Gerok, Karl - Vom christlichen Hausstande – 9. Predigt am Sonntag Cantate. (Konfirmationstag.)
(1849.)
Epistel: 1 Thess. 2, 9-13.
Ihr seid wohl eindächtig, lieben Brüder, unserer Arbeit und unserer Mühe; denn Tag und Nacht arbeiteten wir, dass wir Niemand unter euch beschwerlich wären, und predigten unter euch das Evangelium Gottes. Des seid ihr Zeugen, und Gott, wie heilig und gerecht und unsträflich wir bei euch, die ihr gläubig wart, gewesen sind. Wie ihr denn wisst, dass wir, als ein Vater seine Kinder, einen jeglichen unter euch ermahnt und getröstet, und bezeugt haben, dass ihr wandeln sollt würdig vor Gott, der euch berufen hat zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit. Darum auch wir ohne Unterlass Gott danken, dass ihr, da ihr empfingt von uns das Wort göttlicher Predigt, nahmt ihr es auf, nicht als Menschenwort, sondern (wie es denn wahrhaftig ist) als Gottes Wort, welcher auch wirkt in euch, die ihr glaubt.
Als der junge Jakob auf seiner Wanderschaft nach Haran aufwachte von dem seligen Traum und aufstand von dem Stein, da er den Himmel offen gesehen und die Herrlichkeit des Herrn geschaut und Seine Verheißung vernommen hatte: siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich nicht lassen, bis dass ich tue Alles, was ich dir geredet habe da nahm er den Stein, darauf sein Haupt geruhet hatte, und richtete ihn auf zu einem Denkmal und knüpfte daran das Gelübde: so Gott wird mit mir sein und mich behüten auf meinem Wege, so soll der Herr mein Gott sein!
Auch unsere lieben Neukonfirmierten und mit ihnen wir, die wir Zeugen waren ihrer Einsegnung, haben heut im Geiste den Himmel offen gesehen und aus dem offenen Himmel herab vernommen die Verheißung unseres treuen Gottes: siehe, ich bin mit dir und will dich behüten und will dich nicht lassen. Sollte diese heiligste Stunde ihrer Jugend und die Andacht, die in dieser Stunde in ihren Herzen brannte, aus der Seele unserer Kinder verschwinden, spurlos wie ein schöner, aber flüchtiger Traum? Wollt ihr auch weggehen, liebe junge Christen, wie schon so Viele weggegangen sind von den Stufen des Altars, darauf sie gekniet, weggehen auf eure Lebenswanderschaft, ohne Dank für das, was euch geworden, ohne Erinnerung an das, was ihr versprochen, ohne Frucht von dem, was in euch angefangen ist? Nein, wie der junge Jakob dort, so richtet auch ihr einen Denkstein und ein Gedächtnismal in eurem Herzen auf zur ewigen Erinnerung an die Gnade, die vom Himmel auf euch herabgeflossen; wie der fromme Jüngling, so geht auch ihr nicht weg von dieser heiligen Stätte ohne das feurige Gelübde: so soll denn der Herr mein Gott sein, der so Herrliches an mir getan! Solcher Gesinnung kommt unsere Abendlektion freundlich entgegen. Ihr seid wohl eingedenk, lieben Brüder, ruft der treue Apostel Paulus seinen lieben Thessalonichern in unserem Texte zu, ihr seid wohl eingedenk der Arbeit, die wir unter euch gehabt, des Berufes, den wir euch vorgehalten, des Worts göttlicher Predigt, das ihr angenommen habt. Seid wohl eingedenk, lieben Brüder, so möchten wir auch euch heute zurufen, liebe junge Christen, denn als Brüder, als ebenbürtige Brüder und Schwestern sollen wir euch ja jetzt anfangen zu betrachten, seid wohl eingedenk, ihr lieben Christen Alt und Jung, denn ein Konfirmationstag in der Gemeinde soll ja auch uns Alten allemal wieder ein Tag geistlicher Befestigung und Erneuerung, frommer Erinnerungen und Entschließungen werden, seid wohl eingedenk, lieben Brüder und Schwestern, dessen, was heut oder was vor Jahren Heiliges und Seliges vorgegangen ist zwischen euch und eurem Gott. So sei es euch denn Allen jetzt zugerufen als ein Wort treuer Mahnung an die heilige Stunde eurer Einsegnung:
Seid eingedenk!
