Godet, Frederic - Das Amt, das die Versöhnung predigt

Godet, Frederic - Das Amt, das die Versöhnung predigt

Der Wahlspruch für das Werk und Amt eines Verkündigers des Evangeliums von Christo liegt in den Worten des Apostels Paulus: „Dafür halte uns Jedermann, nämlich für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Nun sucht man nicht mehr an den Haushaltern, denn dass sie treu erfunden werden.“
1. Kor. 4,1

Eigentlich hatte Paulus, als er diese Worte schrieb, Angriffe seiner Gegner im Sinne. Solche wünschten, ein Apostel sollte gewaltiger auftreten, von ansehnlicher Gestalt sein, auch in seinem Vortrag mehr Gewinnendes haben. Man zog ihm in Korinth deshalb solche Prediger vor, die später, als er, in die Gemeine gekommen waren, aber in der Verkündigung des Evangeliums mehr Glanz entfalteten. An solche denkt Paulus, indem er die Herrlichkeit seines Amtes anschaut und die Übrigen eben dazu auffordert. „Dafür nicht für mehr und nicht für weniger halte uns Jedermann, nämlich für Christi Diener und für Haushalter über Gottes Geheimnisse.“ „Darum&“, sagt er, solle man Anderes von ihm nicht verlangen, als was man von jedem Haushalter verlange: Treue im Amt.

Setzt Einer im Reiche dieser Welt über sein ganzes Vermögen einen Verwalter, so ist dieser nicht verantwortlich für Gaben, die er nicht besitzt. Nach seinen Gaben hatte der Anstellende vor der Anstellung zu fragen. Einmal angestellt unterliegt er mehr Zumutungen nicht, als dass er die Gaben, die er besitzt, treulich anwende. Auch für das Gelingen seiner Bemühungen trägt er die Verantwortlichkeit nur so weit, als es von seiner Leistung abhängt, neben Umständen, die er nicht in seiner Hand hat. Diesen einfachen, einleuchtenden Sat stellt Paulus denen entgegen, welche das Richteramt über ihn sich anmaßten; auch sich selbst hält er ihn vor und richtet dabei seinen Blick fest auf seinen Gott, der allein ihn und seinen Dienst gerecht würdigen kann.

Und das mag sich besonders auch ein angehender Verkündiger Christi vorhalten. Die Gaben, mit denen er seine Arbeit anfängt, hat ihm Gott in seiner Weisheit vertraut nach Art und Umfang. Der Erfolg seines Dienstes hängt nur teilweise von ihm ab; es ist Gott, der das Gedeihen geben muss, selbst zu dem, was Paulus gepflanzt und Apollos begossen hat; und Vieles hängt überdies davon ab, wie die Gemeine, zu der er gesendet wird, dann die Verkündigung des Evangeliums aufnimmt. Kommt die Rechenschaft vor Gott, so entscheiden wieder nicht die Gaben noch die Erfolge, sondern da gilt nur die Treue, mit welcher er sein Amt verwaltet hat. Drei Dinge sind darum sehr wichtig.

I.

Die erste Bedingung alles Gelingens ist der Glaube an die göttliche Einsetzung des Amtes, das die Versöhnung predigt.

Paulus glaubte an diese Einsetzung. Nicht nur das; er wollte, dass auch die Gemeine daran glaube. Dafür halte uns Jedermann, nämlich für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Darin lag, so erachtete er es, seine Kraft und seine Vollmacht.

Das ist es also, womit die Treue ihr Amt anfängt, dass sie an diese Einsetzung des Amtes selbst glaubt. Es gibt ja heute gar Manche, auch selbst unter denen, die sich Jesu Christi Diener nennen, welche meinen, sogenannter hochkirchlichen und priesterlicher Richtung gegenüber nicht genug alle die Unterschiede beseitigen zu können, welche zwischen dem Amt der Diener Christi an seiner Gemeine und dem allgemeinen Priestertum jedes Christenmenschen bestehen. So hätte dieser Diener höchstens etwa noch das voraus, dass er ein wenig mehr tätig sein dürfte an seiner Gemeine als sein Laienbruder. Auch wären ihm vielleicht noch einige Gaben mehr verliehen, oder er wäre etwa besser eingeschult.

Wer aber dieser Ansicht ist, der steht im Widerspruch mit dem offenbaren Sinn Jesu Christi. Er selbst ist es, der in seiner Gemeinde die Verkündigung von der Versöhnung, die er gestiftet, als ein Amt eingesetzt hat.

