Gerok. Karl - Vom christlichen Hausstande - 2. Predigt am 3. Sonntag nach dem Erscheinungsfest.

Gerok. Karl - Vom christlichen Hausstande - 2. Predigt am 3. Sonntag nach dem Erscheinungsfest.

(1859.)

Joh. 2,1-11.
Und am dritten Tage ward eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen. Und da es an Wein gebrach, spricht die Mutter Jesu zu ihm: sie haben nicht Wein. Jesus spricht zu ihr: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen, meine Stunde ist noch nicht kommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: was er euch sagt, das tut. Es waren aber allda sechs steinerne Wasserkrüge gesetzt, nach der Weise der jüdischen Reinigung, und gingen in je einen zwei oder drei Maß. Jesus spricht zu ihnen: füllt die Wasserkrüge mit Wasser. Und sie füllten sie bis oben an. Und er spricht zu ihnen: schöpft nun und bringts dem Speisemeister; und sie brachtens. Als aber der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war, und wusste nicht, von wannen er kam, die Diener aber wusstens, die das Wasser geschöpft hatten, ruft der Speisemeister dem Bräutigam und spricht zu ihm: jedermann gibt zum ersten guten Wein und wenn sie trunken worden sind, alsdann den geringeren, du hast den guten Wein bisher behalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen zu Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.

„Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, und offenbarte Seine Herrlichkeit.“ Fürwahr, ein freundlicher Amtsantritt des Menschenfreunds und Sünderheilands, den wir vor acht Tagen am Jordan investieren sahen und vor vierzehn Tagen als Knaben, das junge Herz schon seines künftigen Berufes voll, im Tempel zu Jerusalem trafen.

Als einst Elias, der gefeierte Prophet des alten Bundes, auftrat unter seinem Volk, was war sein erstes Zeichen? Und es sprach Elia, der Thisbiter aus den Bürgern Gilead, zu Ahab: so wahr der Herr, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe, es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn (1 Kön. 17,1.). Ein Strafwunder ist seine erste Tat; einem schreckhaften Blitz gleicht seine erste Erscheinung; ein rollender Donnerschlag ist seine Antrittspredigt; Dürre und Hungersnot über sein Land drei Jahre lang - das ist seine göttliche Beglaubigung vor allem Volk. Seht da einen Propheten des alten Bundes, einen Mahnboten des Heiligen in Israel, einen Gerichtsdiener des gerechten Gottes, der ein verzehrendes Feuer ist für die sündige Menschheit. Und nun der Mittler des neuen Testaments, wie beginnt der Sein Amt? In einem harmlosen Familienkreis tut Er Seine erste Messiastat. Als ein freundlicher Hochzeitsgast erscheint Er zum erstenmal unter den Leuten. Ein mildes Gnadenwunder ist die erste Offenbarung Seiner Herrlichkeit. Jener verschloss den Himmel, dieser öffnet ihn; jener kündigt Hunger und Durst an, dieser segnet und würzt das Mahl; jener tritt als ein Engel des Zorns in eines gottlosen Königs Palast, dieser kommt als ein Bote des Segens in armer Leute Haus. Seht da den Sohn, der aus des Vaters Schoße kam, den göttlichen Friedestifter und Freudenbringer, den Herold und Abglanz der göttlichen Liebe und Erbarmung, in welchem uns erschien die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, unseres Heilands. Seine Art ist nicht die des Blitzes, sondern die der Sonne. Nicht verdammen, sondern erlösen, nicht töten, sondern lebendig machen, nicht vernichten und verzehren, was irdisch und was menschlich ist, sondern es himmlisch verklären und göttlich verwandeln, wie Er dort zu Kana Wasser in Wein verwandelt hat, darin besteht seine Wundermacht, darauf zielt sein Messiasamt.

„Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, und offenbarte Seine Herrlichkeit.“ Aber es ist nicht das letzte Zeichen dieser Art, das er tat. Noch alle Zeit offenbart Er seine Herrlichkeit in ähnlicher Weise.

Freude und Segen bringt Er noch allezeit ins Haus, mag auch die Welt immer noch Sein Evangelium verschreien als eine harte Rede, die Niemand hören kann, und Ihn selber fürchten als einen Freudenstörer, bei dem man nicht vergnügt sein darf.