Seid eingedenk insbesondere
1) der treuen Liebe, die an euch gearbeitet hat;
2) des edlen Berufes, der euch vorgehalten wird;
3) des schönen Anfangs, der in euch gemacht ist!
Jesu, nein, lass Du es ja nicht zu, Dass sie sich Dir aus Deinen Armen winden; Lass ihnen doch im Herzen keine Ruh', Als wenn sie sich in Deiner Liebe finden; Soll Eines denn davon verloren sein? O Jesu nein! Amen. Seid eingedenk! So, Geliebte, rufen wir mit dem Apostel euch Allen zu, die ihr heut oder vor Jahren vor dem Konfirmationsaltar gekniet habt. Seid eingedenk
1) der treuen Liebe, die an euch gearbeitet hat.
Seid eingedenk der Mühen und Sorgen dieser Liebe. „Ihr seid wohl eindächtig, lieben Brüder,“ schreibt der Apostel an seine Thessalonicher, „unserer Arbeit und unserer Mühe; denn Tag und Nacht arbeiteten wir, dass wir Niemand unter euch beschwerlich wären.“ Ein schönes Bild treuer, apostolischer Liebe, die mit Leib und Seele, die bei Tag und bei Nacht arbeitet und sich abmüht im Dienste der Gemeinde. Der große Apostel, der den Tag über auf dem Predigtstuhl gestanden als ein Botschafter an Christi statt, der ließ sich's nicht verdrießen, des Nachts am Webstuhl zu stehen als ein fleißiger Handwerksmann, um Niemand beschwerlich zu fallen mit seinem Unterhalt; die heilige Paulushand, die so herrliche Briefe geschrieben hat für ewige Zeiten, schämt sich nicht, dazwischen hinein die Weberspule zu führen, um das tägliche Brot zu verdienen. Und nun, Geliebte, wenn der Apostel seine Gemeinde so erinnert an die treue Liebe, mit der er sein mühsames Tagewerk unter ihnen vollbracht, sollte nicht auch uns dabei einfallen die treue Liebe, die an uns bisher gearbeitet hat unter viel Mühe und Sorgen? O seid eingedenk, ihr lieben jungen Christen besonders, der treuen Liebe, die sich's bisher hat sauer werden lassen um euch. Wie manche Sorge hat's eure Eltern, wie manche Träne vielleicht die Mutter gekostet, bis sie euch hierher gebracht! Ihr habt das bisher nicht so bedacht; aber nun, da ein Wendepunkt eingetreten ist in eurem Leben, nun, da ihr im Stande seid, nachzudenken, nun, da ihr vielleicht die längste Zeit eure Eltern bei euch gehabt, nun vergesst's nicht, wie sauer ihr den Eurigen geworden! O dieser Gedanke an die Mühen und Sorgen der Unseren, das Gedächtnis an das in der Arbeit für uns grau gewordene Haupt des Vaters, an die in der Sorge um uns gebleichte Wange der Mutter kann uns wie ein Schutzgeist begleiten unter allen Versuchungen der Jugend, kann uns vor mancher Torheit, vor manchem Leichtsinn, vor mancher Sünde warnen und behüten. Aber, Geliebte, wenn von treuer Liebe die Rede ist, die sich's um uns hat sauer werden lassen, dürfen wir dann mit unserem Dank nur beim Allernächsten stehen bleiben? Sind bloß unsere leiblichen Eltern oder Pfleger die Wohltäter, denen wir heute danken sollen? Jene Apostel, die so viel Arbeit und Mühe gehabt haben, haben sie sie nicht auch um uns und zu unserem Besten gehabt? Jene Märtyrer und Blutzeugen, die so schwer gelitten haben fürs Evangelium, haben sie nicht auch uns zu gut gelitten und gestritten? Und wenn wir der heißen Arbeit treuer Liebe heute sollen eingedenk sein bei wem muss zuletzt unser Dank stehen bleiben als bei Dem, der sich für uns Alle zu Tode gemüht, der vom Kreuz mit ausgespannten Armen uns winkt: das tat ich für dich, was tust du für mich? wen müssen wir tiefer ins Herz uns drücken als Den, von dem diese jungen Christen heut selber bekannt: ich soll wohl bedenken, wie sauer es dem lieben Heiland geworden, da Er meine und aller Welt Sünde getilgt und mir die Seligkeit erworben mit Aufopferung Seines Leibs und Vergießung Seines Bluts? Ja, Geliebte, seid wohl eingedenk der Arbeit treuer Liebe, die so viel für euch getan und gelitten, damit man nicht auch um unsertwillen zum Herrn klagen müsse: von Liebe nur durchdrungen hast Du so viel getan, und doch bist Du verklungen und Keiner denkt daran!