Denn nachdem er zuerst in Judäa, am Ufer des Jordans, mit einigen Jüngern angeknüpft hatte, berief er sie dann etwas später ein zweites Mal in Galiläa und sprach zu ihnen: Folgt mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen. Jetzt verließen sie, aber jetzt ganz, Kahn, Garn und Geräte, Alles was sie, schon seine Anhänger, noch nach der ersten Begegnung ruhig behalten und fortgebraucht hatten, blieben von nun an um und bei ihm, zu seiner vollen Verfügung und überließen ihm, wie er für das tägliche Bedürfen sorgen werde. Jetzt begann für sie eine ganz neue Lebensordnung. Hatten sie bisher, auch schon die Seinen, ihr Brot im Schweiß ihres Angesichts gegessen, nach der Ordnung von Adam her, von jetzt an geschah es so nicht mehr. Unter Jesu Vorgang ist ihre Arbeit nun dem großen Heilsdienst an den Menschen, ihren Brüdern, hingegeben. Zwar Apostel Jesu sind und heißen sie noch nicht. Das ist in dem Dienste eines Jüngers noch ein besonderes Amt; und eine neue, noch besondere Wahl führte sie, aber erst noch später, dazu. Aber offenbar sind sie jetzt aus der Reihe der übrigen Anhänger Jesu herausgenommen und bekommen eine Sonderstellung in seiner Gemeinschaft. Sind auch die Übrigen, die an ihn gläubig wurden, noch weiter ihrer irdischen Beschäftigung nachgegangen, die Jünger nicht. Eine Scheidung ist vollzogen; zwischen dem Dieneramt und der Gemeinde der Gläubigen ist fortan ein Unterschied. Tatsächlich und grundsätzlich ist jetzt ein Dieneramt gestiftet vom Herrn selbst, dem gedient wird.

Oder ist das etwa eine gezwungene Auslegung? War nicht vielleicht diese zweite, besondere Berufung bloß für die drei Jahre gemeint, da die Jünger dem Herrn Jesu persönliche Dienste leisten, ihm zur Hand sein sollten, oder doch, wenn auch mehr damit gemeint war, bloß für die Stiftung der Kirche? Nimmermehr. Viel weitgreifender, viel mehr auf das Ganze der Sache gerichtet ist Jesu zweiter Ruf. Hat nicht Paulus, als er von seinem Dieneramt und seiner besonderen Stellung als Haushalter über Gottes Geheimnisse schrieb, das gemeint, was Jesus im Blick auf diese zweite Berufung selbst ausgesprochen hat: „Wie ein groß Ding ist es um einen treuen und klugen Haushalter, welchen der Herr setzt über sein Gesinde, dass er ihnen zu rechter Zeit ihre Gebühr gebe. Selig ist der Knecht, welchen der Herr also findet tun, wann er kommt.“ Ja, „wann er kommt“. An das Ganze seiner Kirche, auf die ganze Dauer derselben hinaus, bis ans Ende denkt der Herr der Kirche bei der Einsetzung dieses Dieneramtes, wie er bei Stiftung des heiligen Mahles für seine ganze Kirche und ihre ganze Dauer sorgt, „bis dass er komme.“

Übersehen wir doch ja nicht die zarte Fürsorge unseres Herrn für seine Gemeine in dieser Einsetzung. Es ist recht das Heilandsherz, aus dem sie ihren Ursprung zieht. Immer neu weckt er, immer entsendet und sendet er seinem Volk, dem Ganzen und jedem Einzelnen seiner Glieder Diener, die aus gleichem Antrieb, wie Er selbst von seiner Taufe an es tat, Alles verlassen, jede andere Arbeit fallen lassen um ihrer Brüder willen, ihrer Seelen willen, und ihren Unterhalt nur von ihm und seiner Gemeine begehren. So stiftet er nicht nur das Amt, sondern noch wirksamer und eingehender beruft er fortwährend für dieses Amt Diener, die er aus seiner Gemeinde ausgesondert, wie einst bei seinem Wandel auf Erden er Jünger aussonderte. Diese aus seiner Barmherzigkeit hervorgegangene vorsorgliche Anordnung haben die Apostel auch in ihre Gemeindeordnung aufgenommen. Aus der Apostelgeschichte und aus ihren Briefen sehen wir, dass in allen Gemeinden, die sie gegründet haben, sie besondere Ämter stifteten und Diener erwählten für das Werk der Ämter. „Und er hat Etliche gesetzt,“ schreibt Paulus, er selbst, der verherrlichte Christus, „er hat Etliche gesetzt zu Aposteln und Propheten“ - das sind die zwei Ämter, deren er zur Gründung der Gemeinde bedurfte, - „etliche zu Evangelisten“ das sind die Sendboten, die er heute noch zur Ausbreitung der Gemeinde bedarf - „etliche aber zu Hirten und Lehrern“ durch welche er fortwährend sie leitet, lehrt und zubereitet.

