzer zu vertilgen. Nun wurden ihnen ihre Kirchen mit Gewalt weggenommen und sie aus Städten und Dörfern verjagt. Dagegen verbanden sich die Magnaten und Edelleute mit einander, das Wort Gottes in ihren Gebieten rein und lauter predigen zu lassen. 1417 erklärte sich die Universität in Prag für die Communion unter beiderlei Gestalten; der Magistrat, viele Bürger und Geistlichen stimmten damit überein. Jakobellus, Pfarrer an der Michaels-Kirche, predigte den Kelch öffentlich und führte ihn zuerst wieder ein, wie er denn früher seit Jahrhunderten den Laien auch gegeben worden ist, 1416 hatten die Hussiten schon eigene Kirchen, in welcher sie den Gottesdienst wiederum ohne römische Gebräuche hielten. Der römische Stuhl wandte alle Mittel an, die Hussiten zu unterdrücken und auszurotten. Martin V. schrieb 1418 erst sehr freundlich an die Böhmen, sie möchten Hustens und Wiklefs Irrthümer widerrufen; da sie sich aber weigerten, belegte er sie 1420 mit dein Banne, ließ das Kreuz (d. i. einen Vertilgungskrieg) gegen sie predigen, hetzte Kaiser, Könige, Fürsten, Grafen, Städte und Dörfer gegen seine Schafe auf, mit der Bitte: um die Wunden Christi willen auf die Böhmen loszugehen und dieses kirchenräuberische und verfluchte Volk auszurotten. Jedem, der einen Böhmen todtschlage, versprach er vollkommenen Ablaß. So entstanden die Hussiten-Kriege, von welchen Aeneas Sylvius bezeugt, daß die Nachkommenschaft sich über ihre Grausamkeit mehr verwundern, als sie glauben würde. Denn die Hussiten wurden durch diese strenge Maßregeln nur mehr erbittert, vergalten Gewalt mit Gewalt, schlossen sich mehr an einander an und vereinigten sich zum öffentlichen Krieg gegen ihn Feinde, zur Vertheidigung ihrer Gewissensfreiheit.

In Prag wurde 1419 ein solcher Aufstand erregt, daß 47 Rathsherren mit dem Richter aus den Fenstern geworfen und unten vom Pöbel mit Picken und Spießen aufgefangen wurden.

Die Hussiten kamen öfters auf einem Berge im Bechine-Kreise zu 30-40,000 zusammen, anfangs nur, um das Abendmahl unter beiden Gestalten und den Gottesdienst nach ihren Grundsätzen zu halten. Endlich bauten sie sich daselbst eine Stadt, die sie befestigten und Tabor (Schanze) nannten. Johann Ziska stellte sich an ihre Spitze, um ihre Sache mit den Waffen zu vertheidigen. Und nachdem der böhmische König 1419 gestorben war, wurde der Religionskrieg auch ein politischer, und hatte an Beispielen der Grausamkeit und Verheerungen wenige oder gar keine seinesgleichen in der Geschichte. Sechszehn Jahre fochten die Hussiten gegen die größten Heere mit großem Glück. Schon ihr Name und der ihres blinden Anführers Ziska schlug oft die Feinde in die Flucht.

Man verfuhr aber auch mit ihnen, wenn man sich ihrer bemächtigen konnte, mit unbeschreiblicher Grausamkeit. Die Gesandten der Taboriten wurden, statt ihre Friedensvorschläge anzunehmen, ergriffen und lebendig in die tiefsten Erzgruben geworfen. Man kaufte die Taboriten auf, einen Priester für 5 fl., eine Laien für 1 fl., um ein rechtes Blutbad zu veranstalten. Im Jahre 1420 wurden in Kuttenberg 1700 Menschen in eine Grube, 1308 in eine andere und 1334 in eine dritte geworfen; in Prag selbst wurde ein Kaufmann Kräsa verbrannt, und 1421 hat der grausame Bürgermeister von Leutmeritz in einer Nacht 24 der vornehmsten Bürger und sogar seinen Eidam gefangen, in einen tiefen Thurm geworfen, und nachdem sie durch Hunger und Kälte halb umgekommen waren, ließ er sie herausziehen, ihnen Hände und Füße binden und sie hierauf in den Fluß werfen. Die Scharfrichter mußten mit Stangen und Gabeln an dem Ufer stehen, um, wenn einer sich dem Ufer wieder nähern sollte, ihn zu stechen und ins Wasser zurückzustoßen. Sie aber riefen mit lauter Stimme Himmel und Erde zu Zeugen ihrer Unschuld an, ermahnten die Ihrigen und sich unter einander zur Standhaftigkeit, zum Eifer, Gottes Wort treu zu bleiben. Sie beteten auch für ihre Feinde. Die Tochter des Bürgermeisters sprang in die Elbe ihrem Manne nach, um ihn zu umfassen und herauszuziehen; da er aber schon voll Wasser war, ertrank sie mit ihm, und des andern Tages zog man sie heraus, wie sie einander umfaßt hatten, und legte sie in ein Grab. Um dieselbe Zeit wurden der Pfarrer Wenzeslaus von Arnostowitz bei Miltschin, sein Kaplan und 3 Bauern mit 4 Knaben verbrannt, weil sie das Heil. Abendmahl unter beiden Gestalten ausgetheilt und genossen hatten. Da der Bischof den Pfarrer bereden wollte, den Kelch abzuschwören, sagte er: Das Evangelium lehrt uns ihn zu trinken, und dies beweisen auch die alten Meßbücher, darum ist es recht; oder löschet die Schrift aus. Wir aber wollen nicht nur einmal, sondern lieber tausendmal sterben, als der göttlichen Wahrheit entgegen handeln. Als der Bischof dem Henker befahl, den Scheiterhaufen anzuzünden, nahm der Pfarrer, als der Stärkere, die schwächeren Kindlein in seine Arme, sang mit ihnen Loblieder in den Flammen und gab den Geist auf.

An demselben Tage war es, daß der Erzbischof von Prag, Conrad, der sich über diese Grausamkeiten ärgert, sich öffentlich zum Gebrauch des Kelches bekannte, sein Erzbisthum niederlegte, die Waffen ergriff und sich zum Heerführer ihrer Armee gegen die Römisch-Katholischen darbot.

Ein Kreishauptmann fiel in einem Dorfe in die Kirche ein, da eben das heil. Abendmahl (unter beiden Gestalten) ausgespendet wurde, tödtete einige und die andern nahm er gefangen mit, und was das Greulichste ist, er nahm den Kelch vom Altar, reichte ihn seinem Pferde hin und ließ ihn von demselben austrinken, mit den Worten: sein Pferd sei auch sub utraque (für beide Gestalten).

In Reudnitz wurde ein Prediger und andere erst mit Feuer so gebrannt, daß ihnen die Eingeweide heraustraten, endlich auf dem Richtplatz in ein Faß gesperrt und vollends verbrannt.

Ein Mönch und Prediger in Prag, Johann v. Zoliwo, der durch die reine Lehre viele Zuhörer gewonnen hatte, wurde (1422) mit List auf das Rathhaus gelockt und sogleich enthauptet. Das Volk, welches das Blut vom Rathhause herunterlaufen sah, schlug die Thüren auf, fand den Enthaupteten, Einer nahm das Haupt und zeigte es der ganzen Menge, wodurch ein unbeschreibliches Wehklagen entstand. Ein Priester, Gaudentius, trug es auf einer Schüssel in der Stadt herum, wodurch das Volk so erbittert wurde, daß sie einige vom Magistrate tödteten, andere entlaufen mußten. Bei dem feierlichen Begräbnisse zeigte der Prediger noch einmal dem Volke das Haupt und beschwor dasselbe mit Thränen, bei dem, was dieser treue Lehrer bezeuget hätte, zu bleiben, und wenn auch ein Engel vom Himmel käme und anders lehrte, so sollen sie es nicht glauben.

Anfang der vereinigten Brüder-Kirche.

1420 hatten sich die Hussiten schon in zwei Partheien getheilt, in Calixtiner (Kelchner) und Taboriten. Diese wollten ihre Lehre, Kirchenzucht und Gottesdienst auf die apostolische Einfalt zurückführen, und verwarfen alle Zeremonien, die Ohrenbeichte, Fegfeuer, Heiligendienst u. dergl. Jene hingegen bestanden blos auf den 4 Prager-Artikeln: 1) den Kelch den Laien zu geben; 2) daß die Geistlichen keine weltliche Besitzung und Herrschaft haben; 3) daß das Wort Gottes überall frei gepredigt, und 4) öffentliche Laster an Geistlichen und Laien bestraft werden sollen. Uebrigens behielten sie noch viel Lehren und Gebräuche der römischen Kirche bei. Sie schlossen endlich Frieden mit dem Pabst und kehrten ihre Waffen gegen die Taboriten und rieben sie beinahe ganz auf. Von denen, welche noch übrig blieben, schlossen sich nach und nach die Edelsten und Besten enger zusammen mit dem Entschluß, die reine evangelische Lehre, die sie von Huß erhalten, zu bewahren, aber nie mehr die Waffen zur Vertheidigung zu sichten, sondern unter stillem Dulden aller Bedrückung bessere Zeiten zu erwarten. 1457 gab ihnen der König Podiebrad ein Land auf seinen Erbgütern an der schlesischen Grenze, welche in den Hussitenkriegen verwüstet worden waren. Sie bauten sich an und errichteten einige Gemeinden, die bald von besseren Calixtinern großen Zuwachs erhielten. Sie nannten sich unter einander Brüder, und ihre verbundenen Gemeinden: die vereinigte Brüder-Kirche (Unitas fratrum). In der Folge nannte man sie böhmisch-Mährische Brüder, und ihre Feinde gaben ihnen den verhaßten Namen: Pikarden. Kaum waren sie aber ein Jahr angesiedelt, so wurde der König gegen sie eingenommen, sie wurden wieder verjagt und mehrere grausam hingerichtet. Min wollte sie von der Erde vertilgen. Man schrie: Löschet, löschet diesen Funken, ehe noch daraus ein großes Feuer entsteht! Der Bruder Gregor kam nach Prag und hielt in einem Hause Versammlung, sie wurden verrathen und alle gefangen genommen, wobei merkwürdig ist, daß der Richter, als er die Stubenthür öffnete, stehen blieb und ihnen zurief: „Alle die gottselig leben wollen in Christo Jesu, müssen Verfolgung leiden; daher kommt alle, die ihr hier zugegen seid, und folget mir ins Gefängniß.“ Der Bruder Gregor fiel, da ihn der König foltern ließ, in tiefen Schlaf, so daß man ihn für todt hielt und ihn zu foltern abließ. Er kam wieder zu sich und wurde freigelassen. Im Schlafe sah er nebst andern tröstlichen Dingen drei Männer, deren Gestalten er 6 Jahre hernach an den drei Männern erkannte, die zu Bischöfen der Brüderkirche erwählt wurden. Man wollte nun Viele gefangen nehmen und tödten, aber der Bischof von Breslau, Jodokus, mißrieth es und sagte: Das Märtyrerthum sei einem nicht ganz ausgebratenen Stück Fleisch gleich, worin sich gar leicht Würmer ausheckten; er wollte sagen, daß die Gläubigen durch die Martern nur vermehrt würden; man sollte sie eher verjagen.

Sie waren nun von allen Seiten mit Gefahr umgeben; Viele, auch die Vornehmsten, flohn in die Gebirge und in die Wälder und wohnten in Höhlen. Doch auch hier waren sie nicht sicher. Wenn sie Feuer anzündeten, so mußten sie es blos des Nachts thun, damit sie der aufsteigende Rauch nicht verrieth. Und wenn sie im Winter beim Feuer saßen, pflegten sie die Schrift zu lesen und Erbauungsstunden zu halten. Wenn aber großer Schnee fiel, und sie einander besuchen mußten, so trat einer in des andern Fußtapfen und der letzte schleppte einen Tannenast hinter sich her, damit keine Spur übrig blieb, als etwa der Schein, daß ein Armer Holz geholt hätte. Dennoch erhielten sie sich und gaben ihren Gemeinden immer festere Einrichtung.

1467 erwählten sie Aeltesten, denen sie die Verwaltung aller Sachen anvertrauten und Gehorsam gelobten. Diese beriefen die Vorzüglichsten in Böhmen und Mähren und hielten mit ihnen Synoden im Gebirge, wo gewisse Verordnungen gemacht wurden, wie sie sich gegen einander und gegen die Obrigkeit und gegen Jedermann verhalten sollten. Sie setzten für sich und ihre zerstreuten Brüder öftere Fast- und Bettage an, und erholten sich Raths aus Gottes Wort zur Verbesserung der Lehre und des Lebens. Die Hauptsorge war, woher sie Seelenhirten bekommen möchten, wenn die ordinirten Priester mit Tode abgehen würden. Erst wollten sie unter sich die Priester einsegnen aus der Macht, die Christus seiner Kirche hinterlassen hat; sie zweifelten aber bald, ob eine solche Ordination, die nicht von einem Bischofe verrichtet würde, gültig wäre. In dieser Absicht versammelten sich 1467 bei 70 der vornehmsten Männer aus Böhmen und Mähren im Dorfe Lhoka bei Rynow, wo sie mit Thränen und herzlichem Gebet Gott die Sache vorlegten und durchs Loos seinen Willen erforschen wollten. Sie erwählten 9 Männer, die sie für das Lehramt tüchtig hielten, riefen ein Knäblein, der nicht wußte, was sie vorhatten, gaben nach inniger Anrufung Gottes, seinen Willen dadurch zu offenbaren, ihm 12 zusammengelegte Zettel, daß er sie unter die 9 Männer vertheilte. Neun waren leer, auf dreien stand: Est, der ist's. Es konnte also leicht geschehen, daß alle 9 Männer unbeschriebene Zettel erhalten hätten und also keiner als erwählt anerkannt worden wäre. Es geschah aber daß die drei beschriebenen Zettel den drei Männern, Matth. Kunwaldsky, einem frommen, dem Thomas Przelantzky, einem Gelehrten, und dem Elias Krzenowsky, einem sehr weisen Manne gegeben wurden. Diese nahmen sie, als vom Himmel herab gesandt und berathschlagten sich über die Einsegnung. Als sie erfahren hatten, daß die in Mähren zerstreuten Waldenser Bischöfe hätten, sandten sie ihren Seelsorger Sambersky mit noch zwei anderen zu dem Waldenser Bischof Stephanus, der an der Grenze von Böhmen und Mähren wohnte und mit einem andern Bischof und einigen Geistlichen sie durch Handauflegung zu Bischöfen einsegnete und ihnen die Macht gab, Geistliche zu ordiniren. Die Gemeinde freute sich sehr, die bischöfliche Succession erhalten zu haben, und wollte sich nun mit den Waldensern vereinigen; denn es gefiel ihnen ihre reine Lehre und ihr christliches Leben; es mißfiel ihnen aber, daß sie die Wahrheit nicht frei bekannten, ja, um der Verfolgung auszuweichen, dem katholischen Gottesdienst beiwohnten, worüber ihnen Vorstellungen gemacht, die von den Waldensern auch angenommen wurden. Aber ehe die Vereinigung zu Stande kam, wurde es den Feinden verrathen, die Waldenser wurden härter behandelt, ihr Bischof Stephanus zu Wien verbrannt und die andern zerstreut.

Kirchen-Zucht und Gemeinde-Ordnung.

Während der friedlichen Regierung des Königs Wladislaw erbauten sich die Brüder in ihren Gemeinden auf ihren allerheiligsten Glauben und suchten ihre Kirchenzucht und Ordnung immer mehr nach dem Beispiel der ersten Kirche Christi einzurichten. Die Mitglieder der Gemeinden theilten sie in 3 Klassen: 1) in Bekümmerte oder Anfänger, 2) Zunehmende oder Communikanten, und 3) Vollkommnere. Aus diesen wurden die Diener der Gemeinden erwählt, die als Aeltesten das Leben der Gemeindeglieder, Männer unter Männern und Frauen unter Frauen, beobachteten. Von den Lehrern wurde nicht eigentliche Gelehrsamkeit, sondern lebendige Erkenntniß der Wahrheit, echte Gottseligkeit und die Gabe des einfältigen, herzlichen, doch gründlichen Vortrages erfordert. Sie pflegten von unten auf zu dienen. Junge Diener hießen Akoluthen, wohnten bei einem Lehrer und genossen seinen Umgang, übten sich in Handarbeiten, in der Heil. Schrift, in Liedern, im Predigen und Schulunterricht. Selbst bei Tische redeten sie Erbauliches. Diakonen waren Gehülfen der Lehrer. Die Prediger (Presbiteri) arbeiteten im Worte und in der Lehre, als Vorbilder der Heerde. Sie standen unter der Aufsicht der Bischöfe, die aber nur Senioren, Aelteste, hießen, weil seit Jahrhunderten die römischen Bischöfe durch Reichthum und Macht sich großes Ansehen verschafft hatten. Sie hatten nicht mehr Ehre und Einkünfte als andere; wohl aber mehr Sorge und Arbeit, und mußten sich auch von andern Brüdern erinnern, rathen und strafen lassen. Nur bejahrte und bewährte Männer wurden dazu erwählt, sie durften sich, so wie auch die übrigen Lehrer, auf keine Weise selbst melden. Alle 3 Jahre wurde eine General-Synode gehalten, wo alle Lehrer und Deputirten der Gemeinden erschienen und die wichtigsten Angelegenheiten in Ueberlegung nahmen. Niemand durfte neue Lehren oder Ceremonien einführen, oder Bücher ausgeben ohne Erlaubniß der Vorgesetzten. Den Sonntag widmeten die Brüder Gott und seinem Worte, mit vollkommener Ruhe von aller Arbeit. Jährlich feierten sie vier Fast- und Bettage, und zu Verfolgungszeiten noch besondere. In ihren Versammlungen wurde gesungen, gebetet, gepredigt, die heil. Schrift gelesen und erklärt, und die Jugend katechisirt. Bei den Taufen mußten die Pathen nicht nur versprechen, sich mit Treue der Kinder anzunehmen, sondern es auch halten. Vor den ersten Genusse des Heil. Abendmahls erneuerte die Jugend das Taufgelübde und ward eingesegnet. Vor jedem Genuß des Heil. Abendmahls mußte jeder sich von seinem Lehrer prüfen lassen, und wenn er nicht tüchtig erfunden ward, zurückbleiben. Jedes Haus, besonders des Lehrers, sollte eine Hauskirche sein, wo jeder Hausvater Morgens, Mittags und Abends Gottesdienst hielt. Spiele, Tänze u. dergl., aller Müßiggang, Prozesse wurden nicht geduldet, wer verreisete, mußte ein Zeugniß vom Lehrer haben, dem Gebete der Gemeinden sich zu empfehlen. Alle, Reiche und Arme, mußten sich der Gemeinzucht unterwerfen, die nach Matth. 18, 15 gehandhabt wurde. 1) Bei geringeren Fehlern wurde der Fehlende in der Stille erinnert, mit Zuziehung des Predigers oder Aeltesten. Widerspenstigen wurde das Abendmahl versagt, bis sie sich besserten. 2) Schwere Versündigungen wurden öffentlich bestraft. Wer seine Sünde bereuete, ward mit der Hoffnung der Vergebung getröstet, wenn er sich beharrlich bessern und der Gemeinde abbitten würde. 3. Wenn der Sünder hartnäckig war, wurde er gänzlich ausgeschlossen, wobei die versammelte Gemeinde oft viele Thränen vergoß und die Ausschliessung mit lautem Amen bestätigte. Wer sich aufrichtig bekehrte wurde wieder angenommen.