Aber zur Arbeit der Liebe, deren wir sollen eingedenk sein, gehören nicht bloß ihre Mühen und Sorgen, es gehört dazu auch ihre Lehre und Vermahnung; das Kostbarste, was uns treue Liebe mitteilen kann, ist ja das Evangelium, das unsere Seelen selig macht. „Und predigten unter euch das Evangelium Gottes!“ so fährt der Apostel fort in Aufzählung der Arbeit seiner Liebe.
Auch unter euch, liebe junge Christen, ist das Evangelium Gottes verkündigt worden, und das Beste, was menschliche Liebe an euch tun konnte, das war, dass sie euch hinführte zur ewigen Liebe, zu Gott und zum Heiland, von dem Tag an, wo die Mutter euch das erste Gebetlein fallen lehrte, bis zum Denkspruch, den man euch heute am Altar des Herrn als die letzte Liebesgabe mitgab ins Leben. Darum seid eingedenk aller der Unterweisung, all des Unterrichts zu eurer Seelen Seligkeit, den ihr in Haus, Schule und Kirche empfangen habt aus dem Munde treuer Eltern, Lehrer und Seelsorger; gedenkt an alle die goldenen Worte der Lehre, der Mahnung, der Warnung, der Ermunterung, der Tröstung, die man euch ans Herz gelegt hat, im Namen dessen, der da will, dass Alle zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Das kann ja wohl unter uns Erwachsenen Manches aus Erfahrung bezeugen, was es für ein Segen ist um die treuen Mahnungen frommer Eltern, Lehrer, Prediger, bewahrt in einem guten und feinen Herzen. Ja, wir Alle wollen dankbar gedenken, wie treulich und reichlich das Evangelium, das unsere Seelen selig machen kann, uns gepredigt ist durch so vieler Zeugen Mund, von einem Paulus an, der auch zu uns noch wie einst zu seinen Thessalonichern redet, bis auf die Lehrer, zu deren Füßen wir selber gesessen sind und noch sitzen dürfen.
Und was ist's erst für ein Segen, wenn zur Lehre und Vermahnung der Liebe auch das edle Vorbild der Liebe kommt, wie bei unserem Apostel, der da sagen kann: „des seid ihr Zeugen und Gott, wie heilig und gerecht und unsträflich wir bei euch, die ihr gläubig wart, gewesen sind.“ Ja, wo nicht nur der Mund predigt sondern der ganze Wandel, da erst arbeitet die Liebe im Segen; ein christliches Vorbild, das ist das schönste Vermächtnis eines Vaters, einer Mutter und eines Lehrers. So seid denn eingedenk, liebe Kinder, solcher frommen Vorbilder. Und wenn ihr nun bald hinaustretet in eine verderbte Welt, wenn böses Beispiel euch umgibt, Verführung euch lockt von allen Seiten, Fleisch und Blut euch irre führen will dann möge das Bild eines redlichen, vielleicht schon entschlafenen Vaters, das Gedächtnis einer frommen, vielleicht schon verklärten Mutter euch erhalten auf ebener Bahn. Ist ja doch gewiss keines unter uns so unglücklich, dass es nicht ein solches Vorbild gefunden hätte auf seinem Lebensweg, und wir Alle haben zu Vorbildern jene edlen Gestalten der heiligen Vorzeit, wir Alle sind Zeugen, wie heilig und gerecht und unsträflich jene Männer Gottes, jene heiligen Frauen gewandelt haben, die im Bildersaal der Heiligen Schrift vor uns stehen; wir Alle haben Einen für Alle zum Lehrer, zum Führer, zum Muster, zum Meister: Den, der uns ein Vorbild gelassen hat, dass wir sollten nachfolgen Seinen Fußstapfen, Jesus Christus. Dieweil wir denn einen solchen Haufen Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen die Sünde, so uns immer anklebt und träge macht, und lasst uns laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist.