Und im häuslichen Kreise, da will Er immer noch vor Allem Sein Messiasamt beginnen, Sein Gnadenreich pflanzen, ob auch Tausende Ihm ihr Haus verschließen und aber Tausende meinen, wenn sie Ihn in der Kirche je und je suchen, und von der Kanzel herab dann und wann hören, so sei das genug Ehre für Ihn und genug Segen für sie. Nein, Geliebte, Jesus soll die Losung sein im Haus wie in der Kirche, hat's in unserer Neujahrsbetrachtung geheißen; von diesem Punkt möchte ich weiter mit euch reden und euch vorstellen:

Jesum als den göttlichen Hausfreund, der immer noch Wasser verwandelt in Wein.

O selig Haus, wo man dich aufgenommen,
Du wahrer Seelenfreund, Herr Jesu Christ,
Wo unter allen Gästen, die da kommen,
Du der gefeiertste und liebste bist;
Wo Aller Herzen Dir entgegenschlagen
Und Aller Augen freudig auf Dich seh'n,
Wo Aller Lippen Dein Gebot erfragen
Und Alle Deines Winks gewärtig steh'n. Amen.

Jesus, der göttliche Hausfreund, verwandelt immer noch Wasser in Wein.

Sechs steinerne Wasserkrüge standen dort im Hochzeithaus zu Kana, alle waren mit Wasser gefüllt bis oben an, aus allen wurde Wein geschöpft, nachdem der Herr sie gesegnet. Sechs Wasserkrüge, wenn ihr mir das Gleichnis erlaubt, stehen in eurem Haus; ohne Jesum habt ihr Wasser drin und nichts weiter, aber Er, der göttliche Hausfreund, verwandelt das Wasser in Wein in allen sechs Krügen. Lasst sie uns nach einander kosten. Der erste Wasserkrug, an dem er Seine Wunder tut, das ist die natürliche Liebe.

1) Er segnet die Bande des Hauses und verwandelt sie in liebliche Bande des Friedens. Jesus und Seine Jünger waren dort auf die Hochzeit geladen und damit kam gewiss eine höhere Weihe über den ganzen Kreis, ein heiliges Band des Friedens umschlang in seiner Gegenwart alle Herzen. Nicht als hätten Braut und Bräutigam einander weniger lieb gehabt, weil Jesus dabei war, ihre Liebe ward unter seinen Augen nur tiefer und inniger, frommer und reiner. Nicht als wären die Hochzeitgäste stumm und fremd einander gegenüber gesessen, weil so ein heiliger Mann in ihrer Mitte saß, vielmehr Seine milde Gegenwart, Sein freundliches Gespräch nahm jeden Bann weg und schloss die Herzen gegen einander auf in herzlichem Zutrauen, wie ein edler Wein das Herz erwärmt, die Gedanken belebt, die Lippen erschließt.

Nicht anders noch heute, Geliebte. Jesus, der göttliche Hausfreund, segnet die Bande des Hauses und verwandelt sie in liebliche Bande des Friedens. Warum sind doch in so manchem Haus die Bande der Liebe gelockert? Man wohnt wohl zusammen und lebt zusammen und speist zusammen und schafft zusammen, aber man hält nicht zusammen, man geht neben einander her ohne herzliches Verständnis, ohne tieferen Einklang der Seelen, stumm, kalt, mürrisch und verdrossen? Warum sieht man in so mancher Ehe die Liebe so gar schnell erkalten, die vor dem Hochzeittag doch so heiß zu lodern schien, als wäre kalt Wasser gegossen über die brennenden Herzen, die einander einst ewige Treue gelobt? Warum fühlen so manche Eheleute das Band, das sie verbindet, nur als ein drückendes Joch, dass der Mann den Tag verwünscht, wo er zur Braut sagte: gib mir deine Hand und dein Herz, und dass die Frau die Stunde beweint, wo sie zum Manne sagte: ich bin dein, auf ewig dein?