Wachsthum und Verfolgung.

Unter dem König Georg wurde die Verfolgung gegen die Brüder wieder erneuert, indem er befahl, jeden Pikarden, wo man ihn fände, gefangen zu nehmen und willkührlich zu bestrafen. Demnach wurde der Bischof Sambersky mit anderen gefangen gesetzt bis zum Tode des Königs. Aber je mehr die Feinde dieses Fünklein der Wahrheit zu ersticken trachteten, desto mehr verbreitete sich dasselbe und brach in helle Flammen aus, besonders da einige der ansehnlichsten Herren sich in die Gemeinschaft und Seelenpflege der Brüder begaben, und ihnen in ihren Städten, Flecken und Dörfern Kirchen erbauten, so daß 1500 schon 200 Brüderkirchen in Böhmen und Mähren zu finden waren.

Nun wurden sie aber von den gottlosen Hussiten durch schändliche Lügen verfolgt. Sie bestellten einen Menschen, der Leschka (Lügner) hieß und war; dieser mußte vorgeben, er wäre ein Aeltester der Pikarden gewesen, aber von ihnen abgefallen, weil sie in ihren Zusammenkünften Jesum und die Jungfrau Maria rc. lästerten, Unzucht trieben, wie die Adamiten, Mordthaten und Zauberei verübten rc. Diesen Lügner führten sie in allen katholischen Kirchen umher, ließen ihn öffentlich diese Irrthümer abschwören; er bat auch die Leute, sie möchten für ihn, als einen großen Sünder zu Gott bitten und sich vor diesen gottlosen Pikarden in Acht nehmen. Dieses Bekenntniß wurde geschrieben und überall von der Kanzel verlesen. Leschka, in seinem Gewissen bestraft, gestand und bereute am Ende, daß er so oft falsch geschworen und lauter Lügen verbreitet hatte, er bekannte, daß er dazu verleitet worden wäre und keine Pikarden kenne.

Jedoch auch dieser Lügengeist hat im Grunde nicht geschadet, sondern zum Besten gedient, denn Viele kamen heimlich in ihre Versammlungen, um zu sehen, ob es sich also verhalte, und da sie alles anders fanden, hielten sie sich zu ihnen.

Unter dem König Matthias wurden 1488 etliche hundert der Brüder bis in die Moldau verbannt, die erst nach seinem Tode zurückkehren durften.

Strafgerichte Gottes an ihren Feinden.

Im Jahre 1503 wurden sie von falschen Brüdern, die es für Sünde hielten, ein obrigkeitliches Amt zu bekleiden, zu schwören und Kriegsdienste zu thun rc. und sich deßwegen von ihnen trennten, angeklagt, die Brüder wollten das Schwert ergreifen und sich mit Gewalt vertheidigen. Die Brüder aber vertheidigten sich durch eine Apologie vor dem König und widerlegten alle Verleumdung, so daß der König das harte Edikt gegen sie zurücknahm und sie zu einem freundschaftlichen öffentlichen Gespräch mit den Professoren der Academie und dem Consistorium berief. Obgleich sie dabei hinterlistige Nachstellungen befürchteten, so schickten sie doch ihre Aeltesten aus Gehorsam gegen den König dazu, unter herzlichem Gebet aller Gemeinden. Sie gingen wie Schafe zur Schlachtbank mit dem Sinn: Der Herr hat uns das Leben gegeben; der Herr nehme es wieder; wie es ihm gefällt! - Aber der Herr hat sie errettet;, denn an dem Tage, da sie vor dem Consistorio erscheinen sollten, starb der ärgste Feind, der Nestor der Universität plötzlich, wodurch die Anderen so erschreckt wurden, daß sie, nachdem schon beinahe die ganze Stadt, um dieser öffentlichen Unterredung beizuwohnen, versammelt war, dieselbe absagten und die Brüder freundlich entließen.

Die Feinde ruhten aber nicht, sondern baten die Königin, die gerade hoch schwanger war, daß sie den König, der ihr in diesen Umständen nichts abschlagen würde, zu einer neuen Verfolgung der Pikarden bereden möchte. Die Bischöfe entwarfen sogleich ein Mandat, der König willigte ein, ging aber in sein Cabinet, fiel auf seine Kniee und bat Gott mit Thränen, er wolle ihm diese blutige Anschläge nicht zurechnen, noch ihnen, was sie beschlossen, glücklich von Statten gehen lassen. Gott erhörte dieses Gebet und offenbarte an den Feinden durch schreckliche Gerichte sein Mißfallen, und zwar zuerst an der Königin, die sich schon freute, nach ihrem Wochenbette die Pikarden verbrennen, ersäufen und enthaupten zu sehen. Die Geburtsschmerzen überfielen sie, ehe es Zeit war, und da sie nicht gebären konnte und ihr die Frucht aus dem Leibe geschnitten werden mußte, so starb sie, und die Verfolgung mit ihr.

Zwei Jahre später suchten die Bischöfe aber doch ihren Anschlag durchzuführen und den König zu bewegen, ein blutiges Mandat gegen die Brüder ausgehen zu lassen. Gott hat aber auch dieses wieder vereitelt, indem er die Urheber der Grausamkeit aus dem Wege räumte. Denn als der Großkanzler Kolowrat vom Landtage heimkehrte, bei v. Kolditz zu Mittag speiste, und mit großer Freude erzählte, was sie gegen die Brüder beschlossen hätten, sagte v. Kolditz zu seinem Diener: Was sagst Du dazu, Simeon? Dieser antwortete: Es haben noch nicht Alle eingewilliget. Der Kanzler fragte ihn entrüstet: wer denn der wäre, der sich erdreiste, sich allen Ständen des Reiches zu widersetzen? es müßte ein schändlicher Landesverräther sein, der eben das verdiente, was den Pikarden gedroht wäre. Simeon erhob seine Hände gen Himmel und sagte: Da droben ist Einer, wenn der nicht einwilliget, so wird nichts aus Eurem Rath. Voll Zorn antwortete der Kanzler: Du Bösewicht, Du sollst's erfahren; - eilte im Zorn davon, erkrankte unterwegs und starb. Ein Bischof glitt, als er aus dem Wagen stieg, aus, blieb an einem Nagel hängen, so daß ihm die Eingeweide aus dem Leibe gingen, und er auf dem Felde seinen Geist aufgab. Andere Feinde, die in den Blutrath einstimmten, sind auf eine andere schreckliche Weise umgekommen, so daß es zum Sprichwort wurde: Wer seines Lebens müde ist, der taste nur die Pikarden an, so wird er das Jahr nicht überleben. Indessen wurden doch einzelne Brüder immer verfolgt, und hie und da einer gefoltert, verbrannt oder anders getödtet, ihre Lehrer und Seelsorger verjagt, so daß sie ihren Gottesdienst nicht anders als verborgen halten konnten.

Den 24. Sept. 1483 wollten die Feinde die vornehmsten Bürger in Prag, die es mit den Brüdern hielten, des Nachts überfallen und tödten. Da es aber entdeckt wurde, entstand ein Aufruhr, und das Volk plünderte die Rathhäuser und Klöster und tödtete viele Rathsherren und Mönche. Da der König erfuhr, daß die Katholiken dazu Anlaß gegeben hätten, vergab er den Pragern, und bestätigte einen Vergleich zwischen beiden Parteien - sub una und sub utraque - die unter einer und die unter beiden Gestalten das Abendmahl feierten). Aber Feindschaft und Lästerung hat darum nicht aufgehört.

Erneuerte Verfolgungen unter Ferdinand I.

Als 1491 den 18. Jan, das Heil. Abendmahl in der Hussiten-Kirche ad laetam curiam ausgetheilt wurde, kam ein Deutscher von hinten zu einer frommen Frau, die eben aus dem Kelche trank, und stieß ihr das Haupt dermaßen an den Kelch, daß ihr das Blut aus dem Munde floss. Er ward gegriffen und eingezogen, aber bald wieder losgelassen.

Unter mehreren andern, die später verbrannt wurden, war auch eine sehr heldenmüthige Frau, Martha von Porziez; sie antwortete auf dem Rathhause den Richtern und den Priestern im Collegio sehr muthig, und da ihr der Richter sagte, sie sollte das Kleid zum Scheiterhaufen verfertigen, sprach sie: Ich habe bereits Hemd und Mantel fertig, lasset mich nur hinführen, wenn es euch gefällt. Als ihr der Wächter sagte, sie hätte die Sakramente geschmäht, antwortete sie: dem ist nicht also, sondern ich bin verurtheilt, weil ich Priestern zu gefallen nicht bekenne, daß Christus sei mit Haut und Haar, mit Gebein und Nerven zugegen. Darauf rief sie zum Volke: glaubet den Priestern nicht, denn sie sind Heuchler, Lügner, Bauchdiener, Prasser, Ehebrecher und Sodomiter. Dann eilte sie nach dem Scheiterhaufen, stieg hinauf und ließ sich mit freudigem Muthe verbrennen. Den 4. Dec. 1527.

Im Jahre 1528 unter Ferdinand I. wurden 2 deutsche Lutheraner in Prag verbrannt, von welchen einer auf dem Scheiterhaufen sprach: Ich habe an meinem Hochzeittage solche Freude nicht gehabt, als ich heute empfinde. Und als der Scheiterhaufen angezündet wurde, beteten sie für ihre Feinde: „Herr vergieb es dem Könige, den Priestern, den Pragern, denn sie wissen nicht, was sie thun, und ihre Hände sind voll Bluts. Lieben Leute! betet für euren König, daß ihn Gott erleuchte, denn die Bischöfe und Priester verleiten ihn.“

Im Jahre 1535 übergaben die Brüder abermals eine Schutzschrift und ein Glaubensbekenntniss dem König Ferdinand und beschwerten sich unter andern, daß die Priester auf den Kanzeln blutdürstig gegen sie Lärm machten und riefen: Man könne die Pikarden ungestraft ums Leben bringen, man versündige sich dadurch weniger, als wenn man einen Hund todtschlage. Ferdinand versprach Untersuchung, indeß sie wie vorher litten. Als aber Carl V. mit Ferdinand I. und dem Pabst gemeine Sache machte, und die Protestantischen Fürsten in Deutschland überwunden hatte, kam er 1547 mit deutschen und ungarischen Truppen nach Böhmen, nahm Prag ein und die vornehmsten Stände, Ritter und Bürger gefangen, ließ einige davon auspeitschen, andere enthaupten, andere strafte er an Geld oder zog ihre Güter ein. Alle Schuld wurde auf die Brüder geschoben, darum nahm ihnen der König alle ihre Kirchen weg und verbannte sie aus fünf Herrschaften und ihre Zuhörer aus allen seinen Landen. Dadurch wurden viele muthlos gemacht, andere zogen in 3 Haufen nach Polen; der erste, die Leutomischler, bei 500 Seelen mit 60 Wagen, durch Glaz und Oberschlesien, der andere, die Turnower und Brandeiser, 300 Seelen mit 50 Wagen, über das Riesengebirge durch Niederschlesien; der dritte, die übrigen Brandeiser, eben denselben Weg. In Posen, wo sie erst alle zusammen kamen, wurden sie freundlich aufgenommen und beherberget, aber bald von den Bischöfen vertrieben und genöthigt, sich mit Genehmigung des Herzogs Albrecht, nach Preußen zu wenden. Daselbst wurden sie in Königsberg von den Geistlichen scharf examinirt, als Brüder erkannt und aufgenommen. Paul Speratus, der früher die leutomischler Gemeinde besucht hatte, freute sich und bewies ihnen viel Liebe.

Der König Ferdinand ließ auch alle Lehrer der Brüder gefangen nehmen; weswegen sie sich zerstreuten oder verbargen, um des Nachts die Gläubigen besuchen zu können. Drei, J. Augusta, ihr Bischof, und seine Collegen Bileck und Israel fielen den Feinden doch in die Hände. Der letzte entkam aber durch Gottes wunderbare Hilfe aus dem tiefen Prager Schloß-Gefängniß, wanderte durch Preußen und Groß-Polen und verkündigte aller Orten Gottes Wort mit so viel Segen, daß er Viele, auch vom Adel, Woywoden und Castellane gewann, und in wenig Jahren 20 Gemeinden in Groß-Polen stiftete, die sich nach der böhmischen Confession richteten. Augusta, über dessen Gefangennehmung die Feinde sich freuten, wie die Philister über den Simson, weil er der stärkste und berühmteste Lehrer war, und die Calixtiner oft nieder disputirte und zu Schanden machte, wurde drei mal gefoltert, so wie sein Gehilfe Vileck, und mußte 17 Jahre im Gefängnisse sitzen; 1564 endlich nach Ferdinands Tode wurde er losgelassen. Im Jahre 1555 wurden bei 200 ihrer Lehrer aus Böhmen verbannt, die nach Meißen und in die Pfalz kamen und von Phil. Melanchthon trefflich getröstet wurden. Freiherr v. Schanow, der 1544 bei Luthern in Wittenberg war, wurde gefoltert und gemartert. Er biß sich auf der Folter selbst die Zunge ab, um nicht durch die Folter etwa verleitet zu werden, die Wahrheit zu verleugnen.

Stillstand der Verfolgung unter Maximilian und Rudolph.

Um die Ketzer zu vertilgen, berief Ferdinand die Jesuiten und erbaute ihnen ein prächtiges Collegium in Prag und in anderen Städten, die nun das Feuer erst recht aufblasen und unterhalten wollten; aber unter Maximilian und Rudolph konnten sie ihren Zweck nicht erreichen; Maximilian war friedfertig, und sein Lehrer und Hofprediger, Phauser, war der evangelischen Lehre ergeben, weswegen ihn Ferdinand einmal erstechen wollte. Maximilian pflegte zu sagen: „Wer über der Menschen Gewissen herrscht, setzt sich auf Gottes Thron.“ Als er einmal seinen Arzt, Crato, den er sehr liebte, als einen frommen Mann, fragte, welche Sekte der apostolischen Einfalt wohl am nächsten wäre, und Crato antwortete; er meine, die Brüder, so sprach der Kaiser: auch ich denke also. Deswegen rieth Crato den Brüdern, dem Kaiser ihre deutschen Lieder, die sie 1566 drucken ließen, zu dediciren, welches auch geschah. Maximilian hätte darauf gewiß das Reformationswerk mehr befördert, wenn er vor denen, die der Könige Scepter und Hände zu binden pflegen, dazu hätte kommen können. Denn um dieselbe Zeit vermochte der Reichskanzler von Neuhaus durch seine unverschämte Zudringlichkeit so viel über den guten Kaiser, daß er ein neues Mandat gegen die Brüder unterzeichnete. Der Herr im Himmel aber hat es nicht unterschrieben, sondern vernichtet, damit der gute Fürst seine Hände nicht mit unschuldigem Blut befleckte; denn als der Kanzler mit diesem erpreßten Mandat nach Hause reiste und über die Donaubrücke fuhr, brach ein Joch, und Pferde und Wagen stürzten in die Donau, und er und alle die Seinigen ertranken, und das Kästchen, worin der blutige Befehl war, mit, so daß es kein Mensch mehr zu Gesicht bekam, nur 6 Reiter und ein Edelknabe entkamen, welcher letztere hernach die Brüder-Religion annahm und bis in sein hohes Alter ein lebendiger Zeuge dieses Gerichtes Gottes war.

Zehn Jahre darauf, 1575, verwilligte Maximilian, so sehr die Jesuiten und falschen Hussiten dagegen waren, den Landständen sub utraque, eine gemeinschaftliche Confession zu entwerfen, als Kennzeichen des Friedens, die dann auch so bescheidentlich und vorsichtig abgefaßt wurde, daß alle Parteien, Brüder, Reformirte und Lutheraner, sie unterschrieben, weil alle Subtilitäten und streitige Punkte weggelassen und nur die vornehmsten Artikel kurz, deutlich und aufrichtig ausgedrückt waren. Die Wittenberger Theologen, denen sie zur Censur zugeschickt wurde, billigten und rühmten sie sehr.

Im Jahre 1576 starb Maximilian, und sein Sohn Rudolph trat in seines Vaters Fußstapfen bis 1602, wo die Jesuiten durch heimliche Ränke den Kaiser bewogen haben, ein von ihnen aufgesetztes Mandat gegen die Brüder zu unterzeichnen und zu publiciren, jedoch ohne andern Erfolg, als daß den Brüdern einige Kirchen eine Zeit lang verschlossen wurden, denn ihre Patroni protestirten und bezeugten, daß dieß Mandat sie nichts angehe, weil sie keine solche Leute wären, wie da die Pikarden beschrieben seien; und der friedfertige Kaiser achtete es wenig, daß dieser sein Befehl nicht befolgt wurde. Auch hat der Kaiser an demselben Tage, als die Nachricht einlief, daß Stuhlweißenburg von den Türken eingenommen worden, gesagt: Ich habe mich einer solchen traurigen Begebenheit gleich versehen, da ich mich heute des göttlichen Regiments über die Gewissen angemaßet habe. Auch hat er nachher, 1609, ihnen das Unterconsistorium und die hohe Schule zu reformiren übergeben und durch einen Majestätsbrief bestätiget, daß ihnen ihre Kirchen und Schulen wie vorhin gelassen werden sollten und daß sie neue errichten durften. Er verbot ernstlich, jemand um der Religion willen zu kränken, es sei nun auf seinen oder anderer Herren Gütern. Er verpflichtete sogar seine Nachfolger dazu. Er erlaubte ihnen Beschützer oder Defensores dieser Freiheiten. Demnach wählten sie 12 Männer (3 aus jeder Partei) die alle geistlichen Sachen verwalten und einhellig die Kirche nach Gottes Wort regieren sollten; den Brüdern wurde ihre besondere Kirchenordnung und die Bethlehemskirche in Prag, als den ächten hussischen Nachfolgern, überlassen, worüber sich denn alle Frommen freueten und Gott lobeten.