Die er nun beruft und ausrüstet, die hat die Gemeinde zu bilden, zu prüfen, anzuerkennen und von ihm anzunehmen, und wenn sie sich ihr anbieten, einzusetzen. Aber dann sollen sie auch gelten als Gaben seiner Hand, die er selbst ihr spendet, und es soll nun seine Gemeinde diese Berufenen für ihren Verzicht auf den Gewinn einer irdischen Laufbahn und für das Hergeben aller ihrer Zeit, Kräfte und Gaben hinwiederum dadurch sie ehren, dass sie für sie sorgt, wie der Herr für seine Jünger sorgte, so lange er mit ihnen umherging durch die Städte und Märkte seines Landes.

So gibt es also, und darauf legen wir Gewicht, nicht nur Ämter, nicht nur allgemeine Anordnungen des Herrn für deren Diener, sondern es gibt auch eine ganz persönliche Berufung des Herrn aus seinem Heiligtum zu diesem Dieneramt. Selig sind, die in ihrem Leben einen solchen Augenblick kennen, da der Herr innerlich zu ihnen geredet hat, da er ihnen das heilige Amt auf ihr Herz legte. Vielleicht dass in der Mitte von Kindern, die Einer als Jüngling unterrichtete, der Oberhirte zu ihm sprach: Weide meine Lämmer. Oder am Grabe eines abgerufenen Dieners, da er unwiderstehlich dem weinenden zurückgelassenen Freunde zuflüsterte: „Willst du nicht in seine Fußstapfen treten?“ Oder er sah etwa Einen, „da er unter dem Feigenbaum war“, in einer unvergesslichen Stunde seiner heiligen Gegenwart, oder bei der Feier seines Mahles. Wie immer eine klare Berufung an ihn gekommen sein mag, so liegt in ihr etwas von der himmlischen Erscheinung, der Paulus nicht ungehorsam sein wollte.

So wollen wir denn glauben an dieses Amt der Verkündigung der Freudenbotschaft von Christo, wollen glauben an dessen himmlischen Ursprung und sein göttliches Gepräge. Dieser Glaube macht den Diener Christi stark, gewährt ihm Ausdauer, verschafft ihm seine Vollmacht und sein Ansehen. In solcher Vollmacht und Freiheit lernt er mit Paulus bezeugen: Mir ist es ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Tage, auch richte ich selbst mich nicht.

Davon ausgehend wird ein solcher Verwalter der göttlichen Geheimnisse auch seine Verkündigung nicht schöpfen und suchen in der Lehrmeinung des Tages und den unanfechtbaren, aber dennoch stets wechselnden Satzungen der Zeitströmung, sondern in der Offenbarung, die uns Gott selbst über seinen Heilsplan in der Heiligen Schrift gegeben hat.

Lebt und dient Einer also seinem Meister, Christo, in der Tat und in der Wahrheit, so vermag er auch Widerstand zu leisten gegen jeglichen ungerechtfertigten Eindruck und Einfluss, der sich ihm aufdrängen will. Er hat nur das eine Anliegen, Christo zu dienen, und damit auch Alles zu fördern, was Christo gefällt und was wohl lautet. Ein solcher „Botschafter an Christi Statt“ wird in seinem Amt, das er empfangen hat, stets nur die anvertraute Gabe ehren, nicht sich den armen sündigen Menschen, sondern in den überschwänglichen Schatz, den er in irdenem Gefäße trägt.

Das ist es, was auch der Gefahr der Überhebung wehrt, in die ein solcher Verwalter der göttlichen Geheimnisse fallen könnte.

Denn wie er an die göttliche Einsetzung seines Amtes glaubt, so muss er auch über diesem Amte erzittern.

II.