Ja, Geliebte, seid eingedenk aller Liebe, die an euch gearbeitet hat; aller Müh und Sorge, aller Lehre und Ermahnung, alles edlen Beispiels, das aufgewendet worden ist zu eurer Seelen Heil. Bleibet treu schon um solcher Arbeit der Liebe willen.
Bleibt, Kindlein, bleibt, und geht nicht zurück,
Ihr seid der Eltern, seid der Lehrer Krone;
Was wäre das für uns ein Jammerblick,
Wenn wir einst kämen ohne euch zum Sohne!
Weh euch, wenn euch die Dankbarkeit nicht treibt:
Bleibt, Kindlein, bleibt!
Und damit ihr umso gewisser bleibt, so seid eingedenk
2) des edlen Berufes, der euch vorgehalten ist.
Seid eingedenk dieses Berufes und seiner hohen Würde. „Wie ihr denn wisst, dass wir als ein Vater seine Kinder einen Jeglichen unter euch ermahnt und getröstet und bezeugt haben, dass ihr wandeln solltet würdig vor Gott, der euch berufen hat zu Seinem Reich und zu Seiner Herrlichkeit.“ Gott hat euch berufen zu Seinem Reich. Seht, meine Lieben, das ist die hohe Würde, zu der ihr Alle von Ewigkeit her bestimmt, zu der ihr durch eure Taufe schon geweiht, zu der ihr heute feierlich seid eingesegnet worden. Es handelt sich nun bei euch um die Wahl eines irdischen Berufs, und da werdet ihr denn das Eine dahin, das Andere dorthin geführt werden, da wird sein Tagewerk dem Einen schwerer, dem Andern leichter werden. Aber ihr Alle teilt miteinander einen Beruf - das sei euch und den Euren, die um euch sorgen, zum Trost und zur Mahnung gesagt - den Beruf: Bürger zu sein in Gottes Reich; der Geringste unter uns ist nicht zu gering zu solch hohem, seligem Beruf, und der Höchstgestellte und Reichbegabteste auf Erden ist nichts, gar nichts vor Gott mit all seinen Menschenwürden und Geistesgaben, wenn er nicht erkannt und ergriffen hat solch heiligen Christenberuf. Ihr seid Bürger in Gottes Reich, heute habt ihr euren Bürgerbrief empfangen. O seid eingedenk dieser hohen Würde! Diese Mahnung an unsern himmlischen Beruf, an unsere Bürgerschaft in Gottes Reich können wir Alle brauchen, Alt und Jung, denn so Vieles ist's, was uns davon abzieht. Da ist die Welt, die uns zu ihres Gleichen haben, aus Gotteskindern zu Sündenknechten machen möchte; da ist unser eigen Fleisch, das da gelüstet wider den Geist, das uns hinabziehen will in den Staub der Erde; da ist das Leben mit all seinen Zerstreuungen und Sorgen, das uns den Blick trübt gen Himmel und die Kraft lähmt zum göttlichen Wandel. Aber heut im Hinblick auf so eine junge Schar neugeweihter Himmelsbürger, da wollen wir allesamt wieder mit neuem Ernst unseres edlen Christenberufes gedenken, wollen wieder den Staub der Erde von unsern Füßen schütteln, wollen wieder den Rost des Alters von unsern Geisteswaffen putzen, wollen wieder jung und stark und froh werden in dem Gedanken: Gelobt sei Gott, ich bin ein Christ; ich bin ein geringer und übersehener Mann vielleicht auf Erden, aber ich bin ein Christ, von Gott selbst zu Seinem Reich berufen; ich bin ein armer, gedrückter Kreuzträger vielleicht, aber ich bin ein Christ, ein Erbe himmlischer Güter; ich bin ein großer Sünder vielleicht, ja gewiss, und nicht wert, Gottes Kind zu heißen, aber ich bin ein Christ, bin noch immer doch berufen, und heut aufs Neue berufen ins Reich der Gnade zum neuen Leben in Christo Jesu! Seid eingedenk, meine Lieben, eures edlen Berufes mit seiner hohen Würde.