Die Verfolgung erneuert sich wieder.

So blühte die reinere Religion, und der falsche Hussitismus erstarb allmählig; aber leider! fing bei dieser Religionsfreiheit, wie gewöhnlich, Uebermuth und Fleischesfreiheit überhand und die Kirchenzucht abzunehmen an. Deswegen gefiel es den ächten Frommen nicht, und sie prophezeiheten nichts Gutes, wie denn auch daß Ferdinandsche Ungewitter bald wieder ausbrach, und erfüllt wurde: Im Frieden ist meine Bitterkeit am bittersten. Jer. 38, 17. Denn unter Ferdinand II., der den Böhmen als König aufgedrungen wurde, fing man wieder an, ihre Freiheiten zu unterdrücken, ihnen ihre Kirchen zu schließen und wegzunehmen und sie ihrer Religion halber zu plagen. Es wurde ihnen verboten, ein Buch ohne Censur herauszugeben, den Feinden aber alle Schmähungen und Pasquille zu drucken erlaubt. Nachdem 1620 die Böhmische Armee auf dem weißen Berge geschlagen und Prag eingenommen worden war, fing die Verfolgung der böhmischen Kirchen wieder so an, daß sie ihnen die gänzliche Zerstörung brachte, und zwar nicht durch Gewalt und Marter, sondern auf eine andere Weise sie so lange zu plagen, bis sie ermüden und in den Schooß der röm. Kirche zurückkehren würden. Sie machten den Anfang mit den Wiedertäufern, die 46 Collegien oder Anstalten hatten, in deren jedem 2-300, ja auch so viel tausend Seelen wohnten, die ihre eigene Kirchenzucht hatten, ihre Güter gemeinschaftlich besaßen, niemand beschwerlich fielen, sondern allgemein sehr nützlich waren. Diese verbannten sie 1622, gerade im Herbst, wo sie Haus, Acker, Weinberge verlassen mußten, und ihre Kinder und schwächlichen Frauen auf etlichen 100 Wagen mit sich führten, nach Ungarn und Siebenbürgen auswanderten und dadurch vielen Leiden entgingen, die nachher die Brüder betroffen haben.

Ein böser Mensch, von den Jesuiten erzogen, der aus einem Schlächterjungen sich bis in den Grafenstand erschwungen hat, gab nach der Schlacht den listigen Rath, die Brüder noch nicht zu verbannen, sie wären noch zu mächtig und zu reich, daß sie die Verbannung also leicht ertragen und nur das Land entblößen würden; man müsse sie zuvor um Alles bringen und sie aussaugen, dann würde man mit ihnen leichter fertig werden. Sobald Prag sich ergeben hatte, erlaubte man daher den Soldaten, die vornehmen Herren und reichsten Bürger zu plündern, und zwar zur Nachtzeit, wo sie Millionen erbeuteten, weil vorher alle ihre Schätze nach Prag flüchteten. Das nahmen aber nur die Ansehnlichsten der Feinde für sich; den andern Räubern überließ man das platte Land, wo dann Dörfer, Flecken, Städte, Kirchen und Schlösser, nicht ohne Mordthaten und Brand, rein ausgeplündert wurden. Hierauf wurden ihnen die Soldaten in die Häuser gelegt, um sie vollends aufzufressen. Und auf andere Art und Weise suchte man alles von ihnen zu erpressen und sie so zu bedrücken, daß es kaum auszuhalten war. Man ließ falsches Geld, Kupfer mit Silber-Schaum überzogen, schlagen und verbreitete es unter den Böhmen; unvermuthet aber wurde die schlechte Münze wieder verrufen, wodurch sie in unbeschreiblichen Schaden und Noth versetzt wurden. Von dem Spott und Hohn und von den falschen Versprechungen und Betheuerungen, womit man sie zu verstricken suchte, will ich nichts sagen; aber dadurch sind viele Schwache zum Abfall gebracht worden, und wer standhaft war, gegen den wurde die Freundlichkeit in Grausamkeit verwandelt, und er wurde mit Verbannen bedroht, oder mit Schlägen. Gefängniß und andern Mißhandlungen gestraft. Der Name Inquisition wurde mit Reformation verwechselt. - Es ist aber unmöglich, alle die Schändlichkeiten und Grausamkeiten zu erzählen, womit man die Gläubigen zu Verzweiflung und zum Abfall zu bringen suchte. Es ist schrecklich zu lesen, wie man mit den Geistlichen und Lehrern umging; einige haben sie erstochen und erschossen; andere mit Fäusten und Prügeln geschlagen oder ihnen die Augen herausgestochen; diese bald auf glühenden Kohlen, bald auf Eisschollen gelegt; jene aufgehängt und mit unterlegtem Feuer todt gebraten, oder in Stücken zerhauen, oder den Mund mit Pulver gefüllt, angezündet und die Kinnladen zersprengt; andere auf ein paar Stunden mit der Zunge an den Galgen angenagelt.

Siebenundzwanzig adelige Märtyrer in Prag.

Nun kam die Reihe an die Vornehmen, Land-Stände und Ritter: 27 Defensoren und Directoren der Evangelischen; es waren alle fromme, weise, erleuchtete Männer, die Lichter und Stützen des Vaterlandes. Diese wurden an einem Tage, den 21. Jun. 1621, von Morgens 6 Uhr bis Nachmittags 2 Uhr mit einigen Bürgerlichen hingerichtet. Nachdem man lauter Gnade und Vergessenheit angekündigt hatte, um sie recht sicher zu machen, und die herbeizulocken, die verborgen waren, wurden sie ganz unvermuthet den 20. Febr. 1621 in einer Stunde, zur Abendessens-Zeit in ihren Häusern überfallen, ergriffen und ins Gefängniß geworfen. Andere, die man nicht finden konnte, wurden geächtet, ihre Namen an Galgen geschlagen, ihre Güter confiscirt und auch über ihre Erben das Urtheil gesprochen. Durch zwei vom Glauben abgefallene leichtsinnige Juristen wurden die Gefangenen examinirt und ihre Seelen mit tausend unnützen Fragen gequält, so daß der Graf Schlick entrüstet seine Kleider aufriß, die bloße Brust hinzeigte und sprach: Zerreißet diesen Leib in tausend Stücke, durchwühlet alle Eingeweide, ihr werdet doch nichts finden, als was wir in unserer Apologie bekannt haben - des Herrn Wille geschehe! Da sie nun alle standhaft waren, schritt man zur Execution; den 13. Juny versammelten sich die Richter auf dem Prager Schlosse und ließen die Gefangenen nicht ohne auffallende Zeremonien vorführen, um ihnen das Urtheil zu verlesen. Zwei, v. Lobkowitz und v. Rzitschan, sollten enthauptet, aber aus Kaiserlicher Gnade, in ewiger Gefangenschaft bleiben; dem Grafen Schlick und dem W. v. Budowa sollte die rechte Hand abgehauen, der Leib geviertheilt und auf die Kreuzwege aufgehängt werden - aus Gnaden aber wurden sie enthauptet, und Haupt und Hände auf dem Thurm der Prager Brücke, so hoch wie möglich, aufgesteckt. Dem D. Tschernin sollten nach dem Recht die Finger und das Haupt abgehauen werden, aus Gnaden aber wurden ihm die Finger gelassen. W. Hoslauer sollte nach dem Recht aus dem Lande verbannt, aus Gnaden aber in die Festung gesteckt werden. Mehrere Prager Bürger wurden enthauptet, zwei Bürgermeister, von Kuttenberg und Satz, desgleichen, und ihre Häupter in ihren Städten auf den Pranger gesteckt. Dem J. Jessenius, Rektor der Universität zu Prag, sollte lebend die Zunge ausgeschnitten, sein Leib geviertheilt und auf Scheidewegen aufgesteckt werden, - aber aus kaiserlicher Gnade wurde ihm erst die Zunge ausgeschnitten, das Haupt abgeschlagen und dann erst der Leib geviertheilt, und die Theile an dem Wege und Haupt und Zunge aber auf der Brücke ausgesteckt.

Sobald nun allen ihr Urtheil bekannt gemacht war, strömten die Jesuiten und Capuziner wie die Fliegen herbei, um die Verurtheilten zum Abfall und zur Verläugnung der Wahrheit zu verleiten. Der Herr aber stärkte sie, daß alle diese unglücklichen Bemühungen fruchtlos und sie standhaft blieben. Dann wurden evangelische Geistliche gerufen, nur nicht die von der Bruder-Kirche, obwohl die meisten Gefangenen zu dieser Gemeinschaft gehörten. Die meisten aber nahmen das Abendmahl von den evangelischen Geistlichen. Die ganze Nacht wurde mit Gebeten, erbaulichen Gesprächen und herzlichen Ermunterungen zugebracht. Sie freuten sich, daß Gott sie vor anderen zur herrlichen Märtyrer-Krone erwählet hätte. Als die Adeligen vom Schlosse nach dem Altstädter Rathhaus, wo das Blutgerüst aufgerichtet war, geführt wurden, liefen die bürgerlichen Gefangenen an die Fenster, und bewillkommneten sie mit Gesang des Ps. 44,12.: „du läßt uns auffressen wie Schaafe,“ und andere erbauliche Lieder, so daß eine Menge Volks herbeilief und mit vielen Thränen zuhörte. Sobald der Tag anbrach, wuschen sie sich alte und zogen neue Wäsche und neue Kleider an, als wenn sie zur Hochzeit gehen wollten. Sie schnitten selbst die Halskragen von den Unterkleidern ab, damit sie auf der Blutbühne daran nichts mehr zu thun hätten. Als die Sonne aufging, erschien ein herrlicher Regenbogen an dem heitersten Himmel, den ganz Prag erblickte. Die Märtyrer freuten sich, fielen auf die Kniee, priesen den Herrn, und trösteten sich unter einander. Einer sprach: Sehet, Brüder! Gott zeiget uns den Weg zum Himmel und bekennt sich zu uns. Wir glauben, ja wir glauben, daß wir heute gerades Wegs durch Christum in den Himmel kommen; denn er ist der Weg/ die Wahrheit und das Leben. Als aber dieses Himmelszeichen vergangen war, erschallte ein anderes vom Prager Schlosse: der Knall einer großen Kanone, als das Signal zur Marter. So wie die Streiter Christi dies gehört hatten, umarmten und grüßten sie sich unter einander, indem sie einander Gottes Gnade, Beistand und Kraft zum Treusein bis in den Tod von Herzen wünschten. Richter und Rathsherren hatten sich schon im Namen des Kaisers aus der Blutbühne, die von Reitern, Soldaten und Fußgängern umgeben war, auf Stühle gesetzt; Markt, Straßen und Häuser waren mit einer unzählbaren Menge Zuschauer erfüllt. Die Märtyrer wurden nun einer nach dem andern gerufen, und jeder nahm von dem andern auf so bewunderungswürdige Weise Abschied, daß wie der Augenzeuge, ihr Prediger Joh. Rosazius berichtet, uns das Herz im Leibe vor Freude hüpfte. Die Abgehenden riefen den Zurückbleibenden zu: „Allerliebsten Freunde, Gott segne und behüte Euch! Er gebe Euch den Trost seines heiligen Geistes, Geduld und tapfern Muth, damit ihr das, was ihr zuvor mit Herz, Mund und Hand bekannt habt, nun mit einem rühmlichen Tod bestätiget. Ich gehe vor Euch hin, damit ich vor Euch die Herrlichkeit Gottes und Jesu Christi zu sehn bekomme; ihr werdet mir bald folgen, damit wir das Angesicht unseres Gottes mit einander schauen. Sehet, in dieser Stunde nimmt alle Bitterkeit dieses Lebens ein Ende und die frohe Ewigkeit bricht herein.“ Die Zurückbleibenden antworteten: „Gott segne dir diesen Weg, um des unschuldigen Todes Jesu willen, und lasse dich aus diesem Jammerthal in das himmlische Vaterland glücklich übergehen. Der Herr Jesus sende dir seine heiligen Engel entgegen, daß sie deine Seele in die ewige Seligkeit begleiten. Gehe vor uns hin, liebster Bruder! in unseres Vaters Haus, wir werden bald nachkommen und heute noch werden wir durch Christum, an den wir glaubten, in der himmlischen Freude einander wiedersehen.“ Indem sie zum Richtplatze hineilten, bewiesen sie solche Freudigkeit und trostvollen Muth durch Bibelworte und ihre Geberden, daß selbst die Richter und Trabanten Thränen vergossen. Von Todesfurcht war nicht das Geringste an ihnen zu bemerken; sie waren so heitern Gemüths, beteten so eifrig und inbrünstig, daß ihre gegenwärtigen Prediger sich nicht genug darüber verwundern konnten. Wenn die Prediger dann zurückkamen und den andern erzählten, wie die Hingerichteten gestorben, so riefen sie aus: Gelobet sei der Name des Herrn! Heiliger Gott, gieb uns auch diesen Trost deines guten Geistes, und laß uns eben so muthig und freudig sterben.

Der Graf Schlick, ein vorzüglich begabter Mann, von allen Adeligen geachtet und geliebt, Statthalter des Könige Friedrich und Defensor der Brüderkirche, war der erste, der zum Blutgerüst geführt wurde. Als er hörte, daß sein Leib geviertheilt und am Scheidewege aufgehängt werden sollte, sprach er: levis est jactura sepulchri, d. i. unbegraben bleiben ist ein geringer Verlust. Als ihm Rosazius Muth einsprach, dankte er und versicherte, daß er durch Gnade gar keine Furcht des Todes habe und ganz bereit sei, für die Wahrheit zu sterben. Als ihm die Jesuiten zusetzten, sich zu besinnen, antwortete er: Lasset mich nun doch zufrieden! Auf dem Blutgerüste blickte er die helle Sonne an und sprach: Sonne der Gerechtigkeit, Christus! gieb, daß ich durch die Finsterniß des Todes zu deinem ewigen Lichte durchdringe! Darauf ging er auf dem Blutgerüste mit solcher Würde und Heiterkeit ein paar Mal hin und her, daß auch die Angesehensten der Zuschauer sich der Thränen nicht enthalten konnten; betend kniete er nieder und empfing den Schwertstreich. Darauf wurde ihm die rechte Hand abgehauen und mit dem Haupte auf dem Brückenthurm aufgesteckt.

Wenzl. v. Budowa, ein 74 jähriger Greis, unter Rudolph kaiserlicher Rath, Defensor des Consistorii und der Universität rc., die Zierde des Vaterlandes, ein heller Stern der Kirche Gottes, Vater seiner Unterthanen, Gott und Menschen wohlgefällig; er kam selbst in die Stadt zurück, und auf die Frage seines Sekretairs, warum er nicht zu seiner Rettung weggeblieben sei? antwortete er: Mein Gewissen ließ es nur nicht zu, die gute Sache zu verlassen. Vielleicht will der Herr, daß ich sie mit meinem Blute versiegeln soll! Freudig von seinem Stuhle aufstehend, fügte er hinzu: Hier bin ich man Gott, thue mit mir, deinem Knechte, was dir gefällt. Als ihm derselbe sagte, man sage, er sei vor Traurigkeit gestorben, lächelte er und sprach: Ich, vor Traurigkeit gestorben? Nie habe ich eine größere Freude empfunden, als eben jetzt. Siehe da - mit der Hand auf die Bibel weisend - dies mein Paradies hat mir noch nie so süße Früchte gewährt, als jetzt. Ich lebe und werde leben, so lange es mein Gott will, und Niemand wird je den Tag sehen, an welchem man wird sagen können: Budowa ist vor Gram gestorben.“

Zu den Richtern sagte er nach seiner Verurtheilung: Euch hat lange nach unserem Blute gedurstet, so trinket mm unser Blut, wisset aber auch, daß Gott, für dessen Sache wir leiden, unser Blut nicht wird ungerächt lassen. Als er auf das Blutgerüst ging, sprach er zu seinem Diener: Siehe da, weil ich mit dem Rocke der Gerechtigkeit bekleidet bin, gehe ich hin, daß ich mich vor Gottes Angesicht, auf den ich vertraue, darstelle. Die Kapuziner, die ihn bekehren wollten, fertigte er trefflich ab; unter andern, da sie ihm mit der unfehlbaren Kirche kamen: Ich kenne die apokalyptische Bestie, die vom Blute der Heiligen roth ist, welches sie trinkt, wie auch jetzt das meine und meiner Brüder; und zu den Jesuiten sagte er: Ihr wollt meine Seele retten? Wollte Gott ihr wäret eures Heils so gewiß, als ich. Lob und Dank sei Gott, der mich in dem Blute des Lammes durch seinen Geist meiner Seligkeit versichert hat! Ich weiß, an wen ich glaube. Ich weiß, daß mir beigelegt ist die Krone der Gerechtigkeit. Da sie ihm einwendeten: das sage Paulus nur von sich, antwortete er: Es ist nicht wahr, denn er setzt hinzu: nicht allein aber nur, sondern allen, die seine Erscheinung lieb haben. 2. Timotheus 4, 8. Hier verstummten die Betrüger Sie kamen mit einer andern Schriftstelle (Pred. 9,6), von der sie nicht wußten, wo sie steht. Beschämt mußten sie verstummen und er wies sie ab mit dem Hebe dich rc. - Bei seinem Tode standen sie nicht anders, als wie man den bösen Geist zu malen pflegt, wenn er einen bußfertigen Sünder verlassen muß. Er aber bestieg mit Heiterkeit die Bühne, entblößte sein Haupt, und sagte: Sehet, ihr meine grauen Haare, welche Ehre euch widerfährt, daß ihr mit der Märtyrerkrone geziert werdet. Darauf hielt er betend für die Kirche, für das Vaterland und die Feinde, sein ehrwürdiges Haupt zum Abschlagen hin, welches dann auf dem Thurm zur Schau aufgesteckt wurde

Der Ritter Kaplirz, 86 Jahre alt, der gar nicht mehr gehen konnte, sondern geführt werden mußte, und den man überreden wollte, zu bitten, daß ihm die Todesstrafe in ewige Gefangenschaft verändert werden möchte, sagte: Und wenn sie es mir von freien Stücken antrügen, so wollte ich nicht, denn ich krummer gebückter Greis bin meines Lebens satt; ich kann dasselbe in Freiheit kaum mehr ertragen, wie sollte es mir im Gefängniß lieb sein? Bewahre mich Gott, daß ich mich von der so seligen und heiligen Gesellschaft der Märtyrer sollte trennen lassen. Nachdem er das Abendmahl genossen hatte, sprach er: Nun habe ich Frieden mit Gott, und fürchte mich vor keinem Menschen. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Theil, Ps. 73,26. Als er zum Tode gerufen wurde, sprach er: In Gottes Namen, ich habe schon lange genug gewartet. Sein Diener half ihm auf und er ging ganz langsam und betend hin, angekommen auf der Blutbühne, konnte er kaum niederknien, weil er ganz krumm und gebückt war; doch bat er den Scharfrichter, gleich zuzuhauen, sobald er ihn würde knieen sehen, damit er vor Schwäche nicht umsinke. Der Scharfrichter aber, da er ihn so krumm und gebückt sah, wollte nicht hauen. Darum sprach der Prediger Rosazius: Gn. Herr, da sie ihre Seele Christo empfohlen, so bieten sie nun auch ihr graues Haupt Gott, dem Herrn, freudig dar und richten sie es himmelwärts. Im Namen Gottes, antwortete er, und hob sein altes Haupt empor, so viel ihm möglich war und sprach: Herr Jesu in deine Hände empfehle ich meinen Geist. - Der Schwertschlag geschah, sein Leib fiel zur Erde und sein Haupt wurde zur Schau am Thore aufgesteckt.