Dieses Amt hat eine erschreckend gewaltige Aufgabe. Sie steht sehr hoch, ja sie ist die allerhöchste, die gedacht werden mag, kann aber auch überaus leicht, ja leichter als sonst irgendeine verderbt werden, ja völlig scheitern, und zwar gerade aus Verschulden desjenigen, dem sie vertraut war. In jenen vorerwähnten Worten gibt Paulus das genugsam zu verstehen, wenn er von Verwaltern göttlicher Geheimnisse spricht.

In dieser Eigenschaft muss der Diener Christi die Menschen einführen ins Verständnis der Heilsgedanken, die Gott von Ewigkeit her über sie hatte; er soll ihnen die ganze, volle Wahrheit offenbaren des Planes Gottes mit uns, aber in demselben Maß auch jedem für seine Person und in weiser Zuteilung das geben, was ihn gerade jetzt davon. angeht. Und so wird er, wie auch wieder Paulus es ausspricht: „Mitarbeiter Gottes“. Das heißt nichts geringeres, als stets bereit sein, dem heiligen Geist als Werkzeug seiner Erleuchtung zu dienen, und zwar durch das Mittel des recht und getreu verkündeten Wortes.

Christi Diener sind auf diese Weise die Gehilfen zur Erlösung der Menschen von ihren drei Todfeinden: Sünde, Teufel und Hölle. Allerdings ist in gewissem Sinn dieses Werk bereits vollendet. Überwunden ist der Teufel. Von der Krippe bis zum Kreuz, ja zum Tode am Kreuz hat ihm Jesus nicht einen Schatten von Gewalt über sich eingeräumt. Überwunden ist die Hölle mit ihrer Verdammung. Am Kreuz hat Christus eine ewige Erlösung erfunden, weil „Christi Blut beständig schreit Barmherzigkeit, Barmherzigkeit.“ Überwunden ist die Sünde. Denn von der Rechten des Vaters, zu der er erhöht ist, sendet er seinen Heiligen Geist in alle Herzen, die an ihn glauben und in diesem Glauben gerechtfertigt sind. Von seiner Seite also ist das große Werk vollendet. Aber nun gilt es, in sein Reich den Menschen einzuführen, in ihm das Werk zu vollenden, die Glieder der Gemeine Christi dieses Erlösungswerkes teilhaft zu machen. Und das Alles soll der Diener Christi wie an Andern, so auch gleichzeitig an sich selbst ausrichten. Ja, an sich selbst zuvörderst. Denn da vorzüglich kann Alles scheitern. Wie leicht geschieht es, dass aus dem ganzen Umfang der Wahrheit, in die hinein und in der umher uns der Heilige Geist Christi führt, der Knecht Christi irgend ein Stück herausreißt, wie es eben einer Liebhaberei oder einer Eigentümlichkeit, einer Gesamtrichtung, zu irgend einer Lücke, zu irgend einer augenblicklichen Führung eines solchen Dieners passt, er sich in dieses Stück versenkt und verschließt und den Mittelpunkt alles Heils, Jesum Christum, darob in den Schatten stellt und mit ihm alle andern Seiten der erkannten Wahrheit. So wird der Dienst dieses alleinigen Meisters über einer Einseitigkeit verkümmert und die Kraft, die zur Pflege der Seelen erforderlich ist, gelähmt, zersplittert oder vergeudet.