Man wird schwerlich zu viel sagen, wenn man behauptet, das sind lauter Häuser, wo es am Hochzeittage nicht hieß: Jesus und Seine Jünger wurden auch geladen; es sind lauter Ehen, auf die man das Wort des Herrn nicht anwenden kann: wo Zwei oder Drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. Es sind Ehen, wo nichts die Herzen zusammengeführt hat als die schnell verflogene Glut einer natürlichen Liebe, oder die kühle Berechnung der weltlichen Klugheit; es sind Häuser, wo nichts die Herzen zusammenhält, als der Zwang des Gesetzes oder die Macht der Gewohnheit oder das gemeinsame Interesse. Wo man freilich in die Ehe tritt ohne Aufsehen auf den Herrn, in gedankenlosem Leichtsinn, als reichte man sich die Hand zum Tanz, als gält es nur, in froher Lust mit einander durchs Leben hinzuschweben, wie durch einen funkelnden Ballsaal; oder wo man in der Ehe neben einander hergeht im niedrigen Fleischessinn irdischen Sorgens und Treibens, wie das Zugvieh unterm Doppeljoch da, meine Lieben, ach da sind allerdings die Bande des Hauses nur eine lästige Fessel, da wird der Ehestand, von dem man sich ein irdisches Paradies geträumt, früher oder später zu einem Wehestand und oft zu einer Hölle auf Erden. Ein tieferer Einklang der Seelen, eine dauernde Harmonie der Herzen, die kann nur da sich finden, wo die natürlichen Bande des Hauses eine höhere Weihe empfangen, wo Mann und Frau eins sind in einem tieferen Grund, auf dem sie beide stehen, in dem Grund gemeinsamer Furcht und Liebe des Herrn; wo sie eins sind in einem höheren Ziel, dem sie mit einander entgegenwallen, dem Ziel gemeinsamer Veredlung und christlicher Vollkommenheit, wo sie eins sind mit Einem Wort in dem Herrn, sei's dass sie Ihn schon im Glauben gefunden, sei's dass sie ihn doch aufrichtig suchen. Nur da ist gegenseitige Achtung, wo Eins im Andern eine von Gott geschaffene, durch Christum erlöste, für den Himmel berufene Seele ehrt; nur da ist gegenseitige Schönung, wo Jedes in christlicher Demut seiner eigenen Schwäche sich bewusst ist; nur da ist gegenseitige Liebe, wo man himmlisch gesinnt mit einander und in einander noch etwas höheres liebt, als Fleisch und Blut, das Ewige, das Göttliche, das höchste Gut, den Herrn.

Darum, wäre heute ein Brautpaar hier unter uns, so würde ich bitten: ihr Geliebten, ladet Jesum mit zur Hochzeit, tretet nicht ohne ernstliches Aufsehen zum Herrn in euren Ehestand ein. Du, Jüngling, führe keine Braut heim, der zum äußeren Schmuck des Reichtums oder der Schönheit oder des Anstands der innere Herzensschmuck fehlt, der fromme, sanfte und stille Geist, der köstlich ist vor Gott. Du, Mädchen, lege dein Lebensglück in keines Mannes Hand, vor dem du dein Innerstes und Heiligstes verheimlichen musst, deinen Glauben, dein Gebet, dein besseres Ich, deine unsterbliche Seele; von dem du einen spöttischen Blick oder ein rohes Wort fürchten musst, wenn du von deinem Gott und Heiland sprichst.

Und wären unglückliche Eheleute unter uns, die möcht ich bitten: ihr Lieben, nehmt den Herrn zum Hausfreund an und lasst Ihn den Dritten in eurem Bunde sein. Habt ihr bei eurer Hochzeit versäumt, Ihn einzuladen, und ohne Gott bisher eure Ehe geführt, es ist heute noch Zeit, Ihn zu bitten, Er kehrt heute noch ein, wenn ihr miteinander vor Ihm euch beugt. Seid ihr aus einander gekommen in Lauheit, Kaltsinn, geheimer Verstimmung oder offenem Zerwürfnis, nehmt Ihn zum Mittler und Versöhner. Im Namen Jesu Christi, den ihr doch tragt als ein christlich Ehepaar, in Erinnerung an Seinen Altar, vor dem ihr miteinander gekniet, im Blick auf Sein Wort, das doch gewiss in eurem Hause nicht fehlt, vielleicht ist's die Hochzeitbibel, im Gedanken an Seinen Richterstuhl droben, dem ihr mit einander entgegengeht, reicht einander die Hand zu Frieden und Liebe.

Und ihr Alle, die ihr beisammen wohnt und zusammen lebt als Hausgenossen, Mann und Frau, Alt und Jung, Herrschaft und Gesinde lasst Ihn mitten unter euch sein mit Seinem Geist, blickt zu Ihm täglich empor als zu eurem gemeinsamen Haupt, um Seinetwillen liebt einander und dienet einander und vertragt einander und vergebt einander.

Und wenn eurer Liebeskette Festigkeit und Stärke fehlt,
O so flehet um die Wette, Bis sie Jesus wieder stählt.

Er segnet die häuslichen Bande und verwandelt sie in liebliche Bande des Friedens. Heißt das nicht Wasser verwandeln in Wein. Und

2)

Er segnet die Freuden des Hauses und verwandelt sie in wahres Vergnügen.