Otto v. Loß, Defensor und Direktor des Königreichs, als man ihm sein Urtheil, daß man ihn viertheilen wolle, sagte: Nun wohlan, lieber Kaiser, befestige du deinen Thron mit unserm Blute - sendet einen Theil meines Leibes nach Rom, den andern nach Spanien, einen dritten nach der Türkei oder über's Meer; ich vertraue meinem Heiland, daß er am jüngsten Tage alles wieder zusammenbringen und mich mit meiner Haut umgeben werde, daß ich ihn mit diesen Augen sehe - und ewig frohlocken werde. Als der Prediger Rosazius kam, ihn zum Tode zu begleiten, sprang er entzückt vom Stuhle auf, und sprach: o wie freue ich mich, daß ich euch sehe, Mann Gottes! und euch erzählen kann, was mir begegnet ist. Als ich ängstlich wurde, daß ich keinen meiner Seelsorger hätte, der mir das Abendmahl reichen könnte, und es bereute, daß ich es nicht von euch genommen habe, (weil er zur Bruderkirche gehörte), da schlummerte ich ein und der Herr erschien mir im Traume und sprach: laß dir an meiner Gnade genügen, denn ich reinige dich mit meinem Blute. Zugleich ließ er einen Tropfen Bluts auf mein Herz fallen, ich wachte und sprang auf, und dankte dem Herrn. Nun weiß ich, was das ist: „Glaube, so hast du gegessen.“ Nun will ich mit Freuden sterben. Freudig stieg er auch aufs Blutgerüst, fiel anbetend aufs Angesicht, richtete sich nieder auf, zog seine Kleider aus, kniete nieder und rief: Herr Jesu! nimm meine Seele auf in deine Herrlichkeit! und empfing den Schwertschlag.

B. v. Michalowitz, ein hochbegnadigter, ungemein eifriger Mann, als er zum Tode verurtheilt wurde, sagte, das Urtheil sei ihm viel lieber, als wenn ihm das Leben, alle seine, und noch andere Güter dazu geschenkt würden. Der Schmerz des Todes ist kurz, aber die Freude, die ihm folgt, währet ewig. Er dürstete nach der Marter, denn als Herr v. Bilz vor ihm zum Tode gerufen wurde, sprach er: Warum wird Herr v. B. mir im Tode vorgezogen, dem ich im Leben immer vorangegangen bin? Worauf er aber aufstand, ihn umarmte, küßte und sprach: Gehe, lieber Bruder, vorhin, da es Gott so haben will, ich werde dir folgen. Da aber noch drei andere vor ihm gerufen wurden, sprach er - als ob er besorgte, man möchte ihn vergessen, ganz traurig: Mein Gott! was geschieht doch? Du weißt es ja, daß ich mich dir ganz ergeben habe. Ach, verachte doch deinen Knecht nicht, eile mich zu erretten. Als nun die Reihe an ihn kam, und der Richter erschien, ihn zu rufen, ging er ihm entgegen und sprach: Mein Gott, dir sei Lob, daß ich jetzt von der Welt genommen werde, damit ich bei Christo sei!

Eben so freudig, voll Glaubensmuth und lebendiger Hoffnung, gingen auch die anderen alle dem Märtyrertode entgegen. -

Verbannung aller Evangelischen aus Böhmen.

Bald darauf wurden alle evangelischen Landstände aller ihrer Güter beraubt; man nahm alle ihre Schlösser, Städte, Flecken, Dörfer, Hofe weg, so daß einige bei anderen aus ihren eigenen Gütern zur Miethe wohnen, andere anderswo ihren Aufenthalt suchen, ja sogar bei denen, die ihnen ihre Güter geraubt hatten, in Dienst treten mussten. Manchen hat man kaum die Kleider, in denen sie gingen, gelassen.

Darauf wurden 18 Prager und viele andere Geistliche der Böhmischen Brüder aus Prag und aus allen K. Landen auf ewig verbannt und ihre Kirchen den Jesuiten übergeben, Welch ein Jammer das für die Gemeinden war, kann man sich denken. Da sie nun die Kirchen der deutschen Lutheraner besuchten, so wurden auch deren Prediger entsetzt, die dann Prag verließen, begleitet von großen Haufen Volks, denen sie hernach auf dem Felde, unter Heulen und Weinen aller Anwesenden, daß es weit und breit gehört wurde, eine Abschiedspredigt hielten.

Der Reformations-Commissar Michna ritt mit einem Haufen Reiter von Stadt zu Stadt, drang in die Kirchen ein und schlug z. B. dem Dechant Kaupilius zu Slany die Bibel, als er grade das Evangelium las, mit bloßem Degen aus der Hand und hieß ihn schweigen, und da dieser den Herrn Jesum, anrief, spottete er über Jesum und sagte: wir haben den Kaiser zu unserm Herrn. Das erschrockene Volk weinte laut und bat für ihren Lehrer; aber er wurde verbannt und starb im Elend. Kurz vor seinem Tode träumte er: als läse er in einem Büchlein, mit goldenen Buchstaben: Justum est, ut justi mactentur et tandem coronentur, d. i. Es ist billig, daß die Gerechten getödtet und darnach gekrönt werden. Statt der vertriebenen frommen Prediger wurden die allerverruchtesten Pfaffen angestellt, so daß es schändlich zu erzählen ist. Man berief, weil es auf einmal an so vielen nöthigen Miethlingen fehlte, aus Polen Mönche, faule Bäuche und unnütze Lasten, die alle Laster sich ohne Schaam erlaubten, Laster, die unter Christen nicht genannt werden sollen; darum genug davon.

Im Jahre 1623 wurde zu Kuttenberg, wo seit 100 Jahren die reine Lehre blühte, auf Anstiften der Jesuiten 21 böhmischen Predigern befohlen, vor Sonnenaufgang aus der Stadt und in 8 Tagen aus dem Lande zu ziehen. Von etlichen hundert Bürgern begleitet, predigten sie ihnen noch auf dem Felde über Joh. 16, 2, und ermahnten sie zur Standhaftigkeit. Ihr Singen und Weinen erscholl weit umher. Durch ein Kaiserliches Edict wurden 1624 vollends alle Geistliche sub utraque aus dem ganzen Königreiche auf ewig verbannt. Dadurch entstand eine gänzliche Zerstreuung; indem sich einige in die benachbarten Provinzen begaben, andere in Höhlen und Klüften sich verbargen, die dann ihre Zuhörer entweder heimlich besuchten, oder sie zu sich ins Gebirge, in die Wälder und Höhlen kommen ließen, und allda mit Trost, Ermahnung und Austheilung der Sakramente stärkten. Als dieses die Feinde erfahren haben, erschien ein neues Mandat, 1625, wodurch den Hehlern Strafe und den Verräthern Belohnung versprochen wurde - 50 Silberlinge für Entdeckung eines Dieners Christi, also mehr als Judas für den Meister bekommen hat. So sind die Diener Christi aus ganz Böhmen und Mähren weggeschafft worden und dagegen blinde Leiter den Sehenden zu Wegweisern gegeben worden.

Als nun allen Evangelischen alle Religionsübung und Gerichtsbarkeit untersagt war, da alle ihre Lehrer schon verbannt waren, widersetzte sich Carl von Zerotin, und beschwerte sich bei dem Kaiser selbst, sagend, daß er ohne Gottesdienst nicht sein könne; ging dann vom Kaiser hinweg und unterhielt nicht nur seinen Hofprediger öffentlich, sondern auch die Seniores der Brüder, Lanetius und Erastus und andere heimlich in Klüften, als ein frommer Abdias; ließ seine Unterthanen und auch andere von allerlei Stand und Winde ohne alle Menschenfurcht zu seinem Gottesdienst kommen, worin ihm noch etliche nachfolgten, bis sie selbst verbannt wurden.

Endlich wurden sogar alle nicht katholischen Haus- und Schullehrer abgeschafft, ja 1625 befahl der Kaiser, gar keine andere Secte als Katholische im Lande zu dulden. Nun wußten die Evangelischen nicht mehr, wohin sie sich wenden konnten, als zu Dem, der im Himmel wohnt, und darum hielten sie an mit Seufzen und Wehklagen zu Gott, daß er Hilfe schaffen möge. Da sind nun freilich Viele abgefallen aus Menschenfurcht oder Kreuzesflucht. Das Toben und Wüthen der Verfolger war in Gottes Hand die Wurfschaufel, womit der Herr die Tenne seiner Kirche fegte, um die Spreu vom Weizen und die Schlacken vom Golde zu sondern, so daß offenbar wurde, wer Christus im Herzen hatte und wer nur Heuchler war. Der Herr hat sich aber doch einen Samen behalten, womit der Acker der böhmischen Kirche wieder besäet werden konnte und eine reiche Ernte gab. Denn es sind bei 12,000 Seelen (Roos sagt: der größte Theil des Adels und 30000 Familien) aus ihrem Vaterlande gegangen und haben Alles verlassen, um ihren Glauben und ihr Gewissen zu retten. 1630 wurden blos vom Freiherrn- und Ritterstande 185 Familien gezählt, die Böhmen verließen, und wo in jeder Familie 1 bis 50 Personen waren. So ist auch ein nicht geringer Theil der Diener Gottes übrig geblieben. 1622 zählte man in Böhmen und Mähren 200 Prediger der Brüder-Kirche am Leben, wovon 1632 noch 96 übrig waren; die andern hat in den letzten 10 Jahren theils das Schwert, theils die Pest, theils Schrecken, Kälte, Hunger und Gefangenschaft der Kirche entrissen. Von Bürgern und Handwerkern sind beinahe aus allen Städten und Flicken einige aus dem Lande gegangen; auch von den Bauersleuten sind nicht wenige in fremde Länder gezogen. Größtentheils ließen sich die Flüchtigen im Gebiete des Churfürsten von Sachsen nieder, in Meißen, in der Lausitz und im Vogtlande, auch bei Culmbach und Baireuth; ein Theil wandte sich nach der Mark Brandenburg, auch nach Holland. In Polen wurden über tausend von den Grafen von Lissa und Belz aufgenommen, menschenfreundlich verpflegt und beschützt. Auch in Thorn in Preußen fanden einige sichern Aufenthalt, denen der Fürst Christoph von Radzivil sich sehr freigebig erwiesen hat. In Ungarn hat der Fürst Rakotzi in seinen an Mähren stoßenden Gütern nicht wenig Vertriebenen Sicherheit verschafft. Selbst in Schlesien, welches noch dem Kaiser gehörte, stärkte Gott das Herz des Herzogs von Brieg, daß er Gott mehr als Menschen fürchtete, und die Flüchtigen aufnahm, daß sie Jes. 16, 3 - 5 auf ihn anwandten.

Von Amos Comenius ist noch zu bemerken, daß er, als 1624 alle evangel. Prediger des Landes verwiesen wurden, noch eine Zeit lang auf den Gütern eines Barons in den böhmischen Gebirgen verborgen blieb und seine verlassene Gemeinde besuchte, bis 1627 der ganze Adel Böhmen verlassen mußte. Da zog er mit einem Theil seiner Gemeinde nach Polen; auf dem Grenzgebirge wendete er wehmuthsvoll sein Angesicht noch einmal nach Böhmen, fiel mit Allen auf die Kniee nieder und betete unter vielen Thränen zu Gott, daß er doch mit seinem Wort nicht ganz aus Böhmen und Mähren weichen, sondern sich noch einen Samen erhalten wolle. Er kam nach Lissa, wurde 1632 auf der Synode zum Bischof der zerstreuten Brüder geweiht, kam 1656 nach Frankfurt a. O. und nach Amsterdam. Auf seinen vielen Reisen suchte er allenthalben die unterdrückte Brüderkirche zu empfehlen und beklagte sich sehr, daß sie im westfälischen Frieden ganz vergessen worden, und, obwohl bei ihr das Licht des Evangeliums zuerst angezündet und auf den Leuchter gesteckt worden, sie nicht nur von den Feinden verfolgt und verjagt, sondern selbst von den Ihrigen verlassen werde. Darum, sagte er: weine ich so, und meine Augen fließen mit Wasser, daß der Tröster, der meine Seele erquicken soll, fern von mir ist. - Aber du Herr, der du ewiglich bleibest und dein Thron für und für, warum willst du uns so gar vergessen und verlassen? Bringe uns, Herr, wieder zu Dir, daß wir wieder heim kommen. Erneure unsere Tage wie vor Alters!“

Der trostloseste Zustand der zerstreuten und verborgenen böhmischen Kirche.

Die böhmische Kirche ist von Anfang an immer gedrückt, aber nie unterdrückt worden. Dieses ist ja nach der weisen Vorsehung Gottes von jeher das Schicksal der christlichen Kirche gewesen; damit sie durch Verfolgung in sich selbst mehr geläutert und geprüft, und durch ihre Zerstreuung mehr ausgebreitet werde. Sie leidet, und kommt fort - sie wird getödtet, und lebt doch; ja sie wächst durch Schläge. Das heilbringende Evangelium wurde aus Böhmen vertrieben und blieb doch da; es wurde gehaßt und hatte doch, ohne Kirchen und Lehrer, seine stillen Verehrer. Denn außer den erwähnten 30,000 Familien und des größten Theils vom Adel, die durch Auswanderung ihren Glauben retteten und dem Abfall entgingen, hat sich Gott in Böhmen und Mähren selbst mehr denn 7000 übrig behalten, die dein Baal das Knie nicht beugten, die entweder durch gelinde Behandlung ihrer Herrschaften gedeckt oder sonst im Verborgenen ihrer Religion treu blieben, Ueberdieß standen viele Gefallenen wieder auf und beweinten mit Petro ihren Fall bitterlich, wie sie durch Briefe an ihre Seelsorger bewiesen haben; die dann viel eifriger als andere wurden.

Nach dem dreißigjährigen Kriege, der in Böhmen seinen Anfang genommen hatte, und nach dem westphälischen Frieden, in welchem die Böhmen vergessen wurden, war keine Hoffnung mehr für sie, jemals ihre Kirchenfreiheit zu erlangen; denn nun, da alle Welt, alle Evangelischen, überall Frieden hatten, ging die Verfolgung in Mähren und Böhmen von neuem an, indem Jedermann mit Gewalt gezwungen wurde, zur katholischen Kirche überzutreten.

Die Zurückgebliebenen, die sich nicht verborgen halten konnten, mußten die Gefangenschaft leiden oder unter grausamen Martern ihr Leben lassen - oder heucheln. Wer sich Ruhe und Sicherheit erkaufen wollte, mußte wenigstens bisweilen der Messe und den feierlichen Prozessionen beiwohnen, oder berühmte Wallfahrtsorte besuchen, auch des Jahres wenigstens einmal beichten und ein Zeugniß aufweisen. Diejenigen, die nun nicht selbst beichten wollten, ließen Freunde und Hausgenossen bei zwei bis drei Priestern beichten, um so viele Beichtzettel zu erhalten, und sie dem visitirenden Missionar (dem Jesuiten) vorzeigen zu können.

Es gab in Böhmen Dörfer und Städtchen, wo nicht 2 oder 3 katholische Familien waren, und wenn dann der katholische Pfarrer vernünftig und leutselig oder geizig war (wie es denn doch immer solche gegeben hat), so suchten ihn die heimlichen Protestanten durch Geschenke zu gewinnen, und dann konnten sie ihre Bücher behalten und sich ihrer frei bedienen, ja der Pfarrer warnte sie selbst vor der Ankunft des Missionars, der gewöhnlich ein Jesuit war, ihre Bücher wohl zu verwahren. Wurde aber ein solcher Pfarrer verrathen, so wurde er cassirt und wie ein Ketzer behandelt. Die Jesuiten trachteten besonders nach den evangelischen Büchern und verbrannten nicht selten viele hunderte auf einmal. Daher die Protestanten sie sorgfältig zu verbergen und sie in Kellern und Scheunen zu vergraben suchten. Sie wurden aber oft durch böse Nachbaren, durch treuloses Gesinde, ja wohl durch kleine Kinder verrathen, indem der listige Jesuit die Kindlein durch kleine Geschenke, schöne Bildchen rc. verleitete, in Einfalt anzuzeigen, wo die Eltern ihre geistlichen Bücher aufzubewahren pflegten.