Gerade diese Art von Gefahren hatte Paulus im Auge, als er seine Nachfolger in Korinth warnte. Gelegt, sagt er, ist wohl der Grund, aber nun, was wird darauf gebaut? Es könnte sein, dass dem Grund und der Anlage des Ganzen das Baumaterial nicht entspräche und statt Marmor, Gold und Silber ihr Stoffe dazu brächtet, die des Gebäudes unwürdig wären: Holz, Heu, Stoppeln; dass ihr, statt in den Seelen der Gläubigen Christum zu verherrlichen, der allein bleibt, Glaube, Hoffnung, Liebe zu pflanzen und zu entfalten, könntet eurer Gemeinde unfruchtbares Wissen einpflanzen oder geistliche Rührungen wecken, aber den einzig echten Aufbau in selbstloser Liebe und Selbstverleugnung fahren lassen. Es wird aber ein Tag kommen, fügt er bei, da dieser Aufbau seine Feuerprobe zu bestehen haben wird. Alsdann erst wird das Werk den Meister loben. Die Augen wie Feuerflammen werden richten und durchschauen, was in den Seelen zu Stande gebracht ist, die ihr zu pflegen hattet. Was wird das für ein Erröten sein, was wird durch das Herz gehen, wie wird das Gewissen erbeben, wenn das Alles zusammenbricht, in Rauch aufgeht, wie Spreu zerstiebt, was Einer gepflanzt hat; wenn leer erfunden werden, die von dem empfangenen Pfund das Erworbene darbringen sollten, und leer die Seelen derer, die mit den Kräften des ewigen Lebens sollten erfüllt stehen, finster die Augen, welche das Licht sehen sollten in Gottes Licht. Warum! weil die, welche Diener Christi sein sollten, sich selber gedient haben zu eigener Verherrlichung, statt sich zu dienen in seinem Dienst. So gar nahe liegt die Selbsttäuschung über die wirkliche eigene Grundgesinnung; den Hebel, der uns bewegt, die Richtung des Windes in unsern Segeln, ob wir für Christum eifern oder an uns selbst Gefallen haben; ob wir die Kanzel betreten, um Christum zu verkünden oder er uns nur zum Unterbau dient, um uns in seiner Gemeine ein Denkmal aufzurichten. Und wie so unvermerkt und geschwind sucht man sich doch selbst, nicht nur in der Predigt auf der Kanzel, sondern unter der Kanzel mitten in einem ernsten Gespräch, beim einfachsten Krankenbesuch! So geschieht es, dass das, was als lauteres Wasser den Durst der Menschenseele stillen sollte, getrübt, verunreinigt, ja wohl gar vergiftet wird; was Geruch zum Leben sein sollte, Geruch zum Tode wird. So lastet auf uns die Verantwortung nicht nur für die ungesunde Luft um uns her, sondern auch für die Lähmung der Kräfte, die durch unsern Dienst hätten entbunden und entfaltet werden können in demütigem, selbstvergessendem Dienste Jesu.

Wie erschütternd ist doch das Geständnis jenes alten, einst so viel und gern gehörten Predigers, der auf seinem Sterbebett, in den Augenblicken, da die Wahrheit nur desto klarer wird, je näher die Entscheidungsstunde tritt, mit ersterbender Stimme aussprach: Ich habe mich selbst gesucht und nun finde ich auch nur mich selber. Das ist die Strafe, die Gott mir nun auflegt. Welches entsetzliche Verzagen in diesem kurzen Bekenntnis!

So wiederholt sich uns die Mahnung: Zittert. Ja zittert vor dem Unterschätzen der Aufgabe, die nicht hoch genug kann geschätzt werden vor Befleckung des Werkes, das die heiligsten Hände erfordert, vor jeder Hemmung des Laufes, der nicht genug kann gefördert werden. Ja zittert, nicht vor dem Werk, sondern vor euch selbst, wenn ihr euer fremdes Feuer in die Schalen für heiliges Feuer legen würdet; und fühlt ihr euch frei und stark in dem Glauben. an das Amt, das euch vertrauet ist, so tut desto mehr Fleiß, dass ihr darin wachend und sorgfältig erfunden werdet.

III.

Aber gibt es denn auch Mittel, sich völlig frei zu machen von sich selbst und dafür die Übergabe an unsern Herrn ganz echt und ernst zu machen? Ja wohl; wie dürften wir sonst Jünglinge zu Predigern des Evangeliums einsegnen? Solchen gilt dann das dritte unter den drei Dingen, auf die wir hinweisen möchten.

Will Einer wirklich treu sein im Amt, das ihm anvertraut ist, so muss er den lieb haben, der es ihm vertraut hat.

Als Jesus dem ungetreuen Jünger das Apostelamt, das er durch seine dreimalige Verleugnung verscherzt hatte, neu vertrauen wollte, wie fing er es an, bevor er ihm wieder auftrug: „Weide meine Schafe. Weide meine Lämmer!“ Er fragte ihn, und zwar dreimal: „Hast du mich lieb?“ In seinen Augen ist das die oberste vor allen Bedingungen. Denn wenn es die Aufgabe des Hirten ist, sich der Schafe anzunehmen, des Seelenhirten, der Seelen zu pflegen, so muss ja doch der Schöpfer und Leiter dieser Seelen uns oben anstehen, der sie uns vertraut vor Allen, die wir lieb haben.

Und wer wird uns dieses Liebhaben recht schildern? Den Du, Diener des Herrn, als aller Sünder Heiland anpreist, ist er nicht nur ein dir vorgemalter Heiland, sondern auch dein Heiland?