Gewiss, es ist auch vergnügt hergegangen beim Hochzeitsmahl zu Kana. Nicht als ein finsterer Freudestörer saß Jesus da, vor dem man eines heiteren Gesichts, eines fröhlichen Wortes sich schämen musste. Das unterschied Ihn ja von einem eifernden Elias, von einem strengen Täufer Johannes, dass Er als der Menschenfreund erschien, der fröhlich war mit den Fröhlichen, wie er weinte mit den Weinenden, der nicht Furcht und Zittern, sondern Friede und Freude bringen wollte, wohin Er kam. Aber die Hochzeitfreude zu Kana war gewiss auch keine ausgelassene Freude, kein üppiges Prassen, kein unsauberes Scherzen, kein lärmendes Jubeln, sondern es war eine würdige, eine mäßige, eine christliche Freude, eine Freude vor dem Herrn und in dem Herrn.

O meine Lieben, dass wir's auch machten, wie die guten Leute zu Kana, und den Herrn einlüden zu unseren häuslichen Freuden und Ihn vor Augen hätten in unsern frohen Stunden. Glaubt doch ja nicht, er würde euch den Freudenbecher vom Mund nehmen und auf den Boden schütten, nein, nur segnen möchte Er ihn und das Wasser darin in Wein und das Gift darin in einen Heilstrank verwandeln. Oder gesteht selbst: die Freuden, womit ihr euer armes Erdenleben schmückt, die Feste, womit ihr euch schadlos haltet für eure sauren Werktage sind's nicht oft recht wässerige Freuden? Geistlose Freuden, einem schalen Wasser zu vergleichen, das wohl vielleicht gefärbt ist, wie Wein, aber keinen Geist und keine Kraft hat; gemeine Freuden, einem schmutzigen Wasser ähnlich, das wohl dem Vieh zur Tränke dienen sollte, aber nicht einem vernünftigen Menschen; giftige Freuden sogar, einem gebrannten, dazu verfälschten und vergifteten Wasser gleich, das Schmerzen verursacht im Kopf und Stiche zurücklässt im Herzen.

So eine Hochzeitfreude in Saus und Braus, aber ohne einen innigen Aufblick gen Himmel, ohne ein kindliches Gebet: O Herr, hilf, o Herr, lass wohl gelingen; so eine Geburtstagsfreude mit Kränzen und Geschenken, aber ohne ein dankbares: lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was Er dir Gutes getan; so eine Christtagsfreude mit funkelnden Lichtern und reicher Bescherung, aber ohne einen Gedanken an die Engelsbotschaft: euch ist heute der Heiland geboren; so eine Sonntagsfreude mit Putz und Staat und Eisenbahnfahrt, aber ohne einen Aufblick zu dem Herrn, dem dieser Tag gehört, ohne einen Labetrunk aus Gottes Wort für die arme, schmachtende Seele; so eine Tauf- und Konfirmationsfreude mit Kirchgang und Schmaus, aber ohne eine Erinnerung an die ernste Bedeutung des Tages; so eine Tischfreude mit gut Essen und Trinken, aber ohne ein herzliches: komm, Herr Jesu, sei unser Gast! so eine Ernte- und Herbstfreude mit Pulverknall und Feuerwerk, aber ohne die Mahnung im Herzen: dankt dem Herrn, denn Er ist freundlich; so ein geselliges Vergnügen mit süßem Kuchen und eitlem Geschwätz, aber ohne ein vernünftiges Wort, ohne ein Brosamlein Nahrung für Geist und Herz. O sagt selbst, Geliebte, was habt ihr im Grunde für Genuss von diesen Freuden? Was bleibt euch davon am andern Morgen, als ein verwüstetes Haus, ein geleerter Beutel, ein schläfriger Kopf, ein verdrossenes Herz - wo nicht gar vielleicht ein böses Gewissen? Und das kann nicht anders sein, denn ihr meintet Wein zu kosten und habt Wasser getrunken, schales, vielleicht schmutziges oder gar vergiftetes Wasser.

