Geßner, Georg - Noah oder die Arche - Fünfte Rede. Die geretteten Menschen vor Gott.
Text:
1. Mos. 8,13-22. 9, 1.
Im sechshundert und ersten Jahre, am ersten Tage des ersten Monats, waren die Wasser auf Erden ganz aufgetrocknet. Da that Noah das Dach von der Arche, und sah, daß die Erde trocken war. Also ward die Erde ganz trocken am sieben und zwanzigsten Tage des andern Monats.
Da redete Gott mit Noah, und sprach: Gehe aus der Arche, du und dein Weib, und deine Söhne, und deiner Söhne Weiber mit dir. Alle Thiere, die bey dir sind, von allerley Fleisch, an Vögeln, an Vieh und an allerley kriechenden Thieren, die auf, Erden kriechen, gehen heraus mit dir, und regen sich auf der Erde, seyen fruchtbar und mehren sich auf Erden.
Also gieng Noah heraus mit seinen Söhnen, mit seinem Weibe und mit seiner Söhne Weiber. Dazu allerley Thiere, allerley kriechende und allerley Vögel, und Alles, was auf Erden kriecht, das gieng aus der Arche, ein jedes zu seines gleichen.
Noah aber baute dem HErrn einen Altar, und nahm von allerley reinem Vieh und von allerley reinem Gevögel, und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der HErr roch den lieblichen Geruch; und der HErr sprach in seinem Herzen: Ich will fürohin die Erde nicht mehr verfluchen um des Menschen willen; obschon das Trachten des menschlichen Herzens bös ist von seiner Jugend an. Darum will ich fürohin nicht mehr Alles schlagen, was lebt, wie ich gethan habe. So lange die Erde steht, soll nicht aufhören Saamen und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
9,1. Und Gott segnete den Noah und seine Söhne: Seyd fruchtbar und mehret euch, daß euer Viele werden.
Was Gott beginnt, das vollendet Er auch. Er hatte Noahs Rettung, und in ihr die Erhaltung des Menschengeschlechtes beschlossen, hatte sie eingeleitet, gnädig sie fortgesetzt, mit allmächtiger Hand über seinen Kindern gewaltet, und sie bewahrt, und nun führt Er sie zum neuen Leben.
Noahs Gesinnung, seine Treue, sein Glauben und sein Gehorsam hatte dazu mitgewirkt, was er mitwirken konnte - er hatte sich leiten lassen von Vaterhand - und darum ward er würdig erfunden des neuen Daseyns.
Was konnte nun mit mehr Recht erwartet werden, was natürlicher seyn, als daß sein von Dank erfülltes Herz auch diesen Dank gegen Gott auf eine feyerliche, würdige Art ausdrücken werde? Und Gott nahm gnädig an sein Dankopfer, sah mit schonendem Vater-Blicke nieder auf den bewahrten Stamm des Menschengeschlechtes, und sprach die Verheissung aus: „Es soll nie wieder dahin kommen, wie in der Sündfluth.“ Das ist unsers Textes Inhalt, der uns die Vollendung des Rettungswerkes erzählt, und den Dank uns lesen läßt in des Geretteten Seele, so wie die Vaterhuld des großen Retters, der es nicht übersieht: das arme Geschlecht bleibt doch auf Erden ein Sündergeschlecht, und dennoch sagt Er ihnen seine Gnade zu.
Warfen wir letzthin einen ernst beherzigenden Blick auf die Sündfluth, und sahen Gericht und Rettung in Einem - so lasset uns heute betrachten
Die geretteten Menschen vor Gott.
I. Das neue Leben -
II.- Der kindliche Dank -
III. Der gnädige Vaterblick
stellt sich unsrer Beherzigung dar. Und so erscheint uns recht lieblich und hell der schönste Geburtstag des Noah; es war Geburtstag des neuen Geschlechtes, würdig gefeyert, herrlich von Gott gekrönt.
Gott! in ihm liegt auch unsers Daseyns erster Grund - darum laß uns ihn heilig werden und seine Beherzigung fruchtbar!
I.
1.
