Girgensohn, Thomas- Zur Erbauung - Von den Geistesgaben.

Girgensohn, Thomas- Zur Erbauung - Von den Geistesgaben.

(1. Kor. 12, 1-3.)

Was sind die geistlichen Gaben, von denen der Apostel in der obigen Stelle redet? Jene wunderbaren Gaben, die der Anfangsgemeinde verliehen waren, und welche Paulus im weiteren Verlaufe des 12. Kapitels des ersten Korintherbriefes namhaft macht, haben aufgehört, und doch wird uns in der Epistel des 10. Sonntages nach Trinitatis jenes Wort des Apostels verkündigt: von den geistlichen Gaben, liebe Brüder, will ich euch nicht vorhalten. So muss es also auch in der heutigen Christenheit etwas geben, was den Geistesgaben jener ersten Zeit entspricht. Wenn wir an das Wort des Herrn gedenken: der Geist ist es, der da lebendig macht, und an die Worte des Nicänischen Glaubensbekenntnisses: ich glaube an den heiligen Geist, der da lebendig macht, so erkennen wir, dass die Gabe aller Gaben, welche der Geist Gottes uns bringt, ein neues Leben in uns ist, welches uns mit Christo verbindet, so dass, obwohl äußerlich das alte Menschenwesen fortbesteht, doch das Wort 2. Kor. 5, 17 sich erfüllt: ist Jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur. Damit sind nun aber auch die unmittelbar darauf folgenden Worte in Kraft getreten: das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden. Das sündhafte Fleisch in uns hat die Todeswunde empfangen, an der es langsam aber sicher zu Grunde gehen muss; aber das von Gott geschaffene geistige Wesen des Menschen mit all' seinen Gaben, Kräften, Fähigkeiten hat einen neuen Lebenstrieb empfangen, durch welchen es sich ausgestalten muss langsam aber sicher zu dem Ebenbilde Christi. Vorher, von der Sündenmacht beherrscht, war der Mensch fleischlich, nun, durch den Geist getrieben, ist er geistlich, und all' seine Gaben sind im tiefsten Grunde erneuert, geheiligt, Gott geweiht, vom heiligen Geist durchdrungen und getragen, mit einem Worte: sind geistliche Gaben geworden. In diesem Sinne hat die heutige Christenheit auch geistliche Gaben, von solchen geistlichen Gaben predigt der Apostel uns im 12. und 14. Kapitel des ersten Korintherbriefes, zumal auch die Urgemeinde in den Wundergaben eine vom Geist gewirkte Erneuerung und Steigerung ihrer natürlichen Gaben und Anlangen erfuhr. Zunächst aber gibt Paulus in den folgenden Worten der von uns zu Grunde gelegten Schriftstelle das entscheidende Kennzeichen dafür an, ob seine Leser überhaupt geistliche Gaben haben oder nicht. Er will im zweiten und dritten Verse sagen: als Heiden habt ihr, da ihr zu stummen, geistlosen Götzen geführt wurdet, selbstverständlich keine geistlichen Gaben gehabt; was ihr also auch Großes und Staunenswertes redetet oder tatet, auf Gaben des heiligen Geistes konnte das nicht zurückgeführt werden. Euer Christenglaube aber, dass ihr Jesum einen Herrn heißt, ist vom heiligen Geist gewirkt, in diesem Bekenntnis: „Jesus der Herr,“ so es von Herzen kommt, liegt also der Beweis, dass der Geist Gottes in euch wirkt und ihr geistliche Gaben besitzet. Wir nun sind heutzutage auch dazu berufen, dass ein Jeder an seinem Platz, in seinem Beruf und in seiner Art das Reich Gottes baue; wir bedürfen dazu der geistlichen Gaben. Ob wir sie haben, ob wir geschickt sind zum Himmelreich, ist eine Frage von großer Wichtigkeit für uns. Um diese Frage aber befriedigend zu beantworten, wird uns gegeben das Wort: Niemand kann Jesum einen Herrn heißen ohne durch den heiligen Geist; an dieses Wort sollen wir uns halten, nach ihm uns prüfen, von ihm uns treiben lassen zu dem Gebet: ich glaube, lieber Herr, hilf mir vom Unglauben. Glauben wir aber an Jesum Christum unseren Herrn, dann haben wir zwar geistliche Gaben, aber es gilt dann auch diesen Glauben zu bewähren dadurch, dass wir Täter werden des Wortes von den geistlichen Gaben; das geschieht, wenn wir der Mahnung des Apostels 1. Kor. 14, 1 eingedenk sind: fleißigt euch der geistlichen Gaben; dazu predigt und lehrt er ja von denselben, dass wir sie nicht bloß erkennen oder empfangen, sondern sie auch pflegen, entwickeln, nach immer reichlicherem Besitz und Gebrauch derselben trachten. Je mehr wir unser Herz von dem Worte, durch welches der heilige Geist zu uns kommt, ganz durchdringen und durchleuchten lassen, je mehr wir all' unser Tun und Wirken in den Dienst Christi und seines Geistes stellen, je mehr wir alles, was an uns hervortritt, heiligen durch ein Beten, welches der Geist Gottes uns lehrt, desto freudiger werden wir bekennen, das Jesus Christus der Herr sei, desto reicher werden wir an geistlichen Gaben werden, desto mehr werden wir in unserem Leben den Reichtum derselben offenbaren, desto lebendiger werden wir sein in der Hoffnung, dass unser Werk nicht vergeblich ist, sondern dass trotz alles Stückwerks hier auf Erden einst das Vollkommene kommen wird, wo wir Ihm gleich sein werden. Dann ist die Fülle der geistlichen Gaben unser Teil, jetzt aber wollen wir uns strecken nach dem, was da vorn ist, nach dem Kleinod, welches uns vorhält die himmlische Berufung in Jesu Christo, wollen wir unser Herz richten nach dem schönen Ziel: ich aber will schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit; ich will satt werden, wenn ich erwache nach deinem Bilde.

R. K. 91. Nr. 34.

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autoren/g/girgensohn_thomas/zur_erbauung/girgensohn_-_von_den_geistesgaben.txt · Zuletzt geändert: von aj
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