„Was wärst du ohne ihn gewesen?
Was würdest ohne ihn du sein?
Zu Furcht und Ängsten auserlesen
Ständst du in weiter Welt allein.“

Hast du den Preis je gewogen, der für dich von ihm bezahlt wurde? Ist in dir bei dem Angstgeschrei seiner Seele am Kreuz etwas erzittert? Ist zwischen ihm und dir ein Bund, ein verborgener, so dass, wenn Er in der Stille zu dir redet, du sagen kannst: Mein Herz brannte in mir? Ist Er in der Mitte deines Herzens die Sonne, um die dein Wille ganz und alle deine Gedanken kreisen, und hast du nun wie seine Jünger seine Verheißung in dir aus seinem Munde empfangen: Mein Vater wird dich lieben und wir werden zu dir kommen und Wohnung bei dir machen? Und liebst du ihn, so wirst du um Jesu willen auch das allergeringste, verkommenste und verworfenste Wesen nicht gering achten, ja mit dem Weibe, welches das ganze Haus kehrte, bis es seinen Groschen fand, ihm nachgehen bis in den Kehricht, der ihn verborgen hält. Und keine Unterrichtsstunde mit noch so wenigen Kleinen und kein Krankenbesuch in noch so widerlicher Umgebung wird dir weniger wichtig sein als ein Vortrag in der allergewähltesten Gesellschaft.

Hast du ihn lieb, so gibt es für dich keinen einzigen verlorenen Augenblick. Auch die allerkleinste Zeitlücke wird zu mittelbaren oder unmittelbaren Diensten benützt. Kein Buch wirst du zur Hand nehmen, das nicht seinem Dienst direkt dient; Bitte und Flehen zu ihm wird nie versiegen in dir. Hast du ihn lieb, so wird es dich nicht sauer ankommen, ihm nachzufolgen, wo er hingehet, oder wo er Dich hinsendet, sei es in das elende Dörflein oder in die kleinstädtische Bürgerschaft, auf die raue, öde Höhe oder in die versengte Wüste. Du wirst tun wie jener Knecht, zu dem der Hauptmann spricht: „Gehe hin, so geht er, komme her, so kommt er, tue das, so tut er's.“ Hast du ihn lieb, so ist die größte Freude deines Herzens, auch ihm etwas zu Liebe zu tun, darum dass seine Seele gearbeitet hat, auf dass er dafür seine Lust sehe. In seiner Liebe wirst du so stark, dass du dich selbst verleugnen kannst, und so reich, dass du deine Seele gewinnst. Wie ehrwürdig ist uns doch der Anblick eines Hausdieners, der in einer Familie alt geworden ist und ihre Sache zu der seinen gemacht hat; er hat kein anderes Anliegen als das seiner Herrschaft, ihr gehört er mit Leib und Seele, mit allem, was er ist, hat und kann; mit keinem Lohne der Welt kann ein solcher bezahlt wer. den. Wenn aber Jesus Christus der Herr und Meister ist, dem Einer dient, und die Familie, für die Einer sich aufopfert, Gottes Volk, was können die Engel im Himmel für ein schöneres Schauspiel haben als diesen im Dienste seines guten Herrn ergrauten Knecht, der für ihn durch das Feuer geht.

Und doch, wir können uns an diesem Anblick nicht erquicken und dabei vergessen, dass es dafür auch ein Gegenbild gibt.

Und zwar ein erschreckendes: dasjenige des Hirten im Propheten Ezechiel, der sich selber weidet, sich nicht kümmert um die Schafe unter seiner Hut, noch um die Weide, auf die er sie führen soll, sondern seine eigenen Genüsse sucht, seine Stellung, die er Jesu zu Dienst erhielt, zu seinem Belieben verwendet, sei es zu Ansehen oder zum Behagen, und so den Gnadenlohn zum Erwerb macht. Kann wohl auf Erden ein Anblick widerwärtiger und ekelhafter erscheinen?

Führten uns des Paulus Worte in den Anfang eines Amtes im Dienste Jesu Christi, so sollen uns noch Christi Worte von dem Herrn, der mit seinen Knechten Rechnung hält, zu dem Ausgang dieses Dienstes führen. Und zwar gelten. seine Worte nicht nur den beamteten, sondern allen Gliedern seines Hauses. Für uns Alle gibt es ein Rechnen und einen Erfund. Das Rechnen stellt uns unter Gottes durchschauendes Auge, den Erfund, welcher immer es sei, wird der Herr aussprechen. Möchte er bei uns das Lob des treuen Knechtes bezeugen, und der Lohn, das seiest du selbst, Herr Jesu Christ!

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