Das neue Leben - der Geretteten, zwar nur ein Erdenleben, aber mit welchen Gefühlen mußt' es die gerettete Menschen-Familie durchdringen, da sie - noch lebend, wieder auf der Erde stand, auf der gereinigten Erde, von der das übrige, das zum Verderben versunkene Menschengeschlecht weggespühlt war. Das neue Leben - sehet, wie es sich allmählig gestaltete - denn wahrlich, es war doch kaum ein Leben zu nennen. Das dunkle Harren in verschlossener Arche, mit all' den bangen Gedanken an den, wenn auch nicht gesehenen Jammer, ausser der Arche. Zehn Monate und vierzehn Tage verflossen den Bewohnern der Arche, ohne daß ein Strahl der Sonne sie beschien. Zwar fühlten sie schon nach fünf Monaten, daß nun die Arche nicht mehr schwebe, daß sie wieder fest aufsitze - es war eine Berghöhe, auf der sie ruhte; und ihre Bewohner waren noch wenig getröstet, bey ihrem noch langen, drey Monate langen, Harren, eh Noah es wagte, einen Raben ausfliegen zu lassen, der über den Wassern, kommend und wieder entfliegend, hin und her schwebte, und deutlich zeigte, es sey zwar abnehmende Fluth, aber noch kein trockenes Land. Dann ließ er eine Daube stiegen; allein ihr Fuß konnte nirgend ruhen, sie flüchtete wieder in die Arche. Nach sieben Tagen läßt er abermals eine ausfliegen, sie kam erst auf den Abend wieder, und brachte ihm einen abgerissenen Oelzweig zurück. Das war ihm Freudenbotschaft, und froher harrt er noch sieben Tage, und läßt eine Daube ausstiegen, die kam nicht wieder.
So war in Noahs sechshundert ersten Jahre der erste Tag des ersten Monats, also der Geburtstag Noahs, angebrochen, der ward merkwürdig bezeichnet - ein unvergleichbarer Geburtstag! Jetzt nämlich machte Noah das Dach der Arche los - der erste Blick wieder auf die Erde, und siehe, sie war trocken. Doch, man möchte wohl sagen, sein neues Leben war auch wie das Leben des Neugebornen - er mußte länger noch harren, bis er's geniessen konnte.
Erst am sieben und zwanzigsten Tage des andern Monats - also Ein Jahr und zehn Tage, nachdem er eingegangen, war, sprach Gott zu Noah: Geh aus der Arche, du und dein Weib, und deine Söhne, und ihre Weiber mit dir; und alle Thiere, ein jedes halte sich zu seines gleichen.
Wie mußte den Geretteten seyn bey ihrem Ausgang? Vor ihnen eine zwar verjüngte, in neuem Grün aufkeimende, aber leere, Menschen-leere Erde. Hinter ihnen die dunkle Wohnung, die sie geborgen hatte in schwerer Zeit, die ihnen heimisch geworden und lieb, so sehr sie sich herausgesehnt hatten. Das war ja wohl ein Schritt in ein neues Leben - in das sie sich nun erst hinein gewöhnen, hinein arbeiten mußten, vergessen lernen, was hinter ihnen war, und sich strecken nach dem, was vor ihnen lag. Mit jenem ersten Tage des Lebensjahres Noah begann eigentlich das neue Leben, da ihnen wieder die Sonne schien durch's weggeschliffene Dach; sie wieder Herausblicken konnten auf die immer grünende Erde. In den beynahe zwey Monaten, die noch verstrichen, bis Gott befahl: Geh aus der Arche! war alles nur allmählige Entwöhnung von dem alten Leben dunkler Verschlossenheit; allmählige Angewöhnung ans neue Leben der Freyheit. Aber nun der Schritt in's Freye, o! er war ein Schritt der Wonne.
2.
Stellt sich uns, Geliebte, in jenem Geburtstage Noahs, des zweyten Stammvaters der Menschheit, wirklich der Geburtstag der Menschheit, und das Bild des Eintritts in die unbekannte Welt von jedem Erdgebornen dar, dem das neue Leben ein ungewohntes ist, und Alles um ihn her so unerklärlich, unbegreiflich, und doch ein herrlicher Vorschritt seines Seyns, zu dessen Genuß und Anwendung ihn erst die Angewöhnung bildet; dennoch lächelt er das neue Leben an, und Liebe und Freude kommt ihm überall entgegen - sah'n wir das Bild davon in der Geschichte unsers Textes, Freunde: so lasset uns höher heben unsre Blicke, ein neues Leben uns vergegenwärtigen, ein seliges, das unser wartet, wenn Gott unsern Sinn erfindet und unser Herz, wie Noahs Sinn und Herz.