Wie ganz anders in einem Hause, wo man sich freut vor dem Herrn und in dem Herrn. Wo man bei jedem Glück eingedenk ist des Gebers, von dem alle gute und alle vollkommene Gabe kommt; wo man auch in vergnügter Stunde nicht vergisst: Gott ist gegenwärtig; wo man auch in Scherz und Lust eingedenk bleibt seines Menschenadels und seiner Christenwürde; wo man auch mitten in der Freude nicht erschrecken müsste, wenn Jesus einträte, der himmlische Gast, mit Seinen Jüngern, mit Seinem sanften Johannes, der da spricht: die Welt vergeht mit ihrer Lust, 1. Joh. 2,7., mit Seinem ernsten Petrus, der da mahnt: alle Herrlichkeit der Menschen ist wie des Grases Blume, 1. Petr. 1,24., mit Seinem strengen Jakobus, der warnt: der da reich ist, der berühme sich seiner Niedrigkeit: denn wie eine Blume des Grases wird er vergehen, Jak. 1,10., mit Seinem treuen Paulus, der da bittet: freut euch in dem Herrn! Phil. 4,4.; und wo man von jeder weltlichen Unterhaltung endlich mit gesundem Sinn und unverdorbenem Geschmack doch immer wieder zurückkehrt zur besten Seelenwaide und Herzensspeise, zu Gottes Wort; da, meine Lieben, da wird das Wasser in Wein verwandelt, da werden die Freuden des Hauses zu einer Stärkung für Leib und Seele, davon man frisch und fröhlich wieder ans Tagewerk geht, da wird jede irdische Freude zu einem Vorschmack jener ewigen, lauteren, himmlischen Freude, davon es heißt:

Da ist Freude, Da ist Weide,
Himmlisch Manna Und ein ewig Hosiannah.

Und da, meine Lieben, kommt dann auch ein dritter Segen hinzu vom Herrn:

3)

Er segnet die Sorgen des Hauses und verwandelt sie in fromme Gebete.

Es ist eine Verlegenheit eingetreten dort im Hochzeithaus zu Kana, der Wein ist ausgegangen. Der Speismeister sagt es dem Bräutigam ins Ohr. Der wird rot und bespricht sich in der Stille mit dem Brautvater. Die Gäste flüstern und fragen einander, was es gibt? Die Verlegenheit ist groß, guter Rat ist teuer. Aber Eine Seele ist da, die trägt auf mütterlichem Herzen die gemeinsame Sorge des Hauses und geht still und geräuschlos damit vor die rechte Tür. Und da es an Wein gebrach, spricht die Mutter Jesu zu Ihm: „sie haben nicht Wein.“ Und wird sie auch zunächst aufs Warten verwiesen mit der strengen Antwort: „meine Stunde ist noch nicht gekommen“, sie wartet nun ruhig, sie ist nun getrost, denn sie weiß, ihr Anliegen ist wohl aufgehoben im Herzen Dessen, der zum Helfen beides hat, den Willen und die Macht, und beides wählen wird, die rechte Art und die beste Zeit. - O wohl dem Haus, wo man diese Türe kennt, diesen Weg geht, den Maria dort ging. Sorgen und Anliegen gibt's ja in jedem Haus. Da gibt's Nahrungssorgen, Elternsorgen, Amtssorgen, Sorgen aller Art. Da gibt's Pläne, die man im Kopf, und Wünsche, die man im Herzen trägt. Da gibt's Hoffnungen, die man erfüllt, und Befürchtungen, die man gehoben wünscht. Da gibt's Verlegenheiten, darin man Rat, Unternehmungen, zu denen man Hilfe braucht. wie nistet sich da oft ein unruhiger Sorgengeist ein im Haus, wie werden da die Leute oft umgetrieben Tag und Nacht von ihren Wünschen und Entwürfen. Da geht dann der Eine still und verschlossen einher mit gesenktem Kopf und frisst seine Sorgen in sich hinein; der Andre wird heftig und verdrießlich und lässt Frau und Kind und Gesinde büßen, was ihn umtreibt; der Dritte sucht seine Zerstreuung außer dem Hause und lässt Amt und Geschäfte liegen; ein Vierter fragt bei Menschen um Rat, macht's Diesem und Jenem nach, vertraut auf sein Glück und sucht sich zu helfen mit gewagten Spekulationen und Keiner von Allen kommt zur Ruhe und zum Frieden. Aber, ihr Lieben, warum geht ihr denn nicht zu dem göttlichen Hausfreunde, „Der muss zu allen Dingen, Soll's anders wohl gelingen, Selbst geben guten Rat und Tat?“ Warum greift ihr nicht zu dem rechten Hausmittel gegen die Sorgen, das heißt: alle eure Sorge werft auf Ihn, denn Er sorgt für euch? Der Gebetsgeist, ja der vertreibt den Sorgengeist. Hast du's noch nie erfahren, lieber Hausvater, wenn du am Morgen aufstandest mit schwerem Herzen und einem sauren Tagewerk entgegengingst und hast deinen Morgensegen gebetet inmitten der Deinen, wie da während des Gebets ein Friede kam über deine Stube, als ginge ein Engel durchs Zimmer, und eine Freudigkeit kam in dein Herz, als ob Gott selber dir einen Morgentrunk reichte von Seinem himmlischen Freudenwein? Oder wenn du am Abend recht müdgehetzt heimkamst, recht kummervoll dich niederlegtest, und hast vor Schlafengehen noch dein beladenes Herz ausgeschüttet vor dem Herrn - ist dir's da nicht oft noch himmlisch wohl geworden als träte dein Heiland als göttlicher Hausfreund noch zu guter Letzt in deine Kammer und spräche: fürchte dich nicht, denn Ich bin mit dir, weiche nicht, denn Ich bin dein Gott? Oder wenn dich irgend ein Plan, ein Wunsch, ein Unternehmen lang umhergetrieben hat, und du wusstest keinen Rat, ist dirs nicht leicht ums Herz geworden von dem Augenblick an, da du's im Gebete dem Herrn vorgetragen und gesprochen: nicht mein, sondern Dein Wille geschehe? Luk. 22, 42.