Aber auch mit seinen heiligen Pflichten. „Dass ihr wandeln sollt würdig vor Gott.“ Dazu seid ihr berufen, dazu hat man wie ein Vater seine Kinder einen Jeglichen unter euch ermahnt. Nicht wahr, wer zu Gottes Reich berufen ist, der ist auch berufen zu einem göttlichen Wandel, wer zum Evangelium sich bekannt hat, der muss auch dem Evangelio würdig wandeln? Darum, Geliebte, wenn Eine Bitte heute recht dringend an euch Alle ergeht, so ist es die: dass ihr wandeln sollt würdig vor Gott; so wandeln, wie es sich ziemt vor dem allgütigen Gott, der euch aus lauter Gnade berufen hat in Sein seliges Reich; vor dem allwissenden Gott, der mit Seinen Flammenaugen Herzen und Nieren prüft; vor dem allmächtigen Gott, in dessen Hand unser Loos gelegt ist für Zeit und Ewigkeit. Dass ihr wandeln sollt würdig vor Gott, das verlangt euer Christenberuf, das fordert das heilige Gelübde, das ihr hier abgelegt, darauf hoffen eure Eltern und Lehrer als auf die schönste Frucht ihrer Mühe, darum bittet euch euer himmlischer Vater und liebreicher Heiland selbst, der euch voll sehnender Liebe zuruft: gib mir, mein Sohn, gib mir, meine Tochter, dein Herz und lass deinen Augen meine Wege wohlgefallen. eingedenk dieser heiligen Pflicht: wandelt würdig vor Gott! In der Welt werdet ihr freilich Anderes sehen, euer eigen Herz wird oft andere Wege gehen wollen; aber wenn euch euer Christenname, wenn euch eure Christenpflicht, das Heil eurer Seele etwas gilt, so lasst euch bitten: wandelt würdig vor Gott! Und damit wir nicht Andern predigen und selbst verwerflich werden, so wollen wir, eure älteren Freunde, eure Brüder von heut an, uns heute mit euch verpflichten zu einem Wandel, würdig des Evangeliums, zu neuem Gehorsam, zu ewiger, kindlicher Treue, und wollen's uns zurufen wie euch: seid eingedenk eures Berufs mit seinen heiligen Pflichten!
Und mit seinen seligen Aussichten. Gott hat euch und uns berufen „zu Seinem Reich und Seiner Herrlichkeit.“ Es ist etwas Seliges und Herrliches, ein Bürger in Gottes Reich zu sein schon hienieden, da wir unseren Schatz noch tragen in irdischen Gefäßen. Aber was ist erst die Herrlichkeit, die dort an uns soll offenbar werden! Wie ihr heute vor eurem Herrn und Gott erschienen seid im festlichen Schmuck, seht, so sollt ihr einst droben vor Ihm stehen, in weißen Kleidern der Verklärung, mit Siegespalmen und Überwinderkronen. Wie ihr heute vor Seinem Altar gestanden, so sollt ihr einst droben vor Seinem Stuhle stehen und in Seinem Tempel Ihm dienen Tag und Nacht. Wie ihr heute zu Seinen Kindern eingesegnet worden seid, so sollt ihr einst droben Seine Erben werden, Erben Seiner Herrlichkeit und Miterben Christi. Das ist die selige Berufung, die euch Allen gilt vom Ersten bis zum Letzten. Jetzt am Anfang eures Christenlaufs sollt ihr schon einen Blick tun auf sein seliges Ziel, sollt schauen den ganzen Heilsweg des Christen, da es aufwärts geht von Licht in Licht, von Kraft in Kraft, von Gnade in Gnade, bis zur Herrlichkeit, die kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und die in keines Menschen Herz gekommen ist. O seid eingedenk, liebe Mitchristen, dieses seligen Ziels. Wenn der Kampf euch zu schwer werden will, dann denkt an den Sieg und seine Krone; wenn die Erde euch fesseln will, dann denkt an den Himmel und seine Herrlichkeit; wenn das Kreuz euch niederdrücken will, dann denkt an die Sabbatsruhe droben. Seid eingedenk ihr Jungen und ihr Alten! Ist hier ein matter Pilger, dem der Dornenweg dieser Erde sauer wird, ein müder Arbeiter, der sich nach dem Feierabend sehnt, ein gebeugter Kreuzträger, dem seine Last zu schwer werden will, ein redlicher Streiter, dem die Kraft ausgehen will im heißen Kampf o seid eingedenk, seid eingedenk eures edlen Berufs mit seinem seligen Ziel, denkt an Den, der euch berufen und am Ziel eurer wartet:
Er wartet schon, Er schließt die Türen auf,
Er streckt euch Seine Hände weit entgegen,
Er lockt euch mild, o seht doch hoch hinauf!