Der würdige Bischof Comenius arbeitete in seiner Verbannung immer für die zurückgebliebenen Gläubigen, schickte ihnen besuchende Brüder oder Bücher; er ließ 1661 einen Katechismus für sie drucken. Nach seinem Tode, 1671, wurde zwar im Auslande der Zurückgebliebenen ganz vergessen, wie eines Todten; es ist aber doch ein großer Same der Gläubigen verborgen gewesen, die sich äußerlich nach den Gebräuchen der katholischen Küche, so viel sie mußten, richteten, in der Stille aber die heilige Schrift, ihre Lieder und andere erbauliche Schriften fleißig lasen. Sie hielten ihre Morgen- und Abend-Andachten, besonders an Sonntagen Versammlungen, die der Obrigkeit nicht unbekannt blieben; sie regierten ihre Familien nach der von ihren Vätern hergebrachten Ordnung und theilten auch wohl insgeheim unter sich das heilige Abendmahl aus. Da sie aber ihre Versammlungen immer geheimer halten und zuletzt gar nur auf Hausandacht einschränken mußten, so schliefen viele ein. Die Furcht vor Verlust ihrer Güter und vor Gefängnisstrafe und die Schmeicheleien der Welt verleiteten Viele, sich der Welt immer mehr gleichzustellen, die Gebräuche der katholischen Kirche, wiewohl unter beständigen Gewissensbissen, mitzumachen, wie oben beschrieben ist.

Von dem trostlosen Zustand der übrig gebliebenen Gläubigen in Böhmen hat einer derselben nachfolgendes Bekenntniß abgelegt: Fast 100 Jahre haben wir in Finsterniß und Todesschatten gesessen; der Leuchter unserer Väter ehemaliger freier und herrlicher Gnade war von seiner Stelle, gestoßen, und ihre Herrlichkeit war dahin. Wir, ihre Nachkommen, hatten weder die äußerliche Freiheit, noch die innerliche Gnade, sondern etwas buchstäbliches Wissen und ein ehrbares Leben. Doch waren von Zeit zu Zeit immer etliche (ein Same) übrig geblieben, bei welchen ein Fünklein der wahren Erkenntniß Jesu Christi war, die der Herr bei der Verfolgung nicht fallen ließ. Diese seufzten und warteten auf eine Erlösung, und der Herr erhörete sie und sahe darein, er hat den Segen und den Geist, der ehemals auf unseren Vätern ruhte, auf uns, ihre Kinder, kommen lassen; denn ihre Schriften und herrlichen Lieder waren, als eine Frucht ihrer Arbeit, ein großer Segen unter uns, dadurch wir in der Finsterniß immer noch erbaut und erhalten worden sind; sonst wäre es mit uns aus gewesen. - Sie haben vor 200 Jahren also geblüht, daß ihnen der selige Luther das Zeugniß gab: daß von der Apostel Zeiten an keine solche Gemeinde entstanden, die das wahre, rechtschaffene Wesen in Christo Jesu so einfältig, so gemeinschaftlich und lauterlich besessen hätte, wie die Brüder in Böhmen und Mähren. Als sie aber groß werden wollten, und Bekehrte und Unbekehrte in ihre Gemeinschaft aufnahmen, ließ sie der Herr fallen und zerstreute sie in alle Welt.

Auswanderungen nach Sachsen.

Comenius schrieb bei seiner Auswanderung: Ich, als der letzte Vorsteher, schließe, o ihr Gemeinden! nach mir vor euren Augen die Thüre zu. Nicht als wenn ich der Arche meines Volkes das Ende weissagte. Ich weiß, daß die auf Felsen gegründete Kirche nicht untergeht; daß aber einzelne Gemeinden Gott zuweilen zerstört, und andere oder dieselben anderswo hinzupflanzen pflegt. Dieß ist erfüllt worden. Der trostlose Zustand, da sie von der Obrigkeit und Clerisei um des Wortes Gottes willen immer gequält waren, und die Gefahr, in Heuchelei und Lauigkeit zu verfallen, dann auch eine neue Erweckung, bewog die Redlicheren auszuwandern und im Auslande Gewissensund Kirchenfreiheit zu suchen.

Schon im Jahre 1709 haben sich etliche Tausende nach Dresden, Zittau, Gebhardsdorf rc. gewendet und sind da freundlich aufgenommen worden.

Die böhmische Gemeinde in Dresden ist eine der ältesten in Sachsen, denn sie hat schon 1670 angefangen. Der W. Samuel Martinius, ein lutherischer Prediger aus Prag, hat etliche hundert, meistens adelige und vornehme Böhmen erst nach Pirna geführt und eine Buchdruckerei mitgebracht. Darauf hat der damalige Churfürst, August, sie von Pirna nach Dresden kommen lassen, und ihnen die Begräbnis- Kirche bei St. Johann eingeräumt. Diese Gemeinde ist dann bald bis auf 2000 angewachsen. Sie mußten aber die lutherische Liturgie annehmen oder das Land räumen. Viele sind deswegen nach Lissa in Polen gezogen.

Im Jahre 1722 haben sich mährische und böhmische Brüder am Hutberge bei Berthelsdorf angesiedelt, woraus Herrnhut entstanden ist; davon weiter hinten. Auch in Zittau, Neusalza, in Meisen, Gebhardsdorf, Ezdorf, Groß-Hennersdorf, und Gerlachsheim haben sich um diese Zeit böhmische Gemeinden gesammelt, die auch böhmische Prediger erhielten. Die böhmische Gemeinde in Zittau bestand schon 1670 aus 900 Seelen. In Lithauen gab es schon früher böhmische Colonien, in Gerlachsheim erhielten sie 1730 eine Kirche und einen Prediger.

Was nun die Böhmen bewogen hat, ihr Vaterland zu verlassen und in andern Ländern Aufnahme zu suchen, das sollen ihre eigenhändige Erzählungen zeigen. Grösstentheils sind ihre eignen Worte und Ausdrücke beibehalten, wie sie in der Emigrationsgeschichte von Göcking enthalten sind.

Johann Schyp, aus Jenkowitz, erzählt weitschichtig, was mit ihm und andern geschehen ist. Sein Großvater war Leser und Sänger der Kirche zu Ledetz, wo die Brüder alle Sonn- und Festtage allein ohne Prediger sich frei versammelten und evangelische Bücher nebst der Bibel lasen, bis 1709, wo ein Caplan in der Gegend angestellt wurde, der sehr listig und boshaft die Evangelischen verfolgte und ihre Bücher wegnahm. Sie durften nicht mehr in der Kirche zusammen kommen, wie sie es bis dahin doch immer - hie und da auch unter dem härtesten Druck - thun dürften. Nachdem er lange untersucht worden und in einem finstern Gefängnisse gesessen hatte, wurde er endlich nach geleisteter Bürgschaft von 200 fl. losgelassen, übergab sich in die mächtige Hand Gottes und ging am Trinitatis-Sonntag Nachts 1723 aus, mit Weib und Kinder, wovon drei getragen werden mußten, begleitet von zwei andern Familien.

Peter Ruditzla erzählt, daß 1710 einige seiner Verwandten eingesetzt und geschlagen wurden, und da sie ihre Bücher nicht verrathen wollten, wurden ihre Kinder geschlagen, daß sie auf die Eltern bekennen sollten. 1712 wurden die Melscher sehr geplagt und gestraft um des Wortes Gottes willen; Johann Melska konnte nachher noch das Hemd zeigen, welches an ihm ganz in Stücken und blutig geschlagen worden. Einige haben bei 7000 aufgeschrieben, die in der litomischler Herrschaft die Wahrheit erkannten, um die Liste dem König von Schweden zu übergeben und um Religionsfreiheit anzuhalten. Die Liste fiel den Feinden in die Hände, die Urheber wurden gefangen gesetzt, 4 Jahre festgehalten und entsetzlich geschlagen, so daß einige davon starben, die andern aber nicht eher entlassen wurden, bis sie verleugneten. Einem haben sie für 500 fl. Bücher weggenommen (l711).

Um diese Zeit suchten die Jesuiten schon überall die evangelischen Bücher auf und verbrannten sie, die Gläubigen aber setzten sie ins Gefängniß.

Oft wurden Familien, die da auswandern wollten, von einander gerissen und zerstreut; wenn sich dann nach vielen ausgestandenen Mühseligkeiten, Gefahren und Plagen in Schlesien oder Sachsen, Kinder, Eltern, Brüder, Schwestern und Freunde einander wieder fanden, war die Freude unaussprechlich.

Johann Rantwick, dessen Vater für ihn bei dem Fürsten Pikolomini die Freiheit für 40 fl. erkauft hatte, wurde dennoch ins Gefängniß geworfen und alles Vermögens beraubt. Man nahm Weib und Kind weg, und der Mutter wurde von dem Ihrigen nicht so viel gelassen, daß sie das ganz kleine Kind hätte einwickeln können. Die zwei größeren Kinder nahm man ihnen ganz weg. Sie mußten 60 Tage im Gefängniß sitzen. Wenn sie baten, ihnen doch nur von dem Ihrigen etwas zu essen zu geben, so ließ man ihnen sagen: Sie hätten nichts verdient, als Birkrinde zu fressen und Kuh-Wein zu trinken rc. und ließen sie also sitzen, immer zwei an einer Kette geschlossen. Da sie nun doch nicht verleugneten, wollte man sie in ein härteres Gefängniß bringen; sie aber wandten sich zu Gott, und der half ihnen in der Noth, da man sie schon am Morgen wegbringen wollte.

Sabina Wagnerin, aus Königkrätzer Herrschaft, erzählt, daß sie 1712 mit ihrem Manne durch evangelische Bücher die Falschheit der Lehre und Gebräuche der römischen Kirche und durch die Bibel endlich die Wahrheit kennen gelernt habe. Sie hatten ein großes Verlangen, mit Evangelischen Umgang und Gemeinschaft zu haben, allein wegen der großen Furcht vor der Strafe, die darauf gelegt war, konnten sie nicht dazu kommen. Daher haben sie sich 12 J. lang ganz heimlich in Gottes Wort geübt und ihre Kinder dazu angeleitet. Nach dem Tode des Mannes 1728 kam der Schwiegersohn aus Sachsen, wo er einen evangelischen Prediger gehört hatte, und erzählte ihnen, was er da gehört, wie man Gottes Wort anwenden, allezeit in und vor Gott wandeln solle. Dadurch wurden sie fleißiger im Gebet und Lesen, und gestärkt im Glauben, daß sie sich vor dem Drohen der Menschen nicht fürchteten. Es kamen auch einige Freunde zur Erkenntniß; dadurch wurde 1730 die Sache offenbar und angezeigt; sie wurden vorgefordert, waren aber noch so schwach, daß sie verleugneten. Worauf die Mutter mit ihren Kindern, in ihrem Gewissen beschweret, den Entschluß faßte, Hab und Gut zu verlassen. Es fiel ihnen freilich schwer, mit leerer Hand davon zu gehen; daher überlegten sie, wie sie etwas davonbringen könnten; indessen wurden sie von einem falschen Freunde verrathen. Sie wurde gefordert und hart bedroht; sie aber ließ ihre Pferde anspannen, nahm etwas Betten und fuhr davon. Haus, Hab und Gut, Gärten, Felder, Vieh und Schafe blieben zurück. Sie waren kaum 9 Meilen weit, so holte mau sie ein, band sie und führte sie, unter viel Spott und Lästerung der Leute, zurück ins Gefängniß, nahm ihnen alles weg, und nachdem sie sieben Wochen gesessen und viel hin und her geschleppt, viel geplagt worden waren, wurden sie auf das Versprechen hin, nicht davon zu gehen, losgelassen. Sie konnten aber doch nicht wider ihr Gewissen länger bleiben, ließen alles zurück und wanderten 1732 aus.

Paul Klanka aus der Smirsitzer Herrschaft erzählt: 1716 kam ein Jesuit und verfolgte grausam und richtete an vielen Orten viel Unheil an, nahm Bücher und Bibeln weg und verbrannte sie; er nahm aber ein Ende mit Schrecken, nachdem er eine Zeit lang, als ein vom Teufel Besessener, wie ein Hund gebellt und wie ein Wolf geheult hat. 1725 kam ein anderer Jesuit, der noch ärger war und noch mehr Leute verführte. Dieser pflegte zu den Leuten zu sagen, wenn er irrete, so wollte er seine Seele für ihre Seelen geben und ewig verdammt sein. Dadurch hat er viele Einfältige getäuscht, daß sie ihm die evangelischen Bücher freiwillig brachten, die er dann in großer Menge verbrannte. Er kroch auf Händen und Füssen an der Fensterwand zur Hausthüre hin, um die Leute im Hause unvermuthet zu überfallen, suchte dann alle Winkel aus, und wenn er nichts gefunden, stellte er sich, als hätte er gefunden, um die Leute zu schrecken und herauszulocken. Wegen der Firmung, wozu die Leute 12 Meilen weit gehen sollten, wurden sie bis auf den Tod geplagt. Daher beschloß Klanka 1729, mit 12 Personen auszuwandern, weil sie aber etwas von dem Ihrigen heimlich verkaufen wollten und es sich bis 1731 verzog, wurde ihr Vorhaben verrathen; sie wurden des Nachts überfallen und ins Gefängniß geführt. Ihm und vier andern half Gott wunderbar durch, die übrigen mußten ein Jahr lang im Gefängniß schmachten, wurden wohl 6 mal vor geistlicher und weltlicher Obrigkeit inquiriret, und endlich vor das Consistorium von Königskrätz geführt, wo von ihnen verlangt wurde, sie sollten die Wahrheit verleugnen und andere verrathen. Man sagte ihnen: Sie saufeten aus dem Kelche wie Hunde, sie sollen sich das Gehirn durch die Bibel nicht verdrehen lassen. Gott half ihnen endlich auf wunderbare Weise, zwar nicht auf wohlriechendem Wege, aus dem Gefängniß. Darauf ergriffen sie den Knaben des Klanka und setzten ihn 13 Wochen ins Gefängniß, um ihn zur Verleugnung zu zwingen. Aber Gott half auch dem Knaben durch seine Schwester heraus.

Im Jahre 1717 erhob sich in dieser Gegend wieder eine grausame Verfolgung, weil ein Bekenner der Wahrheit vor Gericht sagte: Was denket ihr doch, daß ihr die Leute so in die Hölle stürzet! Darauf sind auch viele ausgewandert.

Im Jahre 1718 hat Wenzel Mokersky aus Jenkowitz, nachdem er verrathen, aller Bücher beraubt war und viel gelitten hatte, alles stehen und liegen lassen und mit seinem Weibe lieber die sehr beschwerliche Flucht erwählt.

Wenzel Sych, aus dem Opotschiner Gebiet, fühlte sich auch 1718 in seinem Gewissen gedrungen, Vaterland, Freunde, Ansehn und Vermögen, welches sich auf 13,000 Thaler belief, gern zu verlassen, um sich von den römischen Irrthümern zu befreien und nach der erkannten Wahrheit Gott in der wahren Kirche zu dienen.

Im Jahre 1719 wurden dem Joh. Sankop, im Litomischler Gebiet, von einem Jesuiten alle seine Bücher abgefordert. Da er sie nicht herausgeben noch gestehen wollte, wo er sie verborgen hatte, ließ ihm der Jesuit von jedem seiner Begleiter zehn Streiche geben. Und das wurde öfters wiederholt von Morgens 8 bis Mittag 1 Uhr, wobei sie sich immer der Worte bedienten: Schelm! sag wo du sie hast? die sind dir nichts nütze, sie führen dich geradezu in die Hölle. Nachdem sie ihn den halben Tag genug geschlagen hatten, legten sie ihm so schwere Fesseln an die Beine, daß er sie kaum fortschleppen konnte, und warfen ihn in das Gefängniß, wo sonst die Todesverbrecher zu sitzen pflegten, und ließen weder seine Frau noch seine Kinder zu ihm. Alle Tage mußte er vor die Jesuiten, wo er allemal gemartert und von zwei Männern mit so dicken Karratschen, als der Stock am Dreschflegel, gepeitscht wurde. Als er nun die große Marter nicht ausstehen konnte, sagte er ihnen endlich, wo er die Bibel hatte. Der Jesuit suchte sie eilend, und da er sie nicht fand, wurde der Arme wieder geschlagen. Der Jesuit lief wieder hin mit Axt und Hacke, schlug die Wände ein und fand die Bibel. Er zeigte sie dem Grafen, der da sagte, es wäre ein gutes Buch. Sie waren aber dennoch nicht zufrieden, sondern verlangten noch mehr Bücher, worüber er große Angst fühlte, weil sie ihn um alles Wort Gottes bringen wollten. Er wollte daher nichts sagen. Allein sie ließen nicht eher ab, ihn zu schlagen, bis er ihnen alle Bücher anzeigte, die er besaß. Das Traurigste aber war, daß er darauf Dinge thun mußte, die gegen sein Gewissen waren.

Der Dekan in Ossika ließ 1721 mehrere Männer und Weiber gefangen nehmen, unter welchen auch die Schwester des oben genannten Sankop war. Zuerst wurden Hussens Bücher verlangt Und gesucht, und sie so lange geschlagen, bis sie es bekannten; dann sollten sie gestehen, daß sie von einem evangel. Prediger heimlich das Abendmahl empfangen hätten, welches doch nicht geschehen ist. Darauf mußten sie sich nackend ausziehen und wurden von zwei Kerls so lange geschlagen, bis sie es bekannten. Selbst Sankops Schwester wurden die Kleider bis aufs Hemd vom Leibe gerissen und sie von den zwei Kerls so jämmerlich geschlagen, daß sie es nicht mehr aushalten konnte und sagte, was sie nur wollten. Nun wurde ihr Bruder vom Geistlichen vorgefordert; er entkam aber und blieb 2 Wochen auf freiem Felde. Man suchte, fand ihn und versprach ihm, es werde ihm nichts Uebels begegnen, er sollte nur kommen. Er wurde zum Richter geführt, wo schon Leute bestellt waren, die ihn nach Litomißl zum Hauptmann führen mußten, wo der Jesuit Muska heftig auf ihn eindrang, er sollte gestehen, daß er beim lutherischen Abendmahl gewesen. Er war aber nicht dabei. Nun marterten und schlugen sie andere, daß sie es sagen sollten. Die waren aber auch nicht dabei und konnten also auch nichts sagen. Sie schlugen aber dennoch auf sie zu, bis sie vor großem Schmerz bekannten, was man von ihnen verlangte. Darauf nahmen sie Sankop wieder vor, und banden seine Hände mit Stricken so fest zusammen, daß sie mit Blut unterlaufen waren. Er bat sie um Gotteswillen, sie sollten ihn nicht so plagen, er wäre nicht dabei gewesen. Aber da war keine Barmherzigkeit, sondern der Jesuit und Hauptmann ließen ihn bis aufs Hemd ausziehen, und neuerdings schlagen. Und dies wurde öfters wiederholt. Darauf sperrten sie ihn in einen wüsten Thurm, wo er an einer Leiter hinuntersteigen und 8 Tage bleiben mußte; wurde dann wieder vorgefordert und befragt; da er aber nicht bekennen konnte, so ließen sie ihn härter schlagen, als vorher. Er bat wieder um Gotteswillen, aber da war kein Erbarmen, sondern sie schlugen 8 Tage lang so viel auf ihn los, daß sein Leib ganz zerfleischet war. Er bat, aus dem Thurm herausgelassen zu werden, weil er den Gestank nicht ausstehen könne; aber da er noch nicht bekannte, wurde er wieder geschlagen; endlich schlugen sie Hände und Hals in eiserne Bande, daß die Hände ganz mit Blut unterliefen; er bekam nur wenig zu essen, und mußte auch in dem Eisenband am Thor sitzen, daß ihn alle Leute sahen. Und da sollte und mußte er sagen: er wäre beim Abendmahl gewesen. Sie spannten ihn nun auch in den Bock, und wenn er auf einer Seite genug geprügelt war, wendeten sie ihn um auf die andere. Endlich sprach der Jesuit: Laßt ab, wir zwingen ihn doch nicht. Der Burggraf aber ließ ihn ins Gefängniß werfen, wo Missethäter gefoltert werden, und wo vorher ein Gläubiger ein Vierteljahr gesessen hatte; er ließ ihm ein Eisen um den Leib legen und ihn an eine Kette schließen; dabei war es so finster, daß er nicht wußte, wann es Tag oder Nacht war. Acht Tage gaben sie ihm nichts zu essen, daß er umkommen sollte. Nun aber, da man nach ihm sich umsah, sagte er ihnen, was sie verlangten, um nur aus dem Gefängnisse zu kommen. Darauf kündigte ihm aber der Jesuit an, daß er Weib, Kinder und alles verloren hätte, und nun mit andern auf die Galeeren kommen würde. Allein Gott lenkte es anders; er wurde aus der Hand seiner Feinde errettet. Doch mußte sein Schwiegervater, ein betagter Mann, um deßwillen drei Vierteljahr gefangen sitzen, und ist öfters vom Haupte bis zu den Füßen geprügelt worden.