Darum selig ein Haus, wo neben allen Kammern und Gelassen ein Plätzlein nicht fehlt: das Gebetskämmerlein, der Gebetswinkel, da man mit einander vor Gott tritt oder einsam vor dem Herrn kniet. In Kana dort war's Eine Seele, die für Alle bat; es war Marias mütterliches Herz. - Es ist heute noch so in vielen Häusern, dass es die Frau ist, die für Alle beten muss, die Hausmutter, die an allen Sorgen am schwersten trägt, die von Allen im Haus allein den rechten Weg einschlägt mit ihren Sorgen, den Weg zum Herrn. Werde nicht müde, du betende Mutter Maria! dankt dir's auch kein Mensch im Haus, ja musst du vom Herrn selber manchmal die Antwort vernehmen: meine Stunde ist noch nicht kommen, halte an am Gebet.

Es ist doch nicht umsonst:

Wenn die Stunden Sich gefunden,
Bricht die Hilf' mit Macht herein.

Du aber, o Mann, um das Eine lass dich bitten, mach deiner Frau das Beten nicht schwer, nicht daheim und nicht in der Kirche, nicht mit Spotten und nicht mit Schelten. Ihr Gebet kommt dir zu gut, dir und deinen Kindern, deinem Haus und deinem Gewerbe, deinem Leib und deiner Seele. - Drum mach ihr es nicht schwer, das ist das Wenigste, um was man dich bitten darf, das Wahre aber, was man von dir fordern muss, ist: mach's ihr nach, steh mit an, bete mit, gedenke deiner Pflicht als christlicher Hausvater, als geborener Hauspriester, tu wie Jairus, wie der Hauptmann von Kapernaum, komm selber betend vor den Herrn. Ja, Geliebte, miteinander und für einander kommet zum Herrn. Er verwandelt die Sorgen des Hauses, die Seufzer des Herzens in fromme Gebete, die gen Himmel steigen und Himmelskräfte herunter holen.

Ist euch irgend Hilfe nötig, Klopft nur an, Er ist zu Haus
Und zu jeder Hilf erbötig, Schüttet euer Herz nur aus.

Glaube Keines, über dem Gebet komme die Arbeit zu kurz. Nein, „bete und arbeite“ heißt's auch im Christenhaus. Und das ist ein weiterer Segen des göttlichen Hausfreunds:

4)

Er segnet die Geschäfte des Hauses und verwandelt sie in lauter Gottesdienst. „Was Er euch sagt, das tut,“ spricht Maria zu den Dienern im Hochzeithaus. Horcht aufmerksam auf seinen Wink, tut pünktlich nach seinem Befehl, dann wird Alles recht werden, dann wird Alles gut gehen.

„Was Er euch sagt, das tut.“ O, meine Lieben, das ist ein goldenes Wort, nicht nur für die Diener, sondern für Jedes im Haus. Vielerlei Geschäfte gibt's in einem Haus, jeder Stand hat seine Plage, und wie schwer wird uns oft dieser ewige Kreislauf der Geschäfte, da man immer wieder denselben Krug zum Wasser trägt: dem Landmann sein Hacken und Graben, dem Geschäftsmann sein Rechnen und Schreiben, der Mutter ihre Haushaltung und Kinderlast, dem Kinde sein Lernen und Gehorchen, dem Gesinde sein Dienen und Aufwarten. Wie scheint da unser Tagewerk uns bald zu armselig und gering, bald zu groß und schwer; wie blickt da so oft Eins aufs Andere mit Neid oder Unzufriedenheit und spricht: wär ich an deinem Plat! Wie sehnen wir uns da so oft, ausgespannt zu werden, und seufzen: es ist genug!