Ihr steht zur Rechten, hört ihr nicht den Segen?
Ach, eilet mutig bis vor Seinen Thron: Er wartet schon!
Und endlich, meine Lieben, seid eingedenk
3) des schönen Anfangs, der in euch gemacht ist.
„Darum auch wir ohne Unterlass Gott danken, dass ihr, da ihr empfingt von uns das Wort göttlicher Predigt, nahmt ihrs auf nicht als Menschenwort, sondern wie es denn wahrhaftig ist als Gotteswort, welcher auch wirkt in euch, die ihr glaubt.“ Auch um euretwillen, Geliebte, dürfen wir heute Gott danken. Ein schöner Anfang ist ja auch von euch gemacht, denn fürs erste: ihr habt das Wort göttlicher Predigt empfangen. Wie keines unter euch der Geber aller guten Gaben ungesegnet gelassen hat mit natürlichen Gaben und leiblichen Kräften, so hat Er auch Jedem unter euch von seinem Tauftage an Sein göttliches Wort ins Herz gelegt als einen Samen göttlichen Lebens, zu heiligen, zu erleuchten, zu stärken, und wenn auch die Frucht des göttlichen Samens noch zu erwarten ist, wenn auch bei Manchem nicht einmal Blüten sich gezeigt haben, wenn wir auch über Manchem unter euch nach aller Zucht und Vermahnung eurer Schul- und Vorbereitungszeit schmerzlich seufzen müssen: was hats gefruchtet? der Same ist doch gestreut und kann in Jedem noch aufgehen, das hoffen wir zu Gott, dafür danken wir Gott, und bitten euch: seid eingedenk des guten Anfangs, der in euch gemacht ist, bedenkt, ihr habt das Wort göttlicher Predigt empfangen!
Und noch mehr, ihr habt's aufgenommen und anerkannt nicht als Menschenwort, sondern wie es denn wahrhaftig ist als Gottes Wort. Bekennet ihr euch mit Mund und Herzen zu der evangelischen Lehre, wie sie in der Heiligen Schrift gegründet ist? Nehmet ihr sie an, als göttliche Wahrheit und als die untrügliche Anweisung zur ewigen Seligkeit?“ So seid ihr heute vom Altar aus gefragt worden. Und wie aus Einem Munde habt ihr geantwortet: ja von Herzen!“ Wir nehmen euch beim Worte. Wir sind der guten Zuversicht: das schöne Bekenntnis, das ihr heute abgelegt vor vielen Zeugen, werdet ihr künftig nicht Lügen strafen, es wird das Bekenntnis eures Lebens bleiben, keine Lockung noch Drohung der Welt wird euch davon abbringen; wir hoffen, in das Wort Gottes, das ihr als Gottes Wort erkannt und bekannt, werdet ihr euch von nun an immer tiefer hineinlernen, hineinbeten, hineinleben und hineinleiden, und wir versichern euch aus eigener, seliger Erfahrung: ihr tut wohl daran, denn es ist eine Kraft Gottes selig zu machen Alle, die daran glauben. So seid denn eingedenk eures schönen Bekenntnisses; Gott hat's gehört und hat sein Amen dazu gedonnert in dem Frühlingsgewitter, das heute über unsere Stadt hinrollte in der Stunde eurer Einsegnung:
Er hat's gehört, was euer Mund gesagt: Ich will an Jesum glauben, Jesum lieben; Er war zugegen, als man euch gefragt, und hat das Jawort in sein Buch geschrieben, Er weißet Alles, was man euch gelehrt, Er hat's gehört! Und hat auch gesehen, was heute, wie bisher, in euren Herzen die Gnade gewirkt hat. „Gott wirkt in euch, die ihr glaubt,“ das gilt gewiss auch heute schon da und dort in einer dieser jungen Seelen. Gewiss, manchem unter euch hat in den Stunden eurer Unterweisung, hat in stillen Gnadenstunden das junge Herz schon gebrannt von süßer Wonne der Andacht, von feurigem Eifer zum Guten, von herzlicher Liebe zum Heiland! Gewiss manchem unter euch hat heut insbesondere Gottes Gnade das Herz gerührt und Gottes Geist die Seele bewegt! Ja, die Gnade Gottes, die am liebsten im Stillen wirkt und im Verborgenen segnet, sie hat an eurer Aller Herzen von dem Tage an, da ihr in der heiligen Taufe dem dreieinigen Gott einverleibt wurdet, durch unzählige Liebeszüge und Segenseindrücke sich verherrlicht und in euer Aller Leben, so kurz es bis jetzt ist, steht's mit goldenen Buchstaben geschrieben: ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Soll das Alles vergebens sein? soll das abfallen wie taube Blüten? Wollet ihr im Fleisch enden, was ihr im Geiste begonnen? Wollet ihr einst mit bitterer Reue und schmerzlichen Gewissensbissen zurückblicken auf den heutigen Tag, auf euren guten Anfang, und euch selber anklagen: wie war ich dazumal so selig! und nun wehe! verirrt, verdorben und verloren!
