Girgensohn, Thomas - Zur Erbauung - Rechte Erntefeier.
Sorget nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitte im Gebet und flehen mit Danksagung vor Gott kund werden.
(Phil. 4, 6.)
Wenn die vorstehenden Schriftworte Geist und Leben bei uns werden, wenn sie in unsere Herzen geprägt unseren Sinn bestimmen und regieren, dann kommt es zu der rechten Stellung allen irdischen Gaben gegenüber, auf die uns das Erntefest hinweist, dann gibt es eine rechte Erntefeier. Die Worte des Apostels weisen ab, was Erntesegen hindert, und heben mahnend hervor, was zur wahren Erntefreude gehört, indem sie Sorgen und Beten in ihrem einander anschließenden Gegensatz uns vor Augen stellen. Also das Sorgen wird untersagt, es liegt darin eine falsche Stellung zu dem irdischen Gut, welche es zu einem gesegneten Gebrauch desselben, zu einem Erntesegen nicht kommen lässt. Die berechtigte Sorge oder Sorgfalt ist damit natürlich nicht ausgeschlossen, die Sorge, die uns die Verhältnisse, die Mittel, die Zwecke, die Aufgaben auch bei irdischen Dingen sorgfältig und besonnen zu überschlagen und in Rechnung zu ziehen und uns unsere Pflichten gemäß solcher Überlegung gewissenhaft zu erfüllen heißt. Bei dem Worte: sorget nichts, handelt es sich um eine von der Sünde hervorgebrachte Herzensbeschaffenheit, es handelt sich um die törichte Sorge, vermöge welcher man sich abquält und abhärmt um das, was nicht vorhanden ist und dessen man doch bedarf, und mit all' der Pein doch nichts erlangt, während man im Glauben an den Vater im Himmel ruhig darauf vertrauen könnte, dass er seine Kinder in keiner Stunde verlassen oder versäumen werde. Es handelt sich um die heidnische Sorge, bei welcher das Herz an der Welt, ihrer Lust und ihren Gütern hängt und nach ihnen begehrt und, weil diese das Begehren und Sehnen nicht stillen können, nimmer zur Ruhe kommt, immer mehr, immer wieder was Neues verlangt, immerdar fragt: was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden? Es handelt sich um jene, die irdische Lebenszeit vergeudende Sorge, die den Willen des Menschen zwar anspannt zum Jagen nach dem Glück, zum Sammeln und Aufhäufen der irdischen Güter, im Dienst der Selbstsucht, die aber früher oder später die Seele erfahren lässt die furchtbare Wahrheit des Wortes: Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern, und wes wird es sein, das du bereitet hast? Gott gebe, dass das Erntefest uns stärke zum Kampf gegen diese schlechte Sorge und uns auch im Hinblick auf die zeitlichen Güter die Worte in fruchtbare Erinnerung bringe: sondern in allen Dingen lasst eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden, das Gebet, das den Gegensatz zur Sorge bildet, gliedert sich demnach in Bitten und Flehen einerseits und Danksagung andererseits. Beides aber hat zur Voraussetzung, dass man durch den Glauben an den Heiland Jesum Christum gerecht, ein Gotteskind geworden ist, welches zu Gott spricht: Abba, lieber Vater. An die Kinder Gottes tritt ja unter mancherlei Anfechtungen, die sie erdulden müssen, auch die Versuchung zum Sorgen und Grämen uns zu selbsteigener Pein heran, wenn es an diesem und jenem fehlt, was zur Leibes Notdurft und Nahrung gehört; aber sie haben das Recht in allen Dingen ihre Bitte kund werden zu lassen, und ihnen gehört die Verheißung: bittet, so werdet ihr nehmen; wenn sie bitten und flehen, so empfangen sie in ihren Nöten zuerst innerlich eine Befestigung der Zuversicht: der Herr ist mein Hirt, mir wird nichts mangeln, und machen dann auch im äußeren Leben die Erfahrung: dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen (Ps. 97, 11). Den Kindern Gottes ist es verliehen, dass sie ihr Herz von der Welt und dem irdischen Gut losreißen können, dass sie ihren Schatz im Himmel, in der Gnade Gottes haben; und was diese Gnade ihnen an zeitlichen Gaben verleiht, damit sind sie zufrieden, daran können sie sich wahrhaft erfreuen, das können sie mit Danksagung empfangen, ohne jenes unstillbare Begehren der von der falschen Sorge beherrschten Seelen. Sofern es uns aber an der Kraft und Freudigkeit zum Bitten fehlt, sowie uns die Fähigkeit zur herzlichen Danksagung für das, was wir haben, mangelt, und sich in Folge dessen auch bei uns in unserem Wirken und Arbeiten jenes selbstsüchtige Trachten nach Glück der Erde und Gut geltend macht, gilt es mit ganzem Ernste danach zu streben im Glauben zu wachsen, die Schähe des Gottesreichs, Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist zu ergreifen und zu bewahren, gilt es in treuem Gebrauch der Gnadenmittel, in fleißiger Übung des Gebets, im Kampf gegen die Selbstsucht, in gewissenhafter Verwendung auch der irdischen Güter im Dienst des Herrn fortzufahren, damit wir unser kostbares Recht als die Kinder Gottes, statt zu sorgen, immerdar erhörlich zu bitten und zu danken, bewahren und auch an den irdischen Dingen Gottes Erntesegen erfahren: trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes, so wird euch solches Alles zufallen.
R. K. 96. Nr. 40.