Es ist ganz entsetzlich, daß man in diesem litomißlischen Gebiet in der Unmenschlichkeit so weit ging, daß man die Bekenner der Wahrheit sogar statt des Viehes in den Pflug spannte und damit pflügte. Einen Mann haben sie mit einer vergifteten Suppe, die ihm der Dechant ins Gefängniß schickte, umgebracht, ihn in einen Sack gesteckt und des Nachts durch den Henker hinausgeschleppt, indem sie vorgaben, er hätte sich selbst ums Leben gebracht.

Im Jahre 1720 wurden in der Herrschaft Smirsitz von Jesuiten die Bücher weggenommen und die Leute zur Firmung gezwungen, und die sich nicht firmen lassen wollten, mußten Geldstrafe geben, oder Steine brechen. Viele wurden so geplagt, daß sie bald den Verstand verloren hätten; man drohte ihnen mit Aufhängen. Welche aber zuerst zur Firmung gehen würden, sagte der Jesuit, die sollten im Himmel süßen Wein bekommen, die andern nur sauren.

Im Jahre 1721 entstand in der Stadt Hermanon (des Grafen Sporck) eine große Verfolgung, da 123 Personen die evangelische Lehre abschwören und sich zum Pabstthum eidlich verpflichten mußten, welches so öffentlich geschah, daß alles Volk durchs Geläute der Glocken zusammengerufen wurde. Die nun nicht auf andere bekennen wollten, die wurden geschlagen, bis ihnen das Blut aus dem Halse sprang. Deswegen wurden viele hundert Menschen verrathen und viele Bücher weggenommen. Manche mußten 2 bis 4 und 5 Jahre, ja Viele bis aus Ende ihres Lebens im Gefängniß sitzen, so daß ihnen erst nach dem Tode die Fesseln abgenommen wurden. Daher, sagten sie, können wir mit gutem Gewissen nicht in unserm Vaterlande (sage: Mörderlande) bleiben, sondern gingen mit Weib und Kindern bei der Nacht davon.

Maria Schwilin, aus Ossika im Leitomißlischen, erzählte, daß der Dechant sehr oft und einmal mit 6 anderen zu ihr gekommen und alles durchsucht habe, und da sie nichts fanden, ihren Mann ins Gefängniß geworfen und gefragt hätten, wo denn der Kelch wäre, mit dem ein Prädicant das Abendmahl ausgetheilt hatte. Da er nun nichts bekennen konnte, weil er nichts wußte, so wurde er geschlagen, und immer von den Priestern dem Soldaten zugerufen, er sollte stärker schlagen; da dieser nun nicht stärker schlagen konnte, trat der Hauptmann hinzu und schlug ihn mit dem spanischen Rohre, um zu zeigen, wie er zuschlagen sollte. Er bekam unzählige Streiche, daß er bekennen sollte, was sie wollten. Da er nun bat, sie sollten ihn doch nicht zwingen, gegen sein Gewissen zu reden und seiner Seele Schaden zu thun, gaben sie ihm kein Gehör, warfen ihn ins Gefängniß, schmiedeten ihn an einen festen Klotz und ließen niemand zu ihm. Als er nach etlichen Tagen wieder gefragt wurde und nichts bekannte, legten sie seine Füße in den Stock und eine Kette um den Leib, auch Schellen an seine Hände, und er bekam 3 Tage lang weder zu essen noch zu trinken. Seine Frau bat beweglich, sie möchten ihn doch herauslassen, aber umsonst. Zu Hause blieb alles liegen, es war Erntezeit und der Sohn hatte die Hand gebrochen. Statt die arme Frau zu erhören, setzten sie noch den Sohn ins Gefängniß und peitschten ihn mit Ruthen. Den Vater aber marterten sie so lange, bis er es nicht mehr aushalten konnte, und sagte, was sie verlangten, obwohl es nicht so war. Sie mußten darauf den Religionseid ablegen, und der Mann mußte 19 Wochen im Gefängniß bleiben. Dann ließen sie ihn los, und jagten sie alle aus der Herrschaft. Der Mann war um sein Gesicht und seine Gesundheit gebracht und starb bald darauf. Die Frau aber mit vier Söhnen und 1 Schwestertochter floh nach Zittau.

Wenzel Wrabetz, aus Königsgrätzer Gegend, der 1722 in seinen Jünglingsjahren durch fromme Gespräche und Lesen des Wortes Gottes einsehen lernte, daß das papistische Wesen falsch und die evangelische Lehre besser wäre, nahm die Wahrheit an und befliß sich auch darnach zu leben; 1725 nahm er eine christliche, gleichgesinnte Gattin; 1728 verließ er das von den Eltern geerbte Haus, Wirthschaft, Garten und Acker, kam nach Sachsen und hörte die Predigt des Evangeliums, worüber er so erfreut war, daß er zurückging, um seine Frau zu holen. Da er sich aber länger verweilte, um etwas von seiner Habe zu retten, wurde er verrathen und hatte allerlei zu leiden; endlich gelang es ihm, mit Frau und Kindern zu entkommen, wofür er freudig Gott lobte, obwohl er seine ganze Wirthschaft, Vieh und alles Vermögen zurücklassen mußte.

Christian Litokleb (Sommerbrod) bezeugt Folgendes: In der Gegend von Leitomißl kam ein Jesuit mit dem Hauptmann, und examinirte die Leute, wo der Prädicant gewesen wäre. Da sie aber nichts wußten, ließ man ihnen die Hände nahe bei den Fäusten binden; dann mußte sich jeder bücken und die Ellenbogen unter die Kniee thun; sie aber steckten durch die Kniee und Ellenbogen einen Prügel, und zwei Männer mußten mit dicken Ochsenziemern zuschlagen, bis die Haut entzweisprang, indem jeder 120 Streiche bekam. Darauf wurden sie an einen Klotz geschlossen. Nach einiger Zeit schickte der Graf v. Trautmansdorf wieder den Jesuiten und seine Bedienten, und ließ sie noch mehr schlagen als vorher, so daß Hemd und Haut ganz zerschlagen und alles unter einander vermischt war. Einer Weibsperson zerschlugen sie nicht nur den Rücken, sondern peitschten sogar ihre Brüste wund und in Stücken, dieselbe entkam aber nachher durch Gottes Hilfe und entfloh nach Ungarn. Endlich wurde Litokleb mit mehrern andern zum dritten Mal auf solche unmenschliche Weise behandelt, und geprügelt, daß das ganze Hemd zerschlagen war. Als er einmal nach einer solchen Execution halb todt dalag, sprach ein Officier zu ihm: Warum lässest du dich so martern? werde katholisch; ich weiß, daß der türkische Glaube falsch ist; jedoch ehe ich mich so peinigen ließe, würde ich lieber ein Türke. Wenn er rief: O Herr Gott, verlaß mich nicht! lachten und spotteten sie. Darauf schlossen sie ihn wieder an einen Klotz, mit Schellen an den Händen und Eisen an den Füßen steckten sie ihn in ein sieben Ellen tiefes Loch, und ließen ihn da 7 Tage und Nächte schmachten. Sieben Männer spannten sie in den Pflug, pflügten mit ihnen und trieben mit ihnen das Allerschlimmste, was sie nur konnten. Sie marterten sie so lange, bis sie bekannten, was man wollte. Dann schickten sie sie nach Prag unter die Soldaten, wo einige entgingen, andere sich loskauften. Sommerbrod kaufte sich auch seinen Abschied, nahm Weib und Kinder und ging nach Sachsen

Im Jahre 1722 wurde zu Germien (Graf Lessels Herrschaft) Einer gezwungen, öffentlich vor der vollen Kirche zu schwören, daß er allen ketzerischen Büchern absage, und daß die päpstliche Lehre und der katholische Gottesdienst recht wären, es sei in der Bibel gegründet oder nicht, z. B. die Fürbitte der Heiligen, das Fegfeuer, die Seelenmessen rc. Der Schwur war dieser: „Ich Matthes … schwöre … verfluche und verdamme die ketzerischen Bücher und Lehren … und wenn ich anders glauben möchte, als die kathol. Kirche lehrt, so soll Meine Seele ewig verdammt sein“

In demselben Jahre geschah es, daß Matthias Simon, wie er selbst bekannte, um keiner andern Ursache willen Böhmen verlassen hat, als wegen der Grausamkeit der Jesuiten. Da er die Bücher nicht auslieferte, und sich und sein Weib nicht firmen ließ, kam der Jesuit mit dem Richter; sie ließen das Weib peitschen und legten sie in Eisen und Banden. Dann verlangten sie den Religions-Eid, welchen sie leider! wie er sagte, geleistet haben. Darauf setzte er sich sogleich auf und fuhr nach Sachsen, verließ Weib und Kinder, Haus und Hof (zu 30,000 fl). Nach einem halben Jahre aber holte er sein Weib und fünf Kinder nach. Das andere aber blieb alles zurück.

Im Jahre 1723 hat Joh. Regmann wegen harter Verfolgungen Böhmen verlassen; aber 1726 kam er wieder in Handels Geschäften dahin, wurde in Opotschin ergriffen und mit Ochsenziemern so gestrichen, daß das Blut aus Nase und Mund strömte. Da er sich nach vielen Mißhandlungen nicht zur allein selig machenden Kirche bekennen und die evangelische Lehre nicht verfluchen wollte, wurde er noch 33 Wochen in Eisen und Banden gelegt, und in dieser Zeit täglich von den Jesuiten gequält. Da sie weder mit Drohungen und Schlägen, noch mit Geld etwas ausrichteten, so wurde er in Bann gethan, aus dem Buch des Lebens, d. i. aus dem Kirchenbuche ausgestrichen und als ein verfluchter Ketzer ausgerufen; das Urtheil des Richters aber lautete: daß er auf ein Jahr an den Beinen mit Eisen an den Schubkarren angeschlossen, gemeine Arbeit verrichten sollte. Die Soldaten aber halfen ihm durch für 1 Thlr., daß er wieder entkam. „Gott sei Dank, setzte er hinzu, daß ich so gedemüthigt ward, es ist mir gut, daß ich ein Jahr und 6 Wochen gesessen.“

Ein anderer, Barthol. Schindler, der auch erst entwichen war und nach einem Jahre seine Kinder nachholen wollte, wurde gefangen, 7 Wochen ohne Speis und Trank in einem kalten Gefängniß verwahrt, daß ihm Hände und Füße erfroren. Die Jesuiten waren seine täglichen Plaggeister. Er mußte dann 7 Wochen lang gemeine Arbeit verrichten, und dabei entkam er in den Fesseln eine halbe Meile weit, wo er ihrer los wurde.

Im Jahre 1724 wurde Peter Scharmek von dem Geistlichen mit eigner Hand so geschlagen, daß er lange seine Hände nicht mehr bewegen konnte. 1726 wurde er wieder gefangen und zu dem Religions-Eide gezwungen. Von seinem Gewissen gedrungen, hat er darauf all das Seinige im Stich gelassen und ist ausgewandert.

Im Jahre 1724 brach in der Königsgrätzer Herrschaft in Gitschin und Lippstadt eine große Verfolgung aus durch zwei Jesuiten, die so listig und grausam waren, daß die Leute, wenn sie ihnen nur in die Augen sahen, schon vor Furcht zitterten, und wer nur einige evangel. Bücher hatte, der mußte sie ihnen selbst in die Hände liefern. In Lippstadt verbrannten sie in einem ungeheuren großen Feuer vor der Kirche viele hundert evangel. Bücher, worunter viele Bibeln und N. Testamente waren. Die Besitzer derselben wurden in Eisen und Banden gefangen gesetzt und viele entsetzlich geschlagen. Unter diesen war, wie er selbst erzählt, Martin Kopetzky, welchen, da er überwiesen wurde, daß er evangelische Bücher eingebunden hatte, der Dechant von Gitschin mit der Faust so vor die Stirn schlug, daß er rückwärts an die Wand fiel. Er wurde nachher mit anderen gezwungen, den Eid abzulegen, welches, wie er sagte uns aber herzlich leid ist, daß wir uns vor diesem elenden Pfaffen mehr fürchteten, als vor Gott. Der Dechant schwur ihnen, daß, wenn sie bei dem kathol. Glauben verdammt würden, er seine Seele für sie geben, und für sie verdammt werden wolle. Nach kurzer Zeit aber traf ihn Gottes Gericht; er bekam solche Schmerzen an seiner Hand, mit welcher er den Gerechten schlug, daß er Tag und Nacht schrie; und nachdem ihm der Henker öfters schwarze Hunde tödtete, um seine leidende Hand in dessen warme Eingeweide stecken zu können, hatte er zwar Linderung, so lange die Wärme dauerte; da aber alles nichts half, gab er jämmerlich seinen Geist auf. Sein Kaplan fiel vom Pferde, brach den Hals und starb. Ein anderer Geistlicher wurde rasend, biß um sich, mußte eingesperrt werden und kam elendiglich um. Kopetzky aber verließ alles, nahm Weib und Kinder und ging noch bei der Nacht nach Zittau.

Was mich betrifft, schreibt Wenzel Toschowsky, und meinen Ausgang aus Böhmen, so hatte ich von meinem Vater evangelische Bücher, ich verstand sie aber nicht. Da schickte mir Gott einen erleuchteten Mann, der mich die Wahrheit kennen lehrte; wir gingen in den Wald des Nachts, lasen beim Feuer Gottes Wort, und erbauten uns. Anfangs waren wir noch grausam blind, aber der gute Gott half uns, daß wir immer mehr überzeugt wurden, daß bei den großen Irrthümern der römischen Kirche kein Heil ist, und faßten daher den Entschluß, auszuwandern. Dies merkte der Teufel gar bald, so vorsichtig wir waren; daher kam der Pfaff mit dem Richter und Gerichtsdiener. Die fingen den Johann Schlipp, drohten ihm und schlugen ihn an einen Klotz, dann schickten sie nach mir, und schlugen mich auch an den Klotz. Dann schickten sie einen andern Pfaffen über uns, der (nach mancherlei Fragen) sagte: Nun sehe ich schon, daß ihr Lutheraner seid; denn das leuchtet euch aus den Augen. Wir sollten nun sagen, ob wir die Bibel hätten und ob wir nichts von andern wüßten. Wir wurden nun in ein stinkendes Loch gesteckt, und nach 3 Wochen endlich auf Bürgschaft losgelassen. Man hat damals viele Gläubige in solche Gefängnisse gesteckt, wo die Henker ihre Hunde mit Aas fütterten, und wo der Gestank so unausstehlich war, daß viele krank wurden. Alles dieses stifteten die Jesuiten an.

W. Lonsky wurde an Händen und Füßen mit Ketten gebunden und mittelst eines Halsringes an die Mauer geschmiedet, so daß er sich weder die Nase reinigen, noch das Ungeziefer, das ihm in Nase und Augen kroch, abwehren konnte, und das anderthalb Jahr lang. Dreimal wurde er öffentlich auf dem Marktplatze beim Pranger mit Ruthen gezüchtiget. Die Frau des Kerkermeisters gönnte ihm kein frisches Wasser, sondern sie reichte ihm immer stinkendes Wasser zu trinken und spuckte ihm, so oft sie zu ihm kam, ins Gesicht mit den Worten: Du verfl. Hund. Mehrere mußten solche harten Arbeiten verrichten, daß sie bald darauf starben.

Georg Urban mußte mit seinen 3 Kindern 2 1/2 Jahr im Gefängnisse sitzen. Sein Sohn Johannes mußte an seinen Füßen eine 18 Pfund schwere Kette schleppen, der zweite achtjährige Sohn Karl wurde zweimal mit Spißruthen geschlagen, und sein Töchterchen Anna hat der Burggraf selbst so gepeitscht, daß sie erkrankte.

Martin Wypracbtieky wurde 1 1/2 Jahr an Ketten geschmiedet; seine Frau, weil sie die Messe nicht besuchte, wurde an Ketten im Dorfe umhergeführt, dann in den Stall gesperrt und ihr Gut verkauft.

Joh. Ch. Chmelik wurde wegen Gottes Wort drei Mal geprügelt und an das Militair abgegeben. Matthias Rutze wurde verrathen, daß er nach Berlin fliehen wollte, und mußte dafür 100 fl. Strafe bezahlen. Er that es und entfloh. Johann Cermat (Nothbardt) wurde 10 Wochen im Gefängnisse gehalten und mit Fäusten und evang. Büchern ins Angesicht geschlagen. Johann Anderle bekam zwei Mal 200 Stockschläge, so daß sein ganzer Rücken zerschlagen war und am Hemde Blut und Fleischstücke hingen. Seine Frau floh nach Berlin, und er folgte ihr nach. Andreas Pospjdeil entging seinen Verfolgern dadurch, daß er sich 18 Tage im tiefen Walde aufhielt.