Vielleicht ist zwar, ja wahrscheinlich, für die meisten aus uns, der Weg, der uns hinüberführt, auch ein dunkler, der manchen Seufzer weckt; aber, o! freuet euch, das Licht wird leuchten, und wenn der HErr des Lebens dem müden Geist befiehlt: Gehe aus der Arche! wie wird uns seyn? wie wird vorherrschen die Freude, die Wonne beym Einschreiten in das neue Leben, wo unserm freyen, erlösten Geiste Alles grünt und Alles neu ist, und nur Liebe und Freude uns umgiebt. - Zwar dürfte wohl auch dort noch Angewöhnung, allmählige Angewöhnung nothwendig seyn; Erstarkung des Auges, um das Licht des Himmels ertragen zu mögen. Aber es führt uns heilige Gottes-Hand, und wir werden, wie der Neugeborne des Erdenlebens, dann allmählig des ew'gen Lebens Wonne erfassen lernen, wenn Liebe nur und Herrlichkeit uns umgiebt.
Wie den Träumenden wird dann uns seyn,
Mit Jesus geh'n wir ein
Zu seinen Freuden;
Der müden Pilger Leiden
Sind dann nicht mehr!
II.
Die geretteten Menschen vor Gott bringen ihrem Retter kindlichen Dank. Was könnte auch natürlicher seyn?
1.
Kaum war Noah mit den Seinen wieder auf der neu verjüngten Erde, als sein erstes war, dem HErrn, seinem Gott, einen Altar zu bauen. Dem frommen Manne, dem es Sitte war, und natürlich, seine Empfindungen und Gedanken, die er vor Gott bringen wollte, an ein Opfer anzuschliessen; es mußte wohl auch in der Hinsicht ihm ein langes Jahr seyn, das er in der Arche verbracht hatte, wo er nie die Opfergaben auf den Altar legen, und die Opferflamme konnte auf dem Altar brennen lassen, nie mit der Wolke des Opferrauchs sein Gebeth, sein Flehen und sein Dank zum Himmel stieg. Nicht daß wir uns denken sollen, er habe in der verschlossenen Arche nicht oft gebethet, nicht täglich sein Fleh'n und seinen Dank vor Gott gebracht, und im warmen, lebendigen Andenken an den verharret, dessen schützende Hand über ihm und den Seinen waltete. Wie konnte der Fromme anders, der mit Gott wandelte? Und wir wissen es wohl, das stete Andenken an Gott, die in jedem Augenblick erneuerte Erhebung des Herzens zu dem, der nicht ferne ist von unsereinem Jeden, in dem wir leben, weben und sind, das ist das wahre Gebeth. Aber jene Form, an die der fromme Noah sein Gebeth zu knüpfen gewohnt war, jenes Aeussere, was im frommen Alterthum das Innere, den Geist des Gebethes aufregte, das muß ihm gefehlt, er muß es oft mit schwerem Herzen vermißt haben.
Darum war es nun das erste, was Noah that, daß er seinem Gott und Retter einen Altar baute, und von den mit ihm in der Arche erhaltenen Thieren, von denen, die man zu opfern pflegte, wurden mehrere Gott zum Opfer dargebracht. Die ganze gerettete Familie war mit dem ehrwürdigen Familienhaupt um den Altar her - aus Aller Herzen stieg der Dank zum allmächtigen Retter empor, wie vom Altar die Flamme emporloderte zum Himmel.
2.
So standen die geretteten Menschen vor Gott - und brachten Ihm ein neues Opfer dar. Ja wohl, ein neues; ein Opfer, wie noch keines. Sie sind uns Muster, Freunde! die Stamm-Eltern unsers Geschlechts, sie sind uns Muster, was wir thun sollen, wenn Gott uns rettet aus Noth und Gefahr.