O wie habt ihr's jetzt noch so gut! Wie Manches unter uns Erwachsenen beneidet euch um eure frische Kraft, um euer leichtes Gewissen, um die edle Gnadenzeit, die noch vor euch liegt. seid eingedenk, Geliebte, eures schönen Anfangs, seid eingedenk des göttlichen Worts, das ihr empfangen, des schönen Bekenntnisses, das ihr bekannt, der edlen Gnade, die in euch zu wirken angefangen!
Ein sterbender Mann lag auf seinem Bett, und wand sich in banger Todesqual, und wand sich, was schrecklicher war, unter den Qualen eines bösen Gewissens. Denn hinter ihm lag ein sündenvolles Leben, gelebt ohne Glauben, ohne Liebe, ohne Gott und vor ihm lag eine Ewigkeit ohne Licht, ohne Trost, ohne Hoffnung. Er wollte beten, aber er konnte nicht; er wollte anders werden, aber es war zu spät. Und während so seine arme Seele umhergehetzt ward von Angstgedanken und Fieberphantasien, siehe, da trat vor sein Gedächtnis ein Tag aus seiner Jugend. Es war ein Frühlingssonntag. Die Sonne schien herein in die volle morgenhelle Kirche. Und in der Kirche stand eine Schaar von festlich gekleideten Kindern um den Altar. Und unter der Schaar stand er selber, der sterbende Mann, als ein frischer, frommer, fröhlicher Knabe. Es war der Tag, der langvergessene Tag seiner Konfirmation. Und der arme, sterbende Mann seufzte tief auf voll heißer Wehmut und das Herz wollte ihm brechen von bitterer Reue: ach, seufzte er, wie war ich dazumal so selig, ach, dass ich mein Leben wieder könnte anfangen von jenem Tag, ach, dass ich nur ein Jahr noch hätte zu leben und das zu halten, was ich damals gelobt, wie wollt ich so fromm leben, wie wollt ich so selig sterben! So seufzte der arme, sterbende Mann; aber es war zu spät; der Todesstoß trat ihm ans Herz. Seine Seele fuhr hinüber in Verzweiflung.
Liebe junge Christen, ihr seid die Glücklichen, die jener sterbende Mann beneidete, bei euch ist's noch nicht zu spät, bei euch ist noch die angenehme Zeit, ist noch der Tag des Heils. Ach, und bei uns Allen, ob wir auch zum Teil schon alt und grau geworden sind in Sünden, bei uns Allen ists noch nicht ganz zu spät, für uns Alle ist heute noch eine angenehme Zeit, ist heute noch ein Tag des Heils, uns Allen kann noch geholfen werden, wenn wir heut als reuige Kinder kommen zu Dem, von heut an als folgsame Kinder bleiben bei Dem, der das gute Werk in uns angefangen hat, das gute Werk in uns vollenden will.
So bleibt nun, bleibt, o bleibt in Ewigkeit,
Lasst euch nichts mehr von Seiner Liebe trennen,
Das ewige Leben ist für euch bereit,
Die aber weichen, müssen ewig brennen!
O seht, wie euch Fluch und Segen treibt!
Bleibt, Kindlein, bleibt! Amen.