Die Wittwe Ludomilla (bei Nahod) erzählt: Ich hörte meine Brüder Gottes Wort lesen: darauf erhielt ich ein evangelisches Buch und hatte von meinem Manne eins; das hörten die Pfaffen, und forderten mich, und verlangten mit Gewalt die Bücher von mir. Weil ich nun Kinder hatte, die niemand pflegen konnte, gab ich ihnen etliche; eins aber wollte ich gern behalten. Allein der Jesuit kam ins Haus, und ich mußte ihm alle geben. Nun hatte ich von außen Frieden, mein Gewissen aber wurde desto unruhiger, und ich hatte ein großes Verlangen nach dem Herrn Jesu. Die Schuld, die mir mein Mann hinterlassen hatte, wollte ich gern bezahlen, und Gott half dazu; aber die Sorge für meine Seele wurde immer größer. Ich erkannte, daß die Welt im Argen liege, und ich mit ihr, wenn ich so bliebe, müßte ich verderben an Leib und Seele. Deswegen rief ich zu Gott und bat ihn, daß er mir den Weg des Heils zeigen, und mich erleuchten möchte. Gott erhörte mich auch. Ich ging nach Sachsen, Gottes Wort zu hören. Als ich aber nach Hause kam, ergriff man mich und setzte mich auf das Schloß. All mein Bitten war umsonst; sie hatten nicht das geringste Erbarmen, weder gegen mich, noch gegen meine Kinder. - Sie forderten mein Geld, und da ich's nicht geben wollte, sagte der Richter, er werde mich prügeln lassen, so lange ein Tropfen Blut in nur wäre; er ließ auch gleich auf mich schlagen. Und da ich vor großen Schmerzen nicht mehr aushalten konnte, mußte ich bekennen, daß ich mein Geld unter den Leuten hätte. In 14 Tagen mußten diese armen Leute alles erlegen bei ihm und deßwegen all das Ihrige verkaufen. Ich hatte auch ein eigen Haus, um welches sie mich auch brachten, indem sie mir den letzten Bissen Brod aus den Händen rissen. Da sie nun alle Bosheit ausgeübt hatten, mußte ich - so sehr ich bat, mich doch zu meinen unerzogenen Kindern gehen zu lassen - noch drei Wochen im Gefängniß sitzen. Ich wurde endlich entlassen, aber ohne daß mir etwas gegeben worden wäre für meine Kinder, nachdem sie mir bei 200 fl. genommen hatten. Darauf ging ich nach Sachsen, und Gott half auf wunderbare Weise, daß auch meine Kinder zu mir kamen. Unsere Hilfe sei im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat! Halleluja!

Peter Hesral, Joh. Reymann. W. Matuscheck und andere, die schon früher ausgewandert waren, gingen 1724 wieder nach Böhmen, ihre Freunde zu besuchen; wurden aber auf dem Heimwege verrathen und gefangen genommen, gebunden und gotteslästerlich verspottet, besonders von dem Priester, der in die Worte ausbrach: Freuet euch, ihr Himmel, und die Erde frohlocke! - Ihr Kornvögel! drei Jahre habe ich auf euch gewartet; nun habe ich euch, ihr verfluchten Schelmen! Man führte sie nach Königsgrätz, ließ sie 2 Stunden in großer Kälte auf freier Gasse stehen, gab ihnen in drei Tagen nichts zu essen, und was sie bei sich hatten, wurde ihnen weggenommen. Als sie nach Opotschin geführt wurden, lief ein liederliches Volk zusammen, und wollte sie zerreißen; sie aber konnten die Gnade Gottes und seine herrliche Hilfe erkennen, indem, wie sie schreiben, auch nicht ein Haar von unserm Haupte umkam, auch uns dabei sehr wohl zu Muthe war, also, daß wir bei dem entsetzlichen Fluchen, Schelten, Spotten und Verspeien nicht geringe Freude in unserm Herzen empfanden, und ihnen dagegen viel Gutes wünschten. Auch auf dem Wege mußten wir noch viel Beschimpfungen ertragen, doch haben wir da auch einige bemerkt, die uns mit Thränen viel Gutes wünschten, und sich so über uns betrübten, daß wir sie trösten mußten. Zu Opotschin wurden 2 zusammengebunden und in den Thurm, der dritte aber in ein finsteres Gefängniß geworfen, wo sie nichts zu essen, und viel Ungemach, besonders Kälte zu leiden hatten. Doch Gott sorgte augenscheinlich für sie, daß sie nicht verhungerten, indem gute Leute, die sie nicht kannten, ihnen Speise brachten, und gerade zur Zeit, da die höchste Noth war und sie zu ihm schrieen. Sie erinnerten sich an Daniel und stärkten sich im Glauben. Wegen der großen Kälte konnten sie aber keinen Augenblick schlafen, hatten auch anfangs keinen Halm Stroh. Daher seufzten sie Tag und Nacht zu Gott, dessen Wort, in Sprüchen, Liedern und Psalmen, welches sie vorher sich ins Gedächtniß geprägt hatten, ihnen nun sehr theuer und lebendig war. Sie glaubten, Gott sei noch allmächtig und wahrhaftig, und darum sei es unmöglich, daß er sie nicht erhören und nicht helfen sollte. Nur müßten sie geduldig auf seine Hilfe hoffen. Es war auch nicht möglich, vor Kälte in dem Gefängnis auszuhalten; daher sie mit Thränen baten, man möchte sie in ein anderes Gefängniß bringen, was denn auch geschah. Allein da mußten sie nun von Gestank, Nässe und Ungeziefer entsetzlich leiden; denn es war sehr enge und wurde von ihrem eigenen Unrath nicht gereiniget. Daher sie denn wieder anfingen, zu Gott zu stehen mit Singen und Beten Tag und Nacht. Die unreinen Geister (wie sie sich ausdrücken) waren auch da ihre ärgsten Plagegeister, nämlich: die Jesuiten. Aber auch Gott war da und half ihnen wunderbar. Nach vielen ausgestandenen Plagen fingen sie an, von Stroh Seile zu flechten, sich von ihren Fesseln los zu machen und ein Loch durch die Wand zu bohren, so groß, daß ein Mensch durchkriechen konnte; inbrünstig zu Gott seufzend, daß er sich ihrer erbarmen möchte, nahmen sie von einander Abschied, wünschend, daß sie wenigstens in der Ewigkeit vor Gott einander wiedersehen möchten. Darauf ließen sie sich am Strohseil, einer nach dem andern, hinunter, 18 Ellen hoch, kamen glücklich durch und zu einem Freunde, der sich hoch erfreute und ihnen viele Liebe erwies. Sie verließen darauf all das Ihrige (W. Matuschka ein Gut von 1400 Schock Groschen) mit Freuden, und wandten sich mit Weib und Kindern zu dem evangelischen Gottesdienst.

Thomas Swoboda, Förster und Unterthan des Grafen Schlick, wurde um des Wortes Gottes und des Bekenntnisses der Wahrheit willen im Städtchen Kopidno in das Gefängniß geworfen und in Ketten geschmiedet, wo er viel leiden mußte, vorzüglich von den römischen Priestern und allen Feinden der Wahrheit. Da er ihnen nicht nachgab und that, was sie wollten, nämlich, die Bildnisse der Heiligen zu küssen, zu denselben beten u. dgl. päpstlichen Aberglauben, sondern sie durch das Wort Gottes widerlegte, und sich fest an die Wahrheit der Bibel hielt, so wurde er für diese Beharrlichkeit vom Appellations-Gericht verurtheilt, daß er geköpft und auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte, welches auch wirklich geschah. Nachdem ihm das Urtheil verlesen war, bereitete er sich mit Freuden zum Tode, betete demüthig und herzlich zu Gott um Stärkung im Glauben, und wünschte nur noch seine Frau zu sprechen, welches ihm aber nicht gestattet wurde. Als der Tag seines Martertodes kam, wurde er so gestärkt von Gott, daß er - ein 71-jähriger Greis - freudig zur Richtstätte gehen konnte. Daselbst betete er inbrünstig für seine Feinde und Mörder, zog sich selbst aus, knöpfte seinen Hemdkragen auf, und seine Seele dem Herren empfehlend, bot er im Glauben an Jesum Christum seinen Hals dem Schwerte dar. Der Geköpfte wurde nun auf den Scheiterhaufen geworfen und zu Staub verbrannt. Was er besaß, ward alles weggenommen und seiner Frau und seinen 5 Kindern nichts übrig gelassen, als der Glaube an Gottes Wort, um deßwillen sie dann auch alle auswanderten und nach Hennersdorf zu der Gemeinde zogen. Sein Sohn Johann kam nach Berlin, wo dessen Sohn und Enkel Schullehrer bei der Gemeinde waren; mehrere Enkel und Ur-Enkel leben noch.

Die erneuerte Brüder-Unität in Herrnhut.

Aus diesen verfolgten und ausgewanderten böhmischen und mährischen Gläubigen der alten Brüderkirche, sind nun alle böhmischen Gemeinden in Deutschland, Pohlen und andern Ländern, wie schon oben angedeutet worden ist, entstanden. In Herrnhut bildete sich die erneuerte böhmisch-mährische Brüderkirche, Unitas fratrum, durch den Christian David, der aus Mähren gebürtig, auf seiner Wanderschaft als Zimmermann nach Görlitz kam, durch die Predigten und den Umgang des Mag. Schäfer, so wie des Mag. Schwedler in Niederwiese, kräftig erweckt wurde. (Sie zündeten also ihren glimmenden Docht wieder, in Deutschland bei evangelischen Predigern an.) 1717 kam er, von der Liebe Christi gedrungen, zu den Nachkommen der alten mährischen Brüder im Zauchenthal, redete mit ihnen von der wahren Herzensänderung, wodurch sie mächtig angefaßt wurden, nach gründlicher Bekehrung zu trachten, und Verlangen zeigten, in ein evangelisches Land auszuwandern. Christian David wandte sich an den Grafen Zinzendorf, und hielt um Aufnahme einiger mährischen Familien bei ihm an. Der Graf war gleich willig, ihnen ein Unterkommen zu verschaffen, und erlaubte ihnen einstweilen auf seinem Gute Berthelsdorf in der Oberlausitz sich aufzuhalten.

Christian David eilte nach Mähren zurück, holte die Brüder Neisser und Jäschke mit ihren Kindern, welche dann 1722 zu Ende Mai in der Nacht fröhlich ihre Wanderschaft antraten. Sie wurden zuerst nach Groß Hennersdorf gewiesen; nachdem ihnen aber ein Bauplatz am Hutberge bei Berthelsdorf angewiesen wurde, baueten sie sich da an, und Christian David schlug seine Zimmeraxt in einen Baum mit den Worten: Hier hat der Vogel sein Haus funden, und die Schwalbe ihr Nest, nämlich deine Altäre, Herr Zebaoth. Den 17. Juny 1722 fällten sie da den ersten Baum zu dem ersten Hause von dem jetzigen Herrnhut. Christian David, der keine Gefahr fürchtete, ging dann wieder nach Mähren und holte noch mehrere, und so sind dann aus diesen wenigen Schwalben tausende, ja so viele geworden, daß sie in alle Welt flogen und noch fliegen, sich allenthalben ihre Nester bauen, unter allen Völkern der Erde, ihnen das Evangelium bringen und sie den Weg der Wahrheit führen.

Wie kamen die Böhmen nach Berlin?

Wir haben schon oben gehört, daß die verfolgten Böhmen nach Sachsen auswanderten, und in Zittau, Großhennersdorf, Gerlachsheim rc. sich niederließen, wo man sie in christlicher Liebe aufnahm. In Großhennersdorf bauete ihnen die Baronesse v. Gersdorf Häuser und gab ihnen Gelegenheit, ihr Brod zu erwerben. Es entstand eine ordentliche Gemeinde daraus; welcher man einen Prediger gestattete. Sie vermehrte sich in 5 Jahren über 500 Seelen. Der Ort konnte sie nicht weiter tragen, und sie hatten auch die Gewißheit, daß noch viele tausend Böhmen ihnen nachfolgen würden; folglich mußten sie sich um weitern Raum bekümmern. Als nun die Salzburger das päpstliche Joch abschüttelten, und 1732 in großen Haufen aus ihrem Lande zogen, so machten sich auch die Böhmen auf. Es schien ihnen Zeit zu sein, auch ihren Glaubensbrüdern aus Böhmen zu helfen. Sie hatten zwar indessen immer freundschaftliche Verbindung mit ihnen unterhalten, aber es nie gewagt, sie aus dem Lande zu führen. Jetzt wollten sie den Anfang dazu machen, und die Sache mit Ernst angreifen. Sie versammelten sich vor dem Schlosse zu Hennersdorf so zahlreich, daß die Herrschaft erschrak und es für einen Aufruhr ansah; daher wurde ihnen angedeutet, sie sollten Abgeordnete senden, die man gern hören wollte; die übrigen sollten nach Hause gehen. Dieses stand ihnen anfangs nicht an; sie fügten sich aber doch, und Abgeordnete trugen der Baroneß ihr Anliegen vor, welches darin bestand: 1. Man sollte ihnen erlauben, so oft nach Böhmen gehen zu dürfen, als sie wollten, um ihre heimlichen Glaubensbrüder abzuholen; 2. die Baroneß möchte diese Abgeholte aufnehmen und ihnen Wohnungen einräumen; 3. ihnen völlige Religionsfreiheit lassen und sie nicht an die sächsische Kirchenordnung binden; 4. ihnen die Herrngefälle erlassen. Sie fügten noch bei: wenn man ihnen dieses nicht zugestehe, so würden sie sich weiter begeben. Die Baroneß erschrak über diese Kühnheit und erklärte sich: Das erste könnte sie nicht erlauben; denn es sei im westphälischen Frieden verboten, Unterthanen anderer Herrschaften aufzuwiegeln und sie aus dem Lande zu ziehen. 2) Sie wollte aber alle gern aufnehmen, die Glaubens halber freiwillig aus ihrem Vaterlande gehen. Das Dritte könnte sie nicht bewilligen, denn sie müßten sich nach dem westphälischen Frieden zur lutherischen Kirche halten. 4) endlich, Gefälle für den Landesfürsten könnte sie nicht abschaffen; das Ihrige aber betrüge wenig rc. Diese Antwort gefiel den Böhmen nicht, daher beschlossen sie Hennersdorf zu verlassen und sich in andere Gegenden zu wenden. Die Hennersdorfische Gemeinde ordnete demnach 12 Männer ab, die nach Berlin gehen und den König von Preußen anstehen sollten, daß sie den Salzburgen nach Preußen folgen dürfte. Sie kamen im October 1732 in Berlin an und brachten ihren Prediger Liberia mit. Dieser, da er vor dem König erschien, brauchte alle seine Beredsamkeit, ihn zu bewegen, die Leute in Seinem Lande aufzunehmen. Der König wollte sich nicht erklären, sondern ließ die Böhmen selbst vor sich kommen, die dann erschienen, zu seinen Füßen fielen und demüthig baten, sie doch gleich den Salzburgern aufzunehmen. Liberia machte dem König eine Gewissenssache daraus, er müßte sie als Seine Unterthanen aufnehmen, wie die Salzburger, denn sie wären in gleichen Umständen. Allein Seine Majestät konnten sich nicht entschließen; Sie gingen im Cabinet auf und nieder, rangen mit den Händen und überlegten die Sache auf allen Seiten. Die Böhmen aber ließen nicht nach, inständig um diese Gnade zu bitten, und der Prediger fuhr mit Bitten und Vorstellungen auch fort. Endlich sprach der König: Laßt sie kommen, ich will ihnen Wohnungen geben. Die Abgeordneten freuten sich hoch, dankten dem Könige auf den Knieen, küßten sein Kleid und versprachen heilig, daß sie sich stets als gehorsame Unterthanen aufführen wollten. Sie traten eilig ihre Rückreise an, um ihren Brüdern diese erfreuliche Nachricht zu bringen.

Sobald man in Dresden erfuhr, daß der böhmische Prediger Liberda mit den Böhmen nach Berlin gereiset und um Aufnahme daselbst nachgesucht habe, wurde er als ein Aufwiegler erklärt, der die sächsischen Unterthanen aus dem Lande führe, und deßwegen Befehl gegeben, denselben bei seiner Rückkehr gefangen zu nehmen. Die Baroneß ließ ihm dieses bekannt machen, und gab ihm zu verstehen, daß er entweichen möchte. Allein er glaubte nicht und wollte sein Amt wieder antreten. Sie aber verwunderte sich über diese Kühnheit und erklärte ihm, daß er sich seines Amtes verlustig gemacht hätte, weil er ohne Anzeige seine Gemeinde heimlich verlassen habe rc. Er wurde darauf in Arrest gebracht, bis ihn Soldaten von Stolpe, abholten, geschlossen auf einem Wagen mit sich führten und ihn später nach Waldheim ins Zuchthaus brachten.

Von den Böhmen aber, die in Berlin waren, begaben sich einige zurück nach Böhmen und brachten ihren Brüdern die freudige Nachricht, worauf viele alles verließen und heimlich davongingen. Auch die Hennersdorfschen Böhmen machten sich auf den Weg und vereinigten sich mit jenen, bei 700 Personen, um über Görlitz, Sorau, Crossen und Cottbus nach Berlin zu ziehen. Als aber in Berlin diese Nachricht einlief, schickte der König ihnen den Oberst v. Derschau nach Crossen entgegen, diese Leute zu besichtigen. Dieser brachte die Nachricht mit, daß sie halb nackt, abgerissen und größtentheils elend zu sein schienen. Damm schickte ihnen der König den Befehl zu, daß sie sich anders wohin wenden sollten, er wolle sie nicht annehmen. Dieß setzte sie in die äußerste Bestürzung. Sie irrten im Herbst und Winter an der Gränze von Sachsen umher, und Viele kehrten einzeln und unbemerkt nach Sachsen zurück. Die anderen wandten sich nach Lübben, wo sie sich in den umliegenden Dörfern einquartirten.