Wie, sind wir immer, wenn Gott uns half aus Verlegenheit oder Gefahr, oder wirklicher Noth, so dankbar? Ist's allemahl unser erstes, uns selbst vor Gott zu demüthigen, und die Mitgenossen der Trübsal und der Hülfe mit uns zu vereinen zum frommen Danke gegen den, der uns geholfen hat? - Haben wir es nie gesehen, nie an uns selbst wahrgenommen, wie das leichtsinnige Menschenherz auch dadurch beweist, wie es trotzig und verzagt ist, daß es, sobald ihm Rettung ward aus Verlegenheit und Noth, vergißt, wer ihm geholfen, vergißt den Dank, der dem gebührt, der unser Retter war? Wie bald ist dieses Herz verzagt, wenn Trübsal kommt, wenn Gefahr droht, wenn Noth einbricht; und wie bald wieder trotzig, wenn die Gefahr vorüber ist, und wir gerettet sind aus der Noth. Da schreibt es so gerne sich selbst und seiner Weisheit, dem eigenen klugen Rath, oder gar dem blinden Zufall, dem Unding eines glücklichen Ungefährs, die Hülfe zu, und giebt nicht der allmächtigen Liebe die Ehre, welche allein Hülfe schafft. O! was ist schändlicher, als Undank, was verwerflicher, als schnöder Leichtsinn, welcher der Angst vergißt und der erfahrnen Hülfe? Aber lieblich ist, wenn gleich nur natürliche, nur erste, unverletzliche Pflicht, lieblich und schön des Herzens frommer Dank, wenn das erste Gefühl nach erfahrener Hülfe und Rettung, das des lebendigen Dankes ist; wenn die Genossen der Rettung sich vor Gott vereinen, um jenes erste Gefühl des Dankes im Herzen fest zu machen und bleibend; wenn der gerettete Familienvater mit den Seinen vor Gott hintritt, und mehr als Opferdampf, der frohen Lobpreisung vereintes Gebeth, zu dem emporsteigt, welcher half und wohlgethan, und Aller Herz nur dem sich weiht, der die Liebe ist. Schöner Anblick: Die geretteten Menschen vor Gott!
3.
Und was wird einst seyn, wenn im wahrhaft neuen Leben die geretteten Menschen dort vor Gott stehen? Der Erde Nacht ist hinter ihnen. Die Fluthen der Trübsal haben sie nicht verschlungen, der Allmächtige hat sie gerettet mit starker Hand und mit allmächtiger Liebe; ihr ganzes Herz ist nur Anbethung und Dank. Dort, dort sind die geretteten Menschen vor Gott, ein Anblick, in dem der Himmel jauchzt, und alle Engel Gottes sich freuen. Die Sünde mochte nicht dem Vater seine Kinder entreissen, der mächtige Erlöser ist stärker, als das drohende Verderben; sie steh'n vor ihrem Gott und Heiland, um ewig, frey von aller Sund und allem Leiden, daheim zu seyn beym HErrn.
O! wonnevoller Anblick der Geretteten, wie einst der heilige Seher sie sah: „Wer sind diese mit weissen Röcken Bekleideten? und woher sind sie gekommen?“ - Er erhielt zur Antwort: „Es sind die, die aus der großen Trübsal gekommen sind. Sie haben ihre Röcke gewaschen und ihre Kleider weiß gemacht mit dem Blute des Lammes. Darum sind sie vor dem Throne Gottes, und dienen Ihm Tag und Nacht in seinem Tempel; und der auf dem Throne sitzt, wird über ihnen wohnen. Es wird sie nicht mehr hungern, es wird sie nicht mehr dürsten, auch wird nicht auf sie fallen die Sonne oder einige Hitze. Denn das Lamm, das in der Mitte des Thrones ist, wird sie weiden und sie leiten zu den lebendigen Wasserbrunnen; und Gott wird alle Thränen von ihren Augen abwischen!“
O! daß wir einst uns Alle, Alle sehen, in jener Seligen Zahl, uns Alle dort finden - o! wachet, bethet, sorget dafür! Ach, daß nicht Eines aus uns dann mangle unter den geretteten Menschen vor Gott!
III.
Nicht nur das neue Leben, nicht nur das neue Opfer, auch der neue Bund, oder der gnädige Vaterblick Gottes stellt sich noch unsrer Betrachtung dar. Ganz im Geiste des frommen Alterthums, und in der menschlich anschaulichen Darstellung Gottes, als würd' Er, wie ein Mensch seine Thaten ansieht, und seine Beschlüsse wägt, als würd' auch Gott so seine Thaten auseh'n, redet die heilige Urkunde von Gottes Vaterblick auf die geretteten Menschen, die vor Ihm steh'n beym heiligen Dankopfer, auf den übergebliebenen Stamm und das künftig ihm entsprossende Geschlecht.
1.
Der HErr roch den lieblichen Geruch des Opfers, so dachte sich's die fromme Einfachheit, so sprach sie aus das Wohlgefallen, mit welchem Gott den Sinn des Dankes und der Ergebung ansah, der das Herz der Opfernden erfüllte.