Aber wie ganz anders wird das Alles, wenn wir's uns gesagt sein lassen: „was Er euch sagt, das tut;“ wenn wir unsern Stand ansehen als einen vom Herrn uns angewiesenen und unser Tagewerk verrichten im Aufsehen auf Ihn, der gesprochen: das ist meine Speise, dass ich den Willen tue Des, der mich gesandt hat, und vollende Sein Werk; dann wird uns auch der schwere Beruf leicht, auch der geringe Stand heilig, auch das widerwärtige Geschäft erträglich.

Ihr Herrschaften, was Er euch sagt, das tut; bedenket, dass ihr auch einen Herrn über euch habt, Seine Zeugnisse lasst eure Ratsleute, Seine Gebote lasst eure Richtschnur sein, weidet Seine Schafe, weidet Seine Lämmer, und ihr werdet eurem Haus und Geschäfte wohl vorstehen. Ihr Knechte und Mägde, was Er euch sagt, das tut; um Seinetwillen tut euren Dienst, sei er auch mühsam; Ihm zu lieb gehorcht eurer Herrschaft, wäre sie auch wunderlich, und siehe, euer Geschäft, wie niedrig es auch sei, euer Holzholen und Wassertragen, euer Waschen und Kehren, es wird ein Ehrenamt, ein Gottesdienst. Ihr Vielgeplagten und Umgetriebenen, was Er euch sagt, das tut; aus eurem Geschäftsgedränge und Haushaltungslärm schicket oft einen gläubigen Blick, einen betenden Seufzer zum Herrn, und siehe, aus seinem Auge trifft euch ein Gnadenblick ins unruhige Herz, dass es wieder stille wird; aus Seinem Himmel weht euch ein Friedenslüftlein um die heiße Stirn, dass ihr erquickt werdet mitten in des Tages Last und Hitze.

Ihr Einsamen und Verborgenen, was Er euch sagt, das tut; denkt: auch auf meinem einsamen Pfad ist Er bei mir als der beste Freund; auch in meinem stillen Jungfrauenstübchen oder Witwenkämmerlein kann ich Ihm dienen und besser vielleicht als in einem lärmenden Haushalt, und Ihm mein Herz zur Wohnung schmücken als dem liebsten Gast, wenn kein anderer darin wohnen will. Und einst in Seinem Himmel, da werd ich auch Gesellschaft haben, da werd ich auch Freunde finden, alle Seligen und Verklärten. Kurz, meine Lieben, wer ihr seid und wo ihr steht was Er euch sagt, das tut, dann wird euch euer Stand schön und eure Arbeit lieb und euer Tagwerk gesegnet sein. „Wo ist ein Herr, der so an seinen Knechten tut? Der Herr ist gut.“ Er verwandelt Seinen Knechten Wasser in Wein; Er erhebt jedes Geschäft des Hauses zu edlem Gottesdienst. Und Er tut noch mehr:

5)

Er segnet die Leiden des Hauses und verwandelt sie in himmlischen Gewinn. Ein Wasserkrug, meine Lieben, der fehlt in keinem Haus, in des Fürsten Palast so wenig als in des Taglöhners Hütte, und er ist oft bis zum Rande voll: das ist der Tränenkrug der Trübsal. Ein Becher wird keinem Erdenbürger erspart; steht er auf dem Hochzeittisch noch nicht, so kommt er später: das ist der bittere Kelch der Leiden. Jedes Haus hat sein Kreuz, auch das, dem mans von außen nicht ansieht. In Kana dort war's Mangel und Armut, was schon die Hochzeitfreude trübte, und so wird noch in manchem Haus das Brot der Armut gegessen von Jahr zu Jahr und der Wasserkrug steht auf dem Tisch am Sonntag wie am Werktag. In einem andern Haus ist's das Hauskreuz Hiobs: Krankheit und Siechtum hat sich eingenistet und lastet schwer auf Leib und Seel. In einem dritten Haus ist's das Hauskreuz eines David, der Kummer um missratene Kinder, verlorene Söhne, unglückliche Töchter, der an der Eltern Herzen nagt. In einem vierten Haus ist's das Hauskreuz eines Jairus: der Todesengel ist eingetreten und hat ein geliebtes Herz gebrochen, des Hauses Schmuck und Krone hinweggenommen, wie jetzt in so manchem Haus unserer Stadt, wo eben in diesen Tagen die Totengräber so viel Arbeit haben und die Gärtner kaum Blumen genug schaffen können zum Schmuck der Särge. Aber, ihr Betrübten Alle, es gibt einen Hausfreund, der verwandelt auch das Tränenwasser in Freudenwein, der mischt auch in den herbsten Kelch der Trübsal ein süßes Tröpflein des Trostes, der segnet auch dem armen Mann seinen Wasserkrug, dass er zufriedener dabei ist als der Reiche beim schäumenden Champagnerkelch, der segnet dem fleißigen Weingärtner seinen Weinberg und verwandelt ihm Wasser in Wein und schenkt ihm nach sieben Fehljahren wieder ein paar gesegnete Herbste, dass er sich erholen kann. Der segnet dem Kranken sein Krankenbett, dass, ob auch der äußere Mensch verwest, der innere von Tag zu Tag erneuert wird in Glauben, Hoffnung und Geduld. Der segnet weinenden Eltern, betrübten Witwen, verwaisten Kindern ihre Tränen, dass sie zu Perlen werden, zu Perlen eines frommen Glaubens, einer himmlischen Liebe, einer seligen Hoffnung. Es ist derselbe, der zu Kana Wasser in Wein verwandelte und zur Witwe zu Nain sprach: weine nicht! O dass er einziehen dürfte in jedes Trauerhaus, dieser göttliche Tröster der Betrübten, dieser himmlische Freund der Mühseligen und Beladenen! Bei der Welt heißt's: Leid auf Freude, die gibt zuerst den guten Wein, dann, wenn sie trunken sind, den geringeren; bei ihm aber heißt's: Freud auf Leid, durch Leiden zur Herrlichkeit: Er gibt zuerst das bittere Wasser der Trübsal, dann den süßen Kelch der Gnaden, den Kelch himmlischen Trostes schon hier, den Kelch ewiger Freuden dort oben. Darum