Sie schickten darauf von neuem Abgeordnete nach Berlin. Allein es hielt schwer, daß sie Gehör fanden. Endlich erbarmte sich aber doch der König Friedrich Wilhelm ihrer, und ließ sie nach Berlin kommen. Ihr Einzug sollte aber einzeln, nach und nach, nicht in großen Haufen, wie bei den Salzburgern, geschehen. So kamen dann nach und nach in Berlin bei 600 Böhmen an, wo man sie zwar nicht unbarmherzig wegjagte, aber auch wegen zu vermuthender Nachfrage keine Notiz von ihnen nehmen wollte. Ein paar Jahre lebten sie hier in einer bemitleidenswerthen Armuth und Schmach, - sie sollen auf der Hasenheide lange campirt haben - bis man sah, daß ihr Abzug keine Unruhe erweckte. Auch ihr Fleiß und die gute Ordnung, die sie unter sich hielten, lenkte das Herz vieler Ansehnlichen und selbst das des Königs zu ihnen. Man verschaffte ihnen nun Arbeit, Lebensunterhalt und freie Glaubens-Uebung. Anfangs suchte man einige bei guten Leuten unterzubringen. Selbst der Geh. Rath Manitius beherbergte eine ziemliche Anzahl in seinen untersten Zimmern; andere verlegte man in einige Häuser bei der Petri-Kirche. Die meisten brauchte man bei Kirchners Linnen-Manufactur zum Spinnen und Weben, wozu sie als Leinweber besonders geschickt waren. Davon nährten sie sich auch, nachdem sie auf der Friedrichsstadt eigne Wohnungen erhielten. Der Hr. Geh. N. v. Herold verschaffte ihnen aus Königl. Cassen als Vorschuß etliche hundert Thaler zu Einkaufung des Flachses und Garns. Die anderen Handwerker, Schmiede, Schuster, Bäcker rc. bekamen ebenfalls einigen Vorschuß. Alle erhielten freies Bürger- und Meisterrecht, zweijährige freie Miethe und fünfjährige Servisfreiheit. Göcking gab ihnen 1737 das Zeugniß, daß sie sich bis dahin friedlich, fromm, redlich und unklagbar verhalten hätten; ihr Umgang wäre erbaulich; sie wären auch fleißig in ihrer Arbeit, und niemand zur Last gefallen. Dem öffentlichen Gottesdienst wohnten sie, so viele unter ihnen deutsch verstanden, bei, wo sie wollten. Ihre Todten begruben sie auf dem Friedrichsstädtischen Kirchhof. Sonst aber haben sie sich in ihrer Sprache, mit Singen und Beten, unter einander erbaut. Sie versammelten sich alle Tage des Morgens und Abends in einem auf der Friedrichsstadt neu erbauten großen Hause des Postmeisters Burchward, und hielten auf dem geräumigen Boden desselben ihre Betstunden. Ihre Gesänge sind aus dem deutschen, Lutherischen, Porstischen Gesangbuche ins Böhmische übersetzt worden, wobei auch die lutherischen Melodien, beibehalten sind. Nach dem Schlüsse sagten einige der Aeltesten ihre Gebete laut her, welche die ganze Gemeinde auf den Knieen mit vieler Herzens-Bewegung nachbetete. Wenn sie zusammen kamen, waren Männer und Frauen abgeheilt. Das heil. Abendmahl haben die, welche nicht Deutsch verstanden, aussetzen müssen, weshalb sie sehr nach einem ordentlichen Prediger seufzten. Taufen und Trauungen hat Hr D. Jablonsky, der Polnisch verstand, meistens verrichtet.

Als nun 1732 und 1733 die Gemeinde mehr und mehr anwuchs, aber keinen ordentlichen Lehrer hatte, die Befreiung des Liberda aus seiner Gefangenschaft nicht so bald zu hoffen war, und die Neuankommenden immer keinen Unterricht und kein Abendmahl genießen konnten, so wurde die ganze versammelte Gemeinde eins, zwei aus ihrer Mitte, im Christenthum wohl gegründete, die auch die Gabe hatten, das Wort Gottes erbaulich vorzutragen, zu erwählen, welche die Anfänger zum Christentum anleiten, bei ihren sonntäglichen Versammlungen Gottes Wort predigen und die Sacra administriren (Taufe, Trauen und Abendmahl halten) sollten, nachdem sie schon bis in das dritte Jahr ohne Gebrauch dieser Gnadenmittel hier zugebracht hatten. Dieser einfältige Gottesdienst gereichte, wie sie sagten, vielen Seelen zu einer besondern Stärkung, und sie lebten bei dem großen Gedränge von außen und innen, welches sie damals betroffen hatte, in großer Zufriedenheit, gewannen sich immer lieber und verbanden sich immer mehr in Eins zusammen. Besonders gesegnet schien ihnen der einfältige Gebrauch des heil. Abendmahls zu sein, da sie anstatt der Oblaten gewöhnliche Semmel nahmen, und in Ermangelung eines Kelches ein Gefäß, wie sie es am besten bekommen konnten, gebrauchten, so daß ihrer Etliche sich unter einander mit einem Eide verbanden, das heil. Abendmahl nicht anders als auf eine solche einfältige Weise, mit Brod statt der Oblaten, zu genießen, welches auch viele, fast die meisten dazumal wünschten. Sie waren auch mit dem Vortrag ihrer erwählten Aeltesten so zufrieden, daß sie auch im Sinne hatten, sie gewöhnlicher Weise ordiniren zu lassen; doch wollten sie es nicht für sich selbst thun, sondern schickten ihrer zwei zu ihrem damals in Waldheim sitzenden Prediger (Liberda), um zu hören, was derselbe dazu sagen würde. Die Antwort ist mir unbekannt.

Anderweitige Nachrichten sagen: ihre Jugend wurde anfänglich von einem böhmischen Schullehrer unterrichtet, den sie nach Berlin mitbrachten. Nachher aber haben sie durch Pr. Franke in Halle den Candidaten Petermann, der von Geburt ein Ungar war, aber gut böhmisch und deutsch sprach, erhalten, der ihre Kinder unterrichtete und Deutsch lehrte. Auf Königliche Ordre erhielt er seinen Unterhalt und freie Wohnung aus der montis pietatis Casse. Den Kindern gab Herold Catechismen und Gebetbücher.

Die väterliche Fürsorge des Königs war für das leibliche und geistige Wohl dieser Leute ungemein groß. Er bewilligte den Vorschlag des geh. Rath v. Herold, daß ihr vormaliger Schulmeister von Sorau nach Berlin gerufen, eine ganze Straße mit ihnen besetzt und für sie viele Häuser gebaut wurden. Da sie so sehr nach einem ordentlichen Prediger seufzten, so ließ es sich der König sehr angelegen sein, den Liberda, der, obwohl ein Schlesier, der böhmischen Sprache mächtig war, auch die deutschen Gesänge ins Böhmische übersetzt hatte, aus seiner Gefangenschaft zu erlösen. Als ihnen Herold dieses auf Befehl des Königs zu ihrem Troste ankündigte, fielen sie alle auf ihre Kniee nieder, priesen Gott und dankten dem König unter vielen Thränen, und mit inbrünstigem Gebete, daß Gott ferner Sr. Majestät Herz zur Gnade und Barmherzigkeit gegen sie lenken wolle. Allein bei aller angewandten Mühe ist zuletzt 1734 doch alle Hoffnung zu seiner Befreiung verschwunden. Der geh. N. v. Herold war demnach auf einen andern Prediger für sie bedacht, besonders da er hörte, daß Unordnung einreißen wollte, und sie sich unter einander heimlich das heil. Abendmahl reichten. Und der König befahl, man soll ihnen einen Prediger nach ihrem Sinn geben. Da nun Andreas Macher, der sich in Cottbus bei der Schule aufhielt und nebst dem Deutschen auch gut böhmisch sprach, auch von Professor Franke und Abt Steinmetz ein gutes Zeugniß erhielt, so wurde er 1735 den 30. Juli auf Befehl des Königs votirt und monatlich ein Tractament von 10 Thalern für ihn ausgesprochen; „wenn ihr meint, daß es genug ist,“ schrieb der König an Herold. Den 12. Sept. mußte er seine Probepredigt in der Petrikirche halten über Psalm 50, 15. Darauf wurde er examiniret, ordiniret und als ordentlicher Prediger bei den berlinischen Böhmen angestellt. Der geh. R. v. Herold ließ ihnen nun zu ihren Zusammenkünften in der Friedrichsstadt in des Herrn Hofraths Koch Hause einen großen Saal anweisen. Der König bewilligte zugleich auf den Vorschlag des geh. M. v. Herold, daß auf der Friedrichsstadt in einem gemeinschaftlichen Hause, wozu der König die Materialien freigab, das aber der Magistrat bauen sollte, für sie ein besonderer Saal, für den Prediger und Informator aber besondere Zimmer eingerichtet werden sollten.

Fortgesetzte Einwanderung der Böhmen in Berlin.

Da der König von Preußen nun einmal einige hundert Böhmen in Berlin aufgenommen und so väterlich für sie gesorgt, auch versprochen hatte, für die Zurückgebliebenen und Verfolgten in Böhmen sein Bestes zu thun, und im Falle durch Vorstellungen am Kais. Hofe nichts auszurichten wäre, doch alle, die in der Stille und guter Ordnung ins Land kämen, aufzunehmen; so warteten die Böhmen in Großhennersdorf den Erfolg der Königlichen Bemühungen nicht ab, sondern eilten nach Böhmen, und beredeten die Leute: der König von Preußen werde ihnen Religionsfreiheit verschaffen und ihre Emigration mit Gewalt unterstützen. Da haben sich nun im Königsgrätzer Kreise auf einmal sieben Dörfer öffentlich für das Evangelium erklärt und entweder freie Religionsübung oder ungehinderten Abzug verlangt. Sie hielten öffentlich in ihren Häusern Versammlungen, und zeigten großen Eifer und Inbrunst im Beten und Singen. Es waren ihrer bei 6000, oder, wie Einige wollen, bei 9000 Seelen. Sobald es ruchbar wurde, waren die Jesuiten sogleich bei der Hand und bedrohten sie. Aber ein Gläubiger antwortete ihnen: Bisher haben wir dem Satan und der Welt gedient, und ihr habt uns nichts gesagt. Nun dienen wir Jesu nach Gottes Wort, und ihr verfolget uns! Warum geht ihr nicht lieber in die Bier- und Saufhäuser, und treibt die öffentlichen Sünder, Tänzer, Spieler, Schläger, Nachtschwärmer rc. aus einander? Wisset, unsere Andacht lassen wir uns von niemand nehmen. Die Jesuiten erwiederten: Ihr seid lutherisch! Sie antworteten: den Luther kennen wir nicht; wir glauben an Jesum und an keinen andern. Da die Jesuiten nach 6 Stunden noch nichts ausgerichtet hatten, gingen sie beschämt davon. Der Ortsgeistliche aber segnete sie und wünschte ihnen Wachsthum und Beständigkeit. Da man allerlei vergebens versucht hatte, sie auf andere Gedanken zu bringen, so brauchte man Gewalt; fünf Compagnieen Soldaten - geharnischte Apostel - sollten sie nun bekehren, und womit? Sie legten weidene Stöcke ins Wasser, banden drei Personen an Händen und Füßen auf eine Bank und strichen sie mit den frischen Ruthen so, daß das Blut unter dem Hemde hervorspritzte. War das Blut zusammen geronnen, so wurde es mit warmen Wasser wieder begossen, und die Schlage begannen von neuem. Darauf wurden viele der Geachtetsten in die schmutzigsten Gefängnisse geworfen. Ihren Cantor zwangen sie durch zweihundert Prügel zu bekennen, daß die K. Preußische Vollmacht, worauf sie sich berufen hätten, falsch und von ihm selbst gemacht sei.

Da nun die Verfolgung in Böhmen nicht aufhörte, so ließ auch die Auswanderung der Verfolgten nicht nach, sondern es kamen von 1732 bis 1737 und in den folgenden Jahren immer noch Böhmen nach Berlin, so daß 1738 nach einem Verzeichniß im Pfarr-Archiv 1557 böhmische Colonisten sich in Berlin befanden. Die 87 Familien, welche 1733 angekommen, waren so arm, daß ihnen der König Decken und Strohsäcke, die bei den Lazarethen im Felde gebraucht worden sind, auf ihre Bitte d. 3. Dec. 1735 bewilligte. 1736 sind wiederum viele von Cottbus hier angekommen, wo sie sich in äußerster Noth befanden, so daß manche in 2 bis 3 Tagen keinen Bissen Brod hatten. Durch des Königs Gnade haben alle Reise- und Quartiergelder bekommen. 1737 sind wieder 105 Familien, mit den Wittwen und Ledigen, 411 Personen in Berlin aufgenommen worden, deren Namensverzeichnisse noch vorhanden sind.

Die Bethlehemskirche in Berlin

Friedrich Wilhelm ließ ihnen ein Kirchlein bauen, welches anfangs am Ende der Kochstraße (die die Wilhelmstraße durchschneiden und bis zur Stadtmauer gehen sollte), dort wo jetzt die Stallgebäude von Prinz Albrechts Palais stehen, angebracht werden sollte, damit sie der Jerusalemskirche gerade gegenüber stände, und weil der Platz geräumig genug war, daß das Kirchlein mit der Zeit bei Anhäufung der Gemeinde vergrößert, auch ein Kirchhof dahinter angebracht werden könnte. Dieser Plan wurde aber leider vereitelt und dagegen der Platz an der Krausen- und Mauerstraßen Ecke gewählt, wo sie jetzt steht. Am 21. Nov. 1736 wurde auf Befehl Seiner Majestät des Königs, und in Dero Namen vom Herrn Gouverneur und General von Glaßenau der Grundstein gelegt, den 22. Oct. 1736 der Knopf aufgesetzt, und den 12. Mai des Jahres 1737 am Sonntag Jubilate die Kirche selbst eingeweiht.

Die Böhmische Gemeinde hat nach der Erbauung dieser Kirche ihren Prediger Liberda wieder erhalten, denn er hat sich aus seiner Gefangenschaft im Zuchthause zu Waldheim selbst befreit, indem er 1737 in Gesellschaft des Stockknechts davongegangen und wieder nach Berlin gekommen ist, wo er bis 1742 gelebt hat. Nach dessen Tode ist Macher wieder als Prediger eingesetzt worden, weil er sich aber durchaus weigerte, der Gemeinde das heil. Abendmahl mit Brodbrechen, welches der Prediger Liberda eingeführt hatte, zu reichen; so sonderte sich die eine Hälfte derselben ab, und bat den König um einen reformirten Prediger, welchen sie auch nach überstandenen vielen Schwierigkeiten an dem damaligen Prediger in Heieredorf bei Lissa in Polen, Hr. J. Theophilus Elsner, erhalten hat, der das Martirologium bohemicum (die böhmische Verfolgungsgeschichte) 1766 herausgegeben hat. Kurz vorher haben auch einige der früheren böhmischen Colonisten die Einrichtung der Herrnhuter Brüdergemeinde, mit der sie schon in Sachsen näher bekannt geworden, liebgewonnen. Und so entstanden von der Zeit an aus den eingewanderten Böhmen in Berlin und Rixdorf drei verschiedene Gemeinden, nämlich eine lutherische, eine reformirte und eine herrenhutische. Die beiden ersteren haben von da an jederzeit ihre besonderen Prediger gehabt, den Gottesdienst aber in der für die Böhmischen Exulanten erbauten Kirche wechselweise gehalten. Nach dieser Trennung entstand unter ihnen große Lieblosigkeit gegen einander, wodurch Viele Schaden an ihrer Seele gelitten haben; einige aber sind unter allen Abwechslungen und Widerwärtigkeiten treu geblieben bis an ihr Ende.

Einige von den nach und nach in Königlich Preußische Lande eingewanderten Böhmen und Mähren haben sich auch außer Berlin an verschiedenen Orten niedergelassen. Die in Schöneberg, Friedrichshagen, in Schönelinde bei Köpnik, in Vockehagen bei Berlin sich ansiedelten, gehörten zu der berlinisch-böhmischen Gemeinde. Die in Mirdorf wohnen, hatten, nach der Urkunde, die im Thurmknopf liegt, ihren eigenen Prediger, und hielten ihren Gottesdienst in der dasigen deutschen Kirche. Die in Nowawes bei Potsdam machten auch eine besondere Gemeinde aus und hatten ihren Prediger und eine schöne Kirche. Auch zu Münsterberg in Schlesien sammelte sich eine besondere böhmische Gemeinde, die ihren eigenen Prediger erhielt.

Die Hoffnung, daß künftig noch mehrere Böhmen um der Gewissensfreiheit willen ihr Vaterland verlassen und die hiesigen vermehren werden, hat man aufgegeben, nachdem der Kaiser Joseph II. in allen östreichischen Staaten Religionsfreiheit eingeführt und den Protestanten überall zur Erbauung der Kirchen und Schulen Erlaubnis, ertheilt hat.

Die Prediger, welche nach Erbauung der Kirche der böhmisch-lutherischen Gemeinde in Berlin vorstanden, waren:

1) Andreas Macher, aus Oberschlesien gebürtig, welcher zu drei verschiedenen Malen zur Gemeinde berufen worden ist.
2) Paul Pinzger, ein Ungar.
3) Christoph Daniel Pakosta, aus Böhmen, der 1762 starb.
4) Matthias Servus, aus Böhmen, der 1792 den 26. März sein Leben endete, nachdem er 38 Jahre seinem Amte treu vorgestanden hatte.
5) Johann Janicke, der von böhm. Eltern in Berlin geboren, nach beinahe 50jähriger, ausnehmend gesegneter Amtsführung in einem Alter von 79 Jahren den 21. Juli 1827 selig aus der Zeit ging, und den Schreiber dieses zum Nachfolger hatte.

Die reformirte Gemeinde hatte drei Elsner zu Predigern, den Vater, Theophilus Elsner von ihrer Entstehung an bis 1782, dann seine zwei Söhne, den Theodor Elsner, 4 Jahre, und den Benjamin Elsner bis 1831; worauf der jetzige Prediger, Herr D. Koppe, folgte.

Hier muß ich abbrechen und kann zu dem Obigen nichts mehr hinzufügen, da mir die Quellen, aus denen ich schöpfte, vertrockneten und die gehörigen Urkunden, die mehr Ausschluß geben könnten, entzogen sind. Doch glaube ich zur Belehrung und Erbauung genug mitgetheilt zu haben. Wer aber noch nicht satt ist, der lese folgende Geschichten: 1) Von dem merkwürdigsten Böhmen, und 2) von einem nicht unbedeutenden Böhmen, und er wird wie der Speisemeister von Kana sagen: Du hast den besten Wein bis hieher behalten.

Quelle: Gossner, Johannes - Die böhmischen Märtyrer und Auswanderer

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