Und der HErr sprach in seinem Herzen: Ich will fürohin die Erde nicht mehr verfluchen um des Menschen willen, obschon das Trachten des menschlichen Herzens bös ist von seiner Jugend an. Mitleidiger Vaterblick der Schonung auf ein sündiges Geschlecht! Der Allwissende kennt des Menschen Herz, und weiß, daß sich von früher Jugend an der Keim des Bösen in ihm regt. Nur über Unverbesserlichkeit, die frech der Warnung das Herz verschließt, kommt Gottes Gericht. - Der Schwäche bietet Er die rettende Hand, Verstößt den schwachen Sünder nicht, der freylich von Jugend auf den Keim der Sünde in sich trägt. So soll nun nicht mehr Alles geschlagen werden, was lebt. So lang die Erde steht, soll nicht mehr unterbrochen werden der Dinge Gang. Es soll nicht aufhören Saamen und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Und Gott segnete den Noah und seine Söhne: Seyd fruchtbar und mehret euch, daß euer Viele werden!
So schloß Gott mit dem Menschengeschlechts den Bund der Schonung und des Segens. Er kannte es wohl als ein sündiges Geschlecht und dennoch sagt Er Schonung zu. Er sah durch alle folgenden Geschlechter herab das böse Treiben und Regen, und dennoch ist Er gnadevoller Vater, der seinen Segen giebt.
2.
O Menschen! bethet an den schonenden Vater! Fühlet, wie ihr seiner Schonung bedürfet, und euer Gefühl werde Demuth und heiliges Streben, dieser Schonung werth zu werden. Aber nie, ach! nie werde es Sicherheit! nie, nie verleite es euch zum Mißbrauch seiner Langmuth. Menschen, wachet! Nur dem ist Schonung zugesagt und Gnade, der aus dem Falle sich zu heben strebt; und nicht nur Gnade, sondern Hülfe und Kraft schenkt Gott dem redlichen, ernsten Streben.
Menschen! erkennet, bethet an den Vater-Blick der Gnade, der zwar es sieht, wie bös des Menschen Trachten ist, von seiner Jugend an. Er sah es auch in euern Herzen vom ersten Keim auf, und trug Geduld mit euch. O! bethet an, und strebet, werth zu werden der erfahrnen Gnade. Und seht ihr, Väter und Mütter! seht ihr in euern Kindern diesen Keim von Jugend an, o! fürchtet euch nicht, verzaget nicht, aber werdet auch nicht unwillig - sie stehen vor euch, euer Bild. Hat Religion und Vernunft in euch sich durchgearbeitet, hat demüthiges Aufschauen auf Gott, Glauben und Liebe in euch die Oberhand behalten, daß ihr wisset, an wen ihr euch halten müsset, wenn das böse Trachten, das nie ganz stirbt, sich auch in euch noch immer regt, so pflanzet in eurer Kinder Seele Religion, leitet ihre Vernunft, den Grund des Glaubens leget in ihr Gemüth, das Feuer der frommen Liebe entzündet in ihrem Herzen, seyd nicht nachlässig in ihrer Bildung; das böse Trachten von Jugend auf soll in euch festen, sanften, ruhigen und ernsten Widerstand finden. Werdet nicht nachlässig, aber auch nicht ungeduldig. O! lernet vom Vater im Himmel! Wie Er erzieht, so lernet erziehen, und vergesset nicht: darum und dazu gab Gott euch eure Kinder.
3.
Und sehet ihr, Geliebte! wie Gott mit unserm Geschlechte von Anbeginn den Bund der Treue errichtete, o! so denket, als Christen, an den noch heiligern, den neuen Bund, durch Jesus Christus euch zugesagt, besiegelt durch sein Blut, bestätigt täglich und erneut durch den Geist der Gnade. O! diesen Bund, verletzt ihn nicht! Werdet seiner werth! Der Allmächtige sagt euch seine Gnade zu, die währet bis in Ewigkeit, und fordert nichts von euch, als Kindertreu - Ergebung, Glauben. Liebe, die zu That und Leben wird. Am neuen Gottes-Bunde haltet fest - dann, ja dann stehet auch ihr hier schon in frommer Demuth, dort in frohlockender Wonne als die geretteten Menschen vor Gott! Amen.