Girgensohn, Thomas- Zur Erbauung - Christliche Geselligkeit.

Girgensohn, Thomas- Zur Erbauung - Christliche Geselligkeit.

Redet unter einander von Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern; singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen.“ (Ephes. 5, 19.)

Unter den Mahnungen, welche der Apostel im 5. Kapitel des Epheserbriefes seinen Lesern und damit auch uns ans Herz legt, beziehen sich die vorstehenden Worte auf das Gemeinschaftsleben der Christen. Haben diese Worte auch zunächst die gottesdienstliche Gemeinschaft im Auge, so umfassen sie doch auch das gesellige Leben, den geselligen Verkehr der Christen. Nach der Luther’schen Übersetzung sollen Psalmen, Lobgesänge und geistliche Lieder den Gegenstand des Gespräches der Christen unter einander bilden; wahrlich, ein würdiger Gegenstand der Unterhaltung für diejenigen, welche Jünger dessen sind, den alle Psalmen, Lobgesänge und geistlichen Lieder feiern. Aber es würden auf diese Weise doch dem geistlichen Verkehr der Christen unter einander zu enge Grenzen gezogen sein. Nach dem Urtext sagt der Apostel: Redet unter einander durch Psalmen und Lobgesänge und geistliche Lieder, - die Christen sollen also Psalmen usw. zum Mittel der gegenseitigen Mitteilung ihres inneren Geisteslebens nehmen. Wir dürfen diese Mahnung aber wohl auch so anwenden, dass nicht nur dem Buchstaben nach die Rede der Christen in Psalmen usw. bestehen, sondern dass sie ähnlich sein solle, in welcher Form sie sich auch bewege, Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern. In den Psalmen des Alten Testaments redet ein Mensch zu uns, der die Offenbarungen Gottes in der Heilsgeschichte durch den heiligen Geist in sich aufgenommen und verarbeitet hat und das Licht, das er empfangen, wieder von sich strahlt und nun die mannigfaltigsten Dinge in dieses Licht stellt. Das ist der Ausdruck für den Grundcharakter des Psalmbuches, wenn der Psalmist spricht: Du erleuchtest meine Leuchte (Ps. 18, 29); in Deinem Licht sehen wir das Licht (Ps. 36, 10); Deine Rechte sind mein Lied in dem Hause meiner Wallfahrt; Deine Zeugnisse sind meine Rede (Ps. 119, 54 u. 99). Wo nun diese Psalmworte auch unserer Rede ihr Gepräge verleihen würden, wo das Wort Gottes, das uns verkündigt seine Rechte und uns vernehmen lässt seine Zeugnisse von je her, das Licht wäre, das unsere Unterhaltung durchleuchtet und alle Gegenstände derselben in das rechte Licht stellt, da würden wir an unserem Teil Täter sein des Wortes: Redet unter einander durch Psalmen. Aber auch durch Lobgesänge gilt es zu reden, nicht nur das von außen durch Schrift und Predigt an uns herantretende Wort Gottes soll unsere Rede beeinflussen, sondern auch die durch dieses Wort am eigenen Herzen gewirkte Erfahrung von Gottes Gnade und Wahrheit soll das Salz sein, dass unsere Rede durchwürzt, soll all' unseren Reden seine bestimmte Färbung verleihen; diese Christenerfahrung, der lebendige Glaube an Jesum Christum, soll durchklingen in unserer Rede. Eine Rede aber, welche Ausdruck unseres Glaubens ist, ist vergleichbar einem Gesang, in welchem das innerste Leben der Seele sich ausspricht; und der Grundton dieses Gesanges kann nur der sein, den der Apostel 2. Kor. 9, 15 angestimmt hat: Gott sei Dank für seine unaussprechliche Gabe. Darum kann man ein Zeugnisablegen von seinem Christenglauben auch in geselligem Verkehr wohl unter das Wort befassen: Redet unter einander durch Lobgesänge. Wenn der Apostel aber endlich auch geistliche Lieder als Mittel des Verkehrs der Christen unter einander nennt, so liegt hier, da ja Psalmen und Lobgesänge auch Lieder sind, der Nachdruck auf dem Worte „geistlich“; das möge darauf hindeuten, dass, wo Christen mit einander sich unterreden, der Geist Gottes, der die Lieder eben zu geistlichen macht, auch ein Wörtchen mitzureden habe. Dem Christen liegt dabei nur die Pflicht ob, auch im Hinblick auf seinen geselligen Verkehr den heiligen Geist in sich aufzunehmen, um ihn zu beten und zu wachen über sich, dass er durch sein Reden den Geist Gottes nicht betrübe und vertreibe. Im Übrigen können wir unbesorgt sein, denn, wo wir nur den Geist in uns haben, wird sich auch das Wort an uns erfüllen: Ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet. (Matth. 10, 20.) Also das Wort, der Glaube und der Geist sind die Mächte, welche des Christen Rede zu einer solchen machen, die man mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern vergleichen kann. Die Berechtigung dieses Vergleichs aber beruht, nach den Worten eines bewährten Zeugen der Wahrheit, darauf, dass „jeder wahre und lebendige Christ den reichen Schatz göttlicher Poesie in sich trägt, dass er ein göttliches Poema, d. h. Gedicht ist (Ephes. 2, 10), dass die Fülle göttlicher Poesie, aus welcher auch die eigentlichen Dichter schöpfen müssen, Gemeingut, Reichsgut der Christen ist; „sie lebt in jedem wahren Christen.“ Ist dem also, wie ja auch der Apostel in den vorstehenden Worten am Schluss das innere Leben des Christen ein Singen und Spielen dem Herrn nennt, so darf man auch den Ausdruck dieses verborgenen Singens Psalm oder Lobgesang oder geistliches Lied nennen. Beleuchten wir aber mit der vorstehenden Mahnung des Apostels unser tatsächliches geselliges Leben, so können wir zunächst nur tief beschämt und gedemütigt bekennen: Herr, gehe nicht ins Gericht mit uns, denn vor Dir ist kein Lebendiger gerecht; wer kann merken, wie oft er fehlt. Dann aber wollen wir die lässigen Hände und die müden Knie wieder aufrichten und nachtrachten auch in diesem Stücke dem Ziele der Vollendung; es muss doch noch, so wir Christi Jünger sind und bleiben, einmal dahin kommen, dass auch von der Gemeinschaft der Christen unter einander das Wort gilt, das der Psalmist von der Ehre Gottes sagt: Es ist keine Sprache noch Rede, da man nicht ihre Stimme höre.

R. K. 91. Nr. 43.

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autoren/g/girgensohn_thomas/zur_erbauung/girgensohn_-_christliche_geselligkeit.txt · Zuletzt geändert: von aj
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