Was Gott tut, das ist wohlgetan! Muss ich den Kelch gleich schmecken,
Der bitter ist nach meinem Wahn, Lass ich mich doch nicht schrecken,
Weil doch zuletzt Ich werd ergötzt
Mit süßem Trost im Herzen; Da weichen alle Schmerzen.

Und so, Geliebte, bleibt auch der sechste Segen nicht aus von Jesu, dem göttlichen Hausfreund:

6)

Er segnet die Erfahrungen des Hauses und verwandelt sie in lauter Glaubensstärkung.

„Jesus offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn.“ Das ist der Schluss unserer Erzählung. Und, meine Lieben, was ist denn die Summa aller Erfahrungen die wir in unserem Hause machen durften vom Hochzeittag bis hierher? Ist's nicht auch, dass der Herr uns Seine Herrlichkeit offenbarte, Seine helfende Allmacht, Seine segnende Güte, Seine erziehende Weisheit, Seine züchtigende Gerechtigkeit, Seine verzeihende Gnade, aber immer Seine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit? Und was soll denn die Frucht sein in einem Christenhaus von all diesen Offenbarungen Seiner Herrlichkeit, von all diesen Erfahrungen Seines Naheseins in Freud und Leid? Ist's nicht der Glaube an Ihn? der lebendige, tröstliche, demütige, mutige Glaube an Ihn als unsern Herrn und Heiland, als unsern Freund und höchstes Gut? Jenen Hochzeitleuten dort zu Kana offenbarte sich Seine Herrlichkeit schon am Hochzeittag; wir sind vielleicht der Totenbahre näher als dem Traualtar: haben wir denn auch Seine Herrlichkeit schon erkannt? Seine Jünger dort glaubten an Ihn aufs erste Zeichen; wir haben schon so viel Zeichen Seiner Wunderliebe erfahren, und wie Viele glauben denn recht an Ihn? O Du großer Wundertäter, Du Verwandler der Natur, tue Deine Wunder auch in unsern Herzen. Wandle auch da Wasser in Wein, Unglauben in Glauben, Schwachheit in Kraft, Trägheit in feurigen Eifer, Kaltsinn in brennende Liebe. Zeige uns Deine Herrlichkeit von weitem im Glauben, bis wir sie einst schauen dürfen mit aufgedecktem Angesicht. Kehre als der beste Hausfreund bei uns ein hienieden, im Hochzeithaus wie im Trauerhaus, und verwandle es in eine Friedenshütte, bis Du uns droben im ewigen Vaterhaus um Dich versammelst zum himmlischen Hochzeitmahl.

O selig Haus, wo Du die Freude teilest, Wo man bei keiner Freude Dein vergisst! O selig Haus, wo Du die Wunden heilest, Und Aller Arzt und Aller Tröster bist! Bis Jeder einst sein Tagewerk vollendet, Und bis sie endlich Alle ziehen aus Dahin, woher der Vater Dich gesendet, Ins große, freie, schöne Vaterhaus! Amen.

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